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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: 4 U 119/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 472 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 119/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Verkündet am 23.02.2005

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.06.2004 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 11 O 255/02 - abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 34.107,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2002 sowie Zinsen in Höhe von 5,85 % aus 33.292,00 € seit dem 27.12.2001 bis zum 15.07.2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Streithelferin.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von den Rechtsnachfolgern der Beklagten und dem Beklagten (im folgenden: die Beklagten) die Minderung des Kaufpreises und Schadensersatz wegen Feuchtigkeitsmängeln des ihr von diesen mit notariellem Vertrag vom 29.10.2001 verkauften Wohngrundstücks. In dem Vertrag ist die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen.

Das Landgericht hat die Beklagten in der Hauptsache antragsgemäß verurteilt. Es hat die Feuchtigkeitsmängel nach Zeugeneinvernahme und Sachverständigenbeweiserhebung als erwiesen angesehen und aus den für erwiesen erachteten Befundtatsachen indiziell auf arglistiges Verschweigen dieser Mängel geschlossen. Der Höhe nach hat die Kammer die Minderung nach einer Schätzung der Mängelbeseitigungskosten durch den Sachverständigen bemessen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands, der im zweiten Rechtszug keine Änderungen erfahren hat, wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Bezugnahme erstreckt sich auch auf die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Mit ihrer Berufung greifen die Beklagten diese Feststellungen des Landgerichts an. Sie sind der Auffassung, dass die Annahme von Feuchtigkeitsmängeln zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf fehlerhafter Beweiswürdigung beruhe. Jedenfalls ließen die Befundtatsachen, namentlich die sachverständig festgestellten, nicht den Schluss auf ein arglistiges Verschweigen dieser Mängel zu. Zudem wenden sich die Beklagten nunmehr auch gegen die Höhe der Minderung, da von den veranschlagten Mängelbeseitigungskosten Abzüge "neu für alt" für die Innenraumrenovierung von 7.000,00 € und für den Außenputz von 20.000,00 € in Ansatz zu bringen seien. Zumindest müssten die Kosten für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an der Giebelwand in Abzug gebracht werden, weil es insoweit "um die äußerlich erkennbaren und auch mitgeteilten Feuchtigkeitsprobleme geht".

Die Beklagten beantragen,

die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Deren Streithelferin tritt diesem Begehren inhaltlich bei, soweit arglistiges Verschweigen und die Höhe der Minderung in Streit steht.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und das Ergebnis der Beweisaufnahme.

II.

Die zulässige Berufung hat nur im Zinspunkt teilweise Erfolg. Denn die Klage ist im übrigen begründet.

1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen das Minderungs- und Schadensersatzbegehren der Klägerin. Die Berufung zeigt auch keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

a) Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Feststellungen zum Anspruchsgrund (§ 462 BGB a. F. und c. i. c.) unzutreffend sind.

aa) Die objektive Mangelhaftigkeit der Kaufsache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist nach den überzeugungskräftigen Befundfeststellungen des Sachverständigen erwiesen. Sie wird durch die Berufung auch nur scheinbar in Frage gestellt. Denn die Berufungsangriffe beruhen auf der Argumentation, dass die Feuchtigkeitserscheinungen erst später zu Tage getreten sein mögen. Die Berufung verhält sich dagegen nicht zu den Ursachen der Hausfeuchte. Sie liegen nach den sachverständigen Feststellungen in einer unzureichenden Vertikalabdichtung des Wohnhauses. Da bereits die fehlerhafte Abdichtung die Mangelhaftigkeit der Kaufsache begründet, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit der Feuchtigkeitserscheinungen insoweit nicht an.

Dass die in den Symptomursachen bestehenden Mängel bereits bei Gefahrübergang vorhanden waren, ist zudem im Anscheinswege bewiesen. Denn die Feuchtigkeitserscheinungen traten, wie u. a. durch das Privatgutachten V... belegt wird, zeitnah nach Übergabe auf. Dem halten die Beklagten wiederum nur entgegen, dass sich bestimmte Feuchtigkeitssymptome, wie z. B. Schimmel, innerhalb weniger Tage zeigen können. Da die Ursachen der Feuchtigkeitserscheinungen hiervon unberührt bleiben, haben sie damit einen atypischen Kausalverlauf nicht dargelegt.

bb) Auch die Annahme eines arglistigen Verschweigens der Hausfeuchte durch das Landgericht begegnet keinen Bedenken. Der Begriff der Arglist umschreibt nicht etwa nur - oder auch nur in erster Linie - einen betrügerischen oder sonst moralisch zu missbilligenden Willen des Verkäufers. Wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, reicht es für die Bejahung von Arglist im Rechtssinne vielmehr aus, dass der Verkäufer den Mangel ernsthaft für möglich hält und dabei damit rechnet, dass der Käufer den Vertrag in Mangelkenntnis zumindest nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigen die Feststellungen die Wertung des Verhaltens der Beklagten als arglistig.

(1) Fest steht nämlich folgendes:

Das Haus war während des Bezugs der Vorbesitzer der Beklagten offensichtlich feucht. Das wird durch die insoweit nicht angegriffenen Zeugenaussagen B... und T... bewiesen. Anschließend war das Anwesen mehrere Jahre unbewohnt, wie aufgrund der Aussage der Zeugin F... erwiesen ist, gegen die die Berufung ebenfalls nichts einwendet. Leerstand beseitigt Feuchtigkeit nicht. Das wird nach der Lebenserfahrung als regelmäßiger Lauf der Dinge vermutet, so dass der Klägerin insoweit ein Beweis des ersten Anscheins zugute kommt. Anhaltspunkte für einen ausnahmsweise abweichenden Kausalverlauf bestehen nicht. Soweit der Sachverständige in diesem Zusammenhang auf Seite 25 seines Gutachtens ausführt, dass bei guter Wärmedämmung, mehrmaligem wöchentlichem Lüften und Erwärmung der raumumschließenden Bauteile ein Ansteigen der Baufeuchte "sicherlich" zu verhindern sei, handelt es sich ersichtlich um eine lediglich theoretische Trocknungsmöglichkeit. Jedenfalls haben die Beklagten nicht vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt, dass mit dem Wohnhaus während des Leerstands in dieser Weise verfahren worden wäre. Aus alledem folgt, dass die Beklagten zumindest bei Bezug des Hauses um dessen Durchfeuchtung gewusst haben müssen.

Wenn die Beklagten aber um die anfänglichen Feuchtigkeitsmängel wussten, muss ihnen auch bekannt gewesen sein, dass diese, d. h. deren Ursachen, bis zum Verkauf und zur Übergabe des Wohngrundstücks an die Klägerin fortbestanden. Denn die von ihnen bei und nach Bezug durchgeführten Sanierungsmaßnahmen betrafen die Abdichtungsmängel im wesentlichen nicht und haben die Feuchtigkeit nicht beseitigt. Die in der Anlage B 1 ausgewiesene Isolierungsmaßnahme betraf nur eine Außenwand (Hofseite) und diente auch nur dem Schutz gegen aufsteigende Feuchtigkeit, während nach den sachverständigen Feststellungen sämtliche Außenwände betroffen sind und eine horizontale Durchfeuchtung nicht belegt ist (Seiten 14 und 22 des Gutachtens). Die Feuchtigkeitsursachen sind dementsprechend immer noch vorhanden (oben aa). Zu ihrer Beseitigung sind vielmehr, auch insoweit von der Berufung nicht angegriffen, die vom Sachverständigen genannten Mängelbeseitigungsmaßnahmen, also insbesondere eine Wärmedämmung der Außenfassade, erforderlich (Seiten 24 und 28 des Gutachtens). Die pauschale Behauptung der Beklagten, sie hätten zahlreiche Sanierungsmaßnahmen durch sachkundige Handwerker ausführen lassen und daher davon ausgehen dürfen, dass diese sachgerecht waren, ist folglich nicht nachvollziehbar. Mehr noch. Wie der Sachverständige auf Seite 24 des Gutachtens festgestellt hat, hat die Anbringung von Vorsatzschalen aus Trockenbau und Dämmtapeten die bauphysikalischen Bedingungen noch verschlechtert. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagten die Feuchtigkeitserscheinungen durch die von ihnen vorgenommenen Baumaßnahmen, insbesondere die Anbringung von Rigipsplatten an drei Außenwänden, die sie unter Bezugnahme auf ihre Anlage B 1 vortragen, optisch zu unterdrücken vermochten. In gleicher Weise kann auf sich beruhen, ob sich die Beklagten in ihrem Heiz- und Lüftungsverhalten besonders auf die Hausfeuchte eingestellt haben, womit die Feuchtigkeitsbeeinträchtigungen nach den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen gleichfalls nachhaltig verringert werden können.

(2) Auf dieser Tatsachengrundlage entspricht es dem Gebot umfassender Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO, wenn das Landgericht weitere Umstände wie die Anbringung von Vorsatzschalen, womit die bezeichneten Rigipsplatten gemeint sind, oder die Neutapezierung der Küchenaußenwand vor Übergabe als zusätzliche Indizien dafür gewertet hat, dass den Beklagten die Mangelhaftigkeit des Wohnhauses bekannt war. Ebensowenig hat die Kammer, wenn sie, insoweit dem Sachverständigen folgend, auch aus der erhöhten Luftfeuchte auf eine Kenntnis der Beklagten geschlossen hat, die Grenzen des Sachverständigenbeweises verkannt. Die Beklagten und ihre Streithelferin verkennen ihrerseits, dass sich der Sachverständige hier, jedenfalls soweit sich die Kammer dessen Feststellungen zu eigen gemacht hat, nicht eine individuelle Aussage über eine innere Tatsache anmaßt, sondern auf eine jedermann erkennbare Erhöhung der Luftfeuchtigkeit abstellt. Dieser Befund rechtfertigt jedenfalls in Verbindung mit dem übrigen Tatsachenmaterial ohne weiteres den Schluss auf eine entsprechende Wahrnehmung auch der Beklagten. Schließlich trifft auch nicht zu, dass das Landgericht die Gegenbeweise nicht gewürdigt hat. Es hat die Aussagen insbesondere der Zeugen W... und P... L..., die bereits eine anfängliche Baufeuchte in Abrede gestellt haben, vielmehr ausdrücklich als nicht glaubhaft erachtet. Diese Wertung ist nach dem Vorgesagten (ursprünglich gravierende Feuchtigkeitsprobleme, anschließend mehrjähriger Leerstand) mehr als naheliegend und stellt sich zumindest in keiner Weise als Ergebnis einer fehlerhaften Beweiswürdigung dar.

b) Auch die Höhe der Minderung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nach den sachverständig veranschlagten Mängelbeseitigungskosten bemessen, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass Kaufpreis und Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die gemäß § 472 BGB a. F. ins Verhältnis zu setzen sind, voneinander abweichen. Ein Abzug "neu für alt", wie er bei Schadenersatzansprüchen denkbar ist, kommt bei der Minderung nicht in Betracht. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Minderung nach den Mängelbeseitigungskosten bemessen wird. Im übrigen hat die Kammer zutreffend darauf abgestellt, dass der Begriff "Kernsanierung" jedenfalls eine wirksame Feuchtigkeitsvorsorge umfasst, so dass eine Kürzung der zu ihrer Herstellung erforderlichen Kosten dem Käufer nicht zumutbar erscheint (vgl. BGHZ 30, 29, 34 ff.). Wie eine dem Alter und Zustand des Anwesens entsprechende Sanierung aussehen könnte, auf die die Streithelferin abstellen will, wird von ihr nicht dargelegt. Davon abgesehen haben die Beklagten gegen die Kostenaufstellung des Sachverständigen auf Seite 16 des Gutachtens im ersten Rechtszug nichts erinnert. Vielmehr hat die Streithelferin die Abzugsbeträge erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen, so dass es sich um neues, nicht zulassungsfähiges Vorbringen handelt (§ 531 Abs. 2 ZPO). Ohne Substanz bleibt schließlich der nunmehrige Vortrag der Beklagten, die Sanierungsmaßnahmen der Giebelwand hätten "die äußerlich erkennbaren und auch mitgeteilten Feuchtigkeitsprobleme" zum Gegenstand. Nach ihrem Vorbringen im ersten Rechtszug wollen sie dagegen lediglich auf Umwelteinflüsse hingewiesen haben, denen die Giebelwand insbesondere durch Spritzwasser und Winterdienst ausgesetzt sein soll, was nicht zum Schluss auf Feuchtigkeit in den Innenräumen zwingt und auch nicht deren Ursache ist, da diese in der unzureichenden Wärmedämmung liegt.

2. Im Zinspunkt ist das Urteil abzuändern, weil die Schadenersatzposition Vertragszins (5,85 %) auf den Minderungsbetrag ab dem 16.07.2002 in dem Verzugszins aufgeht, es also an einem weitergehenden Schaden fehlt (§ 288 Abs. 4 BGB). Dem ist durch Befristung dieser Schadensersatzposition bis zum 15.07.2002 Rechnung zu tragen. Zwar normiert § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB einen unwiderlegbaren Mindestschaden, doch geht es beim Vertragszins um eine fortdauernde Vermögenseinbuße aus c. i. c., was nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist (Differenzhypothese). An einer in diesem Sinne fortdauernden Vermögenseinbuße fehlt es, weil sie ab dem 16.07.2002 durch den Verzugszins kompensiert wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.107,44 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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