Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 3 U 56/08
Rechtsgebiete: VVG, StVO


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1 Satz 1 a.F.
VVG § 61 a.F.
StVO § 37 Abs. 2 Nr. 1
StVO § 37 Abs. 2 Satz 1
StVO § 42 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 13. März 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 2 O 479/07 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Prozessparteien streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf Versicherungsschutz zusteht wegen eines Totalschadens, den der bei der Beklagten mit einem Selbstbehalt von € 300,00 vollkaskoversicherte und an die B. Bank GmbH sicherungsübereignete Pkw BMW 525D mit dem amtlichen Kennzeichen M., aus der Fahrtrichtung Innenstadt kommend die M. Straße befahrend, bei einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Unfallgegners T. M. am 14. November 2006 gegen 05:42 Uhr an der ampelgeregelten Kreuzung M. Straße/...straße Süd in D. erlitten hat. Die Beklagte verweigert Leistungen aus der Vollkaskoversicherung unter Hinweis auf § 61 VVG a.F. mit der Begründung, der Kläger habe einen Rotlichtverstoß begangen und den Versicherungsfall deshalb grob fahrlässig herbeigeführt. Zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Vom Landgericht Potsdam, das in der Vorinstanz entschieden hat, wurde die Klage - nach der Vernehmung von zwei Zeugen zum Unfallhergang - abgewiesen. Der Versicherungsfall sei, so hat die Zivilkammer zur Begründung ausgeführt, vom Kläger grob fahrlässig verursacht worden; insbesondere falle ihm ein Rotlichtverstoß zur Last. Das angefochtene Urteil, auf das auch wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist dem Kläger am 20. März 2008 (GA I 117) - zu Händen seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - zugestellt worden. Er hat am 21. April 2008 (GA I 125), einem Montag, mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am 20. Mai 2008 per Telekopie bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet (GA I 131 ff.).

Der Kläger ficht das landgerichtliche Urteil - seine bisherigen Darlegungen wiederholend und vertiefend - in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Er wisse ganz genau, dass die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage bei der Annäherung bereits von Rotlicht auf Gelblicht umgesprungen gewesen und er erst anschließend in den Kreuzungsbereich gefahren sei. Wer schon bei Gelblicht vor Beginn der Grünphase eine Kreuzung zu passieren beginne, handele keineswegs grob fahrlässig. Die von der Eingangsinstanz zitierten Sorgfaltsanforderungen, die die Rechtsprechung aufgestellt habe, würden nur gelten, um einen Rotlichtverstoß auszuschließen und seien von ihm - dem Kläger - eingehalten worden. Er hätte noch rechtzeitig vor der Ampel anhalten können, wenn die Rotphase - wider Erwarten - nicht beendet gewesen wäre. Bis zum Aufleuchten des Grünlichts hätte er die Lichtzeichenanlage nicht beobachten müssen, sondern auf Grünlicht vertrauen dürfen. Dass stattdessen gelbes Blinklicht folge, weil die Ampel abgestellt werde oder eine Störung aufweise, sei ein extremer Ausnahmefall, der zur Begründung von grober Fahrlässigkeit nicht herangezogen werden könne. Man dürfe ferner davon ausgehen, die Ampelphasen seien so eingerichtet, dass schon beim Befahren der Kreuzung bei Gelblicht keine Gefährdung durch Querverkehr mehr bestehe. Zumindest außerhalb der Hauptverkehrszeit würden die allermeisten Fahrzeuge nach dem Anfahren bereits bei Gelblicht auf die Kreuzung rollen. Wer nach dem Umschalten der Ampel von Rot- auf Gelblicht plötzlich abbremse, weil noch kein grünes Licht aufleuchte, provoziere Auffahrunfälle mit nachfolgenden Verkehrsteilnehmern, die sich auf eine Weiterfahrt eingestellt hätten.

