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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.04.2003
Aktenzeichen: 4 U 143/02
Rechtsgebiete: ZPO, EntschädigungsG, GrundbuchbereinigungsG, BGB, ZPO/DDR


Vorschriften:

ZPO § 948
ZPO § 957
ZPO § 957 Abs. 2
ZPO § 957 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 958 Abs. 1
ZPO § 958 Abs. 1 S. 1
ZPO § 958 Abs. 2
ZPO § 977
EntschädigungsG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
GrundbuchbereinigungsG § 15
BGB § 166
ZPO/DDR § 41 Abs. 1
ZPO/DDR § 145 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 143/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.4.2003

verkündet am 23.4.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 09. April 200 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. August 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder - Az.: 17 O 349/01 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Erbeserbin nach dem am 21. September 1964 verstorbenen Prof. Dr. ... R... . Dieser war Eigentümer der heute im Grundbuch von W... Bl. 556 und Bl. 1612 verzeichneten Grundstücke. Als Angehöriger der jüdischen Bevölkerungsgruppe war Prof. Dr. R... den nationalsozialistischen Verfolgungen ausgesetzt; er verkaufte das Flurstück 142 am 31. Mai 1938 an M... H... und G... S... und wanderte aus. Zu einer Eigentumsumschreibung im Grundbuch kam es nicht.

Das Flurstück 142 wurde im Zuge eines bereits Ende der 80er-Jahre durch die Beklagte angestrengten Aufgebotsverfahrens aus dem Grundbuch zu Bl. 556 abgeschrieben und unter Bl. 1612 weitergeführt. Dieses Aufgebotsverfahren gelangte auf Grund einer Intervention des Obersten Gerichtshofs nicht zum Abschluss. Die Beklagte beantragte am 09. Oktober 1990 erneut ein Aufgebot zum Zwecke des Ausschlusses des Eigentümers des Flurstücks 142. Am 21. Januar 1992 erließ das Amtsgericht F... ein Ausschlussurteil. Die Beklagte erwirkte ihre Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch und veräußerte das Flurstück am 06. Juli 1992 an die Eheleute S..., die im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurden.

Nachdem das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises O... mit Bescheid vom 21. August 2001, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 23. August 2001, die Ablehnung des Restitutionsantrags der Klägerin im Hinblick auf das Flurstück 142 angekündigt und dies mit der Existenz des Ausschlussurteils begründet hatte, hat die Klägerin am 13. September 2001 eine Anfechtungsklage gem. § 957 ZPO eingereicht. Nach Anforderung des Kostenvorschusses mit Verfügung vom 18. September 2001 hat die Klägerin diesen, eingehend am 25. September 2001, eingezahlt. Daraufhin ist die Klage der Beklagten am 05. Oktober 2001 zugestellt worden.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Bevollmächtigter habe am 23. August 2001 erstmals von der Existenz des Ausschlussurteils Kenntnis erlangt. Das Ausschlussurteil habe nicht ergehen dürfen, weil die Aufgebotsfrist nicht eingehalten sei, das Aufgebot ein Dienstsiegel der DDR getragen habe, die Anmeldeverordnung nicht beachtet sei und das Aufgebotsgericht § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 des Entschädigungsgesetzes und § 15 des Grundbuchbereinigungsgesetzes nicht beachtet habe.

Die Beklagte hat eingewandt, die Klägerin beziehungsweise ihr Bevollmächtigter habe bereits früher Kenntnis von der Existenz des Ausschlussurteils haben müssen, wie sich aus den Mitteilungen über den Grundbuchstand zu Bl. 556 des Grundbuchs und aus der Kenntnis des Bevollmächtigten über die Bebauung des Flurstücks 142 ergebe.

Das Landgericht hat das Ausschlussurteil des Kreisgerichts F... vom 21. Januar 1992 antragsgemäß aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Das Vorliegen der Anfechtungsgründe habe die Klägerin zutreffend dargelegt; die Beklagte habe sich dem angeschlossen. Die Anfechtungsfrist gem. § 958 Abs. 1 ZPO sei gewahrt; denn es sei erwiesen, dass der Bevollmächtigte der Klägerin erst mit Zugang des Bescheides vom 21. August 2001 Kenntnis von dem Ausschlussurteil erlangt habe.

Gegen dieses ihr am 09. September 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen am 09. Oktober 2002, Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 11. November 2002, einem Montag, begründet.

