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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.04.2007
Aktenzeichen: 4 U 172/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 53
ZPO § 141
ZPO § 448
ZPO § 455 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 172/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 11.04.2007

Verkündet am 11.04.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2007 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer und die Richterin am Amtsgericht Dr. Lammer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 13.10.2006 dahingehend geändert, dass auch die Klage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 96 % und der Beklagte zu 4 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 10.000,00 € geltend. Der Beklagte hat ursprünglich im Wege der Widerklage die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 389, 64 € geltend gemacht.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Das Landgericht Cottbus hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Das Landgericht hat seine Entscheidung dahingehend begründet, dass es nach der Anhörung beider Parteien und in Würdigung der weiteren unstreitigen Tatsachen davon überzeugt sei, dass der Kläger sowohl was den Abschluss des Darlehensvertrages, als auch was die Hingabe des Darlehensbetrages betrifft, das Geschehene zutreffend wiedergegeben habe. Eine Vernehmung des Klägers als Partei gemäß § 448 ZPO sei nicht erforderlich, da ein hinreichender Beweiswert sich schon aus der Anhörung des Klägers in der Verhandlung vom 22.09.2006 gemäß § 141 ZPO gewinnen ließe.

Die Widerklage sei schon deshalb unbegründet gewesen, da die Klage voll umfänglich erfolgreich sei.

Das Gericht hat sich nicht veranlasst gesehen, aufgrund des nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes des Beklagten vom 26.09.2006 diese wieder zu eröffnen und zu untersuchen, ob die Zeugin J... die Auszahlungsanweisung vom 22.08.2002 mit Ausnahme der Unterschriftsleistung handschriftlich ausgefüllt hat. Dies wurde damit begründet, dass ein etwaiges Schriftsachverständigengutachten selbst bei Untersuchung des Originals der Anweisung erfolglos bleiben müsse, da in diesen Formularen mit Ausnahme der Unterschrift nur Zahlen oder Blockbuchstaben angegeben seien, die grundsätzlich einer handschriftlichen Untersuchung zur Klärung der Urheberschaft nicht zugänglich seien.

Der Beklagte verfolgt mit der Berufung das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage. Hinsichtlich der Widerklage hat er die Berufung zurückgenommen.

Der Beklagte rügt, dass das Urteil unrichtige Tatsachenfeststellungen enthalte.

Der Beklagte verwehrt sich gegen die Verwertung der Anhörungen der Parteien als Grundlage für die erstinstanzliche Entscheidung. Die Parteien hätten davon ausgehen dürfen, dass Aussagen in der Güteverhandlung zunächst lediglich dem Versuch einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits dienen sollten.

Er habe im ersten Rechtszug ein Beweismittel für die Feststellung, dass der Überweisungsbeleg nicht von der Zeugin J... ausgefüllt worden sei, benannt. Dies sei erst mit Schreiben vom 26.09.2006 erfolgt, da der Beklagte erst nach der Güteverhandlung seine Mutter habe befragen können, ob der Vortrag des Klägers, dass die Mutter des Beklagten den Auszahlungsschein ausgefüllt habe, zutreffend sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens könne zudem von Amts wegen angeordnet werden. Das Gericht habe es unterlassen darauf hinzuweisen, dass es von einer amtsseitigen Beweiserhebung durch Einholung eines graphologischen Gutachtens absehen wolle.

Die Einholung dieses Gutachtens sei zwingend notwendig gewesen, um die Unglaubwürdigkeit des Klägers zu beweisen. Dies sei gerade deshalb erheblich, da das erstinstanzliche Urteil die Entscheidung nur im Glauben an die Richtigkeit der Ausführungen des Klägers begründet habe.

Das Gericht werte das Aussagenverhalten des Beklagten zu Unrecht dahingehend, dass dieser sichtlich bemüht gewesen sei, nicht zuviel zu erzählen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13.10.2006, Az.: 3 O 75/06, dahingehend zu ändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und tritt den Ausführungen des Beklagten entgegen.

Der Senat hat nach erneuter Anhörung des Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugin H... J.... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.03.2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist, nachdem das Rechtsmittel hinsichtlich der Widerklage zurückgenommen worden ist, in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 10.000,- € (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Der Kläger trägt für die von ihm behauptete Darlehensvereinbarung mit dem Beklagten und die Valutierung des Darlehens die Beweislast. Zwar ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 22.09.2006 zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass der Kläger am 22.08.2002 von seinem Konto bei der Postbank einen Betrag von 10.000,00 € abgehoben hat. Den Beweis dafür, dass er diesen Betrag dem Beklagten darlehenshalber überlassen hat, hat der Kläger jedoch nicht erbracht.

Der Kläger hat sich zum Beweis für den von ihm vorgetragenen Sachverhalt auch in der Berufungsinstanz auf das Zeugnis der Zeugin H... J... berufen. Nachdem die Zeugin anlässlich ihrer Vernehmung vor dem Landgericht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte, hat sie im Termin am 14.03.2007 vor dem Senat ausgesagt.

Die Zeugin hat die Behauptung des Klägers nicht bestätigt.

Sie hat im Rahmen ihrer Aussage bekundet, den Kläger nach dem Tod seiner Mutter bei der Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten beraten zu haben. Sie habe den Kläger auch oft zum Einkaufen begleitet. Gezahlt habe jeweils der Kläger, entweder mit seiner EC-Karte oder mit Bargeld, das er selbstständig am Geldautomaten abgehoben habe. Sie habe den Kläger auch zur Bank begleitet, wenn Bankgeschäfte wie die Eintragung von Zinsen angestanden hätten. Ihr sei nicht bekannt, dass der Kläger einmal einen größeren Betrag abgehoben habe. Er habe Bargeld lediglich für den laufenden Lebensunterhalt benötigt, alles andere sei über Daueraufträge abgebucht worden. Der Kläger habe sie in der Folgezeit auch nie wegen eines Darlehens über 10.000,- € angesprochen. Sie wisse auch nicht, dass der Kläger ihren Sohn jemals zu einer Darlehensrückzahlung aufgefordert habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat die Zeugin für glaubwürdig und deren Aussage für glaubhaft hält. Denn selbst wenn der Senat davon ausginge, dass die Zeugin den tatsächlichen Sachverhalt nicht vollständig oder nicht zutreffend wiedergegeben hat, wäre damit nicht bewiesen, dass die Behauptungen des Klägers zutreffen. Denn nicht der Beklagte trägt die Beweislast dafür, dass er kein Darlehen erhalten hat, sondern der Kläger muss den Beweis dafür erbringen, dass er gerade dem Beklagten ein Darlehen über 10.000,- € gewährt hat. Für diese Tatsache finden sich in der Aussage der Zeugin J... keine Anhaltspunkte. Die Zeugin hat diese durch den Beweisantritt in ihr Wissen gestellten Tatsachen gerade nicht bestätigt. Insoweit kann auch eine Berücksichtigung der Argumente des Klägers zur Glaubwürdigkeit der Zeugin, die er im Schriftsatz vom 26.03.2007 angeführt hat, im Ergebnis nicht zu einer anderen Bewertung führen.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis auch nicht durch die im Rahmen der Parteianhörung gem. § 141 ZPO gemachten Angaben erbracht. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts kann das Ergebnis der Anhörung der Parteien nicht einen fehlenden Beweis ersetzen. Die Anhörung der Parteien dient nicht der Aufklärung eines streitigen Sachverhalts, sondern lediglich dem besserem Verständnis dessen, was eine Partei behaupten und beantragen will (Zöller-Greger, 26. Aufl., § 141 ZPO Rn. 1). Das Ergebnis der Anhörung kann zwar Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellung haben, es ist jedoch fehlerhaft, die Äußerung einer Partei wie das Ergebnis einer Parteivernehmung zu würdigen. Genau dies ist jedoch seitens des Landgerichts geschehen, das mit dem Ergebnis der Anhörung die fehlenden Beweismittel ersetzt hat.

Nachdem die Zeugin J... den Vortrag des Klägers nicht bestätigt hat, war es auch nicht geboten, nunmehr den Kläger gemäß § 448 ZPO als Partei zu vernehmen. Zwar hätte der positive Eindruck aus einer vorangegangenen Parteianhörung nach § 141 ZPO genügen können, um für die Richtigkeit der streitigen Behauptung den sogenannten Anfangs- bzw. Anbeweis zu erbringen (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 448 ZPO Rn. 4).

Der Vernehmung des Klägers hätte auch nicht entgegen gestanden, dass die Betreuerin den Kläger in Angelegenheiten der Vermögenssorge auch gerichtlich vertritt. Zwar steht der Kläger damit gemäß § 53 ZPO einer nicht prozessfähigen Person gleich. Dies ist jedoch gemäß § 455 Abs. 2 Satz 2 ZPO unschädlich.

Indes kommt eine Vernehmung des Klägers als Partei nicht in Betracht, da ihm in der Berufungsinstanz, anders als in dem Verfahren vor dem Landgericht, ein aussagebereiter Zeuge zur Verfügung gestanden hat. § 448 ZPO stellt eine Durchbrechung des Beibringungsgrundsatzes dar. Aufgrund dieses Charakters einer Ausnahmevorschrift ist diese Regelung nur unter strikter Beachtung ihrer einschränkenden Voraussetzungen anzuwenden (Zöller-Greger, a.a.O., Rn. 1). Eine Parteivernehmung gem. § 448 ZPO setzt voraus, dass die beweisbelastete Partei sich in Beweisnot befindet und kein anderes Beweismittel als die Parteivernehmung anbieten kann (Baumbach-Hartmann, ZPO, 63. A., Ü § 455 ZPO, Rn. 2) Ein Zeuge, dessen Aussage inhaltlich nicht den Erwartungen des Beweisführers entspricht, ist jedoch einem nicht vorhandenen Zeugen nicht gleichzusetzen. Denn es ist nicht Sinn und Zweck des § 448 ZPO, eine Partei vor den ungünstigen Folgen einer Aussage eines von ihr benannten Zeugen zu schützen.

Darauf, ob der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat einen überzeugenden Eindruck gemacht hat, kommt es nicht an. Solange der Kläger keinen Beweis dafür erbracht hat, dass er dem Beklagten ein Darlehen gewährt hat, obliegt es dem Beklagten nicht, sich zu entlasten. Die Angaben des Beklagten vor dem Senat hätten daher der Klage nur dann zum Erfolg verhelfen können, wenn der Beklagte die Angaben des Klägers bestätigt hätte. Dies hat er jedoch nicht getan.

Eine Beiziehung des Auszahlungsvordruckes von Amts wegen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob dieser bis auf die Unterschrift tatsächlich von der Zeugin H... J... ausgefüllt worden ist, ist schon deshalb nicht geboten, weil eine Bestätigung der Behauptung des Klägers hierzu nicht als Beweis dafür dienen könnte, dass das Geld dem Beklagten aufgrund eines Darlehens zugeflossen ist.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der erstmals in der Berufungsverhandlung am 14.03.2007 aufgestellten und damit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zulassungsfähigen Behauptung des Klägers, die Zeugin J... habe am 22.08.2002 ihrerseits 10.000,- € bei der vorher mit dem Kläger aufgesuchten Bankfiliale eingezahlt. Denn selbst wenn feststünde, dass der Kläger der Zeugin J... 10.000 € überlassen hat, ergibt sich daraus nicht zwingend, dass dies zur Erfüllung einer gegenüber dem Beklagten bestehenden Darlehensverbindlichkeit erfolgt ist.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26. März 2007 wurde berücksichtigt, soweit in ihm Ausführungen zur Beweiswürdigungen enthalten sind.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung oder Rechtsfortbildung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.389, 64 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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