Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.07.2005
Aktenzeichen: 4 U 17/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 280 n.F.
BGB § 323 n.F.
BGB § 323 Abs. 1
BGB § 323 Abs. 5
BGB § 434 n.F.
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 440
BGB § 440 Satz 1 2. Alternative
BGB § 440 Satz 2
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 17/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20. Juli 2005

verkündet am 20. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen "Dellen" an den Kotflügeln auf Rückabwicklung eines Ende 2003 geschlossenen Kaufvertrages über einen Neuwagen der Marke ... zu einem Kaufpreis von 28.698,40 in Anspruch und begehrt die Feststellung des Annahmeverzuges.

Die Beklagte wandte gegen ihre Inanspruchnahme ein, bei den "Dellen" handle es sich nicht um einen Mangel, das Fahrzeug entspreche vielmehr dem Serienstand. Der Kläger sei auch deshalb zum Rücktritt nicht berechtigt gewesen, weil es sich bei dem Werkstattaufenthalt am 1./2.04.2004 nicht um zwei, sondern nur einen Nachbesserungsversuch gehandelt habe und der Kläger zudem mit dem dann hergestellten Zustand einverstanden gewesen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Pkw und der Klage sodann überwiegend stattgegeben. Ein Rücktrittsgrund gemäß den §§ 440, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB sei gegeben, denn der Pkw sei mangelhaft. Zwar sei zweifelhaft, ob die vom Kläger gerügten beidseitigen Beulspiegel die Qualität eines Mangels erreichten, denn sie seien für einen Laien mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar. Die im ...-Gutachten als senkrechte Eindellung bezeichnete Erscheinung am rechten Kotflügel - dem Gericht eher als senkrechte Schramme von etwa 15 cm Länge wahrnehmbar - sei indes vorhanden gewesen. Diese Einkerbung/Eindellung sei ihrer Art nach einem Rostfleck oder Lackschaden vergleichbar, die ein Neuwagenkäufer nach der Rechtsprechung nicht hinnehmen müsse, weil ein Neuwagen über die Gebrauchsfähigkeit hinaus einen bestimmten Mindeststandart aufweisen müsse. Diesen Anforderungen genüge ein Kotflügel mit einer Einkerbung in der bezeichneten Länge nicht.

Auf die Frage, ob die Beklagte zwei Nachbesserungsversuche durchgeführt habe und deshalb die Fristsetzung entbehrlich gewesen sei, komme es nicht an, denn die Beklagte sei ausweislich des Schreibens vom 25. Juni 2004 zu keiner weiteren Nachbesserung bereit gewesen. Im übrigen sei aber auch von zwei Nachbesserungsversuchen auszugehen, denn der erste Versuch sei am 1. April 2004 - mit dem Angebot zur Übernahme des Fahrzeugs - beendet gewesen. Der Kläger sei auch nicht mit Gewährleistungsrechten ausgeschlossen. Selbst wenn er die streitige Bemerkung, mit dem Zustand des Kotflügels leben zu können, gemacht haben sollte, liege darin kein rechtsverbindlicher Verzicht auf Gewährleistungsrechte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Sie rügt die Beweiswürdigung der Kammer, deren Wiederholung sie vorsorglich beantragt, denn nach den getroffenen Feststellungen stellten die "Dellen" keinen Sachmangel dar und bei den hinsichtlich der senkrechten Eindellung gezogenen Schlußfolgerungen handle es sich lediglich um Vermutungen. Jedenfalls handle es sich bei der als Schramme bezeichneten Erscheinung um einen nicht erheblichen Mangel im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB, der einen Rücktritt nicht rechtfertige. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die formalen Voraussetzungen für einen Rücktritt lägen nicht vor, zumal es sich nach Austausch des Kotflügels um einen neuen Mangel handle, hinsichtlich dessen nur ein Nachbesserungsversuch stattgefunden habe. Die Kammer habe zu Unrecht ihren - unstreitig gebliebenen - Sachvortrag zur Äußerung des Klägers bei Entgegennahme des Pkw unberücksichtigt gelassen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer der Höhe nach unstreitigen Nutzungsentschädigung sowie Erstattung der Kosten des Privatgutachtens Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw ... (...) verurteilt.

a) Die Beklagte ist gemäß den §§ 437 Nr. 2, 434, 323 BGB n.F. aufgrund des berechtigten Rücktritts des Klägers zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet.

aa) Soweit es das Vorliegen eines Sachmangels im Sinne des § 434 BGB n.F. betrifft, ist der Senat -wie bereits im Termin vom 29. Juni 2005 erörtert - an die von der Kammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, weil die Berufungsbegründung keine Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit aufweist. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme kam daher nicht in Betracht.

Nach dem Protokoll der Augenscheinseinnahme vom 26. November 2004 stellte das Landgericht bei einer Betrachtung des Fahrzeugs aus einem Abstand zur Beifahrertür von 2,5 m einen senkrechten Strich fest, der eine Länge von etwa 15 cm aufwies. Soweit des weiteren protokolliert ist, dass es sich nach seiner Einschätzung um eine überlackierte Schramme oder einen Kratzer handelt, erfolgte dies erkennbar lediglich zur näheren Umschreibung der Mangelerscheinung und nicht als Feststellung der Mangelursache, für die dem Gericht - worauf der Beklagtenvertreter zutreffend hinweist - wohl die Sachkunde fehlte.

