Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 4 U 182/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EnWG, AVBGasV, brandenburgische NachbarschaftsG, EntG, VwVfG


Vorschriften:

BGB § 251 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 635 Abs. 3 n.F.
BGB § 905 Satz 2
BGB § 917 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 148
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2
EnWG § 12 Abs. 1 Nr. 2
EnWG § 12 Abs. 2 Satz 2
EnWG § 12 Abs. 3
EnWG § 13 Abs. 1
AVBGasV § 8
AVBGasV § 8 Abs. 1 Satz 1
brandenburgisches NachbarschaftsG § 44 Abs. 1
EntG § 29
EntG § 29 Abs. 2
VwVfG § 35
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 182/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2004 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht #, die Richterin am Oberlandesgericht # und die Richterin am Oberlandesgericht #

für Recht erkannt: Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entfernung einer in etwa 1,5 m Tiefe und 8 m Abstand von der nördlichen Grundstücksgrenze verlegten Hochdruckgasleitung von ihrem Grundstück Flur x, Flurstück 127, die seinerzeit ohne Einholung der Bewilligung der Klägerin auf diesem Grundstück verlegt wurde.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird mit den folgenden Ergänzungen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Trassenverlauf der Erdgasleitung, die der Versorgung des Raumes B. mit Erdgas dient, war zuvor raumordnerisch geprüft und genehmigt worden. Die Hochdruckgasleitung der Beklagten verläuft durch ein weiteres Grundstück der Klägerin - Flurstück 124 der Flur x -, dieses grenzt allerdings nicht unmittelbar an das Flurstück 127 an. Für das Flurstück 124 räumte die Klägerin der Beklagten am 28. November 2001 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Gasleitungsrecht mit Bebauungs- und Bepflanzungsbeschränkung) ein.

Auf dem Grundstück Flurstück 127 befindet sich eine weitere Erdgasleitung der Y AG.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB unabhängig davon zu, ob sie durch die Gasleitung gehindert sei, ihren Betrieb - wie beabsichtigt - über dieses Grundstück mit schweren Lkw anzufahren. Bereits die Eigentums- und Besitzstörung begründe eine entsprechende Entfernungspflicht. Dem Anspruch auf Entfernung der Erdgasleitung stünde auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegen, weil die Beklagte möglicherweise im Enteignungsverfahren eine Duldung der Gasleitung erzwingen könne. Ihre Angaben über das zu betreibende Enteignungsverfahren seien derzeit noch zu vage, als dass sie eine Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Leitung begründen könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Sie vertritt die Auffassung, die Kammer habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Parteien für das Flurstück 124 eine Vereinbarung über die Mitbenutzung geschlossen hätten; vor diesem Hintergrund sei völlig unplausibel, dass die Klägerin erst im Jahre 2002 von der Existenz der Trasse erfahren haben wolle. Es liege in der Natur der Sache, dass bei Inanspruchnahme des Flurstücks 124 auch ein Teil der Leitung über das Flurstück 127 verlaufen müsse. Die Klägerin habe daher mit der Vereinbarung stillschweigend auch die Zustimmung zur Mitbenutzung des Flurstückes 127 erklärt. Rechtsfehlerhaft habe sich die Kammer nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Beseitigungsanspruch hier wegen eines privatrechlichen Aufopferungsanspruches ausgeschlossen sei.

Jedenfalls sei aber der Beseitigungsanspruch wegen § 242 BGB bis zur abschließenden Entscheidung über die Enteignung ausgeschlossen. Aufgrund des Bescheides des Landesbergamtes B. vom 30. Juli 2003, mit dem die grundsätzliche Zulässigkeit der Enteignung festgestellt wurde, und aus den Gründen des Antrages auf Enteignung vom 17. Oktober 2003 sei eine positive Entscheidung über die Enteignung zu erwarten.

