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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 3 U 64/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, TVV


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 242
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 316
BGB § 320
BGB § 536a Abs. 2 Nr. 1
BGB § 550
BGB § 566
BGB § 578 Abs. 1
BGB § 581 Abs. 2
ZPO § 139
ZPO § 156 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
TVV § 8 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 27. März 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 6 O 92/07 - wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Prozessparteien streiten - im Rahmen von Klage und Widerklage - um wechselseitige Ansprüche aus einem Tankstellenverwaltungsvertrag und einem Grundstücksmietvertrag. Die Klägerin, deutsche Tochtergesellschaft eines italienischen Mineralölkonzerns, nimmt den Beklagten als Tankstellenhalter betreffend das Kalenderjahr 2006 auf Zahlung rückständiger Objektpacht für eine von ihr errichtete, in C. belegene A.-Tankstelle in Anspruch. Der Beklagte, dem das Tankstellengrundstück gehört und der es an die Klägerin vermietet hat, verlangt, weil er das Vertragsverhältnis für beendet hält, widerklagend die Räumung des Areals, die Übereignung von Baulichkeiten und eingebauten Einrichtungen zu dem von ihm behaupteten Verkehrswert sowie die Bewilligung der Löschung der im Grundbuch zu Gunsten der Klägerin eingetragenen Tankstellendienstbarkeit. Im Übrigen wird zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Vom Landgericht Cottbus, das in der Vorinstanz entschieden hat, ist der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen worden. Zur Begründung hat die Zivilkammer ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten aus dem Tankstellenverwaltungsvertrag für den streitgegenständlichen Zeitraum Objektpacht in der geltend gemachten Höhe fordern; die Widerklage sei unbegründet, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien fortbestehe. Das landgerichtliche Urteil, auf das auch wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist dem Beklagten am 11. April 2008 (GA II 359) - zu Händen seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - zugestellt worden. Am 08. Mai 2008 (GA II 370) hat er mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel - nach der antragsgemäßen Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11. Juli 2008 (GA II 376) - mit einem an diesem Tage per Telekopie beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet (GA III 380 ff.).

Der Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil - unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Darlegungen - in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Die Eingangsinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass seine - des Beklagten - ordentliche Kündigung vom 30. Mai 2007 unwirksam und er zu Pachtzahlungen verpflichtet sei. Das Vertragsverhältnis könne mit gesetzlicher Frist gekündigt werden; eine Abrede über die Entrichtung von Pacht gebe es zwischen den Parteien nicht. Über die baulichen Mängel des Objekts hätte Beweis erhoben werden müssen. Der Tankstellenverwaltungsvertrag und der Grundstücksmietvertrag bildeten, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen und was zudem bereits im Vorprozess rechtskräftig entscheiden worden sei, eine rechtliche Einheit; jedoch gelte das gesetzliche Schriftformerfordernis dann für alle wesentlichen Vertragsbestandteile einschließlich Nachtrags- und Zusatzvereinbarungen sowie Abreden über Konditionen. Nach der so genannten Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei zwar die feste körperliche Verbindung von Haupturkunde und Anlagen entbehrlich, nicht aber die Schriftform für ausgelagerte Vertragsbestandteile. Im Streitfall gebe es - nach dem Auslaufen der letzten Konditionenvereinbarung - seit 01. Januar 2003 keine schriftlichen Abreden über die Objektpacht mehr; die Klage sei auf eine stillschweigende Pachtvereinbarung gestützt, was den Formmangel impliziere. Die Anlage " Konditionen " verweise weder auf den Tankstellenverwaltungsvertrag noch auf die entsprechende Zusatzvereinbarung, nehme aber hinsichtlich der Provisionsregelung für Autoschmierstoffe auf eine " jeweils gültige Agentenpreisliste " Bezug. Eine konkludente Abrede, die ihn - den Beklagten - zu Pachtzahlungen nach dem 31. Dezember 2002 verpflichte, sei nicht zu Stande kommen. Aus der Fortzahlung des Entgelts bis Ende 2004 sowie im Januar und Juni 2005 lasse sich ein solcher Wille nicht entnehmen; im Übrigen habe die Klägerin keinerlei Interesse an isolierten Absprachen über die Objektpacht gehabt. Die Befristung der Entgeltregelungen sei von ihr vorgegeben worden; von der Möglichkeit, ihrerseits ihm - dem Beklagten - keine Provisionen und sonstigen Vergütungen mehr zu zahlen, habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Der hilfsweise geltend gemachte Aufrechnungsanspruch bestehe wegen sämtlicher Mängel, die im Privatgutachten vom 19. Oktober 2007 (Kopie Anlage B10/GA II 210 ff.) ausgeführt seien. Die Überalterung und das Austauscherfordernis von Kfz-Waschmaschine, Shopmöblierung, Kasse und Kaffeemaschine zu behaupten, reiche als Mangelrüge aus; eine weitere Substanziierung sei nicht erforderlich. Mit Beseitigung der Mangel befinde sich die Klägerin schon deshalb in Verzug, weil sie deren Vorhandensein hier im Prozess bestritten habe. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages dürfe ihm, dem Beklagten, nicht versagt werden, wenn ihn das gerichtliche Urteil an den Abreden festhalte.

