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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 4 U 184/00
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 7
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 184/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 52 O 151/99 Landgericht Potsdam

Anlage zum Protokoll vom 18. Juli 2001

verkündet am 18. Juli 2001

Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Grund- und Teilurteil

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht F., den Richter am Landgericht Dr. H. und den Richter am Landgericht Dr. H. Und die Richterin am Landgericht R.

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Anspruch der Klägerin auf zusätzliche Vergütung für die Erhöhung des Mauerwerks ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. September 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam -- 52 O 151/99 -- wird teilweise zurückgewiesen, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 3.040,96 DM nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 23. August 1998 wendet.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet (§§ 516, 518, 519 ZPO). Soweit vorliegend darüber entschieden wird, bleibt das Rechtsmittel in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Die Parteien schlossen am 17. April 1998 einen Bauvertrag unter Einbeziehung der VOB/B. Gegenstand des Vertrages war die Ausführung von Bauarbeiten durch die Klägerin an dem Bauvorhaben der Beklagten "Musterwintergarten G. S.". Unter § 3.3 des Vertrages war vereinbart, daß Zusatz" und Nachaufträge sowie Änderungen des Leistungsbildes nur vorgenommen werden dürfen, wenn die schriftliche Zustimmung des Auftraggebers vorliegt. Die Klägerin hat wegen diverser Zusatz- und Mehrarbeiten sowie wegen des Anspruches auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts in I. Instanz 12.372,86 DM geltend gemacht. Davon wurden unter Einbeziehung eines Teil-Anerkenntnisurteils insgesamt 8.771,96 DM zuerkannt.

Die Beklagte greift das Schlußurteil nur noch wegen eines Betrages von 3.371,20 DM an. Dieser Betrag entfällt auf Zusatzarbeiten, die dadurch entstanden sind, daß der Geschäftsführer der Beklagten mündlich auf der Baustelle am 27. Mai 1998 die Erhöhung des Kellermauerwerks auf 2,46 m verlangt hat. Die Klägerin hat hierfür in der Schlußrechnung 13,78 m2 zusätzliches Mauerwerk mit einem Einheitspreis von 232,50 DM netto abgerechnet. Unter Einbeziehung des für den Pauschalpreisvertrag vorgesehenen Preisnachlasses von 9,29 % sowie der gesetzlichen Mehrwertsteuer errechnet sich daraus der Betrag von 3.371,20 DM.

2. Der allein in der Berufungsinstanz noch anhängige Anspruch der Klägerin auf zusätzliche Vergütung der vom Geschäftsführer der Beklagten verlangten Erhöhung des Mauerwerks auf durchgehend 2,46 m ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

a) Das Landgericht hat zutreffend diese Zusatzarbeiten § 2 Nr. 5 VOB/B zugeordnet. Die Parteien hatten im Bauvertrag eine Vereinbarung über Art und Umfang des Kellermauerwerks und den darauf bezogenen Preis getroffen. Auf Anordnung der Beklagten -- wie nunmehr in der Berufungsinstanz unstreitig -- haben sich nachträglich die der Preisberechnung zugrunde gelegten Umstände geändert. § 2 Nr. 6 VOB/B regelt dagegen nur den Fall, daß eine neue, vom bisherigen Vertragsinhalt überhaupt noch nicht erfaßte zusätzliche Leistung vom Auftraggeber gefordert wird.

b) Da die Parteien unstreitig einen Pauschalpreisvertrag geschlossen haben, kann eine zusätzliche Vergütung allerdings nur unter den Voraussetzungen von § 2 Nr. 7 VOB/B verlangt werden. Nach Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift bleibt der Pauschalpreis grundsätzlich unverändert; Anpassungen sind nur unter den Voraussetzungen von S. 2-4 möglich. Als Grundlage für eine zusätzliche Vergütung kommt danach vorliegend allein § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 2 Nr. 5 VOB/B in Betracht.

Eine zusätzliche Vergütung kann der Auftragnehmer danach grundsätzlich nur dann verlangen, wenn der geplante Bau -- ausgehend von der bisherigen Kalkulation -- in beachtlichem Umfang anders als ursprünglich erkennbar errichtet wird und es dadurch zu nach der für die Pauschalpreisvereinbarung maßgebenden bisherigen Berechnungsgrundlage wesentlichen Veränderungen des Leistungsinhalts kommt. Im Gegensatz zum Einheitspreisvertrag, bei dem es auf die Beurteilung nach den Preisermittlungsgrundlagen der von der Veränderung betroffenen einzelnen Positionen ankommt, ist beim Pauschalpreisvertrag im allgemeinen die Preisermittlungsgrundlage nach dem gesamten bisher vorgesehenen Leistungsinhalt zu bestimmen (Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Auflage 2000, § 2 VOB/B Rz. 295).

Vorliegend handelt es sich allerdings um einen sog. Detail-Pauschalpreisvertrag. Die Parteien haben ein detailliertes Leistungsverzeichnis erstellt und die Preisbildung an Hand der jeweiligen Einheitspreise und veranschlagten Mengen und Massen vorgenommen und dabei für die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses einen Nachlaß von jeweils 9,29% vereinbart. Die vom Auftragnehmer geschuldete Leistung war damit gerade nicht pauschaliert, sondern im Einzelnen in der Weise in dem Leistungsverzeichnis festgelegt, daß diese Vertragsgrundlage Art und Umfang der zu erbringenden Werkleistung bestimmte (Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Auflage, Rz. 1189 m.w.Nachw.). Später geforderte oder notwendige Zusatzarbeiten werden dann nicht von dem Pauschalpreis erfaßt (vgl. BGH BauR 1984, 395; BauR 1995, 237). Haben die Parteien die geschuldete Werkleistung in dieser Weise konkretisiert und gerade nicht pauschaliert, so kommt es für die Frage, ob für vom Auftraggeber verlangte Zusatzarbeiten auch eine über den Pauschalpreis hinausgehende Vergütung verlangt Werden kann, ebenfalls nur auf die Beurteilung nach der Preisermittlungsgrundlage der konkret von der Veränderung betroffenen einzelnen Position an.

Wird bezogen auf die einzelne Position der ursprünglich geschuldete Leistungsumfang -- wie hier -- um rund 10 % erweitert, so ist dies nach Auffassung des Senats in diesem Sinne als wesentlich zu bezeichnen; dies hat zur Folge, daß die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung der von der Beklagten geforderten Erhöhung des Mauerwerks hat.

c) Dem zusätzlichen Vergütungsanspruch steht nicht entgegen, daß es an einer schriftlichen Zustimmung der Beklagten nach § 3.3 des Vertrages fehlt.

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob es sich bei dem verwendeten Vertragstext um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt. Selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, es handele sich bei § 3.3 des Bauvertrages um eine Individualvereinbarung, so steht dies einem zusätzlichen Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen.

Die durch Rechtsgeschäft bestimmte schriftliche Form kann nämlich zwischen den Parteien jederzeit formfrei -- auch durch konkludentes Handeln -- wieder aufgehoben werden (vgl. m.w.Nachw. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Auflage, § 125 BGB Rz. 14).

Von einer solchen konkludenten Aufhebung der Schriftform allein für die Zustimmung des Auftraggebers ist vorliegend auszugehen. Daß der Geschäftsführer der Beklagten diese Zusatzarbeiten von den Mitarbeitern der Klägerin tatsächlich verlangt hat, ist in II. Instanz unstreitig. Dadurch, daß die Beklagte an Ort und Stelle von der Klägerin mündlich verlangt hat, eine bereits teilweise fertiggestellte Reihe Mauerwerk wieder zu entfernen und statt dessen über die bisherigen Planungen hinaus das Mauerwerk zu erhöhen und sie dann diese Zusatzarbeiten widerspruchslos entgegennimmt, hat sie gegenüber der Klägerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie in diesem Fall auf das Erfordernis einer eigenen schriftlichen Zustimmung keinen Wert legt.

3. Der Rechtsstreit ist der Höhe nach nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang entscheidungsreif. Insoweit konnte -- in Verbindung mit dem Grundurteil -- gleichzeitig ein Teilurteil ergehen (§ 301 Abs. 1 S. 2 ZPO).

a) Aufgrund des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. Juni 2001 ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die Klägerin insgesamt 13,78 m2 zusätzliches Mauerwerk erstellt hat. Insoweit zieht die Beklagte das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 25. April 2001 vorgelegte Aufmaß nicht in Zweifel.

b) Allerdings führt die Klägerin in diesem Schriftsatz auch aus, daß sich diese Zusatzleistung auf die Positionen 5, 6, 7 und 8 des Leistungsverzeichnisses verteilt. Mit ihrer Rechnung vom 22. Juni 1998 [GA 35] hat sie aber die Zusatzleistungen nur nach der Position 5 des Leistungsverzeichnisses (Außenmauerwerk) mit einem Einheitspreis von 232,50 DM/m2 abgerechnet und nicht auf die Positionen 5--8 nach den jeweils ausgeführten Massen verteilt.

Die Beklagte hat nunmehr eine solche Verteilung auf die einzelnen Positionen selbst vorgenommen und errechnet ausgehend davon, daß die Klägerin bei Position 59,495 m2, bei Position 6 1,1616 m2, bei Position 8 1,946 m2 zusätzliches Mauerwerk erbracht hat und bei Position 7 ausgehend von einer Erhöhung des Mauerwerks um 16 cm eine zusätzliche Vergütung von 201,04 DM verlangen könnte, und unter Berücksichtigung des Nachlasses von 9,29% einen zusätzlichen Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.040,96 DM brutto.

In diesem Umfang ist die Klageforderung der Höhe nach unstreitig geworden, so daß insoweit ein Teilurteil ergehen konnte. In Höhe des Differenzbetrages von 330,24 DM ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif; insoweit muß jedenfalls der Klägerin nochmals Gelegenheit gegeben werden, auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 25. Juni 2001 zu erwidern.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Beschwer für die Beklagte: 3.371,20 DM

Ende der Entscheidung

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