Mit dem in der Berufungsbegründung erhobenen Einwand, ihr Prozeßbevollmächtigter habe den festgestellten Strich selbst nicht wahrgenommen, kann die Beklagte Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht begründen. Zur schlüssigen Darlegung anderer, als der festgestellten tatsächlichen Verhältnisse genügt es nicht, die eigenen Wahrnehmungen an die Stelle der gerichtlich protokollierten zu setzen.

bb) Der Mangel ist auch nicht unerheblich mit der Folge, dass gemäß § 323 Abs. 5 BGB n.F. ein Rücktritt ausgeschlossen ist.

Zwar enthält das angefochtene Urteil keine ausdrückliche Ausführungen dazu, dass es sich bei der festgestellten Einkerbung/Eindellung um eine nicht nur unerhebliche Abweichung von der üblichen Beschaffenheit handelt. Gleichwohl ist auch insoweit von nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen auszugehen. Die Kammer hat nämlich die für die Erheblichkeit des Mangels maßgeblichen Kriterien im Rahmen der Vergleichbarkeit der vorhandenen Beschaffenheitsabweichung mit anderen Mängeln an Neuwagen geprüft und ohne Rechtsfehler bejaht. Nach den getroffenen Feststellungen war die senkrechte Einkerbung/Eindellung am rechten vorderen Kotflügel deutlich sichtbar, was angesichts ihrer Länge von etwa 15 cm auch ohne weiteres nachvollziehbar ist.

cc) Die Beklagte kann auch mit ihrem Einwand, die formalen Voraussetzungen für einen Rücktritt lägen nicht vor, nicht durchdringen.

Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob die Ausführungen in dem als Anlage B 2 eingereichten Schreiben vom 25. Juni 2004 die Annahme begründen, die Beklagte habe endgültig die Nachbesserung verweigert. Die an sich gemäß § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Nacherfüllung war nämlich gemäß § 440 Satz 1 2. Alternative, Satz 2 BGB deshalb entbehrlich, weil hier zwei - erfolglose - Nachbesserungsversuche vorlagen.

Der erste Versuch einer Nachbesserung wurde am 1. April 2004 vorgenommen und war, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, mit dem Anbieten zur Übernahme des vermeintlich nachgebesserten Fahrzeugs beendet. Mit der Weigerung des Klägers, das Fahrzeug als nachgebessert in Empfang zu nehmen, und der erneuten Aufnahme in die Werkstatt zur Anpassung des neuen Kotflügels per Hand hat die Beklagte ihre Bereitschaft kundgetan, eine weitere Nachbesserung vorzunehmen - die am 2. April 2004 mit dem von der Kammer festgestellten Ergebnis beendet war.

Die Annahme von zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen scheitert auch nicht - wie die Beklagte meint - daran, dass nach dem zweiten Werkstattaufenthalt ein anderer als der zunächst gerügte Mangel vorgelegen haben müsse. Ein zweiter vergeblicher Nachbesserungsversuch ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die Nachbesserung den bei der ersten Andienung vorhandenen Mangel nicht beseitigt, sondern auch dann, wenn sie - wie hier am ausgetauschten rechten Kotflügel - einen neuen Mangel erzeugt (Palandt-Putzo 63. Aufl. 2004 § 440 Rdnr. 7).

dd) Schließlich ist der Rücktritt nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach dem - in erster Instanz unbestritten gebliebenen - Vortrag der Beklagten bei Entgegennahme des Fahrzeugs am 2. April 2004 erklärt hat, mit dem hergestellten Zustand "leben zu können" bzw. einverstanden zu sein. Ein wirksamer Verzicht auf Gewährleistungsrechte - an den selbst bei eindeutig erscheinenden Erklärungen hohe Anforderungen zu stellen sind - liegt darin nicht. Der Äußerung, mit einem hergestellten Zustand "leben zu können", läßt sich - wie die Kammer zu Recht ausgeführt hat - nicht ohne weiteres die Bedeutung eines Verzichts auf Gewährleistungsrechte beimessen. Die Beklagte teilt aber auch keine näheren Einzelheiten dazu mit, inwieweit sich der Kläger mit dem hergestellten Fahrzeugzustand "einverstanden" erklärt haben soll. Nach ihrer Schilderung im Schreiben vom 25. Juni 2004 (Seite 2, 2. Absatz) handelte es sich bei diesem "Einverständnis" des Klägers offenbar lediglich um die Akzeptanz der Erklärungen des technischen Außendienstmitarbeiters der Beklagten, wonach eine Zustandsverbesserung durch Veränderungen, Einstellungen oder sonstige Arbeiten nicht erreicht werden könne. Auch die übrigen Umstände, namentlich die zeitnah nach Beendigung des zweiten Nachbesserungsversuchs (Freitag, den 2. April 2004) in Auftrag gegebene Begutachtung des Fahrzeugs durch einen Kfz-Sachverständigen - die Auftragserteilung erfolgte ausweislich des Privatgutachtens am Dienstag den, 6. April 2004 - stehen der Annahme, der Kläger habe auf seine Mängelrechte verzichten wollen, entgegen.

b) Der Kläger kann die der Höhe nach nicht bestrittenen Kosten des Privatgutachtens gemäß § 280 BGB n.F. verlangen.

2.

Der Annahmeverzug ist nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen, gegen die die Beklagte keine Einwände erhebt, begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 1, Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.). Die Beurteilung insbesondere der Frage, ob die hier festgestellte Einkerbung/Eindellung eine Abweichung vom bei einem Neuwagen zu erwartenden Standart ist oder nicht, stellt eine Einzelfallentscheidung dar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 72 Nr. 1 2. Halbsatz GKG n.F. auf 28.328,56 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück