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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: 4 U 151/03
Rechtsgebiete: SachenRBerG, ZPO


Vorschriften:

SachenRBerG § 32
SachenRBerG § 26 ff.
SachenRBerG § 26 Abs. 1
SachenRBerG § 61
SachenRBerG § 68
SachenRBerG § 82
SachenRBerG § 87
SachenRBerG § 94 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
SachenRBerG § 97
SachenRBerG § 103 ff.
SachenRBerG § 104
SachenRBerG § 105
SachenRBerG § 106
SachenRBerG § 107
SachenRBerG § 108
ZPO § 256
ZPO § 538 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 151/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 9.6.2004

verkündet am 9.6.2004

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2004 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. September 2001 wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Kläger hinsichtlich des im Grundbuch von .... auf Blatt ... eingetragenen Grundstücks Flur 5, Flurstück 54, ankaufberechtigt nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sind.

Im übrigen wird die Klage als unzulässig verworfen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger 70 %, die Beklagten 30 % zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme, die die Beklagten allein zu tragen haben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden die Gerichtskosten niedergeschlagen, im übrigen fallen die Kosten des Berufungsverfahrens den Klägern zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehrten mit ihrer Klage die Feststellung ihrer Berechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG).

Die Beklagten sind Eigentümer des im Tenor aufgeführten Grundstücks mit einer Gesamtgröße von 2.351 qm, das durch die Straße "R... K..." in zwei Teilstücke geteilt wird. Bei der einen Fläche handelt es sich um eine 630 qm große Holzung; die andere, zur S... hin gelegene Teilfläche in einer Größe von 1.721 qm ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. Die Kläger nutzen die zur S... hin gelegene Teilfläche des Grundstücks auf Grund eines am 12. Januar 1974 mit dem Rat der Gemeinde ... geschlossenen Überlassungsvertrages.

Die Kläger haben beantragt, festzustellen, dass sie berechtigt seien, das im Grundbuch von ... auf Blatt ... eingetragene Grundstück, Flur 5, Flurstück 54 (teilweise) in einer Größe von 1721 qm von den Beklagten nach den Regelungen des SachenRBerG anzukaufen. In welchem Umfang die von den Klägern in den 80er Jahren an dem Wohnhaus durchgeführten Umbaumaßnahmen zu einer Erweiterung der Wohn- und Nutzfläche geführt haben, ob insbesondere die Wohn- und Nutzfläche um mehr als 50 % vergrößert wurde, war in erster Instanz streitig. Im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage des zum Umfang der Umbau- und Ausbauarbeiten eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl. Ing. K... antragsgemäß stattgegeben. Es hat ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass die von den Klägern seit 1980 vorgenommenen Baumaßnahmen die Wohn- bzw. Nutzfläche des Gebäudes um mehr als 50 % vergrößert hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertreten die Auffassung, das Landgericht habe, bevor es den Klägern eine Ankaufberechtigung für eine Grundstücksfläche von mehr als 500 qm zuerkenne, Feststellungen dazu treffen müssen, weshalb von der grundsätzlichen Regelung in den §§ 26 ff SachenRBerG abgewichen werden könne, die dem Nutzer nur das Recht zubillige, eine Grundstücksfläche von 500 qm zu erwerben. Lediglich unter besonderen Umständen und wenn es die Lage des Gebäudes und des Grundstückes selbst notwendig machten, seien die eingetragenen Eigentümer zu einer Veräußerung einer Fläche von 1000 qm - allerdings dann zum vollen Verkehrswert - verpflichtet.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, soweit sie verpflichtet wurden, eine Grundstücksfläche von mehr als 500 qm an die Kläger zu veräußern,

hilfsweise,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Berufung für unzulässig, weil es sich bei den von den Beklagten aufgeworfenen Fragen um einen anderen Streitstoff handle als den, der Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei. Darin sei es ausschließlich um die Ankaufberechtigung als solche gegangen. Im übrigen vertreten sie die Auffassung, ihre Ankaufberechtigung sei nur dann auf eine Fläche von 500 qm beschränkt, wenn es sich - was hier nicht der Fall sei - um einen Fall der Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts handele.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fehlt nicht die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer und das Bestreben der Rechtsmittelführer, diese mit der Berufung zu beseitigen.

Die Beurteilung der Frage, ob eine Beschwer vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Urteilstenor. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung enthält die Feststellung, dass die Kläger berechtigt sind, das Grundstück der Beklagten teilweise, in der Größe von 1721 qm, anzukaufen. Die Beklagten sind durch diesen Feststellungsausspruch beschwert, weil sie auf die Veräußerung einer bestimmten Flächengröße festgelegt werden und der Verkauf einer kleineren Fläche nicht in Frage kommt (vgl. BGH NJW 2001, 3053).

