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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.12.2002
Aktenzeichen: 4 U 103/02
Rechtsgebiete: VOB/B, AGBG, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 3 Nr. 3
VOB/B § 6 Nr. 3
VOB/B § 6 Nr. 5
VOB/B § 6 Nr. 6
VOB/B § 8 Nr. 2 Abs. 1
VOB/B § 8 Nr. 2 Abs. 2
VOB/B § 10
VOB/B § 16 Nr. 3
VOB/B § 16 Nr. 5
AGBG § 9
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 3 S. 2
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 103/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 6.12.2002

verkündet am 6.12.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2002 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Mai 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az.: 8 O 443/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.629,50 € nebst 1 % Zinsen über dem SRF-Satz seit dem 05. Mai 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Zwickau verursachten Kosten trägt die Klägerin. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn auf Grund eines durch Kündigung beendeten Vertrages über Elektroinstallationsarbeiten.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird, auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Nach Klageabweisung durch das Landgericht verfolgt die Klägerin mit der Berufung ihren Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn weiter; sie beantragt,

die Beklagte abändernd zu verurteilen, an sie 34.999,87 € nebst 11,5 % Zinsen aus 18.728,61 € seit dem 09. April 1999 und aus 16.271,26 € seit dem 04. Mai 1999 zu zahlen.

Sie wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, der Anspruch sei gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B ausgeschlossen. Es fehle schon an einem ausreichenden Hinweis auf die Ausschlusswirkung der schlusszahlungsgleichen Erklärung. Die Beklagte habe auch dokumentiert, dass sie zur Prüfung der Schlussrechnung in der Lage sei. Gegenforderungen könne die Beklagte nicht geltend machen. Die Vertragsstrafe sei nicht verwirkt, da es an einer Terminüberschreitung fehle. Mängelbeseitigungskosten seien schon wegen des Fehlens einer Mahnung nicht ersatzfähig. Die Fertigstellungsmehrkosten seien verursacht worden, ohne dass die Beklagte die Frist zur Aufnahme der Arbeiten (15. Dezember 1998) abgewartet hätte.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit dem Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache führt das Rechtsmittel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1.

Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts ist der Klageanspruch nicht gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B ausgeschlossen. Die genannte Klausel hält - isoliert gesehen - einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG nicht stand. Nur wenn die VOB/B "als Ganzes" zwischen den Parteien vereinbart worden wäre, wäre die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht zu unterwerfen (vgl. Ingenstau/Korbion § 16 VOB/B RN 202 mit weiteren Nachweisen).

In den Bedingungen zum Nachunternehmervertrag (Anl. K 2 zur Klageschrift) ist die VOB/B indes in vielen Punkten zum Nachteil der Klägerin abgewandelt worden, sodass es an einer Einbeziehung der VOB/B "als Ganzes" fehlt:

Ziff. 3.1. der NU-Bedingungen sieht im Gegensatz zu § 3 Nr. 3 VOB/B verschärfte Anforderungen an die Prüfung der Unterlagen vor.

Ziff. 3.2. der NU-Bedingungen überwälzt die Pflicht zur Erstellung von Unterlagen teilweise auf die Klägerin (im Gegensatz zu § 3 Nr. 1 VOB/B).

Ziff. 5.3. der NU-Bedingungen stellt höhere Anforderungen an die Bewältigung von Bauverzögerungen als § 6 Nr. 3 VOB/B.

Ziff. 5.5 der NU-Bedingungen verschärft die Haftungsanforderungen zu Lasten der Klägerin im Vergleich zu der differenzierteren Regelung des § 6 Nr. 6 VOB/B.

Die Haftungsbestimmung in Ziff. 10.1. der NU-Bedingungen geht über § 10 VOB/B weit hinaus.

Insgesamt sind die Abweichungen von dem - in sich ausgewogenen - Regelwerk der VOB/B so erheblich, dass von einer Einbeziehung der VOB/B "als Ganzes" nicht mehr ausgegangen werden kann.