Der Beklagte beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil abzuändern und

a) die Klage abzuweisen sowie

b) auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen,

aa) die Grundstücke ... Straße 4/G. Landstraße in C., Flur 164, Flurstücke 40/4, 43/3, 46/4 und 46/5 der Gemarkung M., zu räumen, ausgenommen die von der Klägerin errichteten Baulichkeiten, nämlich Tankstellenhäuschen (Shop, Kassenraum, Aufenthaltsraum, Lager, Anschlussraum, Werkstatt, Mitarbeiter-WC, Herren-WC und Damen-WC), Tankstellendach mit Stahlstützen, Fahrbahn und Waschhalle mit Lager sowie die eingebauten Einrichtungen wie Hubbühne in der Werkstatt, Wasch- und Wasseraufbereitungstechnik in der Waschhalle, Tankstellentechnik (Tankinseln mit Tanksäulen, Treibstoff- und Elektroleitungen und elektronische Übermittlungsvorrichtungen) sowie Treibstofftanks und die Agenturwaren,

bb) den Verkehrswert der Baulichkeiten und eingebauten Einrichtungen auf € 20.000,00 zuzüglich Mehrwertsteuer festzustellen und sie dem Beklagten zum Verkehrswert zu übereignen und

cc) die Löschung der im Grundbuch von M. auf Bl. 21683 unter lfd. Nr. 3 in Abteilung II zu Gunsten der Klägerin eingetragenen persönlich beschränkten Dienstbarkeit zu bewilligen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt - ihr bisheriges Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend - das ihr günstige landgerichtliche Urteil. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Bei dem Grundstücksmietvertrag und dem Tankstellenverwaltungsvertrag handele es sich um verschiedene Rechtsgeschäfte. Letzterer bedürfe - einschließlich seiner Zusatzvereinbarungen - nicht der gesetzlichen Schriftform; Ersterer sei formgerecht abgeschlossen worden. Eingeklagt werde keine stillschweigend vereinbarte, sondern die - in entsprechender Anwendung von § 316 BGB - für 2006 bestimmte Pacht. Soweit in Urkunden von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt " festgeschriebenen " Konditionen die Rede sei, bedeute dies lediglich, dass sie bis dahin nicht geändert werden könnten; dennoch würden sie darüber hinaus fortgelten. Die Verpflichtung des Beklagten zur Pachtzahlung folge aus Nr. II 1 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung vom 27./29. Dezember 2000 (Kopie Anlage K3/GA I 16. ff.), die in keinem Falle mit dem 31. Dezember 2002 ausgelaufen sei. Unstreitig hätten sich beide Seiten auch danach in allen Punkten an die Konditionen gehalten. Die befristete Festschreibung sei im Interesse beider Seiten gewesen; der Beklagte habe sich dann jedoch gegen eine Neuvereinbarung von Konditionen gesperrt. Einen Anspruch auf Kostenvorschuss für die Ersatzvornahme von Mängelbeseitigungen habe der Beklagte nicht: Die behaupteten Mängel seien bestritten oder längst behoben worden. Verzug habe nicht vorgelegen. Ihre, der Klägerin, Mitarbeiter seien durch den Beklagten vom Tankstellengrundstück verwiesen worden; beim Wartungskontraktor lägen keine Meldungen über Mängel vor. Jedenfalls stehe ihr, der Klägerin, hinsichtlich der Mängelbeseitigung ein verzugsausschließendes Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB zu, weil der Beklagte seit Jahren keine Objektpacht mehr zahle.

Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz wurde die Sach- und Rechtslage mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien eingehend erörtert und das Original des Mietvertrages (Kopie Anlage K13/ GA I 117 ff.) in Augenschein genommen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats hat die Klägerin erklärt, dass die von ihr erteilte Gutschrift auf die Monate Januar und Februar 2006 angerechnet werden soll; im Umfange von € 44,91 nebst anteiliger Zinsen hat sie - mit Zustimmung des Beklagten - betreffend den Zeitraum vom 27. April bis zum 22. Mai 2006 die Klage zurückgenommen (GA III 454R). Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze beider Seiten einschließlich Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist ein nicht nachgelassener Anwaltsschriftsatz des Beklagten vom 03. Februar 2009 eingegangen (GA III 456 ff.), mit dem er im Kern um Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bittet und zur Begründung ausführt, der Senat habe in vier Punkten seine Hinweis- und Aufklärungspflicht verletzt.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos, nachdem die Klägerin mit ihrer Erklärung, wie die dem Beklagten erteilte Gutschrift von € 8.471,98 angerechnet werden soll, dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Rechnung getragen (vgl. dazu Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. VIII Rdn. 25), und wegen der geringfügigen Zuvielforderung die Klagerücknahme erklärt hat. Einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung bedarf es insoweit nicht, weil sie in diesem Umfang bereits kraft Gesetzes wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO). Die Klägerin kann, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, vom Beklagten - aufgrund der Vereinbarungen im Tankstellenverwaltungsvertrag vom 26. Juni/17. Juli 1991 (Kopie Anlage K2/GA I 11 ff.) mit den nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen - auch für das Jahr 2006 die Zahlung von Objektpacht verlangen. Geschuldet sind nebst Verzugszinsen noch € 43.296,45, wovon € 808,02 auf den Monat Februar, je € 4.640,00 auf die Monate März sowie Juni bis Dezember 2006, € 4.021,33 auf den Monat April und € 1.347,10 auf den Monat Mai 2006 entfallen. Der klägerische Anspruch ist keineswegs erloschen; dem Beklagten stehen aufrechenbare Gegenforderungen nicht zu. Die Widerklage wurde in der Eingangsinstanz ebenfalls zu Recht abgewiesen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Warum der Beklagte der Klägerin auch für das Kalenderjahr 2006 die Objektpacht schuldet, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil detailliert, mit großer Sorgfalt und völlig zutreffend ausgeführt (LGU 7 ff.). Der Senat nimmt - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die dortigen Erwägungen Bezug und tritt ihnen bei. Die Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg. Dass in dem Tankstellenverwaltungsvertrag (TVV) selbst von einer Objektpacht keine Rede ist, auch nicht in dessen § 8 Nr. 2, auf den im Abschn. II 1 der Zusatzvereinbarung vom 27./29. Dezember 2000 (Kopie Anlage K3/GA I 16 ff.) Bezug genommen wird, ändert nichts daran, dass Zahlungen dieser Art nach dem Willen beider Seiten von Anfang an durch den Beklagten geschuldet sein sollten. Die Klägerin hat - als Anlagen K14 bis 19 (GA I 157 ff.) - in Kopie eine lückenlose Kette von Nachtrags- und Zusatzabreden eingereicht, wonach vom Tankstellenhalter stets eine Objektpacht zu entrichten war; die erste Nachtragsvereinbarung ist von den Parteien zur selben Zeit unterzeichnet worden wie der Tankverwaltungsvertrag. Dass die Nutzung des Objekts durch den Beklagten mit besonders niedrigen Provisionszahlungen seitens der Klägerin abgegolten sein sollte, wie von ihm in der Eingangsinstanz wiederholt eingewandt wurde, trifft offensichtlich nicht zu. Da die Klägerin das Objekt nach wie vor für mangelfrei hält, hatte sie - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch keinerlei Anlass, nach dem 31. Dezember 2002, dem Auslaufen der letzten " Festschreibung " der Konditionen auf Pachtzahlungen des Beklagten zu verzichten. Für diesen bestand offenbar ebenfalls keinerlei Zweifel daran, dass er solche Leistungen - zumindest dem Grunde nach - zu erbringen hat; bis einschließlich Dezember 2004 und dann noch einmal im Januar und im Juni 2005 ist der Beklagte seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nachgekommen. Einer konkludenten Abrede über die Fortzahlung von Objektpacht, deren Zustandekommen der Beklagte verneint, bedurfte es nicht. Dass für die Nutzung des Objekts ein ortsübliches und angemessenes Entgelt geschuldet wird, stand für die Parteien von vornherein außer Frage; sie haben lediglich die Höhe für einen Zeitraum von jeweils zwei Jahren neu bestimmt. Im Übrigen weist die Klägerin in der Berufungsinstanz völlig zu Recht darauf hin, dass die letzte Zusatzvereinbarung vom 27./29. Dezember 2000 als solche einen Geltungszeitraum nicht ausweist und dass eine befristete Festschreibung, von der in der zugehörigen Anlage die Rede ist (Kopie Anlage K4/GA I 21, 22), keineswegs im Umkehrschluss bedeutet, nachfolgend sei Unentgeltlichkeit vereinbart. Dass die offensichtlich fehlerhafte Bezugnahme in der Urkunde auf eine andere - wie hier auf § 8 Nr. 2 TVV - unschädlich ist, braucht an dieser Stelle schon deshalb nicht weiter erörtert zu werden, weil Schriftformfragen im vorliegenden Zusammenhang noch keine Rolle spielen. Da sich der Beklagte nach wie vor von dem Rechtsgeschäft mit der Klägerin lösen will, steht ihm die Einrede des nichterfüllten Vertrages nicht zu; die erst im Ergebnis eines Zivilprozesses vom anderen Teil erzwungene Vertragstreue steht freiwilliger weder gleich noch kann sie bereits bei der Rechtsfindung zu Gunsten der vertragsuntreuen Partei berücksichtigt werden.