Sie trägt des weiteren vor, im Ergebnis einer am 17. August 2004 vorgenommenen Vermessung sei festgestellt worden, dass die Gasleitung entgegen den bisherigen Annahme unter dem mit Betonplatten befestigten, als Straße gewidmeten Weg verlegt sei, und meint, dass die Klägerin auch aus diesem Grund keine Beseitigung verlangen könne.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet den Zeitpunkt der Verlegung der Erdgasleitung mit Nichtwissen und trägt vor, eine Bewilligung der Grunddienstbarkeit auf dem Flurstück 124 sei nicht durch sie, sondern im Jahre 1996 durch die Z. GmbH & Co.KG erfolgt. Es sei auch nicht richtig, dass der Verdacht bestehe, im nördlich der Flurstücke 124 und 127 belegenen Bereich lagere Altmunition.

Der Bescheid vom 30. Juli 2003 sei mangels ihrer - der Klägerin - Beteiligung nicht rechtmäßig ergangen. Die Inanspruchnahme des Flurstücks 127 als Zuwegung für Schwer-Lkws zu ihrem Betrieb sei von existentieller Bedeutung, da ihr das Landesimmissionsamt in S. - unbestritten - diese Zuwegung anstelle der bisher genutzten über den S-Weg zur Aufrechterhaltung der Betriebsgenehmigung auferlegt habe. Die öffentliche Zuwegung befinde sich mitnichten auf dem Flurstück 127, sondern auf dem Flurstück 1; die von ihr benutzte - provisorische - Zuwegung zu ihrem Betrieb verlaufe in spitzem Winkel auf die Parzelle 1 zu.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Beseitigung der Hochdruckerdgasleitung und anschließende Verschließung des Grundstücks gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen.

Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin an dem Grundstück Flur x, Flurstück 127, der Gemarkung B. durch die in etwa 1,5 m Tiefe verlegte Erdgashochdruckleitung liegt vor (vgl. § 905 Satz 1 BGB).

Der daraus resultierende Anspruch auf Beseitigung der Gasleitung und Wiederherstellung der durch diese Maßnahme beeinträchtigten Gestaltung des Grundstücks (vgl. allgemein: BGH NJW-RR 2003, 953, 954) ist aus keinem Rechtsgrund ausgeschlossen.

1.

Dem Beseitigungsanspruch der Klägerin steht nicht § 905 Satz 2 BGB entgegen. Diese Norm läßt das Verbietungsrecht des Eigentümers entfallen, wenn Leitungen in einer solchen Tiefe verlaufen, dass der Eigentümer an ihrer Entfernung kein Interesse haben kann. Das läßt sich hier nicht feststellen.

a) Bereits der Umstand, dass die Leitung - nach dem nach § 529 ZPO zugrundezulegenden übereinstimmenden erstinstanzlichen Parteivortrag, ein Zulassungsgrund besteht hinsichtlich des im Berufungsrechtszug neuen Vorbringens einer Verlegungstiefe von 1,8 m nicht - in einer Tiefe von lediglich etwa 1,5 Meter verlegt ist, begründet die Besorgnis, dass die Klägerin die zu ihrem Betrieb derzeit nur provisorisch angelegte Zuwegung über ihr Grundstück mit den Schwer-Lkws nicht gefahrlos befahren kann. Insoweit ist nicht von Belang, dass sich in dem Zeitraum, in dem ihre LKws über 2,8 t nach der vom Landesimmissionsamt S. erteilten Auflage, ihren Entsorgungsbetrieb nicht mehr über den S-Weg anzufahren, die Zuwegung über das Flurstück 127 benutzen, die Gefahr einer Beschädigung der Gasleitung nicht realisiert hat. Ausreichend für ein Ausschließungsinteresse des Grundstückseigentümers ist jedes schutzwürdige vermögensrechtliche oder immaterielle Interesse an der ungestörten Benutzung des Eigentums. Es genügt die Besorgnis einer wenn auch nur künftigen Behinderung der Grundstücksnutzung, wie sie die Klägerin hier vorträgt - und die auch naheliegt. Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass das Überfahren mit zum Teil beladenen Schwerlastkraftfahrzeugen eine erhebliche Beanspruchung einer in lediglich etwa 1,5 m Tiefe verlegten Gasleitung darstellt, zumal wenn der für die Zufahrt genutzte Plattenweg - wie die Klägerin im Termin vom 27. Oktober 2004 unbestritten vorgetragen hat - nicht über einen ordentlichen Straßenunterbau verfügt und die Lkws in dem Bereich drehen und rangieren müssen, unter dem sich auch nach dem Beklagtenvorbringen die Gasleitung befinden soll.

Die insoweit beweisbelastete Beklagte (siehe Palandt-Basenge 62. Aufl. § 905 Rdnr. 5) hat auch nach Erteilung des rechtlichen Hinweises am 14. Juli 2004 weder dargetan noch unter Beweis gestellt, dass es gleichwohl einer besonderen Absicherung der Gasleitung nicht bedarf. Nicht einmal im Termin vom 28. Oktober 2004 konnte der anwesende Leiter der Abteilung für Gastechnik, Herr S., hierzu Auskunft geben.

b aa) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. September 2004 erstmals behauptet, die Gasleitung verlaufe nicht quer zum Plattenweg, der der Klägerin als Zufahrt zu ihrem Betrieb dient, sondern längs darunter, ist dieses neue - und bestrittene - Vorbringen schon nicht zulassungsfähig gemäß § 531 Abs. 2 ZPO.

bb) Selbst wenn dieser Vortrag zuzulassen wäre und die Behauptung der Beklagten zur Lage der Gasleitung zuträfe, würde das Verbietungsrecht der Klägerin zudem dennoch nicht entfallen.

Verläuft eine Energieversorgungsleitung unterhalb einer Straße, liegt zwar im Regelfall die Annahme nahe, dass wegen der vorhandenen Beeinträchtigung durch die Straße als solche die unterirdische Einwirkung der Leitung auf das Grundstück so geringfügig ist, dass der Grundstückseigentümer an der Ausschließung kein Interesse haben kann. Der vorliegende Sachverhalt weicht jedoch so erheblich vom Regelfall ab, dass eine andere rechtliche Beurteilung gerechtfertigt ist. Gerade die inzwischen erforderlich gewordene Benutzung des provisorisch angelegten Plattenweges für die Zufahrt mit Schwerlastfahrzeugen zu ihrem Entsorgungsbetrieb begründet - wegen der Gefährdung der gegen diese Beanspruchung nicht geschützten Gasleitung - das schützenswerte Interesse der Klägerin an deren Entfernung.

cc) Auch für das von der Beklagten erstmals im Schriftsatz vom 6. September 2004 enthaltene Vorbringen, es handle sich um eine als öffentliche Straße gewidmete Zuwegung, unter der die Gasleitung verlegt sei, fehlt es an einem Zulassungsgrund gemäß § 531 Abs. 2 ZPO.

Unabhängig davon rechtfertigte auch dieser Umstand keine andere rechtliche Beurteilung. Das öffentliche Straßenrecht legt dem Grundstückseigentümer keine Verpflichtung zur Duldung von Leitungen auf. Die Benutzung von Wegeeigentum für Zwecke der Strom- und Gasversorgung ist nicht als Gemein- oder Sondernutzung einzustufen, sondern richtet sich - gleichgültig, ob die Straße im öffentlichen oder privatem Eigentum steht - nach bürgerlichem Recht (vgl. § 8 Abs. 10 FStrG, § 23 brandenburgisches Straßengesetz). Lediglich den Kommunen legt § 13 Abs. 1 EnWG die Pflicht zur diskriminierungsfreien Vergabe von Leitungsrechten auf.

2.

Die Klägerin ist auch nicht zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet (§ 1004 Abs. 2 BGB).

a) Eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Gasleitung besteht nicht, insbesondere läßt sich eine - konkludente - Einwilligung der Klägerin in die Beeinträchtigung ihres Grundstücks nicht daraus herleiten, dass sie der Beklagten auf einem anderen Grundstück ein Leistungsrecht einräumte.

b) Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 8 der AVBGasV. Danach haben Kunden und Anschlußnehmer, die Grundstückseigentümer sind, für Zwecke der örtlichen Versorgung die Zu- und Fortleitung von Gas über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke und die Verlegung von Rohrleitungen unentgeltlich zuzulassen, § 8 Abs. 1 Satz 1 AVBGasV (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift BVerfG RdE 2002, 15 ff.; BGH NJW-RR 1993, 141, 142). Die Hochdruckgasleitung DN 400 dient nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten zwar der Versorgung des Raumes B. mit Erdgas, und damit der örtlichen Versorgung. Aus dem Vorbringen der Parteien geht indes nicht hervor, dass die Klägerin Kundin oder Anschlußnehmerin für die Versorgung mit Erdgas ist.