Die Beklagte vertieft ihren Rechtsstandpunkt, der Bevollmächtigte habe das Ausschlussurteil bereits Mitte der 90er-Jahre kennen müssen; weil das Kennenmüssen ausreichend sei, sei die Klage verfristet. Es sei auf Grund des Kenntnisstandes des Bevollmächtigten sogar davon auszugehen, dass er sich der Kenntnis bewusst verschlossen habe. Im Übrigen habe der Bevollmächtigte bereits 1995/1996 von der Veräußerung des Streitgrundstücks gewusst; jedenfalls sei der Anspruch der Klägerin deshalb verwirkt.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 03. Januar 2003 (Bl. 249 d.A.).

Folgende Akten lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung:

- Grundakten von W... Bl. 1612 und Bl. 556

- Akten des ARoV des Landkreises O... ...

- Akte des Aufgebotsverfahrens des Kreisgerichts F... ...

II.

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg; denn das Landgericht hat das Ausschlussurteil des Kreisgerichts F... mit Recht aufgehoben.

1.

Die gemäß § 957 Abs. 2 ZPO erhobene Anfechtungsklage ist fristgerecht erhoben.

Die Zehn-Jahres-Frist des § 958 Abs. 2 ZPO ist gewahrt, da das Ausschlussurteil am 21. Januar 1992 verkündete worden und die Zustellung der Anfechtungsklage am 05. Oktober 2001 (Bl. 52 d.A.) erfolgt ist. Auch die einmonatige Notfrist des § 958 Abs. 1 S. 1 ZPO ist gewahrt.

a. Die Monatsfrist des § 958 Abs. 1 S. 1 ZPO beginnt mit der Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von dem Ausschlussurteil. Dass die Klägerin selbst jedenfalls vor dem 23. August 2001, als ihrem Prozessbevollmächtigten der Beschluss des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 21. August 2001 zugestellt worden ist, keine Kenntnis von dem Ausschlussurteil erlangt hatte, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Stellt man demgemäß auf das Datum des 23. August 2001 an, so ist die Frist durch die Einreichung der Klage am 13. September 2001 gewahrt (§ 270 Abs. 3 ZPO in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung). Die Klage ist nämlich, nachdem die Klägerin binnen einer Woche nach Anforderung den Kostenvorschuss am 25. September 2001 (Zahlungseingang; Bl. II d.A.) eingezahlt hatte, "alsbald", nämlich am 05. Oktober 2001, zugestellt worden.

b. Ob die Klägerin sich den Kenntnisstand, den ihr Prozessbevollmächtigter zu einem früheren Zeitpunkt hatte, zurechnen lassen muss, ist zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen.

Eine Prozessvollmacht in Bezug auf das Aufgebotsverfahren oder das Anfechtungsverfahren, die eine Verschuldens- und Wissenszurechnung zur Folge hätte (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 85 RN 3), hat die Klägerin ihrem Bevollmächtigten jedenfalls nicht vor dem 23. August 2001 erteilt. Bei den Akten befindet sich eine frühere Vollmacht vom 12. September 1995 (Bl. 54 der Grundakten zu Bl. 556); doch bezieht sich diese inhaltlich nur auf vermögensrechtliche Ansprüche, nicht auf eine hier erforderliche Vollmacht zur Geltendmachung von Rechten im Zivilprozess.

Eine weitergehende Vollmacht des Inhalts, dass Rechtsanwalt M... sämtliche grundstücksbezogenen Interessen der Klägerin in Deutschland hat wahrnehmen dürfen und dies gegebenenfalls zu einer Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB führen könnte, wird von der Klägerin zwar in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. April 2003 behauptet. Einer Beweiserhebung über diese Behauptung bedarf es indes nicht; selbst wenn man in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landgerichts davon ausginge, dass sich die Klägerin das Wissen ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen muss, ergäbe sich im Ergebnis nichts Abweichendes. Es ist nämlich nichts dafür ersichtlich, dass Rechtsanwalt M... vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis von dem angefochtenen Ausschlussurteil erlangt hat. Er hat hinsichtlich der auf Blatt 556 des Grundbuchs von W... verzeichneten Grundstücke zwar Berichtigungsanträge gestellt und das Grundbuchamt hat ihm von der Erledigung dieser Anträge Mitteilung gemacht; doch das Flurstück 142 war von diesen Mitteilungen jeweils nicht umfasst. Auch im Übrigen lässt sich weder dem Inhalt der Beiakten noch dem Vorbringen der Parteien entnehmen, dass Rechtsanwalt M... im Verlaufe seiner Bemühungen in dem vermögensrechtlichen Verfahren von der Existenz des Ausschlussurteils Kenntnis erlangt hat. Insbesondere ist eine Kenntnisnahme vom Inhalt der Grundakten zu Bl. 1612 des Grundbuchs von W... nicht erfolgt; Akteneinsichtsgesuche oder sonstige Hinweise auf eine solche Kenntnis sind diesen Akten nicht zu entnehmen.