Selbst wenn man hingegen von einer wirksamen Vereinbarung auch des § 16 Nr. 3 VOB/B ausgehen wollte, würde sich nichts anderes ergeben. Die Beklagte hat auf die Ausschlusswirkung der schlusszahlungsgleichen Erklärung nicht in zulässiger Form hingewiesen. Der Hinweis geht dahin, dass die Klägerin eventuelle Vorbehalte innerhalb von 24 Werktagen zu erklären und zu begründen habe (Schreiben vom 04. Mai 1999, Anlage K 13). § 16 Nr. 3 VOB/B sieht dagegen vor, dass für die Erklärung des Vorbehalts 24 Werktage und weitere 24 Werktage für dessen Begründung (an Stelle einer neuen Schlussrechnung) zur Verfügung stehen. Diese Diskrepanz macht den Hinweis insgesamt unwirksam; damit konnte die Ausschlusswirkung nicht eintreten.

2.

Der restliche Werklohnanspruch der Klägerin steht auf Grund des beiderseitigen Vorbringens der Parteien fest und ist in prüfbarer Form dargetan. Nachdem die Beklagte den Werkvertrag berechtigt unter Bezugnahme auf die Beantragung des Insolvenzverfahrens gem. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B gekündigt hatte, waren die erbrachten Leistungen gem. § 6 Nr. 5 VOB/B in prüfbarer Form abzurechnen.

Aus der von der Klägerin gefertigten Schlussrechnung (Anlage K 11) allein lässt sich der Werklohn allerdings nicht bestimmen. Diese Schlussrechnung lässt einen hinreichenden Bezug zu den getroffenen Vereinbarungen nicht erkennen, haben die Parteien sich doch ausweislich des unwidersprochen gebliebenen Schreibens der Klägerin vom 30. Oktober 1998 (Bl. 31 d.A.) nachträglich auf einen Pauschalpreis verständigt. Die Schlussrechnung der Klägerin genügt den Anforderungen, die an die Abrechnung eines vorzeitig abgebrochenen Pauschalpreisvertrages zu stellen sind, nicht; denn es fehlt an einer Gegenüberstellung der erbrachten zu den nicht erbrachten Leistungen, die eine verhältnismäßige Berechnung des verdienten Anteils an dem vereinbarten Pauschalpreis erst ermöglichen kann (vgl. hierzu Beck'scher VOB/B-Kommentar/Motzke, § 8 Nr. 6 KN 28 mit weiteren Nachweisen).

Die Beklagte hat indes von ihrem Recht, die Schlussrechnung selbst zu erstellen (§ 14 Nr. 4 VOB/B), Gebrauch gemacht und sich noch in erster Instanz auf dieses Recht berufen (Schriftsatz vom 16. Mai 2001, Bl. 21, 26 d.A.). Die Beklagte hat - den Anforderungen der Rechtsprechung an die Abrechnung von vorzeitig beendeten Pauschalpreisverträgen genügend - die erbrachten Leistungen von den nicht erbrachten an Hand der Abrechnung des Nachunternehmers Sch... abgegrenzt und ist nach der prozentualen Berechnung des in der Pauschalpreisvereinbarung enthaltenen Nachlasses zu einem Gesamtwerklohn von 83.607,77 DM netto gekommen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Berechnung unrichtig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat sich vorgerichtlich auf diese Abrechnung berufen; keine der Parteien hat - auch nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass er diese Abrechnung zur Grundlage der Werklohnermittlung heranzuziehen beabsichtigt - Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnung erhoben.

3.

Die Beklagte macht gegenüber diesem Anspruch mit Recht die Mehrkosten geltend, die sie in Folge der Beauftragung des Nachunternehmers Sch... zu tragen hatte. Diese hat sie in nachvollziehbarer Form in der überreichten Anlage K 13 mit 3.584,12 DM (für die 40 von der Klägerin bearbeiteten Wohneinheiten) und weiteren 11.600,00 DM (für die weiteren 80 Wohneinheiten H...weg 31 - 37 und 23 - 29) beziffert. Zu Unrecht meint die Klägerin, die Beklagte hätte insoweit die mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 (Anlage K 4) gesetzte Frist abwarten müssen. Denn die ausgesprochene Kündigung beruhte nicht auf dem nach dem Vorbringen der Klägerin eingetretenen Verzug, sondern - rechtlich unabhängig hiervon - auf der Beantragung des Insolvenzverfahrens.

4.

Die Kosten der Mängelbeseitigung kann die Beklagte hingegen dem klägerischen Anspruch nicht im Wege der Verrechnung entgegenhalten. Die Beklagte hat der Klägerin keine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt. Da die Mängelbeseitigungskosten von dem gem. § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B bestehenden Schadensersatzanspruch nicht umfasst werden, war die Fristsetzung auch nicht entbehrlich; denn das Recht der Klägerin, die Mängel zu beseitigen, ist durch die Beantragung der Insolvenzverfahrens nicht entfallen (vgl. hierzu Ingenstau/Korbion § 8 VOB/B RN 76; Beck'scher VOB-Kommentar § 8 Nr. 2 RN 36, § 8 Nr. 1 RN 7 unter Hinweis auf BGH BauR 1987, 689, 690).

5.

Die Klägerin hat die weiterhin von der Beklagten geltend gemachte Vertragsstrafe nicht verwirkt. Sie ist schon nicht wirksam vereinbart; denn sie sieht eine Vertragsstrafe von 0,5 % pro Werktag vor und ist deshalb mit § 9 AGBG nicht vereinbar (BGH NZBau 2002, 383, 385). Das Vorbringen der Beklagten, die Vertragsstrafe sei individuell vereinbart und deshalb einer Kontrolle nach dem AGBG nicht zugänglich, ist unerheblich, lässt es doch nicht erkennen, auf welche Weise die Beklagte diese Klausel einzelvertraglich mit der Klägerin vereinbart haben will.

6.

Demgemäß ergibt sich folgende Gesamtabrechnung:

Werklohn netto 83.607,77 DM = brutto 96.985,01 DM Umlagen 0,2% ./. 193,97 DM gezahlt unter Anrechnung des Skontos auf Abschlags- Zahlungen ./. 42.277,36 DM Fertigstellungsmehrkosten ./. 3.584,12 DM und ./. 11.600,00 DM Restwerklohn mithin 39.329,56 DM 5 % Gewährleistungseinbehalt sind noch nicht fällig, weil die 5-jährige Gewährleistungsfrist (Anl. K 1 Bl. 7) noch nicht abgelaufen ist. Deshalb hat ein weiterer Abzug von ./. 4.849,25 DM zu erfolgen.

Der Gesamtanspruch berechnet sich demgemäß auf 34.480,31 DM = 17.629,50 €.

7.

Ein Zinsanspruch in Höhe von 11,5 % ist von der Klägerin nicht näher dargetan. Für die Höhe des Zinssatzes ist demgemäß § 16 Nr. 5 VOB/B in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000 maßgeblich. Ein früherer Zeitpunkt als derjenige des Schreibens vom 04. Mai 1999 ist für den Zinsbeginn nicht feststellbar, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Forderung der Klägerin in prüfbarer Form zu ermitteln war. Da die Beklagte mit diesem Schreiben gleichzeitig die Erfüllung der Werklohnforderung ernsthaft und endgültig verweigert hat, bedurfte es zur Herbeiführung des Verzuges mit Ablauf des 04. Mai 1999 weiterer Maßnahmen von Seiten der Klägerin nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO. Eines gesonderten Kostenausspruchs im Hinblick auf das Ausscheiden der früheren Klägerin bedarf es nicht, da insoweit zusätzliche Kosten nicht angefallen sind (vgl. Zöller/Greger § 263 RN 32). Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis hat nach § 713 ZPO zu unterbleiben. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Streitwert für die Berufungsinstanz: 34.999.87 €

Ende der Entscheidung

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