c) Für eine Duldungspflicht wegen eines Notleitungsrechtes gemäß § 917 Abs. 1 BGB oder § 44 Abs. 1 des brandenburgischen Nachbarschaftsgesetzes vom 26. Juni 1996 (GVBl. I S. 238) ist ebenfalls kein Raum. Die Beklagte gehört nicht zu dem durch diese Vorschriften geschützten Personenkreis notwegeberechtigter Grundstückseigentümer.

d) Eine Duldungspflicht der Klägerin ergibt sich schließlich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs steht insbesondere der Einwand rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht entgegen.

aa) Die höchstrichterliche Rechtsprechung versagt dem Beseitigungsanspruch des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Fällen, in denen die Herstellung des an sich gebotenen Zustandes nur mit einem unverhältnismäßigen, nach den Interessen der Beteiligten und allen sonstigen Umständen unbilligen Aufwand möglich ist, nach den allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 251 Abs. 2, 635 Abs. 3 BGB n.F. den Erfolg, weil sich das Beseitigungsverlangen dann als rechtsmißbräuchlich darstellt (BGH NJW 2000, 512; NJW 1974, 1552, 1553). Bei der gebotenen Abwägung der vorgetragenen Umstände erscheint das Beseitigungsverlangen der Klägerin indes nicht als rechtsmißbräuchlich.

(1) Maßgeblich für die Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze sind allein die Aufwendungen für die Beseitigung der Erdgasleitung aus dem Grundstück der Klägerin, deren Höhe die Beklagte auch nach dem am 14. Juli 2004 erteilten Hinweis des Senats nicht angibt. Soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 6. September 2004 einen Betrag von 70.000,00 € nennt, handelt es sich nach ihrem eigenen Vortrag hierbei um die "reinen Bebaukosten für eine Verlegung", mithin nicht lediglich um die Kosten für die Entfernung der Leitung aus dem fremden Grundstück, sondern auch deren Neuverlegung, die außer Betracht bleiben müssen.

(2) Selbst unter Berücksichtigung dieses Kostenaufwandes von 70.000,00 €, eines eventuellen weiteren Kostenaufwands für die Untersuchung des für die Neuverlegung beanspruchten Bodens und einer hierbei eventuell notwendigen Entfernung von Munition, erscheint der für die Beseitigung der Erdgasleitung erforderliche Aufwand nicht unverhältnismäßig, weil die Klägerin ein gewichtiges schützenswertes Interesse an der Entfernung der Gasleitung aus ihrem Grundstück hat.

Nach ihrem unbestritten gebliebenen Vorbringen wurde ihr von dem Landesimmissionsamt in S. zur Aufrechterhaltung der Betriebsgenehmigung auferlegt, ihren Entsorgungsbetrieb für Baumischabfälle mit Schwerlastkraftfahrzeugen nicht mehr über den bisher genutzten S-Weg zu anzufahren. Die Zufahrt zu ihrem Deponiebetrieb muß daher über das Flurstück 127 erfolgen. Dass es keiner besonderen Absicherung der in etwa 1,5 m Tiefe verlegten Gasleitung auch für eine derartige Beanspruchung mit beladenen Schwerlastkraftfahrzeugen bedarf und die Gefahr einer Zerstörung oder Beschädigung der Gasleitung durch die Lkw ausgeschlossen ist, ist - wie dargelegt - von der Beklagten nicht hinreichend dargetan.

Darüber hinaus hält der Senat seine im Beschluß vom 14. Juli 2003 geäußerte Rechtsauffassung aufrecht, wonach bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte die Gasleitung in Kenntnis der fehlenden Einwilligung des Grundstückseigentümers auf dem fremden Grundstück verlegt und sich gleichwohl über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren um eine Duldung der Beeinträchtigung nicht bemüht hatte. Dieses Verhalten läßt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass die Einholung der Einwilligung sämtlicher vom Trassenverlauf betroffenen Grundstückseigentümer vor dem Bau der Gasleitung im Jahre 1992 wegen der in den neuen Bundesländern häufig ungeklärten Eigentumsverhältnisse mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war. In den Jahren danach bestand hinreichend Gelegenheit, sich zu den Eigentumsverhältnissen zu informieren und mit dem Grundstückseigentümer in Kontakt zu treten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt irgendwelche Bemühungen in dieser Richtung angestrengt hat.

bb) Die Klägerin hat auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es ihr nach Treu und Glauben verwehrt, das Beseitigungsverlangen geltend zu machen.