Sie verfolgen mit ihrer Berufung auch das Ziel, diese Beschwer zu beseitigen. Ihr Hauptantrag ist darauf gerichtet, das Urteil des Landgerichts insoweit aufzuheben, als die Ankaufberechtigung der Kläger betreffend eine Grundstücksfläche von mehr als der Regelgröße von 500 qm festgestellt worden ist. Die Beklagten greifen die Anspruchsberechtigung der Kläger als solche mit ihrer Berufung nicht an; soweit der hilfsweise gestellte Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage auf einen weitreichenderen Umfang der Berufung hindeutet, fehlt es jedenfalls an einer Begründung der Berufung. Diese befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob die Kammer - ohne weitere Feststellungen zu treffen - eine Anspruchsberechtigung der Kläger bezogen auf eine Teilfläche von mehr als der Regelgröße des § 26 Abs. 1 SachenRBerG feststellen durfte. Mit ihrem Rechtsmittel gehen die Beklagten daher letztlich ausschließlich gegen die Flächenangabe in dem Feststellungsurteil vor.

2.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, denn das Landgericht hätte keine Festlegung bezüglich der in die Ankaufberechtigung einbezogenen Teilflächen des Grundstücks R... K... treffen dürfen.

a) Die von den Klägern erhobene Feststellungsklage gemäß § 108 SachenRBerG ist unzulässig, soweit die Kläger die Größe der von ihnen zu erwerbende Grundstücksteilfläche festgestellt wissen wollen.

§ 108 SachenRBerG als speziellere Regelung zu § 256 ZPO eröffnet neben dem notariellen Vermittlungsverfahren bzw. dem gerichtlichen Verfahren nach den §§ 103 ff. SachenRBerG eine Feststellungsklage hinsichtlich "des Bestehens oder nicht Bestehens der Anspruchsberechtigung nach diesem Gesetz". Bereits nach dem Wortlaut beinhaltet die Feststellungsklage nach § 108 SachenRBerG die Klärung der Frage, ob überhaupt dem Grunde nach ein Anspruch des Nutzers nach dem SachenRBerG besteht.

Einer Festlegung der von der Ankaufsberechtigung erfassten Grundstücksfläche mit der Feststellungsklage nach § 108 SachenRBerG stehen darüber hinaus Systematik, Inhalt und Rechtsschutzziel der in den §§ 104, 108 SachenRBerG normierten Klagearten entgegen (BGH NJW 2001, 3053, 3054 = VIZ 2001, 505, 506; OLG Jena VIZ 2003, 247, 249; OLGR 2000, 121; KG ZOV 2001, 321; Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG § 108 Rdnr. 8; a.A. Vossius SachenRBerG, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 2, 8 ).

Kernbereich der in den §§ 103 bis 108 SachenRBerG geregelten gerichtlichen Verfahren ist die Bereinigungsklage gemäß § 104 SachenRBerG. Die Bereinigungsklage ist auf die Feststellung des Inhalts eines Erbbaurechts nach § 32 SachenRBerG oder eines Ankaufsrechts nach Maßgabe der §§ 61, 68 und 82 SachenRBerG gerichtet. Sie setzt den erfolglosen Abschluß eines notariellen Vermittlungsverfahrens voraus, in dem diese Eckwerte nach den §§ 87, 97 SachenRBerG ermittelt werden können und sollen. Sinn und Zweck dieses dem gerichtlichen Verfahren vorgeschalteten notariellen Vermittlungsverfahrens ist die Entlastung der streitigen Gerichtsbarkeit. Der Notar soll als von den Beteiligten eingeschalteter unparteiischer Sachwalter der beiderseitigen Interessen dazu beitragen, eine einvernehmliche vertragliche Lösung zu finden, die ohne Inanspruchnahme der Gerichte umgesetzt werden kann (OLG Brandenburg ZOV 1998, 207).

In dem notariellen Vermittlungsverfahren besteht allerdings keine Möglichkeit, die Berechtigung des Antragstellers verbindlich festzustellen. Seine Aufgabe, einen für beide Teile akzeptablen Vermittlungsvorschlag zu erarbeiten, vermag der Notar dann nicht zu erfüllen, wenn eine Partei das Eingreifen des SachenRBerG und damit die Anspruchsberechtigung als solche in Abrede stellt. Gemäß § 94 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG soll der Notar in einem solchen Fall daher das Vermittlungsverfahren aussetzen. Dem Antragsteller bleibt dann nur der Weg, über die Feststellungsklage gemäß § 108 SachenRBerG die Frage seiner Anspruchsberechtigung zu klären. Zur Feststellung der Anspruchsberechtigung als solcher bedarf es aber nicht der Klärung der Größe der Teilfläche des Grundstücks, auf das sich die Nutzungsbefugnis des Erbbauberechtigten (§ 55 SachenRBerG) beziehen oder die Gegenstand des Kaufvertrages (§ 65 SachenRBerG) sein soll. Denn selbst wenn diese abweichend vom Umfang des Nutzungsrechts bestimmt wird, berührt dies nicht die Anspruchsberechtigung als solche.

Es kommt hinzu, dass nach der Systematik des SachenRBerG die Flächengröße als ein Teil des konkreten Inhalts des abzuschließenden Erbbaurechts- oder Kaufvertrages in dem notariellen Vermittlungsverfahren zu klären ist. Scheitert dieses, steht dem Antragsteller die Möglichkeit offen, diese Fragen im Rahmen der Bereinigungsklage nach § 104 SachenRBerG zu klären. Nur mit der Bereinigungsklage kann als Inhalt des abzuschließenden Erbbaurechts- bzw. Kaufvertrages festgelegt werden, welche Fläche von der Sachenrechtsbereinigung erfasst wird (BGH NJW a.a.O., 3054).

Für eine Festlegung der Flächengröße, auf die sich das Ankaufrecht des Berechtigten bezieht, ist im Rahmen der Feststellungsklage nach § 108 SachenRBerG somit kein Raum; eine gleichwohl auf eine konkrete, maximale oder auch nur ungefähre Teilfläche bezogene Feststellungsklage ist (insoweit) unzulässig. Auch darauf, ob es sich bei der Grundstücksteilfläche um eine bereits vermessene oder eine noch unvermessene Fläche handelt, kommt es entgegen der Auffassung der Kläger im Schriftsatz vom 26. Mai 2004 nach den obigen Ausführungen nicht an.

b) Dies führt indes nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 ZPO.

Unabhängig von der Frage, ob das angefochtene Urteil überhaupt an einem wesentlichen Verfahrensfehler gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO leidet, ist der Senat deshalb zu einer eigenen Sachentscheidung berufen, weil die Sache entscheidungsreif ist. Dies führt zu teilweisen Abänderung des Urteils des Landgerichts mit der Folge, dass die Ankaufberechtigung der Kläger, die von den Beklagten nicht mehr in Frage gestellt wird, ohne Beschränkung auf eine Teilfläche des betroffenen Grundstücks festzustellen ist.

Der Senat ist weder durch den Klageantrag noch den Berufungsantrag der Beklagten gehindert, wie tenoriert zu entscheiden (§ 308 ZPO).

Der zulässige Antrag auf Feststellung der Anspruchsberechtigung der Kläger als solche betreffend das Grundstück Flur 4, Flurstück 54 der Gemarkung ... ist in dem weitergehenden Klageantrag enthalten (vgl. OLG Jena VIZ 2003, 247; BGH VIZ 2001, 505, 506).

Die Entscheidung des Senats geht auch nicht - wie die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 26. Mai 2004 mutmaßen - über den Antrag der Berufungskläger hinaus, obgleich dieser eine (unzulässige) Flächenangabe enthält. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Festlegung in dem angefochtenen Urteil auf eine bestimmte, über die Regelgröße hinausgehende Teilfläche. Da die Anspruchsberechtigung der Kläger gemäß § 26 Abs. 1 SachenRBerG nicht geringer sein kann als die Regelgröße von 500 qm, ist in dem Berufungsantrag als "weniger" das Begehren enthalten, das Urteil insoweit aufzuheben, als es überhaupt eine Festlegung auf eine bestimmte Flächengröße enthält.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs 1, Abs. 2 ZPO, 8 GKG. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren, soweit sie nicht gemäß § 8 GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das Landgericht niedergeschlagen wurden, den Klägern allein aufzuerlegen, weil die Zuvielforderung der Beklagten lediglich geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat, § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GKG auf 33.600,00 € festgesetzt. Der Senat schätzt dabei das Interesse der Berufungskläger an dem mit dem Rechtsmittel verfolgten Begehren entsprechend dem Verhältnis zwischen der Teilfläche, hinsichtlich derer die Ankaufberechtigung beantragt und vom Landgericht zuerkannt wurde, und der Regelgröße gemäß § 26 Abs. 1 SachenRBerG auf etwa 70 % des Streitwertes erster Instanz.

Ende der Entscheidung

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