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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 4 U 158/04
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, VOB/A


Vorschriften:

VOB/B § 1 Nr. 4
VOB/B § 2 Nr. 2
VOB/B § 2 Nr. 3
VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 8 Abs. 2
VOB/B § 8 Nr. 3
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1
VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 2
BGB § 119
BGB § 119 Abs. 1
BGB § 121
BGB § 121 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 254
BGB § 280
BGB § 286
BGB § 288
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3
VOB/A § 23
VOB/A § 23 Nr. 2
VOB/A § 24 Nr. 1
VOB/A § 25
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 b
VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 158/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.03.2005

Verkündet am 23.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 18.08.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Das klagende Land nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach Kündigung eines zwischen den Parteien im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens durch Zuschlagserteilung zum 29.06.1999 geschlossenen Vertrages über das Aufstellen und Stahlschutzplanken in Anspruch.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Potsdam Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit dem angefochtenen Urteil vom 18.08.2004 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 28.528,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte nach §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 Abs. 1, Abs. 2 VOB/B ein Anspruch auf Ersatz der ihm aufgrund der Durchführung der Arbeiten nicht durch die Beklagte, sondern durch die R ... GmbH entstandenen Mehrkosten zu.

Aufgrund der Zuschlagserteilung sei zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte in Position 1.0.001 ihres Angebotes einen nach ihrer Ansicht offensichtlich falschen Preis eingestellt habe. Dem Kläger könne eine Verletzung seiner Prüfungs- und Aufklärungspflichten im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht zur Last gelegt werden. Insbesondere komme ein Anspruch des Bietenden gegen den Ausschreibenden unter dem Aspekt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nur in Betracht, wenn der Ausschreibende vor Vertragsschluss einen Kalkulationsirrtum des Bieters positiv erkenne und nicht darauf hinweise, wobei ein Kennenmüssen nicht ausreiche. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Irrtum in der Position 1.0.001 erkannt, sei jedoch eine ohne tatsächliche Anhaltspunkte hierfür aufgestellte Behauptung ins Blaue hinein.

Die Beklagte habe ihre Willenserklärung zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages auch nicht wirksam angefochten. Die in dem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Zeugin T... im Juli 1999 abgegebenen Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten seien als Anfechtungserklärung nicht hinreichend eindeutig. Insbesondere seien die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten in ihrem Gesamtgehalt zu würdigen. Ob in dem Schreiben der Beklagten vom 01.09.1999 eine ausreichend eindeutige Anfechtungserklärung zu sehen sei, könne dahingestellt bleiben, da dieses Schreiben nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB sei.

Der Kläger sei nach wirksamem Auftragsentzug gegenüber der Beklagten auch ohne Verstoß gegen Schadensminderungspflichten berechtigt gewesen, die der Beklagten im Ausschreibungsverfahren nächst platzierte Bieterin, die R ... GmbH, mit der Ausführung der Leistungen zu beauftragen. Die Firma B..., die bei der Ausschreibung des Klägers das günstigste Angebot abgegeben hatte, sei bereits vor Erteilung des Zuschlages an die Beklagte gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A vom Kläger ausgeschlossen worden, ohne dass es auf die zwischen den Parteien streitige Frage ankomme, ob der Ausschluss der Firma B... zu Recht erfolgt sei oder nicht.

Die Aufstellung des Klägers über die ihm entstandenen Mehrkosten enthalte entgegen der Ansicht der Beklagten keine Kosten für Positionen, die nicht auch Inhalt des gekündigten Vertrages zwischen den Parteien gewesen wären. Die Beklagte könne sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, sie wäre zur Leistung der Mehrmengen nicht bzw. jedenfalls nicht zu den angebotenen Einheitspreisen verpflichtet gewesen. Eine Verpflichtung der Beklagten folge vielmehr aus dem Zusammenhang der Regelungen in § 1 und § 2 Nr. 3 VOB/B. Eine Verpflichtung zur Leistung von Mehrmengen ergebe sich zum Einen daraus, dass der Unternehmer als Werkvertragspartner den Erfolg schulde, zum Anderen daraus, dass er nach § 1 Nr. 4 VOB/B sogar verpflichtet sei, nicht zum ursprünglichen Vertragsumfang gehörende Leistungen zusätzlicher Art auszuführen. Eine Anpassung der Einheitspreise für die Leistung von Mehr- bzw. Mindermengen hätte die Beklagte zwar im Rahmen des § 2 Nr. 3 VOB/B verlangen können, wenn sie die Leistungen ausgeführt hätte. Eine derartige Anpassung hätte jedoch nur auf der Basis der im Angebot der Beklagten enthaltenen Einheitspreise erfolgen können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt.

Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die vom Geschäftsführer der Beklagten abgegebene Erklärung in dem Gespräch im Juli 1999 nicht als Anfechtungserklärung angesehen. Dazu, dass der Geschäftsführer der Beklagten zum Schluss des Gesprächs erklärt habe, er wolle "es sich noch einmal überlegen", sei es nur durch die treuwidrige Androhung von Schadensersatz durch die Vertreterin des Klägers, Frau T..., gekommen.

Jedenfalls sei eine wirksame Anfechtungserklärung in dem Schreiben vom 01.09.1999 zu sehen. Das Landgericht habe insoweit nicht berücksichtigt, dass der Kläger der Beklagten eine Bedenkzeit eingeräumt habe, wie sich aus dem Schreiben vom 25.11.2002 ergebe.

Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe nicht behauptet, dass das Gesamtangebot nicht auskömmlich gewesen sei. Sie habe auch nicht lediglich ins Blaue hinein vorgetragen, der Kläger habe den Irrtum bei der Preisangabe für die Position 1.0.001 erkannt.

Schließlich greift die Beklagte die Ausführungen des Landgerichts zur Erstattungsfähigkeit der Kosten der Mehrmengen an und weist darüber hinaus darauf hin, dass sie die Wirksamkeit des Ausschlusses der Firma B... im Vergabeverfahren bestritten habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages. Er weist darüber hinaus darauf hin, soweit die Beklagte auf ihr Bestreiten der Auskömmlichkeit des Angebotes abstelle, könne sie damit mangels Antrages auf Tatbestandsberichtigung nicht gehört werden.

II.

Die Berufung ist zulässig; in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers aus § 8 Nr. 3 i.V.m. § 5 Nr. 4 VOB/B auf Erstattung der streitgegenständlichen Mehrkosten in Höhe von 28.528,95 € bejaht.

1. Zwischen den Parteien ist aufgrund des Angebotes der Beklagten vom 16.06.1999 sowie der Zuschlagserteilung durch den Kläger zum 29.06.1999 - unter Einbeziehung der VOB/B - ein wirksamer Vertrag über das Aufstellen von Stahlschutzplanken an Landesstraßen im Bereich des BSBA W... geschlossen worden.

a) Der Vertrag ist nicht aufgrund einer Anfechtung durch die Beklagte unwirksam.

aa) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gemäß § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung des Vertrages berechtigt gewesen wäre, weil sie bei der Angabe des Einheitspreises zur Position 1.0.001 ihres Angebotes vom 16.06.1999 irrtümlich nur die Lohnkosten, nicht aber die Materialkosten der zu erbringenden Leistung in Ansatz gebracht hatte.

Für die Annahme eines echten Erklärungsirrtums und nicht eines bloßen (internen) Kalkulationsirrtums im Sinne eines bewusst kalkulierten Preises, der sich im Nachhinein als zu niedrig dargestellt hat und der als bloßer Motivirrtum nicht zu einer Anfechtung berechtigen würde, spricht immerhin, dass die Beklagte - unbestritten - vorgetragen hat, die fehlerhafte Angabe des Einheitspreises bei der Position 1.0.001 beruhe auf einem Übertragungsfehler bei der Überarbeitung der zunächst im Hinblick auf ein Angebot entsprechender Leistungen an Bundesstraßen kalkulierten Einheitspreise in das Landesstraßen betreffende Angebot vom 16.06.1999.

Selbst wenn man danach davon ausgehen wollte, dass für die Beklagte ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB bestanden hätte, so fehlt es doch an einer ausreichenden bzw. rechtzeitigen Anfechtungserklärung der Beklagten.

bb) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ihr Geschäftsführer habe im Rahmen eines im Juli 1999 mit der Vertreterin des Klägers, Frau T..., geführten Gesprächs eine Anfechtungserklärung abgegeben, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die von den Parteien übereinstimmend geschilderten Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten im Rahmen dieses Gesprächs für die Annahme einer Anfechtungserklärung nicht hinreichend eindeutig sind. Zwar hat der Geschäftsführer der Beklagten unstreitig zu Beginn des Gesprächs vorgebracht, er könne zu dem im Angebot genannten Preis nicht leisten, weil er bei der Position 1.0.001 den Materialpreis nicht einkalkuliert habe. Im Ergebnis des Gesprächs hat der Geschäftsführer der Beklagten jedoch - auch dies ist unstreitig - erklärt, "er würde sich das nochmals überlegen". Diese Äußerungen im Rahmen ein und desselben Gespräches können ebenso wenig isoliert voneinander betrachtet werden, wie entsprechende Erklärungen in einem schriftlichen Text. Insoweit entspricht es jedoch der anerkannten Rechtsprechung, dass etwa ein Schreiben eines Werkunternehmers, das mit der Mitteilung beginnt, er könne einen Auftrag wegen eines Kalkulationsirrtums nicht ausführen, im weiteren Text jedoch das Angebot enthält, den Auftrag zu einem korrigierten Preis zu erfüllen, nicht den Anforderungen an die notwendige Eindeutigkeit einer Anfechtungserklärung genügt (vgl. nur BGH, Urteil vom 15.12.1987, Aktenzeichen X ZR 10/87).

Etwas anders gilt auch nicht deshalb, weil der Geschäftsführer der Beklagten - nach deren Vortrag - die Erklärung, er wolle sich das noch einmal überlegen, lediglich deshalb abgegeben hat, weil die Mitarbeiterin des Klägers zuvor deutlich gemacht hatte, der Kläger werde Schadensersatz verlangen, wenn der Beklagte den Vertrag nicht durchführe. Dieses Verhalten seiner Mitarbeiterin kann dem Kläger nicht als treuwidrig im Sinne des § 242 BGB zur Last gelegt werden. Zum Einen ist nach dem Vortrag der Parteien nicht ausgeschlossen, dass die Mitarbeiterin des Klägers auf der Grundlage des ihr vom Geschäftsführer der Beklagten vorgetragenen Sachverhalts einen zutreffenden Rechtsstandpunkt vertreten hat. Hat nämlich der Geschäftsführer der Beklagten in dem Gespräch im Juli 1999 lediglich erklärt, er habe sich bei der Position 1.0.001 verkalkuliert, konnte seine Gesprächspartnerin rechtlich korrekt auch nur von einem unbeachtlichen Motivirrtum und damit von der Berechtigung ihres Rechtsstandpunktes ausgehen. Zum Anderen konnte der Geschäftsführer der Beklagten nicht davon ausgehen, die Mitarbeiterin des Klägers habe ihre Rechtsposition im Detail bereits rechtlich geprüft; der Hinweis auf eine mögliche für die Beklagte nachteilige Rechtsfolge kann aber - selbst wenn er unzutreffend gewesen wäre - nicht als treuwidrig angesehen werden.

cc) Das Landgericht ist auch zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine möglicherweise in dem Schreiben der Beklagten vom 01.09.1999 zu sehende Anfechtungserklärung nicht mehr zu einer wirksamen Anfechtung führen konnte, weil die Erklärung nicht unverzüglich im Sinne des § 121 BGB abgegeben worden ist.

Nach ihrem eigenen Vortrag hatte die Beklagte spätestens seit Anfang Juli 1999 Kenntnis von dem (möglichen) Anfechtungsgrund. Auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Zeitraums zum Überlegen und zum Einholen von Rechtsrat kann jedoch die Abgabe einer Erklärung nach Ablauf von ca. acht Wochen nicht mehr als unverzüglich im Sinne des § 121 BGB angesehen werden, zumal es sich bei der Beklagten um ein in kaufmännischer Rechtsform geführtes Unternehmen handelt.