Der Beklagten als überregionalem Energiewirtschaftsunternehmen muss klar gewesen sein, dass die Bewilligung des Leitungsrechts bezüglich eines von mehreren Grundstücken - hier für das Flurstück 124 - keinen Schluß auf die Entscheidung hinsichtlich der übrigen Grundstücke erlaubt, weil für die Entscheidung über die Bewilligung eines Leitungsrechtes auf einem Grundstück weniger das Interesse des Antragenden als das Interesse des Grundstückseigentümers, das Grundstück in der beabsichtigten Art und Weise zu nutzen, maßgeblich sind.

Im übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte im Hinblick auf das Vertrauen, auch hinsichtlich des Flurstücks 127 werde die Zustimmung zur Eintragung einer Dienstbarkeit gewährt, irgendwelche Dispositionen getroffen hat, denn die Gasleitung war ja bereits seit etwa einem Jahrzehnt verlegt.

cc) Schließlich vermag die Einleitung des Enteignungsverfahrens mit Antrag vom 17. Oktober 2003 nicht den "dolo agit"-Einwand zu begründen, weil Dauer und Ausgang des eingeleiteten Enteignungsverfahrens derzeit völlig offen sind.

Der Beklagten steht die Möglichkeit offen, eine Beschränkung des Grundeigentums der Klägerin im Wege der Enteignung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EnWG i.V.m. § 29 EntG des Landes Brandenburg vom 19. Oktober 1992 (GVBl. I S. 430) zu erreichen. Mit Erlass des Bescheides des Landesbergamts B. vom 30. Juli 2003 ist aber lediglich - für die Klägerin unanfechtbar, weil die Entscheidung gegenüber den betroffenen Grundstückseigentümern keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG darstellt, es sich vielmehr um eine lediglich behördenintern bindende Zwischenentscheidung handelt, die die Erlaubnis zur Eröffnung des eigentlichen Enteignungsverfahrens nach dem jeweiligen Landesenteignungsgesetz gibt (Büdenbender EnWG 2002 § 12 Rdnr. 91 ff.) - die für das Enteignungsverfahren unverzichtbare Voraussetzung der Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 EnWG geschaffen. Mit dieser verwaltungsbehördlichen Entscheidung ist mithin keineswegs festgestellt, dass das Enteignungsverfahren erfolgreich abgeschlossen wird.

Der Senat sieht aus den im Beschluß vom 14. Juli 2004 ausgeführten Gründen, die im Folgenden nochmals mitgeteilt werden, keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die Enteignung oder der ebenfalls am 14. Januar 2004 beantragten Vorabentscheidung gemäß § 29 Abs. 2 EntG auszusetzen.

Die Entscheidung über die Aussetzung unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierbei sind der voraussichtliche Erfolg des Enteignungsverfahrens und die mit einer Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung gegeneinander abzuwägen (BGH NJW-RR 1992, 1149). Der Senat sieht sich insoweit wegen des unterschiedlichen entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 7. Mai 1992 (NJW-RR 1992, 1149) gehindert, die erforderliche Abwägung im vorliegenden Fall zugunsten des Fortgangs des Zivilverfahrens zu treffen. Da der Erfolg des Enteignungsverfahrens und des Antrags auf Vorabentscheidung nicht offensichtlich sind, das Enteignungsverfahren in Kenntnis der seit über 10 Jahren auf fremden Grund und Boden verlegten Gasleitung erst im Laufe dieses Rechtsstreits eingeleitet wurde und die Enteignungsbehörde des Landes B. selbst über die am 14. Januar 2004 beantragte Vorabentscheidung noch nicht entschieden hat, erscheint eine Aussetzung des Verfahrens nicht angebracht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 712 Abs. 1 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 12, 14 GKG, 3 ZPO auf 35.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück