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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: 3 W 3/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
BGB § 546 Abs. 1
BGB § 581 Abs. 2
BGB § 858
BGB § 985
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

3 W 3/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Bunge sowie des Richters am Oberlandesgericht Jalaß und des Richters am Amtsgericht Cablitz

am 06. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.12.2007 (13 O 430/07) wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin pachtete mit schriftlichem Vertrag vom 30.12.1996 von der Gemeinde Z..., vertreten durch das Amt P..., zum Zwecke des Betriebes eines Seniorenheimes das auf einer Teilfläche des Grundstücks befindliche Gebäude 11 nebst anteiliger Freiflächen in der ... Straße 11 in P.... Gemäß § 1 des Pachtvertrages übereignete die Gemeinde der Antragsgegnerin das bewegliche Anlagevermögen gemäß dem anliegenden Inventarverzeichnis. Nach § 2 Abs. 3 des Pachtvertrages war die Gemeinde bei Untersagung des Heimbetriebes nach heimrechtlichen Grundsätzen zur Kündigung mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende berechtigt, im Übrigen nach Abs. 2 zur ordentlichen Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Pachtvertrages sowie seiner Anlagen und Ergänzungen wird auf Blatt 70 bis 78 der Akte verwiesen. Die Antragsgegnerin errichtete auf dem Grundstück im Wege des Erbbaurechtes einen Neubau (die sogenannte Rotunde), wobei dieser Neubau und das von der Gemeinde gepachtete Gebäude als einheitliche Einrichtung eines Seniorenheimes mit insgesamt ca. 170 Bewohnern von ihr betrieben werden. Mit Schreiben vom 26.03.2007 kündigte die Gemeinde P... den oben bezeichneten Pachtvertrag zum 31.12.2007 ordentlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 79 der Akte verwiesen. Unter dem 19. November 2007 erließ das Landesamt für Soziales und Versorgung (Heimaufsicht) einen Bescheid, mit dem der Antragsgegnerin der Betrieb des Seniorenheimes Z... untersagt wurde. Laut Bescheid war der Heimbetrieb bis spätestens zum 31.01.2008 einzustellen, wobei die Antragsgegnerin nachweisen sollte, dass für die Heimbewohner bis zu diesem Zeitpunkt eine andere Unterkunft und Betreuung sichergestellt werde oder ein Betriebsübergang auf einen anderen Träger erfolge. Des Weiteren wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheides wird auf Blatt 86 bis Blatt 122 der Akte verwiesen. Die Gemeinde P... verpachtete mit schriftlichem Vertrag vom 27.11.2007 das Gebäude 11 an den Antragsteller. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.11.2007 legte die Antragsgegnerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Mit weiterem Schreiben vom 12.12.2007 kündigte die Gemeinde P... das Pachtverhältnis nunmehr fristlos wegen der im vorgenannten Bescheid ausgesprochenen Untersagung. Unter dem 18. Dezember 2007 trat die Gemeinde P... dem Antragsteller sämtliche Herausgabeansprüche gegenüber der Antragsgegnerin ab und ermächtigte ihn gleichzeitig, im Weg der Prozessstandschaft Herausgabeansprüche geltend zu machen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Blatt 84 und 85 der Akte verwiesen. Mit Schreiben vom 03.01.2008 zeigte die Antragsgegnerin der Heimaufsicht an, dass die Firma A... GmbH und Co. KG den Betrieb ab dem 01.02.2008 übernehmen werde.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin zur Überlassung des Objektes Gemarkung Z..., Flur 1, Flurstück 64, 66 und 68 (Haus 11, ... Straße 11) in P..., an ihn ab sofort - hilfsweise ab 01.01.2008 - zu verpflichten, weiter hilfsweise bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens sowie hilfsweise Zug um Zug gegen Duldung der Wegnahme des beweglichen Inventars in Sicherungsverwahrung des Gerichtsvollziehers anzuordnen.

Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 28.12.2007 zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers vom 02. Januar 2008 hat das Landgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2008 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Auch wegen der hier im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemachten Herausgabeansprüche bestehen nach Auffassung des Senats keinerlei Bedenken. Insbesondere dürfte das Prozessführungsinteresse des Antragstellers im Hinblick auf den zwischen ihm und der Gemeinde geschlossenen Pachtvertrag zu bejahen sein.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat aus zutreffenden Gründen den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung versagt.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß §§ 935, 940 ZPO die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruches und eines Verfügungsgrundes voraus. Zwar hat der Antragsteller einen Verfügungsanspruch der Verpächterin, nämlich zum einen den schuldrechtlichen Herausgabeanspruch gemäß §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB nach beendetem Pachtverhältnis sowie zum anderen den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, soweit es das Gebäude nebst Freiflächen ohne Inventar betrifft. Hinsichtlich des Inventars fehlt es schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers am Verfügungsanspruch. Ausweislich des von ihm eingereichten Pachtvertrages zwischen der Gemeinde P... bzw. deren Rechtsvorgängerin sowie der Antragsgegnerin vom 30.12.1996 war das vorhandene Inventar, welches Gegenstand der ebenfalls eingereichten Inventarliste war, der Antragsgegnerin übereignet worden. Aus dem Pachtvertrag ergibt sich weder eine vereinbarte Rückübereignung dieser Gegenstände nach Ablauf des Pachtvertrages noch lässt sich dem Vertrag eine Übertragungspflicht der Antragsgegnerin entnehmen.

Es besteht jedoch kein Verfügungsgrund.

Ein Verfügungsgrund liegt gemäß §§ 935, 940 ZPO vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei im Hauptsacheverfahren vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Sicherungsverfügung) oder wenn zur Verhinderung von Gewalt, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus sonstigen gleichwertigen Gründen vor der Entscheidung des Streits im Hauptsacheverfahren eine einstweilige Regelung eines Rechtsverhältnisses erforderlich ist (Regelungsverfügung).

Eine Sicherungsverfügung ist schon aus dem Umstand zu verneinen, dass dem Anspruch auf Herausgabe durch die Herausgabeverweigerung der Antragsgegnerin keine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren droht. Daran ändert auch nichts die behauptete Äußerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der gemeinsamen Besprechung der Parteien am 29.01.2008, die zivilgerichtlichen Verfahren zu verzögern. § 935 ZPO setzt nämlich voraus, dass eine bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des gegenständlichen Anspruches objektiv konkret gefährdet (Baumbach, Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 935 Rn. 16).

Die Voraussetzungen für eine Regelungsverfügung sind ebenfalls nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat den Besitz an dem Pachtobjekt nicht durch verbotene Eigenmacht, sondern vielmehr durch Besitzüberlassung erlangt. Allein der Umstand, dass die Gemeinde der Antragsgegnerin den Pachtvertrag ordnungsgemäß zum 31.12.2007 gekündigt hat und die Antragsgegnerin sich gleichwohl weigert, die Sache herauszugeben, macht den Besitz zwar unberechtigt, aber nicht fehlerhaft im Sinne des § 858 BGB.

Eine einstweilige Verfügung kann auch dann erlassen werden, wenn diese zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist, nämlich wenn über die bloße Verweigerung der Herausgabe und fortgesetzte Nutzung der Sache hinaus Rechtsnachteile drohen, z. B. wenn die Antragsgegnerin die Sache in einer vom Vertrag nicht mehr gedeckten Weise nutzt und der Sachsubstanz aus diesem Grunde konkrete Gefahr droht (OLG Düsseldorf, MDR 1995, 635; OLG Celle, ZMR 2000, 752). Hierzu trägt der Antragsteller jedoch nichts vor. Allein der Hinweis, ein betriebenes und belegtes Heim sei mehr Wert als ein leer stehendes, ist nicht ausreichend. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, welche wirtschaftliche Entwertung zu Lasten der Gemeinde dadurch entstehen soll. Die Antragsgegnerin nutzt lediglich das ihr verpachtete Gebäude im Rahmen des ursprünglichen Vertragszweckes. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Gemeinde darüber hinaus ein Schaden droht, weil sie ihren eigenen Verpflichtungen aus dem mit dem Antragsteller am 27.11.2007 geschlossenen Pachtvertrag über die Räumlichkeiten nicht nachkommen kann. Das einstweilige Verfügungsverfahren dient nämlich nicht dem Vermögensschutz sondern nur dem Schutz eines Individualrechts. Da der Antragsteller zu den drohenden Gefahren einer wirtschaftlichen Aushöhlung des Herausgabeanspruches sonst nichts weiter vorträgt, kommt auch eine Herausgabe an einen Sequester nicht in Frage. In der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, WM 1994, 1983) sind zwar vereinzelt die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung für den Fall bejaht worden, dass Betriebsmittel wie Baugeräte und -maschinen mit der Folge eines drohenden Verschleißes weitergenutzt würden. Abgesehen von dem Umstand, dass bei der Nutzung eines Gebäudes ein solcher Verschleiß zweifelhaft wäre, vermag sich der Senat dieser Ansicht nicht anzuschließen. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Eigentümer, der eine Sache einem anderen zum Gebrauch überlassen hat, schutzwürdiger sein soll als jeder andere Gläubiger, der seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen muss (OLG Düsseldorf, MDR 1995, 635).

Allgemeine Nachteile, die durch rechtsuntreues Verhalten verursacht werden, rechtfertigen ein einstweiliges Verfügungsverfahren nicht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2001, Az. 6 W 138/01). Vielmehr lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers entnehmen, dass die Grenzen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs nicht überschritten werden und keine Verschlechterungen drohen, die von der ursprünglichen Überlassungsentscheidung der Gemeine P... nicht mehr gedeckt sind.

Soweit der Antragsteller zur Begründung weiter darauf verweist, dass die Heimbewohner im Falle der Nichtherausgabe erhebliche Nachteile erleiden würden, begründet dieser Gesichtspunkt hier keine abweichende Entscheidung. Denn die Heimaufsichtsbehörde, die für die Ergreifung von entsprechenden Maßnahmen zur Durchsetzung der berechtigten Belange der Heimbewohner zuständig ist, ist im Rahmen ihr Fachkompetenz auch in der Lage, durch entsprechende Verfügungen angemessen auf den Betreiber des Heimes einzuwirken, was sie durch den zitierten Bescheid getan hat. Die zuständige Heimaufsichtsbehörde hat trotz der Umstände im Pachtobjekt eine sofortige Schließung der Anlage als nicht notwendig erachtet und der Antragsgegnerin bis zum 31.01.2008 freigestellt, den Betrieb einzustellen oder auf einen anderen Träger zu übertragen. Im Übrigen trägt der Antragsteller selbst vor, dass nunmehr ein kommissarischer Leiter für die Einrichtung einvernehmlich eingesetzt werden soll.

Die Herausgabe an den Antragsteller zum Zwecke des eigenen Betriebes eines Seniorenheimes käme im Übrigen einer Leistungsverfügung gleich, da dies zu einer vorläufigen Befriedigung durch die Antragsgegnerin führen würde. Eine solche Dringlichkeit, die ein weiteres Abwarten des Antragstellers unzumutbar erscheinen lässt, ist nur dann gegeben, wenn ohne die sofortige Befriedigung für den Antragsteller die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes besteht oder die Zurückweisung des Antrages einer Rechtsverweigerung gleichkommen würde, eine wirtschaftliche Notlage des Antragstellers vorliegt, die nur durch vorläufige Befriedigung beseitigt werden kann oder ein vom Antragsgegner geschaffener rechtswidriger Zustand besteht, dessen Fortbestand von der Rechtsordnung nicht bis zur Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann (vgl. Ebmeier/Schöne, Der Einstweilige Rechtsschutz, S. 48/9). Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf den unstreitig bestehenden Herausgabeanspruch nach Ablauf der Pachtzeit jedoch nicht vor, zumindest hat der Antragsteller zu einem derartigen Ausnahmefall - worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat - nichts Entscheidendes vorgetragen, und ein solcher ergibt sich auch sonst nicht aus der Akte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beim Beschwerdewert hat der Senat den vom Antragsteller nicht beanstandeten, der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegten Gegenstandswert angesetzt.

Ende der Entscheidung

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