c. Soweit die Beklagte weiter den Rechtsstandpunkt vertritt, dass die fahrlässige Unkenntnis des Bevollmächtigten der Klägerin der Kenntnis gleichstehe, teilt der Senat diese Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit der Literatur (vgl. Musielak/Ball, 3. Aufl., § 958 RN 2; Stein-Jonas/Schlosser, 20. Aufl., § 958 RN 1; Wieczorek/Weber, 3. Aufl., § 958 RN 3; MünchKommZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 958 RN 6) nicht; denn der Wortlaut der Norm ist eindeutig und die einschneidenden Auswirkungen eines Ausschlussurteils für den Betroffenen sind so stark, dass eine ausweitende Auslegung interessenwidrig wäre. Zudem wäre es mit dem Gebot der Klarheit prozessualer Fristen nicht vereinbar, die Zulässigkeit einer Klage von dem stark wertungsabhängigen Begriff der Fahrlässigkeit abhängig zu machen. Doch kommt es auf diese Rechtsfrage letztlich schon deshalb nicht an, weil die Unkenntnis des bevollmächtigten Rechtsanwalts M... von der Existenz des Ausschlussurteils nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Allein die Tatsache, dass das vom Ausschlussurteil betroffene Flurstück 142 in den Eintragungsnachrichten des Grundbuchamts zu Blatt 556 fehlte, ließ keinen hinreichenden Schluss darauf zu, dass zu einem früheren Zeitpunkt ein solches Urteil ergangen wäre, zumal Ausschlussurteile gemäß § 977 ZPO in der Rechtspraxis so ungewöhnlich sind, dass weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter an die Möglichkeit der Existenz eines solchen denken mussten. Hinzu kommt, dass für das Fehlen des betroffenen Flurstücks ein Vielzahl von Gründen ursächlich sein konnte; das Bestehen eines Ausschlussurteils stellte sich demgemäß als rein theoretische - und unwahrscheinliche - Möglichkeit dar. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des von der Klägerin bestrittenen Vorbringens der Beklagten im Schriftsatz vom 28. Januar 2003 (Bl. 276 d.A.). Selbst wenn der Bevollmächtigte der Klägerin wusste, dass die Beklagte das Grundstück an Dritte verkauft hatte, so war der Gedanke an die vorherige Durchführung eines Aufgebotsverfahrens fernliegend. Im Übrigen wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen des Landgericht Bezug genommen.

2.

Die Klägerin hat für das Anfechtungsverfahren auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

Die Klägerin kann zwar auf Grund des erstrebten Urteils nicht das Eigentum an dem Flurstück 142 wiedererlangen; denn es ist davon auszugehen, dass die Erwerber, die Eheleute S..., rechtsbeständig Eigentümer des Grundstücks geworden sind. Sie haben das Grundstück von der voreingetragenen Beklagten erworben und sind im Grundbuch eingetragen worden (§ 873 Abs. 1 BGB). Auch wenn die erteilte Genehmigung nach der GVO aufgehoben werden sollte, würde die Rechtsstellung der Erwerber S... nicht berührt (§ 7 Abs. 1 S. 1 GVO).

Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ergibt sich aber daraus, dass das Ausschlussurteil, wenn es bei Bestand bliebe, Rechtskraft auch im Hinblick auf etwaige zivilrechtliche Ausgleichsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten entfalten würde. Ein Ausschlussurteil bezweckt die endgültige Neuordnung der dinglichen Zuordnung und der Güterlage; mit dem Zweck der Rechtsbefriedung wäre es nicht zu vereinbaren, Ausgleichsansprüche wegen eines zu Unrecht ergangenen Ausschlussurteils zuzulassen, wenn dieses selbst nicht erfolgreich angefochten ist. Der Senat schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Landgerichts Koblenz (Urteil vom 16. Oktober 1962, NJW 1963, 254, 255) an. Der Eigentumserwerb der Eheleute S... steht der begehrten Aufhebung auch nicht entgegen; denn ein aufhebendes Urteil wirkt nur im Verhältnis der Streitparteien (vgl. Zöller/Geimer, 23. Aufl., § 957 RN 2).

3.

Es liegt auch der Aufhebungsgrund des § 957 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor. In dem Aufgebotsverfahren ist nämlich die gesetzlich vorgeschriebene Bekanntmachung verabsäumt worden.

Nach § 948 ZPO hätte die Bekanntmachung des Aufgebots im Bundesanzeiger erfolgen müssen. Abweichende gesetzliche Regelungen wie in anderen Bundesländern - dort ist zum Teil ersatzweise die Veröffentlichung in einem Amtsblatt oder Staatsanzeiger vorgesehen (vgl. die Übersicht in MünchKommZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 977 - 981 RN 10) - bestehen in Brandenburg nicht. In dem hier betroffenen Aufgebotsverfahren ist die Veröffentlichung im Bundesanzeiger nicht erfolgt; vielmehr ist der hierfür vorgesehene Vordruck an der entsprechenden Stelle gestrichen. Die erfolgte Bekanntmachung lediglich in der M...zeitung reicht nicht aus.

Zu Unrecht stützt sich die Beklagten in diesem Zusammenhang auf die Regelungen der §§ 145 Abs. 1 S. 1, 41 Abs. 1 ZPO/DDR. Diese Normen waren seit dem 03. Oktober 1990 nicht mehr anzuwenden (Art. 8 Einigungsvertrag); die Anlagen zum Einigungsvertrag (insbesondere Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 5) enthalten keine abweichenden Anordnungen.

Es kommt demgemäß nicht mehr darauf an, dass die weiteren in der Klageschrift genannten Anfechtungsgründe im Gegensatz zu der vom Landgericht - ohne nähere Begründung - vertretenen Rechtsauffassung nicht vorliegen.

4.

Der Anfechtungsklage steht auch der von der Beklagten erhobene Einwand der Verwirkung nicht entgegen.

Ob im Rahmen der Anfechtungsklage das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment gegeben ist, weil zwischen der Verkündung des Ausschlussurteils und der Einreichung der Klage mehr als 9 1/2 Jahre vergangen waren, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an dem "Umstandsmoment": ein Anspruch ist nur dann verwirkt, wenn der Verpflichtete sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr wahrnehmen; die Geltendmachung des Rechtes muss für den Verpflichteten eine unzumutbare Härte darstellen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 242 RN 95 mit weiteren Nachweisen).

Die Beklagte hat nicht vorgebracht, auf Grund eines konkreten Verhaltens der Klägerin - oder eines ihr zurechenbaren Verhaltens des Prozessbevollmächtigten - ein schützenswertes Vertrauen dahingehend gefasst zu haben, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend machen werde. Die Veräußerung des Flurstücks 142 hat die Beklagte vielmehr alsbald nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens vorgenommen; zu diesem Zeitpunkt haben selbst nach dem Vortrag der Beklagten weder die Klägerin noch deren Bevollmächtigter sich mit den mit der Rückübertragung der Grundstücke zusammenhängenden Fragen befasst.

Soweit die Beklagte vorgebracht hat, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe etwa 1995/1996 Kenntnis von der Veräußerung des Flurstücks gehabt und geäußert, er finde schon gar nicht mehr durch, wo er zuerst anfangen solle mit der Rückübertragung der Grundstücke, war aus der Sicht der Beklagten - dieses Vorbringen als zutreffend unterstellt - zumindest ungewiss, ob von Seiten der Klägerin in Bezug auf das Flurstück 142 noch Rechte geltend gemacht werden würden. Der vorerwähnten Äußerung von Rechtsanwalt M... konnte die Beklagte nicht folgern, dass der Bevollmächtigte der Klägerin von der Geltendmachung von Ansprüchen in Bezug auf das Flurstück 142 absehen wollte. Vielmehr war hieraus zu schließen, dass sich die Verfolgung der Ansprüche wegen der Unübersichtlichkeit der Sach- und Rechtslage noch würde hinauszögern können. Eine Grundlage für ein positives Vertrauen der Beklagten auf den Bestand des Ausschlussurteils kann hierin jedenfalls nicht erblickt werden.

Sollte die Beklagte im Vertrauen auf die Untätigkeit der Klägerin Dispositionen über den Kaufpreis getroffen haben, wie ihr Betreuer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, könnte dieser Umstand allenfalls Sekundäransprüche im Verhältnis der Parteien betreffen; der Bestand des Ausschlussurteils selbst wäre hiervon nicht betroffen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zu, weil er den Fragen grundsätzliche Bedeutung beimisst, wie weit die Rechtswirkungen eines Ausschlussurteils gehen und welche Folgen diese für das Rechtsschutzbedürfnis des Anfechtenden haben.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 85.000,00 €

Ende der Entscheidung

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