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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 4 U 176/03
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB a.F. § 639 Abs. 1
BGB a.F. § 477 Abs. 2
BGB § 767 Abs. 1 S. 1
VOB/B § 13 Nr. 4 S. 1
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
VOB/B § 13 Nr. 3
VOB/B § 4 Nr. 3
VOB/B § 13 Nr. 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 19.01.2005

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 22.12.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 30.10.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 4 O 271/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von der Beklagten im zweiten Rechtszug noch Sanierungskosten - Außensohlbänke, Risse im Außenbereich, Neuanstrich aller Fassaden - aus Gewährleistung eines zwischen den Parteien im Oktober/November 1992 geschlossenen VOB-Bauvertrags (Hotelanbau). Die Klageforderung beziffern sie unter Abzug einer von der Beklagten gestellten Bankbürgschaft über 34.826,01 DM mit 10.413,99 DM gleich 5.324,59 €. Die Bauleistungen der Beklagten wurden am 04.06.1993 "ohne sichtbare Mängel" abgenommen. Nach Ziff. 11.1 der zusätzlichen Vertragsbedingungen sollte die Gewährleistungsfrist ab diesem Zeitpunkt "5 Jahre zuzüglich 4 Wochen" währen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die erstinstanzlichen Feststellungen verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage mit Rücksicht auf die durch die Beklagte erhobene Verjährungseinrede abgewiesen.

Mit ihrer Berufung machen die Kläger die Unterbrechung der Verjährung durch Einreichung eines Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens am 29.05.1998 geltend.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 5.324,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Senat hat nach Maßgabe des Beschlusses vom 02.07.2004 i. d. F. des Beschlusses vom 19.10.2004 Beweis erhoben durch schriftliches Ergänzungsgutachten des in dem selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen (Erläuterung und Aufgliederung der dort ausgewiesenen Nebenkosten auf die Kosten der Mängelbeseitigung).

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete, Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn die Klage ist unbegründet.

1. Gewährleistungsansprüche der Kläger sind allerdings weder verjährt noch verwirkt. Mit Ende der Unterbrechung der Verjährung nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens gemäß den §§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2 BGB a. F. wurde die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist erneut in Lauf gesetzt (§ 217 BGB a. F.). Wird nämlich der Lauf einer nach § 13 Nr. 4 Satz 1 VOB/B vereinbarten Frist nach gesetzlichen Bestimmungen unterbrochen, wird nach dem Ende der Unterbrechung die vereinbarte Frist erneut in Gang gesetzt (BGH, BauR 1987, 84, 86). Allein die weitgehende Ausschöpfung der mit Abnahme in Lauf gesetzten Verjährungsfrist begründete auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten, dass sie von den Klägern nicht mehr auf Gewährleistung des Bauvertrags in Anspruch genommen wird. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Vertrauen hierauf irrevisible Vermögensdispositionen getroffen hätte. Ihre Inanspruchnahme durch die Kläger stellt sich daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte dar (§ 242 BGB).

2. Ein Gewährleistungsanspruch steht den Klägern jedoch nicht in einer die Gewährleistungsbürgschaft übersteigenden Höhe zu. Die Kläger gehen selbst zutreffend mit ihrer Antragstellung davon aus, dass sie sich zunächst aus dieser Sicherheit befriedigen müssen, die insbesondere nicht für weitere, bisher unbekannte Mängel zurückbehalten werden kann, nachdem die Gewährleistungsfrist hinsichtlich solcher Mängel abgelaufen wäre.

a) Gewähr in Gestalt eines Kostenvorschussanspruchs nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B hat die Beklagte jedoch nur für die sachverständig festgestellten Mängel der Außensohlbänke zu leisten (fehlende seitliche Aufkantungen). Diesen Fehler haben die Kläger mit Schreiben vom 04.12.1995 unter Bezeichnung der Mängelsymptome (starke Verschmutzungen durch Wasserabfluss an der Fassade) konkret gerügt und der Beklagten mit Schreiben vom 15.03.1996 auch eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt. Soweit die Beklagte einen der Ausschreibung entsprechenden Einbau der Sohlbänke einwendet, wird sie dadurch nach den §§ 13 Nr. 3, 4 Nr. 3 VOB/B nicht von ihrer Gewährleistung frei. Denn in Ermangelung einer Mitteilung über die zu befürchtenden Mängel schuldete sie ohne weiteres und unbeschadet des Inhalts der Leistungsbeschreibung ein funktionsgerechtes Werk.

Nach den überzeugungskräftigen Feststellungen des Sachverständigen beläuft sich der Vorschussanspruch auf 1.600,00 DM zzgl. 3 % Nebenkosten und Umsatzsteuer, mithin 1.911,68 DM gleich 977,43 €. Soweit die Beklagte verschiedene Bedenken an der Höhe der Nebenkosten anmeldet, vermag sie mit ihnen nicht durchzudringen. Ihr ist zwar zuzugeben, dass "Nebenarbeiten" in Form des "Vorhaltens von Aufenthalts- und Lagerräumen", des "Prüfens der Wasserdurchlässigkeit ... im Zusammenhang mit der Sanierung der Brüstungsrisse" und auch der "Aufmaßarbeiten zur Rechnungstellung", die der Sachverständige zur Begründung des gesamten Nebenkostenzuschlags von 15 % aufgeführt hat, für die Sanierung lediglich der Außensohlbänke nicht anfallen. Bezüglich der Außensohlbänke verbleiben jedoch die "besonderen Maßnahmen zum Schutz von ... Fenstern" sowie die "Grob- und Feinreinigung". Speziell hiergegen erinnert die Beklagte nichts Erhebliches. Es mag zwar sein, dass die "Grob- und Feinreinigung" üblicherweise in den Einheitspreisen mitkalkuliert wird. Eine solche Kalkulation liegt der Kostenschätzung des Sachverständigen aber offensichtlich nicht zugrunde. Er hat die Mängelbeseitigungskosten vielmehr unter Differenzierung zwischen der eigentlichen Mängelbeseitigung und der Grob- und Feinreinigung geschätzt. Der konkreten Kalkulation des Sachverständigen kann mithin nicht entgegengehalten werden, dass auch anders hätte kalkuliert werden können. Davon abgesehen erscheint die vom Sachverständigen vorgenommene Differenzierung aber auch inhaltlich gerechtfertigt. Auf Seite 27 des Gutachtens hat dieser nämlich deutlich erkennbare Schmutzfahnen beidseits der Außensohlbänke festgestellt, die durch deren mangelhafte Ausführung infolge des Fehlens seitlicher Aufkantungen verursacht worden sind.

Die genaue Vorschusshöhe konnte der Senat auch nicht mit Rücksicht darauf offenlassen, dass die Gewährleistungsbürgschaft den Vorschussanspruch zweifelsfrei übersteigt. Denn wegen § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB erstreckt sich die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils gegen den Gläubiger grundsätzlich auch auf den Bürgen (Rechtskrafterstreckung wegen materiell-rechtlicher Abhängigkeit, statt vieler Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 6. Aufl., Rdnr. 1060 mit weiteren Nachweisen). Diese Rechtskrafterstreckung findet zwar naturgemäß dort ihre Grenze, wo die Hauptforderung einzig aufgrund der Gewährleistungsbürgschaft aberkannt wird. Hinsichtlich der nachfolgend dargestellten Ansprüche greift die Rechtskrafterstreckung zugunsten des Bürgen indes durch (unten b). Vor diesem Hintergrund haben die Kläger ein über bloße Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit hinausgehendes rechtsschutzwürdiges Interesse daran, dass die durch die Klageabweisung in Verbindung mit dem gestellten Antrag nicht erschöpfend bestimmte Rechtskraft durch Ausführungen zu ihrer Reichweite auch hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche näher festgelegt wird.

b) Weitergehende Gewährleistungsansprüche stehen den Klägern nicht zu.

Mängelbeseitigungskosten hinsichtlich der Risse im Außenbereich können sie nicht nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B beanspruchen, weil letztere nicht Gegenstand der Mängelrügen, geschweige denn der Fristsetzung zur Mängelbeseitigung waren. Aus diesem Grund scheidet auch ein Schadenersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B aus, weil der Schadensersatz hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten allgemeiner Auffassung zufolge nicht zur Umgehung des Nachbesserungsrechts des Auftragnehmers führen darf.

Ein Schadensersatzspruch gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B hinsichtlich des Neuanstrichs der Fassaden besteht ebenfalls nicht. Denn die mangels Fristsetzung zur Mängelbeseitigung begründete Sperrwirkung des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B erfasst auch die hierfür begehrten Kosten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 96, 221 ff.), der sich der Senat anschließt, erstreckt sich das (primäre) Nachbesserungsrecht des Auftragnehmers nämlich auch auf diejenigen Arbeiten, die notwendig werden, um nach durchgeführter Mängelbeseitigung den davor bestehenden Zustand wieder herzustellen. Ausweislich der sachverständigen Feststellungen wäre, eine Verpflichtung der Beklagten zur Sanierung der Risse im Außenbereich unterstellt, ein Neuanstrich gerade deshalb erforderlich, weil die Sanierung aufgrund unterschiedlicher Abbinde- und Erhärtungsbedingungen beim Putzauftrag sichtbare Farbabweichungen beim Anstrich nach sich ziehen würde. Der Neuanstrich der Fassaden diente mithin der Beseitigung der Schäden, die mit der Sanierung der Risse zwangsläufig entstünden. Es handelte sich bei diesen Schäden nicht um solche, die durch die mangelhafte Leistung an anderen Bauteilen oder sonstigem Eigentum der Beklagten verursacht worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert im zweiten Rechtszug beträgt 5.324,99 €.



Ende der Entscheidung

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