2. Einen aufrechenbaren Anspruch auf Vorschuss für Aufwendungen zur Selbstbeseitigung von Mängeln gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 581 Abs. 2 und § 242 BGB hat der Beklagte gegen die Klägerin nicht. Denn es kommt ihm, wie sich aus seinem eigenen Vorbringen ergibt, nicht darauf an, liquide finanzielle Mittel zu erlangen, um damit den - nach seinen Behauptungen - schlechten Zustandes des Objekts durch Mangelbeseitigung zu beheben; er will vielmehr allein gegen die Objektpachtforderungen der Klägerin aufrechnen. Das widerspricht eindeutig dem Sinn und Zweck einer Vorauszahlung von Aufwendungsersatz durch den Nutzungsgeber. Unabhängig davon kann einem vertragsuntreuen Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzer, der sich von dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft lösen will und dem deshalb schon kein Zurückbehaltungsrecht zusteht, erst recht kein Vorschuss zuerkannt werden. Dass ein Zurückbehaltungsrecht und ein Vorschussanspruch nicht nebeneinander existieren können, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Im Übrigen ist die Klägerin mit der Beseitigung von etwaigen Mängeln nicht in Verzug geraten. Hinsichtlich der im Gutachten vom 19. Oktober 2007 (Kopie Anlage B10/GA II 210 ff.) aufgeführten Mängel fehlt es, wie die Zivilkammer zu Recht angenommen hat (LGU 10), bereits an einer Mahnung. Eine solche erfordert zwar keine Nachfristsetzung; die bloße Mangelanzeige reicht dafür aber nicht aus. Entbehrlich war eine Mahnung - entgegen der Auffassung des Beklagten - ebenfalls nicht. Denn eine Weigerung des Gegners mit der Begründung, die erbrachte Leistung sei ordnungsgemäß, beinhaltet noch keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 281 Rdn. 14, m.w.N.). Angesichts dessen kann dahinstehen, ob und inwieweit der Klägerin hinsichtlich der Beseitigung von Mängeln wegen der erheblichen Objektpachtschulden des Beklagten ein - von der Zivilkammer in Erwägung gezogenes (LGU 10; vgl. ferner Lehmann-Richter NJW 2008, 1196, 1199) - Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB zusteht, dessen objektive Existenz ausreicht, um den Eintritt von Schuldnerverzug zu verhindern (vgl. Palandt/Grüneberg aaO, § 320 Rdn. 12, m.w.N.).