Etwas anderes gilt auch nicht angesichts des Inhaltes des Vermerks vom 25.11.2002. Soweit sich aus diesem Vermerk ergibt, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu Beginn des Monates August mündlich um Bedenkzeit gebeten habe, und damit begründet wird, dass die Beklagte wegen des nicht erfolgten Beginns der Arbeiten noch nicht in Verzug gesetzt wurde, kann darin ein Verzicht des Klägers auf die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung, insbesondere auch für ihre Unverzüglichkeit, nicht gesehen werden. Der Kläger hat vielmehr lediglich darauf verzichtet, seinerseits bereits unmittelbar nach dem im Vertrag vereinbarten Arbeitsbeginn Konsequenzen aus dem vertragswidrigen Verhalten der Beklagten zu ziehen.

b) Der Beklagten steht auch kein Anspruch aufgrund einer Verletzung vorvertraglicher Pflichten des Klägers im Vergabeverfahren zu, vermöge dessen er die Beklagte so zu stellen hätte, wie sie stünde, wenn der Vertrag nicht zustande gekommen wäre.

aa) Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, wird eine Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung eines Vertragspartners zu redlichen Verhalten in vergleichbaren Fällen grundsätzlich nur dann angenommen, wenn der Auftraggeber einen Irrtum seines Auftragnehmers - gleichgültig, ob es sich insoweit um einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum im Sinne des § 119 BGB oder um einen bloßen Kalkulationsirrtum handelt - positiv erkannt und ihn gleichwohl nicht darauf hingewiesen, sondern ihm als preisgünstigstem Anbieter den Zuschlag erteilt hat.

Diese Voraussetzungen hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. Zwar - und nur darauf bezieht sich die Äußerung des Landgerichts, die Beklagte habe eine Behauptung "ins Blaue hinein" aufgestellt - hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe den Irrtum er- und gekannt. Die Begründung für diese Behauptung geht allerdings lediglich dahin, dass von einer derartigen Kenntnis des Klägers auszugehen sei, weil der Irrtum - nach Auffassung der Beklagten - so offensichtlich sei, dass er dem Kläger im Rahmen der ihm gemäß § 23 VOB/A obliegenden rechnerischen bzw. jedenfalls wirtschaftlichen Prüfung habe auffallen müssen. Diesem erläuternden Vortrag der Beklagten ist danach nur zu entnehmen, dass der Kläger den Irrtum der Beklagten hätte erkennen müssen, was grundsätzlich für die Annahme eines Anspruchs aus Verschuldens wegen Vertragsverletzungen nicht ausreicht (vgl. nur BGH, Baurecht 1980, 63, 65; BGH NJW-RR 1986, 569).

bb) Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, wenn dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen wären, dass der Kläger sich der Erkenntnis des Irrtums in vorwerfbarer Weise verschlossen hat und die Vertragsdurchführung für die Beklagte schlechthin unzumutbar war, weil sie dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wäre. Auch unter diesen Voraussetzungen wäre nämlich ein Festhalten der Beklagten an dem Vertrag mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren (BGH NJW 1998, 3192, 3194; OLG Nürnberg, Urteil vom 30.05.1996, Az: 13 U 3675/95).

Auch für die Annahme dieser Voraussetzungen reichen die von der Beklagten vorgetragenen Anhaltspunkte jedoch nicht aus.

Der Schluss darauf, der Kläger habe sich der Erkenntnis eines Irrtums auf Seiten der Beklagten vorwerfbar verschlossen, kann nicht daraus hergeleitet werden, dass ausweislich der Niederschrift über die Angebotseröffnung sämtliche weiteren Bieter - mit Ausnahme der schließlich gemäß § 25 VOB/A ausgeschlossenen B.... GmbH - höhere Angebote abgegeben haben als die Beklagte. Allein die Streuung der Angebote in Bezug auf die angebotenen Gesamtpreise gab dem Kläger keinen Anlass, einen Kalkulationsfehler der Beklagten ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Eine breite Streuung von Angeboten ist vielmehr bei Ausschreibungen nichts Ungewöhnliches (vgl. dazu auch BGH NJW 1998, 3192, 3195).

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man auf den für die Pos. 1.0.001 angegebenen Einzelpreis im Angebot der Beklagten vom 16.06.1999 abstellt. Zwar wich sowohl der Einheitspreis als auch der Gesamtpreis für die Position 1.0.001 in dem Angebot der Beklagten deutlich von den zu den weiteren Positionen angegebenen Preisen ab, obwohl sich auch die weiteren Positionen bis Pos. 1.0.006 jeweils auf das Aufstellen von Schutzplanken bezogen. Auch mag für den Kläger - anders als für einen technischen Laien - aus den Unterschieden der jeweiligen Leistungspositionen, die nach der Beschreibung lediglich in Bezug auf die Pfosten und die Abstände bestehen, ein Schluss auf die Hintergründe der unterschiedlichen Preise möglich sein, die allerdings - selbst dann, wenn man die Position 1.0.001 außer Betracht lässt - in Bezug auf die Einheitspreise ohnehin eine Spanne von 22,50 DM bis 42,00 DM aufweisen. Ebenso mag - wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat - davon auszugehen sein, dass dem Kläger bekannt war, dass allein die Materialkosten in Bezug auf die Position 1.0.001 über dem in Ansatz gebrachten Einheitspreis von 4,70 DM lagen. Der Schluss, der Kläger habe sich der Erkenntnis eines Irrtums auf Seiten der Beklagten in vorwerfbarer Weise verschlossen, kann jedoch auch aus den vorgenannten Umständen nicht mit der erforderlichen Sicherheit gezogen werden. Es sind nämlich durchaus Sachverhalte denkbar, die es einem Unternehmen in sachlich gerechtfertigter Weise ermöglichen, eine bestimmte Leistung zu einem unterhalb des üblichen Materialpreises liegenden Preis anzubieten, sei es aufgrund eines kostenlosen Erwerbs der Materialien, eines besonders günstigen Erwerbs aus einer Insolvenzmasse oder der Notwendigkeit, Materialien zu verwerten, um Lagerkosten zu sparen.

Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob der Kläger den nicht einmal den Materialpreis deckenden Preis für die Position 1.0.001 hätte zum Anlass nehmen können oder sogar müssen, das Angebot der Beklagten im Rahmen der ihm im Vergabeverfahren obliegenden Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Regelungen in § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A auf einen spekulativen Charakter zu überprüfen, oder ob er jedenfalls im Rahmen der wirtschaftlichen Prüfung gemäß § 23 Nr. 2 VOB/A Anlass zu einer weiteren Aufklärung im Sinne des § 24 Nr. 1 VOB/A gehabt hätte. Auf eine entsprechende Sorgfaltspflichtwidrigkeit unter den vorgenannten Gesichtspunkten kann sich die Beklagte nicht berufen. Die genannten Regelungen der VOB/A dienen nicht dem Zweck, einen Anbieter vor seinem eigenen zu niedrigen Angebot und damit "vor sich selbst" zu schützen, sondern vor allem dem Schutz des Auftraggebers, der bei Zuschlagerteilung auf ein gutes Angebot Gefahr läuft, dass der Auftrag wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Auftragnehmers nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt wird, und darüber hinaus dem Schutz des Wettbewerbs zwischen den Bietern (so auch bereits BGH, Baurecht 1980, 63, 64/65; OLG Naumburg, Urteil vom 22.11.2004, Az. 1 U 56/04).

2. Ist danach ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, an dem sich die Beklagte auch festhalten lassen muss, so steht der Klägerin aufgrund dieses Vertrages auch der geltend gemachte Anspruch aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B auf Schadensersatz in Form der Mehrkosten für die Ausführung der vertragsgegenständlichen Arbeiten durch die R ... GmbH zu, die der Kläger nach der Kündigung des Vertragsverhältnisses gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30.09.1999 mit den Arbeiten beauftragt hat.

a) Dass die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B in Verbindung mit § 5 Nr. 4 VOB/B vorlagen, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt; dies ist auch von der Beklagten nicht angegriffen worden.

b) Die Beklagte hat - über die bereits erörterten Aspekte hinaus - lediglich Einwendungen gegen die Höhe der Schadensersatzforderung geltend gemacht. Diese Einwendungen sind jedoch nicht berechtigt.

aa) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger habe durch die Beauftragung der R... GmbH gegen seine Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 BGB verstoßen.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, durfte der Kläger auf das im Verhältnis zur Beklagten nächst günstigste, im Vergabeverfahren verbliebene Angebot, und damit auf das Angebot der R... GmbH, zurückgreifen. Der Kläger war nicht gehalten, auf die B... GmbH zurückzugreifen, die zunächst ein noch günstigeres Angebot als die Beklagte abgegeben hatte, vom Kläger jedoch gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A im Rahmen der Wertung der Angebote ausgeschlossen worden war. Dabei kommt es - wie das Landgericht ebenfalls bereits zu Recht ausgeführt hat - nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob der Ausschluss der B... GmbH im Vergabeverfahren zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist. Ein zu Unrecht erfolgter Ausschluss der B... GmbH könnte allenfalls für diese, nicht aber für die im Hinblick auf die Erteilung des Zuschlages durch diesen Ausschluss begünstigte Beklagte, Ansprüche gegen den Kläger auslösen.

b) Schließlich kann der Beklagten auch nicht dahin gefolgt werden, dass der Kläger Schadensersatz jedenfalls nicht in dem Umfang verlangen könne, in dem die durch die Beauftragung der R.... GmbH entstandenen Mehrkosten auf Mehrmengen im Verhältnis zu den ausgeschriebenen Mengen beruhen.

aaa) Auch insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte - ebenso wie die R ... GmbH - verpflichtet gewesen wäre, im Rahmen der Durchführung des Vertrages auch diejenigen Leistungen zu erbringen, die mengenmäßig über die Mengenansätze in der Ausschreibung des Klägers hinaus gingen. Es gehört zum Wesen des Einheitspreisvertrages und wird im Übrigen durch die vom Landgericht herangezogenen Regelungen in §§ 1 Nr. 4, 2 Nr. 2 und Nr. 3 VOB/B bestätigt, dass beim Einheitspreisvertrag die geschuldete Leistung ihrer Art nach beschrieben und mit geschätzten Vordersätzen/Mengenansätzen zum Einheitspreis angeboten wird. Abgerechnet werden gemäß § 2 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich ausgeführten Leistungen (vgl. nur Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 72). Dass die R... GmbH in Bezug auf diejenigen Positionen des Leistungsverzeichnisses, bei denen im Verhältnis zu der Ausschreibung des Klägers und dem entsprechenden Angebot des Beklagten Mehrmengen angefallen sind, andere als die ihrer Art nach in Ziffer 6.1 des Vertrages in Verbindung mit den im Langtext des Leistungsverzeichnisses geschuldeten Leistungen erbracht hat, ist von der Beklagten nicht behauptet worden. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Mehrkosten auch - zutreffend - in der Weise berechnet, dass sie die Differenz zwischen den Kosten, die ihr aufgrund der tatsächlich erbrachten Leistungen der R ... GmbH unter Zugrundelegung der von dieser bereits im Vergabeverfahren angebotenen Preise entstanden sind, und den Kosten gebildet hat, die ihr bei Erbringung derselben Leistungen unter Zugrundelegung der von der Beklagten angebotenen Preise entstanden wären.

bbb) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie in Bezug auf die Mehrmengen gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B einen Anspruch auf einen geänderten Preis gehabt hätte. Insbesondere kann die Beklagte nicht geltend machen, für die in Bezug auf die Position 1.0.001 angefallenen Mehrmengen hätte sie nicht an der aufgrund ihres Irrtums getroffenen vertraglichen Vereinbarung eines Einheitspreises von 4,70 DM in Bezug auf die Position 1.0.001 festgehalten werden können.

Eine Preisanpassung wegen einer Mengenüberschreitung ist gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B grundsätzlich auf der Grundlage des ursprünglich vereinbarten Einheitspreises vorzunehmen (vgl. nur Ingenstau/Korbion/Keldung, § 2 Nr. 3 VOB/B, Rn. 18). Auch wenn die ursprüngliche Kalkulation auf einem (unbewussten) Irrtum des Unternehmers beruht, kann dieser wegen der über 110 % hinausgehenden Menge einen von seiner bisher angenommenen Berechnungsgrundlage abweichenden "realistischen" Preis nur unter besonderen Voraussetzungen auf der Grundlage des § 242 BGB verlangen (Ingenstau/Korbion, a.a.O., Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nur dann vor, wenn im konkreten Einzelfall ein Festhalten des Auftragnehmers an der ursprünglichen Preisermittlungsgrundlage zu einem untragbaren Ergebnis führen würde. Auch dafür reicht jedoch der Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht aus, zumal hier im Rahmen des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte pflichtwidrig die Erfüllung des Vertrages verweigert hat.

Der Zinsanspruch ist aus §§ 280, 286, 288 BGB begründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.528,95 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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