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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 3 U 41/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 148
BGB § 150 Abs. 1
BGB § 151
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 41/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.09.2006

Verkündet am 20.09.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06.09.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03.02.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az.: 6 O 345/05 -, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf rückständige Miete aus einem nach seiner - des Klägers - Behauptung zustande gekommenen Vertrages in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 03.02.2006 mit folgenden Maßgaben Bezug genommen: Auf den Inhalt des Schreiben des Klägers vom 26.02.2002, das im Tatbestand sehr verkürzt wiedergegeben worden ist, wird ergänzend verwiesen (Bl. 9 f GA). Außerdem ist klarstellend hinzuzufügen, dass in dem Schreiben des Klägers vom 24.08.2004 entgegen der Darstellung durch das Landgericht das Wort "Kündigung" nicht enthalten ist. Der Kläger hat darin ausgeführt, er sei aufgrund der einmaligen Zahlung von 200,00 € davon ausgegangen, der Beklagte habe der Nutzung des Grundstücks zugestimmt. Seit dem 11.04.2004 seien keine weiteren Zahlungen eingegangen. Weiter hat der Kläger darin ausgeführt: "Aus diesem Grund erkläre ich hiermit die zwischen uns getroffenen Nutzungsvereinbarung ab sofort für gegenstandslos und untersage ich Ihnen hiermit ausdrücklich jede weitere Nutzung des Grundstücks". Schließlich hat der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, die einmalige Zahlung von 200,00 € sei für den Monat Februar 2002 erfolgt, weil er in diesem Zeitraum das Grundstück genutzt habe.

Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, zwischen den Parteien sei ein Mietvertrag geschlossen worden. Die Zahlung des Beklagten könne nur so verstanden werden, dass er auch das Grundstück in der Folgezeit nach Februar 2002 habe entgeltlich nutzen wollen. Der Kläger habe sich an sein Angebot trotz Fristablauf gebunden gefühlt. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und rügt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen Rechtsfehler des Landgerichts. Zum einen habe das Landgericht verkannt, dass die Einstellung der Nutzung durch ihn bereits Ende Februar 2002 in erster Instanz unstreitig gewesen sei. Im Übrigen sei ein Mietverhältnis nicht zustande gekommen. Die Annahmefrist sei verstrichen gewesen. Der Kläger habe aber weder eine Verlängerung erklärt, noch erklären können. Auch habe er, der Beklagte, keine - auch nur konkludente - Willenserklärung zum Abschluss eines Mietvertrages abgegeben. Sein Gesamtverhalten könne nur so verstanden werden, dass er lediglich für den Nutzungszeitraum Februar ein Entgelt haben entrichten wollen. Im Übrigen rügt der Beklagte, dass das Landgericht Zinseszinsen zugesprochen habe.

Er beantragt nunmehr sinngemäß,

unter Abänderung des am 03.02.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 6 O 345/05, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag das angefochtene Urteil für richtig. Er bestreitet nunmehr mit Nichtwissen die Einstellung der Nutzung durch den Beklagten im Februar 2002 und behauptet, ihm sei die Nutzungseinstellung jedenfalls nicht zur Kenntnis gegeben worden. Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe durch die Zahlung von 200,00 € die Annahme eines Mietvertrags erklärt. Es sei davon auszugehen, dass er - der Kläger - die ursprünglich gesetzte Frist stillschweigend verlängert habe. Jedenfalls aber habe er das ansonsten neue Angebot des Beklagten angenommen. Er behauptet außerdem, die von ihm erteilte Quittung habe auf Angaben des Beklagten beruht. Dieser habe dem Inhalt der Quittung nie widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.

Einen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentgelt für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 24.08.2004 hat der Kläger weder aus einem entsprechenden Vertrag, noch wegen unberechtigter Nutzung. Ansprüche auf Nutzungsersatz scheiden bereits deshalb aus, weil der Kläger nicht vorgetragen hat, dass der Beklagte im genannten Zeitraum das Grundstück genutzt habe. Das Bestreiten eines bestimmten Räumungszeitpunkts ersetzt keinen konkreten Vortrag zur Art und Dauer einer etwaigen Nutzung durch den Beklagten.

Ein Mietverhältnis (§ 535 BGB) ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Dieses setzt einen Vertrag voraus, der durch Angebot und Annahme geschlossen wird. Bei Antrag und Annahme handelt es sich jeweils um Willenserklärungen, die gemäß § 133 BGB auszulegen sind. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - wie hier - ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert aus der Sicht des jeweiligen Empfängerhorizonts maßgeblich. Eine Willenserklärung ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Diese Grundsätze gelten auch für konkludente Willenserklärungen, die allerdings zusätzlich das Bewusstsein des Handelnden voraussetzen, dass eine Willenserklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist. Da das Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil der Willenserklärung ist, kann schlüssiges Verhalten auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat. Dies setzt jedoch voraus, dass er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der andere Teil es auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur: Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 133, Rz. 9 ff).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt bereits ein Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages nicht vor. Ein Angebot muss alle notwendigen Bestandteile des abzuschließenden Vertrages enthalten, so dass der Annehmende es nur noch bejahend anzunehmen braucht. Dem Schreiben des Klägers vom 26.02.2002 vermag der Senat den notwendigen Inhalt für ein Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages nicht zu entnehmen. Das Wort "Miete" oder "Mietvertrag" wird ebenso wenig verwendet wie eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Regelung eines zukünftigen Verhältnisses erfolgt. Der Kläger verweist vielmehr auf die Vergangenheit und macht geltend, der Beklagte habe das Grundstück bislang unberechtigt genutzt. Deshalb müsse er ihn auffordern, "für den Zeitraum seit dem 01.02.2002" ein Nutzungsentgelt zu überweisen. Die ersten beiden Absätze des Schreibens beziehen sich ausschließlich auf die zurückliegende Zeit. Im nächsten Absatz macht der Kläger darauf aufmerksam, dass er vorhabe, das Grundstück zu veräußern, was ebenfalls nicht für den Abschluss eines in die Zukunft gerichteten längerfristigen Vertrages spricht. Sodann droht er an, mangels Zahlungseingangs innerhalb von drei Wochen mit gerichtlicher Hilfe gegen die Nutzung seitens des Beklagten vorgehen zu wollen. Der letzte Absatz hat schließlich mit dem Nutzungsverhältnis nichts mehr zu tun. Allein das Wort "monatlich" im zweiten Absatz des Schreibens mag darauf hindeuten, dass der Kläger bereit war, das Grundstück zunächst dem Beklagten weiter zur Nutzung zu überlassen, unter der Voraussetzung, dass dafür monatlich 200,00 € gezahlt würden. Damit ist aber nicht erkennbar geworden, dass der Kläger sich seinerseits vertraglich für die Zukunft mit allen Verpflichtungen eines Vermieters binden wollte. Dem steht vielmehr die ausdrücklich erklärte Absicht zur Verwertung des Grundstücks entgegen.

Da das Schreiben auch so verstanden werden konnte, der Kläger wolle bis auf Weiteres bedingt die Nutzung durch den Beklagten dulden, ohne diesem ein ausdrückliches Recht zuzugestehen, ist ein Angebot auf Abschluss eines bindenden Vertrages aus der Sicht des Erklärungsempfängers, des Beklagten, nicht anzunehmen.

Selbst wenn der Beklagte das Schreiben aber als Angebot auf Abschluss eines Mietvertrags verstanden haben sollte, so hätte er es nicht wirksam angenommen. Die Annahme war gemäß § 148 B BGB nur innerhalb einer bestimmten Frist möglich, weil der Kläger klar mitgeteilt hatte, dass er eine Antwort innerhalb von drei Wochen erwartete. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte weder eine ausdrückliche Erklärung abgegeben, noch eine Handlung vorgenommen, die auf einen Annahmewillen schließen lassen könnte. Der Kläger hat auch nicht etwa auf die Annahme gemäß § 151 BGB verzichtet. Er hat lediglich zu erkennen gegeben, dass er neben einer Zahlung innerhalb der Frist keine weitere Erklärung erwartete. Damit ist aber kein vollständiger Verzicht auf eine Annahmeerklärung ausgedrückt, sondern nur eine Begründung dafür, dass die Zahlung als Annahmeerklärung angesehen werde.

Der Kläger hat die Frist für die Annahme nicht verlängert. Bis zum Ablauf der Frist hat auch er keine Erklärung abgegeben. Die Tatsache, dass er nicht unmittelbar nach Fristablauf gegen den Beklagten vorgegangen ist, kann nicht als stillschweigende Verlängerung der Erklärungsfrist angesehen werden, weil Untätigbleiben keinen hinreichenden Aussagewert hat. Für den Beklagten als Erklärungsempfänger konnte sich aus dem Nichthandeln des Klägers unmittelbar nach Fristablauf jedenfalls nicht erschließen, ob ihm dieser eine längere Überlegungsfrist (bis wann?) einräumen wollte und sich weiter an sein Angebot gebunden hielt. Das Untätigbleiben kann verschiedene Ursachen haben, die hier nach außen nicht ersichtlich geworden sind. Auch der Kläger selbst hat nicht vorgetragen, wie er sich den weiteren Verlauf der Angelegenheit in diesem Zeitraum vorgestellt haben will.

Der Beklagte hat nach Fristablauf keine Annahme, die als neues Angebot gemäß § 150 Abs. 1 BGB zu werten wäre, mehr erklärt, die ihrerseits vom Kläger hätte angenommen werden können.

Eine verspätete Annahmeerklärung aus der Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger vermag der Senat nicht festzustellen. Ausdrückliche Erklärungen hat der Beklagte unstreitig nicht abgegeben. Er hat vielmehr unmittelbar im Anschluss an das Schreiben des Klägers die Nutzung des Grundstücks beendet. Das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen in zweiter Instanz ist unzulässig. Die Nutzung des seiner Verwaltung unterliegenden Grundstücks, das er bereits in Besitz genommen hatte, war Gegenstand eigener Wahrnehmungen bzw. Wahrnehmungsmöglichkeiten des Klägers. Wie er selbst ausgeführt hat, war ihm bekannt geworden, dass der Beklagte das Grundstück nutzte, weshalb er ihn entsprechend angeschrieben hat. Demnach war der Kläger auch ohne weiteres in der Lage zu erkennen, ob das Grundstück in der Folgezeit gemäß seinem Anschreiben geräumt wurde. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist deshalb unzulässig. Im Übrigen wäre ein Bestreiten in zweiter Instanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, zumal der Kläger für das verspätete Vorbringen keinen Grund benannt hat.

Weiter unstreitig ist, dass der Beklagte jedenfalls bis zum 11.04.2002 keine Zahlung geleistet hat. Die Umstände der Zahlung vom 11.04.2002 sind unklar geblieben. Der Kläger hat zunächst nicht vorgetragen, was der Beklagte gegebenenfalls zu dieser Zahlung erklärt hat. Er hat sich lediglich auf die von ihm selbst ausgestellte Quittung bezogen. Erst im Berufungsverfahren trägt der Kläger vor, die Angaben in der Quittung habe der Beklagte nicht bestritten und sie hätten "den diesbezüglichen Angaben des Beklagten entsprochen". Da der Kläger sich damit auf eine Willenserklärung des Beklagten aufgrund der Umstände dieser Zahlung beruft, hätte es ihm oblegen, die näheren Umstände darzulegen, aus denen sich ein entsprechender Wille für ihn erklärte. Seine Angaben hierzu sind selbst unter Berücksichtigung des neuerlichen Vortrags in der Berufungsinstanz kaum nachvollziehbar. Aufgrund der nicht weiter mitgeteilten Umstände ist offen geblieben, ob nicht der Vortrag des Beklagten zutrifft, wonach er nur für den Zeitraum der tatsächlichen Nutzung eine Zahlung habe leisten wollen. Jedenfalls ist den vom Kläger vorgetragenen Umständen im Zusammenhang mit der einmaligen Zahlung von 200,00 € nicht hinreichend klar zu entnehmen, dass der Beklagte damit einen Mietvertrag für die Zukunft abschließen wollte.

Schließlich spricht auch das Verhalten der Parteien nach April 2002, das zumindest dafür herangezogen werden kann, wie diese ihre Erklärungen selbst verstanden haben, gegen das Zustandekommen eines Mietvertrages. So hat der Beklagte weder eine weitere Zahlung vorgenommen, noch das Grundstück genutzt. Der Kläger seinerseits hat trotz der im Schreiben vom 26.02.2002 angekündigten Maßnahmen immerhin 16 Monate zugewartet, ohne den Beklagten auch nur einmal zur Zahlung von Miete anzumahnen. Wäre der Kläger vom Bestehen eines Mietverhältnisses ausgegangen, so hätte es nahe gelegen, den Beklagten zumindest zur Zahlung aufzufordern und an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erinnern. Auch das Schreiben des Klägers vom 24.08.2004, welches das Landgericht als "Kündigung des Mietvertrages" bezeichnet hat, hält der Senat keineswegs für derart eindeutig. Der Kläger formuliert darin zunächst, er sei davon ausgegangen, der Beklagte habe "der Nutzung des Grundstücks zugestimmt". Als Folge hat er nicht etwa ausdrücklich die Kündigung erklärt, sondern "die zwischen uns getroffene Nutzungsvereinbarung ab sofort für gegenstandslos". Ein Insolvenzverwalter, der Rechtsanwalt ist und ein Mietverhältnis kündigen will, drückt sich für gewöhnlich entsprechend klar aus, wenn er vom Bestand eines Mietverhältnisses ausgeht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch gebietet die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles und entspricht im Übrigen gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.960,00 € festgesetzt (§§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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