3. Die durch den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 30. Mai 2007 (Kopie Anlage B3/Sh) erklärte Kündigung hat die vertraglichen Beziehungen der Prozessparteien nicht beendet. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde, die der Beklagte als solche in der Berufungsinstanz nicht weiter problematisiert, sind vom Landgericht zutreffend verneint worden (LGU 15 ff.). Eine ordentliche Kündigung, die für den Beklagten zugleich ausgesprochen wurde, ist im Streitfall selbst unter Hinweis auf § 550 i.V. m. § 578 Abs. 1 BGB nicht möglich.

a) Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich hier bei dem Mietvertrag und dem Tankstellenverwaltervertrag um zwei selbstständige Rechtsgeschäfte oder um ein einheitliches handelt. Für beide Auffassungen lassen sich gute Argumente finden. Die urkundliche Trennung, die verschiedenen Abschlussdaten und - nicht zuletzt - die unterschiedlichen Laufzeitregelungen sprechen für die Eigenständigkeit. Die Motivlage der Parteien und die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 17. Juni/11. Juli 1991 (Kopie Anlage K13/GA I 117, 122) lassen sich zur Begründung der Einheitlichkeit anführen. Der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat diese im Vorprozess offenbar bejaht, weil er mit der Unzulässigkeit einer Teilkündigung argumentiert; allerdings konnte und musste er keine Lösung aufzeigen, wie die divergierenden Laufzeitbestimmungen zu harmonisieren sind. Ob der Argumentation des Landgerichts gefolgt werden kann, das offenbar eine nur vorübergehende rechtliche Einheit annimmt, die während ihrer Existenz zu einer Kündigungssperre führt (LGU 12 f.), erscheint fraglich, braucht hier aber nicht abschließend beantwortet zu werden. Denn rechtskräftige Feststellungen, die den Senat beziehungsweise die Parteien im Streitfall binden, sind weder im Vorprozess noch durch die Eingangsinstanz getroffen worden. Auch dort handelte es sich stets um eine bloße Vorfrage, deren Beantwortung durch das jeweils erkennende Gericht, wie die Zivilkammer völlig zutreffend angenommen hat (LGU 14), nicht der materiellen Rechtkraft fähig ist.

b) Der Senat tendiert eher dazu, die Selbstständigkeit beider Verträge anzunehmen. Sie sollten gewiss nur zusammen " stehen "; die unterschiedlichen Laufzeitregelungen sind aber ein deutliches Anzeichen dafür, dass beide keineswegs miteinander " fallen " sollten. Für sich betrachtet erfüllt der Mietvertrag zumindest in der Fassung der Zweiten Zusatzvereinbarung vom 11./21. Januar 1992 (Kopie Anlage K13/GA I 117, 127), der ein Lageplan beigefügt worden ist und die sowohl auf die Haupturkunde als auch auf die Zusatzvereinbarung, wenn auch - was unschädlich ist - auf ein dort nicht existente " Ziffer b ", verweist, das gesetzliche Schriftformerfordernis. Doch selbst wenn man ein einheitliches Rechtgeschäft für gegeben hält, hilft dies dem Beklagten nicht weiter. Denn dann handelt es sich um einen eigenständigen Stationärsvertrag, ein komplexes Rechtsverhältnis in Gestalt eines gemischten Vertrages eigener Art, der die Merkmale verschiedener Vertragstypen - insbesondere des Dienstvertrages - in sich vereinigt (vgl. dazu BGHZ 52, 171, 175; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. 06.2000 - 10 U 150/99, OLG-Rp 2001, 7; für Österreich OGH, Urt. v. 28.05.1986 - 1 Ob 537/86, JBl. 1986, 721 [zitiert nach http://www.ris.bka.gv.at], ferner Gitter, Gebrauchsüberlassungsverträge, § 10 B I c [S. 264 f.]; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., Vor § 535 Rdn. 32; Rehbinder, Der Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung, II 5 [S. 15]). Im Unterschied zu zusammengesetzten (gekoppelten) Verträgen, bei denen sich die für einen Vertragsteil geltenden Formvorschriften jedenfalls dann, wenn ihre Verletzung gemäß § 125 BGB zur Nichtigkeit führt, was nach § 550 BGB ohnehin nicht zutrifft, auf den Gesamtvertrag erstrecken (vgl. Jauernig/Vollkommer, BGB, 10. Aufl., § 311 Rdn. 29; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., Überbl v § 311 Rdn. 16; jeweils m.w.N.), sind gemischte Verträge etwas Eigenständiges und deshalb unter Berücksichtigung ihres Schwerpunktes und der Interessenlage der Parteien jeweils mit Blick auf die einzelne Leistung rechtlich zu beurteilen (vgl. Jauernig/Vollkommer aaO Rdn. 33; Palandt/Grüneberg aaO Rdn. 25 f.). Bereits deshalb gilt § 550 i.V.m. § 578 Abs. 1 BGB nicht für den Stationärsvertrag. Durch ihn wird weder ein Miet- noch ein Pachtverhältnis begründet (vgl. MünchKommInsO/Eckert, 2. Aufl., § 108 Rdn. 20). Ebenso wenig gebietet der Schutzzweck des § 550 BGB dessen Anwendung auf Stationärsverträge; ein späterer Erwerber des Grundstücks ist lediglich im Rahmen von § 566 BGB schutzbedürftig und wird keineswegs kraft Gesetzes Tankstellenhalter.

B. Der nicht nachgelassene Anwaltsschriftsatz des Beklagten vom 03. Februar 2009 (GA III 456 ff.), der in der Sache selbst kein neues Vorbringen enthält, gibt dem Senat zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass (§ 156 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen, unter denen die mündliche Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO zwingend wieder zu eröffnen ist, liegen im Streitfall nicht vor. Zu Unrecht meint der Beklagte, der Senat habe - in mehrfacher Weise - gegen die gerichtliche Aufklärungs- und Hinweispflicht verstoßen. Die Sach- und Rechtslage ist - in Übereinstimmung mit § 139 ZPO - im Termin der mündlichen Verhandlung mit den Prozessbevollmächtigten beider Seiten eingehend erörtert worden. Dabei wurden alle oben angesprochenen Fragen behandelt. Ob die Einheit von Tankstellenverwaltungs- und Grundstücksmietvertrag ein tragender Grund für die Entscheidung des Kartellsenats im Vorprozess ist, kann dahinstehen; präjudizielle Rechtskraft erwächst daraus, wie später noch zu vertiefen sein wird, für den Streitfall nicht. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten den Ausführungen im Termin der mündlichen Verhandlung entnommen hat, der Senat verlange für einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Nachfristsetzung beziehungsweise eine endgültige Erfüllungsverweigerung, hat er die Erörterungen - wie die obigen Ausführungen zeigen - offensichtlich missverstanden. Inwieweit es für den Beklagten überraschend gewesen sein kann, wenn der Senat im Termin - nach einer Zwischenberatung - mitteilt, er halte eine Beweisaufnahme für nicht erforderlich, ist nicht nachvollziehbar; das Ergebnis einer solchen Beratung den Parteien schon terminsvorbereitend mitzuteilen, ist unmöglich. Unabhängig davon lässt der Beklagte offen, was er noch vorgetragen hätte, wenn ihm die Rechtsauffassung des Senats schon vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden wäre. Schriftsatznachlass ist von keiner Partei beantragt worden. Die tatsächliche und rechtliche Argumentation des Beklagten hat der Senat zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, jedoch nicht für durchgreifend erachtet.

C. Die Entscheidung über die Prozesskosten des Rechtsstreits zweiter Instanz beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken. Danach muss der Beklagte die Kosten der nahezu in vollem Umfange erfolglosen Berufung tragen, weil er sie eingelegt hat. Die Zuvielforderung der Klägerin, die durch eine entsprechende Klagerücknahme beseitigt wurde, war mit € 44,91 verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Prozesskosten veranlasst.

D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils ergibt sich aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt der Senat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken.

E. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Die vom Beklagten am Schluss des - nicht nachgelassenen - Anwaltsschriftsatzes vom 03. Februar 2009 aufgeworfenen Rechtsfragen (GA III 456, 459) sind im Streitfall bereits nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon ist seit langem höchstrichterlich geklärt, dass sich die materielle Rechtskraft allein auf die Rechtsfolge erstreckt, die der Richter aus dem Sachverhalt durch Subsumtion geschlossen hat, und keineswegs auf bloße Vorfragen, die in dem jeweiligen Prozess als solche nicht Streitgegenstand gewesen sind, mögen sie auch unmittelbar das jeweilige Urteil tragen (vgl. BGHZ GSZ 13, 265, 278; 93, 330, 335, m.w.N.; ferner Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 322 Rdn. 9 f.; Saenger, Hk-ZPO, 2. Aufl., § 322 Rdn. 13 ff.; Schellhammer, Zivilprozess, 12. Aufl., Rdn. 877 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., Vor § 322 Rdn. 28, 34 und 36). Aus der Entscheidung des BGH, Urt. v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03 (WM 2004, 350 = BGH-Rp 2004, 409) folgt, anders als möglicherweise der Beklagte meint, nichts Abweichendes; dort war die Frage des Annahmeverzuges in einem Vorprozess Gegenstand einer - rechtskräftig abgewiesenen - Feststellungsklage. Dass der Senat eine Nachfristsetzung oder eine endgültige Erfüllungsverweigerung für erforderlich hält, damit der Mieter einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB erlangen kann, trifft - wie bereits oben ausgeführt wurde - nicht zu.

F. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt € 132.570,73 (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Davon entfallen jeweils € 43.341,46 auf die Anfechtung des Zahlungssausspruchs und auf die Hilfsaufrechnung (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 45 Abs. 3 GKG), € 22.087,81 auf den Räumungsantrag (§ 41 Abs. 2 GKG) und € 23.800,00 (€ 20.000,00 + 19 % MwSt) auf den Übereignungsantrag (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Der Antrag auf Löschungsbewilligung bleibt wegen des so genannten Additionsverbots bei wirtschaftlicher Identität, die hier mit dem vom Beklagten ebenfalls geltend gemachten Räumungsanspruch besteht, außer Ansatz (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 5 Rdn. 8). Der von der Zivilkammer - am Schluss der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (LGU 18) - für die Eingangsinstanz festgesetzte Wert bedarf keiner Abänderung, weil er auf derselben Gebührenstufe liegt.

Ende der Entscheidung

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