Soweit die Zivilkammer im Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt sei, er - der Kläger - habe sogar bei noch rotem Ampellicht die Kreuzung befahren, beruhe dies auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung, die allgemeine Erfahrungssätze und wesentliche Umstände unberücksichtigt lasse. Die subjektive Wahrnehmung, die die Zeugen J. H. und G. B. bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bekundet hätten, sei nicht glaubhaft und könne mit der Realität nicht übereinstimmen. Der typische Rotlichtverstoß ereigne sich am Ende der Grünphase, weil Verkehrsteilnehmer beschleunigten, um noch bei grünem Licht die Ampel zu passieren, und sei hier offenbar vom Unfallgegner begangen worden. Dass jemand auf eine ihm bekannte und gut sichtbare Lichtzeichenanlage, die rotes Licht zeige, fast während der gesamten Dauer der Rotphase zufahre und dennoch nicht anhalte, sei nach der Lebenserfahrung äußerst selten und nahezu auszuschließen. Zu seinem - des Klägers - unstreitigen Fahrstreifenwechsel von links nach rechts vor dem Kreuzungsbereich habe keiner der beiden Zeugen Angaben gemacht. Sie seien ebenso wenig in der Lage gewesen, zuverlässig zu bekunden, dass er - der Kläger - die Haltelinie bei Rotlicht überfahren habe. Ihre gefühlsmäßige Zeit- und Geschwindigkeitsschätzung aus großer Entfernung könne unter Berücksichtigung der Sichtverhältnisse schon deshalb nicht stimmen, weil sich das versicherte Fahrzeug dann bei Beginn der Grünphase nicht mehr auf der Kreuzung befunden hätte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und

a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm - dem Kläger - anlässlich des Verkehrsunfalls vom 14. November 2006, an dem er als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen M. und T. M. als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D. beteiligt waren, Versicherungsschutz im Rahmen der bei der Beklagten bestehenden Vollkaskoversicherung zu gewähren;

aa) hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der B. Bank GmbH € 10.900,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 13. Februar 2007 zu zahlen;

bb) äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - € 10.900,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 13. Februar 2007 zu zahlen;

b) die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - € 837,52 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt - ihr erstinstanzliches Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend - das ihr günstige Urteil des Landgerichts. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Zu Recht habe das Eingangsgericht die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 61 VVG a.F. bejaht. Das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht sei eindeutig. Der Kläger habe die Kreuzung bei Rotlicht befahren. Dieser tatsächliche Geschehensablauf lasse sich in keiner Weise, auch nicht mit vielen Worten, beschönigen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz am 21. Januar 2009 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Die Akten des Ermittlungsverfahrens (143 Cs 343/07 Staatsanwaltschaft Düsseldorf) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos. Die Klage wurde in der Eingangsinstanz zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Kaskoversicherungsschutz gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG 2008. Denn die Beklagte ist nach § 61 VVG a.F. leistungsfrei, weil der Kläger den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Ihm fällt ein Rotlichtverstoß zu Last, der nicht aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise in einem milderen Lichte erscheint. Erheblichen Zweifeln begegnen hinsichtlich des Kerngeschehens nicht die Bekundungen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen J. H. und G. B., sondern die Sachverhaltsschilderung durch den Kläger selbst. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Kläger schließt einen Rotlichtverstoß, der nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, die der Senat teilt, in aller Regel als objektiv grob fahrlässig anzusehen ist und dazu führt, dass der Versicherungsnehmer ihn auf subjektiver Seite entlastende Tatsachen substanziiert vorzutragen hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.01.2003 - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364 = NJW 2003, 1118; juris-Rdn. 12 und 14, m.w.N.), deshalb aus, weil er sich vor dem Einfahren in die Kreuzung vergewissert habe, " dass die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage ... von Rotlicht auf Gelblicht umgesprungen war " (GA I 142, 144). Er habe sich " durch genaue Beobachtung der Ampelanlage davon überzeugt ..., dass die Rotphase endete und das gelbe Licht aufleuchtete " (GA I 142, 146). Noch als er sich auf die Ampel zu bewegt habe, sei es dazu gekommen, dass " diese erwartungsgemäß zunächst auf Gelblicht umsprang " (GA I 27, 30). Das kann - wie im Termin der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden ist - so nicht richtig sein.

a) Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 StVO haben Wechsellichtzeichen die Farbfolge Grün-Gelb-Rot-Rot und Gelb (gleichzeitig)-Grün . Vor der Freigabe einer Fahrtrichtung für Kraftfahrzeuge darf es also - im gesamten Bundesgebiet - keine eigenständige Gelbphase geben, sondern nur ein gleichzeitiges Aufleuchten des roten und des gelben Ampellichtes. Dem Phasenplan, den der Kläger selbst mit der Klageschrift in Kopie hat einreichen lassen (Anlage K5/GA I 45, 47), ist zu entnehmen, dass die hier streitgegenständliche Lichtzeichenanlage an der Kreuzung M. Straße/...straße Süd in D. StVO-gerecht programmiert war: Die Signalreihe C, die - wie ein Vergleich mit der Verkehrsunfallskizze der Polizei bestätigt (BeiA I 5) - für den Kläger maßgeblich gewesen ist, schaltete (vor dem Umspringen auf Grünlicht) in der Sekunde 32 neben dem Rotlicht das Gelblicht an, nicht aber Letzteres separat. Nach den Feststellungen in der Verkehrsunfallanzeige der Polizei ist die Ampelanlage in Betrieb gewesen; sie schaltete augenscheinlich ordnungsgemäß und alle Lichtsignale waren in Ordnung (BeiA I 3). Das Amt für Verkehrsmanagement der Landeshauptstadt D. hat im Ermittlungsverfahren anlässlich der Übersendung des Phasen- und Lageplanes nebst Erläuterungsblatt mitgeteilt, dass die Lichtzeichenanlage laut Rechnerabfrage zum Unfallzeitpunkt störungsfrei lief (BeiA I 21). Ein Umspringen der Lichtzeichen von Rotlicht auf Gelblicht, von dem sich der Kläger überzeugt haben will, kann deshalb grundsätzlich ausgeschlossen werden.

b) Sollte es dennoch vor der Freigabe der Fahrtrichtung zu einer eigenständigen Gelbphase gekommen sein, handelte es sich zweifelsfrei um eine Fehlfunktion der Ampelanlage. Da der Kläger - nach seinem eigenen Vorbringen - ein erfahrener und aufmerksamer Kraftfahrzeugführer und Berufskraftfahrer ist, hätte ihm sofort auffallen müssen, dass eine Lichtzeichenanlage, die in der hier einschlägigen Verkehrssituation statt Rot-Gelb - insbesondere für die Dauer von drei Sekunden - nur Gelb zeigt, gestört ist. Dann durfte er erst recht nicht mit dem Umspringen auf Grün rechnen, sondern musste besondere Vorsicht walten lassen, speziell - worauf das Landgericht in anderem Zusammenhang hingewiesen hat (LGU 6) - sich auf gelbes Blinklicht einrichten. Dieses wird zudem, anders als die Berufungsbegründung meint (GA I 142, 144), keineswegs nur in " extremste(n) Ausnahmefälle(n) " angezeigt. Ist der Kläger hingegen bei Rot-Gelb in die Kreuzung eingefahren, hat er einen Rotlichtverstoß begangen. Denn mit dem zusätzlichen Aufleuchten der gelben Signallampe wird die Fahrtrichtung nicht freigegeben. Nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO ordnet Rot " Halt vor der Kreuzung " und Gelb " Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten " an. Wer für seine Fahrtrichtung Rotlicht hatte und sich vor dem Befahren der Kreuzung nicht davon überzeugt, dass die Ampel inzwischen für ihn auf Grün steht, handelt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (LGU 6 f.) - grob fahrlässig. Da gerade an Kreuzungen und Einmündungen eine besonders hohe Unfallgefahr besteht, darf kein Kraftfahrer darauf vertrauen, dass bei gelbem Licht schon nichts passieren werde.

c) Die übrigen Erwägungen genereller Art, mit denen die Berufungsbegründung argumentiert, können der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Die Sorgfaltsanforderungen, die nach der Rechtsprechung selbst von Ortskundigen bei der Annäherung an eine ampelgeregelte Kreuzung auf einer so genannten Grünen Welle zu beachten sind, dienen keineswegs allein dazu, Rotlichtverstöße als solche auszuschließen; sie sollen letztlich den Eintritt von Personen- und Sachschäden durch Verkehrsunfälle verhindern. Bei einer angemessenen und vorausschauenden Fahrweise ist auch kein plötzliches Abbremsen erforderlich, das zu Auffahrunfällen führen kann, wenn die Ampel beim Herannahen einer Fahrzeuggruppe noch nicht Grün, sondern erst Rot-Gelb zeigt. Dann müssen sich vielmehr alle Kraftfahrzeugführer darauf einrichten, gegebenenfalls anzuhalten. Zum " Umschalten einer Ampel von Rot auf Gelb " (GA I 142, 147) kann es - wie oben ausgeführt - lediglich bei einer gestörten Lichtzeichenanlage kommen. Dass an der Ampel wartende Kraftfahrzeugführer in den allermeisten Fällen bereits bei Aufleuchten des gelben Lichts in die Kreuzung einfahren, wie offenbar der Kläger meint (GA I 142, 147), ist ein bloße Vermutung. Die Gelbphase, die vor der Freigabe einer Fahrtrichtung gemäß den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht als eigenständige Ampelphase existiert, dauert auch nicht regelmäßig mindestens drei Sekunden und damit länger als die übliche Reaktionszeit eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Worauf der Kläger seine Thesen stützt, hat er nicht offenbart. Nach dem hier in Kopie vorliegenden Phasenplan betrugt die Rot-Gelb-Phase jedenfalls - an allen Signalgruppen der Kreuzung M. Straße/...straße Süd - nur eine Sekunde (GA I 47). Lediglich ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Verschuldensfrage nach dem Gesetz nicht auf der Grundlage der verkehrsüblichen, sondern der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu beantworten ist (§ 276 Abs. 2 BGB).

2. Ohne Rechtverstoß durfte das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangen, dass der Kläger bei Rotlicht auf die Kreuzung gefahren ist. Es mag zwar sein, dass die Schätzung von Zeit- und Entfernungsangaben durch andere Verkehrsteilnehmer in Situationen der vorliegenden Art schwierig ist. Daraus folgt aber - entgegen der Auffassung des Klägers - keineswegs, dass sich Rotlichtverstöße praktisch nicht nachweisen lassen. Vielmehr können die Näherungswerte, die von den Zeugen geschätzt wurden, nicht in der Weise gegen sie verwendet werden, dass man auf ihrer Grundlage berechnet, ob und gegebenenfalls wo es danach auf der Kreuzung zum Zusammenstoß kommen konnte. Hier haben beide Zeugen unabhängig voneinander und im Kern übereinstimmend ausgesagt, dass der Wagen des Klägers noch während der Rotphase in die Kreuzung eingefahren ist und die Ampel erst einige Zeit später auf Grün umsprang. Wie viele Sekunden es genau waren, bis dann das grüne Licht aufleuchtete, spielt für die Entscheidung des Streitfalls keine Rolle. Warum sich beiden Zeugen " ein falsches Bild eingebrannt " haben soll, wie der Kläger meint (GA I 142, 151), ist nicht ersichtlich. Der Fußballplatz-Vergleich, den er heranzieht, hinkt beträchtlich: Ein Pkw BMW 525D ist ganz erheblich größer als ein Fußball und die Haltelinie gemäß § 42 Abs. 3 Nr. 2 StVO schon wegen der in unmittelbarer Nähe befindlichen Ampelanlage deutlich besser auszumachen als die Torauslinie. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird vom Kläger selbst nicht in Zweifel gezogen; seine Angriffe richten sich allein gegen die Glaubhaftigkeit der Bekundungen. Die Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen G. B. wird keineswegs dadurch gemindert, dass er sich nicht an einen vorherigen Spurwechsel des Klägers erinnerte; das spätere Kerngeschehen hat er aufmerksam verfolgt und erlebnisnah dargestellt. So fragte er sich nach seinen Bekundungen damals selbst, ob der auf die rote Ampel zufahrende BMW des Klägers nicht langsam bremsen will; der Wagen habe aber nicht gebremst und sei über die rote Ampel gefahren (GA I 88, 89). Ob sich der Unfall ereignet hat, bevor die Fahrtrichtung des Klägers freigegeben war, ist unerheblich. Die Berücksichtigung einer dreisekündigen Gelbphase, die zwischen der Rot- und der Grünphase gelegen haben soll (GA I 142, 150 f.), vermisst der Kläger, wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, zu Unrecht. Die von ihm zitierten oberlandesgerichtlichen Entscheidungen sind auf Rechtsbeschwerden in OWi-Sachen ergangen und betreffen so genannte qualifizierte Rotlichtverstöße im Sinne von Nr. 132.2 BKat, die regelmäßig ein einmonatiges Fahrverbot zur Folge haben und um deren Feststellung deshalb nicht selten gestritten wird. Dabei geht es jedoch - anders als hier - jeweils um solche Rotlichtverstöße, die am Ende der Grünphase begangen werden, insbesondere weil der Kraftfahrzeugführer, etwa wegen unangepasster Fahrweise, nicht mehr rechtzeitig anhalten kann. Dass jemand fast die gesamte Dauer der Rotphase auf die Lichtzeichenanlage zufährt und das Rotlicht trotzdem nicht beachtet, ist - anders als der Kläger meint - auch nicht nach allgemeiner Lebenserfahrung nahezu auszuschließen. Denn dies kann keineswegs nur auf schlichter Unaufmerksamkeit oder auf Rücksichtslosigkeit beruhen, die dem Kläger nicht unterstellt werden soll, sondern auch auf fehlerhaften Erwartungen hinsichtlich der Ampelphasen-Taktung im Rahmen einer so genannten Grünen Welle.

B. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels dem Kläger zur Last, weil er es eingelegt hat.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 und § 543 Abs. 1 ZPO sowie § 26 Nr. 8 EGZPO.

D. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Berufungsurteil beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder anderer Oberlandesgericht ist nicht ersichtlich.

E. Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz beträgt € 10.900,00 (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück