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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 4 U 26/04
Rechtsgebiete: BbgBauO, BGB, ZPO


Vorschriften:

BbgBauO § 6
BbgBauO § 84 Abs. 2
BGB § 166
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 912 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1004 Abs. 2
ZPO § 397
ZPO § 402
ZPO § 411 Abs. 3
ZPO § 411 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 412 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 26/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Verkündet am 25.08.2004

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28.07.2004 durch

die Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das am 20.01.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 13 O 59/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Beseitigung eines Überbaus und die Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften (Bauwich).

Der Beklagte beabsichtigte, ein auf seinem Grundstück befindliches Stallgebäude zu einer Seniorenwohnung im Dachgeschoß umzubauen und erwirkte unter dem 03.06.1998 eine antragsgemäße Baugenehmigung u. a. mit der Auflage, "daß die Übernahme einer Abstandsfläche als Grunddienstbarkeit und beschränkt persönliche Dienstbarkeit (...), deren Bestellung beim Grundbuchamt vorliegt und Bestandteil der Baugenehmigung ist, auch vollzogen wird".

Ein erster notarieller Vertragsentwurf zur Bestellung dieser beschränkt dinglichen Rechte sah die Übernahme der Abstandsflächen auf einer Breite von 12,30 Metern und einer Tiefe von 3,00 Metern auf dem Grundstück der Kläger vor, da diese die Nichteinhaltung der Abstandsflächen jedenfalls in diesem Umfang gestatten wollten. Ein von den Parteien unterzeichneter Lageplan vom 17.10.1997 wies die vorgefundene Bebauung beider Grundstücke und dabei insbesondere die Breite des Stallgebäudes mit ebenfalls 12,30 Metern aus. Von eben dieser Breite ging auch eine geänderte Genehmigungsplanung aus, die der Beklagte mit Schreiben vom 16.06.1998 bei der Baubehörde einreichte. Da die Baugenehmigung zu diesem Zeitpunkt bereits erteilt war, sah die Baubehörde insoweit indes keinen Handlungsbedarf mehr.

Mit notariellem Vertrag vom 07.05.1998 ist die Abstandsfläche letztlich in der Breite auf 8,30 Meter beschränkt worden, wohl weil der Bauwich wegen der vorhandenen Aufbauten auf dem Grundstück der Kläger in weiteren 4 Metern Breite nicht übernommen werden konnte. Mit notariellem Vertrag gleichen Datums räumte der Beklagte den Klägern ihrerseits eine Grunddienstbarkeit - Baubeschränkung - ein, nämlich "hinsichtlich des an der Grenze (...) aufstehenden ehemaligen Stallgebäudes", deren Belastungen für das dienende Grundstück als solche nicht streitgegenständlich sind. Die dem im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstück dienenden Lasten und Beschränkungen sind am 24.07.1998 ins Grundbuch eingetragen worden.

Aus statischen Gründen riss der Beklagte das Stallgebäude ab und errichtete einen u. a. dessen Breite nördlich (zum Wohnhaus der Kläger hin) um 32 cm und südlich um 11 cm überschreitenden Neubau.

Nach Rohbaubesichtigung am 08.12.1998 bescheinigte die Baubehörde dem Beklagten gemäß § 84 Abs. 2 BbgBauO am 12.03.1999, dass der Rohbau entsprechend der Genehmigung ausgeführt worden ist und sichtbare Mängel bzw. wesentliche Abweichungen nicht festgestellt wurden. Am 04.02.2000 bescheinigte die Baubehörde dem Beklagten nach dieser Vorschrift, dass die Besichtigung des Bauzustandes - abschließende Fertigstellung - am 21.09.1999 stattgefunden hat und die bauliche Anlage genutzt werden kann.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.1999 mahnten die Kläger die Erfüllung einiger Verpflichtungen aus der zugunsten ihres Grundstücks bestellten Grunddienstbarkeit an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2000 rügten sie einen Überbau und die Verletzung des Bauwichs auf insgesamt 43 cm Breite und forderten den Beklagten insoweit erfolglos zur Beseitigung auf. Mit anwaltlichem Schreiben gleichen Datums forderten die Kläger die Baubehörde zum "baupolizeilichen Einschreiten gegen das formell und materiell rechtswidrig errichtete Wohnhaus" auf. Mit Anhörungsschreiben vom 05.02.2001 machte sich die Baubehörde die Überbaubehauptung der Kläger zu eigen und verneinte deswegen und wegen der "von der erteilten Grunddienstbarkeit" abweichenden Größe des Neubaus vorläufig dessen Genehmigungsfähigkeit. Ausweislich eines an den Beklagten gerichteten Schreibens der Baubehörde vom 13.08.2001 hängt die bauordnungsrechtliche Genehmigung hinsichtlich der Abstandsfläche vom Ausgang dieses Rechtsstreits ab.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger Beseitigung des Gebäudes, hilfsweise Rückbau auf das die Maße des ursprünglichen Stallgebäudes, wiederum hilfsweise um den Breitenzuwachs von insgesamt 43 cm.

Den erst- und zweitgenannten Klageantrag hat das Landgericht mangels Anspruchsgrundlage (mangels Überbau und Verletzung drittschützender Bauvorschriften) und den drittgenannten Klageantrag aufgrund der Einrede der unzulässigen Rechtsausübung abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre Begehren weiter.

Sie beklagen insoweit ein vorsätzliches, zumindest aber grob fahrlässiges Hinwegsetzen über die Baugenehmigung und damit einhergehend den Bauwich auf einer Breite von insgesamt 43 cm. Durch den Neubau habe sich zudem der Abstand zu ihrem Wohnhaus auf 1,32 Meter Breite von 1,60 Meter auf 1,39 bzw. 1,45 Meter verringert, was das Landgericht zu Unrecht außer Betracht gelassen habe. Dem könne nur durch vollständigen Abriss des Gebäudes des Beklagten begegnet werden, da ein Rückbau unmöglich sei. Schon angesichts der rechtsfeindlichen Gesinnung des Beklagten, die in der vorsätzlichen Missachtung des Bau- und Nachbarrechts zum Ausdruck komme, sei ihr Beseitigungsverlangen auch keineswegs treuwidrig.

Ferner beanstanden die Kläger, dass ihre Bedenken an einem im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachten, wonach der Beklagte nicht über die Grenze gebaut hat, auch durch den außergerichtlichen Ortstermin mit dem Sachverständigen nicht hätten ausgeräumt werden können. Diesen Ortstermin haben die Kläger nach Eingang des Sachverständigengutachtens im ersten Rechtszug angeregt, das Vermessungsergebnis "zumindest vorläufig bezweifelt" und insoweit die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme sowie sinngemäß die mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt. Nachdem der außergerichtliche Ortstermin im Einvernehmen mit der Beklagtenseite durchgeführt worden ist, sind die Kläger im ersten Rechtszug auf ihre Beweisanträge nicht mehr zurückgekommen. Ferner haben sie sich auf die Behauptung des Beklagten, wonach der Sachverständige das Gutachten den Parteien im Beisein ihrer Prozessbevollmächtigten erläutert und den Grenzstein identifiziert habe, im folgenden nicht erklärt. Auch mit der Berufung rügen sie weder das Übergehen ihrer Beweisantritte noch stellen bzw. wiederholen sie ihre diesbezüglichen Anträge.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des am 20.01.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 13 O 59/02 - zu verurteilen,

1. das aufgrund der Baugenehmigung der Baubehörde des Landkreises ... vom 03.06.1998, Az.: 07337-9719, auf dem Grundstück des Beklagten, ... in ..., OT ..., eingetragen in dem Grundbuch des Amtsgerichts ..., Gemeinde ..., Blatt ..., Flur 1, Flurstück 11, errichtete Gebäude auf seine Kosten zu beseitigen,

hilfsweise,

2. das aufgrund der Baugenehmigung der Baubehörde des Landkreises ... vom 03.06.1998, Az.: 07337-9719, auf dem Grundstück des Beklagten, ... in ..., OT ..., eingetragen in dem Grundbuch des Amtsgerichts ..., Gemeinde ..., Blatt ..., Flur 1, Flurstück 11, errichtete Gebäude auf das ursprüngliche Ausmaß des vormaligen auf dem Grundstück befindlichen Stallgebäudes mit einer Breite von 12,30 m und einer Tiefe von 4,97 m auf seine Kosten zurückzubauen,

hilfsweise,

3. das aufgrund der Baugenehmigung der Baubehörde des Landkreises ... vom 03.06.1998, Az.: 07337-9719, auf dem Grundstück des Beklagten, ... in ..., OT..., eingetragen in dem Grundbuch des Amtsgerichts ..., Gemeinde ..., Blatt ..., Flur 1, Flurstück 11, errichtete Gebäude in dem zur ... belegenen Teil in der Breite um 11 cm zurück zu bauen und in dem zum hinteren Grundstück belegenen Teil um 32 cm zurück zu bauen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Erkenntnis unter Verweis auf das aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme, wobei er namentlich auf die Grenzlage des von den Klägern Mitte der neunziger Jahre um- und ausgebauten Wohnhauses verweist.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn sie ist unbegründet.

1. Die Kläger können von den Beklagten die Beseitigung des von diesem errichteten Neubaus weder aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz beanspruchen.

a) Entgegen der Auffassung der Kläger läßt sich ein solcher Anspruch nicht schon aus einer formellen und materiellen Baurechtswidrigkeit des Neubaus ableiten. Denn daraus könnte sich eine Beeinträchtigung ihres Eigentums nur ergeben, wenn die verletzten öffentlich-rechtlichen Bauordnungsvorschriften gerade dem Schutz ihrer privaten Interessen dienen (Palandt-Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1004 Rdnr. 11 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Interessen werden zwar u. a. durch die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften geschützt (hier: § 6 BbgBauO; ständige Rechtsprechung, BGHZ, 66, 354; BayObLG, BayObLGZ 1979, 16; OLG Koblenz, OLGZ 1994, 60). Ihre Verletzung unterstellt (dazu näher unten 3.), folgte daraus indes noch nicht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch. Denn der Eigentümer kann die Beseitigung nur soweit verlangen, wie er in seinem Eigentum gestört wird. Er kann m. a. W. nur den Beseitigungserfolg beanspruchen. Durch welche Maßnahmen dieser Erfolg bewirkt wird, ist dagegen grundsätzlich Sache des Störers selbst (ständige Rechtsprechung, statt vieler BGH, NJW-RR 1996, 659). Dass die Einhaltung des Bauwichs nur durch Beseitigung des gesamten Neubaus möglich ist, behaupten die Kläger lediglich pauschal und jedenfalls beweislos, zumal sie sich zumindest bis zu einer Breite von 12,30 Metern mit einer Nichteinhaltung der Abstandsflächen einverstanden erklärt haben. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, ob sich durch den Neubau der Abstand zu ihrem Wohnhaus auf 1,32 Meter Breite von 1,60 Metern auf 1,39 bzw. 1,45 Meter verringert hat. Denn auch dies beträfe wegen des Einverständnisses mit der Unterschreitung der Abstandsflächen nur die letzten 0,32 cm der nördlichen Neubaubreite.

b) Aus diesen Gründen scheidet auch ein auf Beseitigung des Neubaus gerichteter Anspruch aus § 823 Abs. 2 i. V. m. § 6 BbgBauO aus. Von gesetzlichen Duldungspflichten abgesehen (dazu näher unten 3.), fehlt es schon aufgrund ihres Einverständnisses an der Rechtswidrigkeit der Schutzgesetzverletzung, soweit die Bauchwichunterschreitung nicht über eine Breite von 12,30 Metern hinausgeht.

2. Die Kläger haben gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückbau des Neubaus auf die Maße des ursprünglichen Stallgebäudes.

a) Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen zu Ziff. 1 verwiesen werden. Auch dieser Klageantrag geht unbeschadet des Breitenzuwachses über jeden denkbaren Beeinträchtigungserfolg hinaus, weil die Kläger durch einen Tiefenzuwachs des Neubaus mangels Überbaus nicht in ihrem Eigentum gestört werden. Dadurch kann sich auch nicht der Abstand zu ihrem Wohnhaus, wie die Kläger beweislos behaupten, auf 1,32 Meter Breite von 1,60 Metern auf 1,39 Meter bzw. 1,45 Meter verringert haben, weil bereits das ehemalige Stallgebäude ausweislich der notariellen Urkunde, mit dem das Grundstück des Beklagten mit einer Grunddienstbarkeit belastet wurde, an der Grenze zu ihrem Grundstück stand und der Neubau diese Grenze nicht erweislich verletzt.

So hat der im ersten Rechtszug bestellte Sachverständige einen Überbau nicht festzustellen vermocht. Dass die Kläger diese Feststellungen für nicht überzeugungskräftig erachten, ist für sich betrachtet ohne Belang. Denn für einen Überbau ist nach allgemeinen Beweislastregeln nicht der Störer, sondern der Eigentümer beweisbelastet. Aus einer mangelnden Überzeugungskraft der einen Überbau verneinenden Feststellungen lässt sich nicht auf einen Überbau schließen.

Für weitergehende Beweisanordnungen im Rahmen der Erhebung des Sachverständigenbeweises nach den §§ 411 Abs. 3, 412 Abs. 2 ZPO bestand zumindest aus Sicht des Landgerichts kein Anlass, da es die sachverständigen Feststellungen im Unterschied zu den Klägern für überzeugungskräftig hielt. Das Absehen von solchen Beweisanordnungen von Amts wegen lässt Ermessens- und damit Rechtsfehler schon deshalb nicht erkennen, weil die Kläger auf ihre "vorläufigen Zweifel" an dem Vermessungsergebnis nicht mehr zurückgekommen sind, nachdem der auf ihre Initiative anberaumte außergerichtliche Ortstermin mit dem Sachverständigen stattgefunden hatte. Dies ließ aus Sicht des Gerichts des ersten Rechtszugs nur den Schluss zu, dass sich die Einwände der Kläger aufgrund des Ortstermins und damit zugleich die darauf bezogenen Beweisanträge nach den §§ 402 i. V. m. 397, 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO erledigt hatten, zumal sie auch der Behauptung des Beklagten, der Sachverständige habe den Grenzstein identifiziert, im folgenden nicht bestreitend entgegengetreten sind.

Auch für den Senat besteht kein Anlass, die Tatsachenfeststellungen zum Überbau nochmals aufzugreifen. Nach dem Vorgesagten handelt es sich bei den in der Berufung vorgebrachten Einwänden gegen die sachverständigen Feststellungen um neue Angriffsmittel, ohne dass eine der enumerativ genannten Zulassungsvoraussetzungen vorgetragen oder sonst ersichtlich ist (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Auch zeigen die dahingehenden Berufungsangriffe keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Entscheidungserheblich ist nämlich aufgrund der gegebenen Beweislastverteilung nicht die Feststellung, dass kein Überbau vorliegt, sondern dass sich ein Überbau nicht feststellen lässt. Konkret monieren die Kläger indes lediglich, dass unklar geblieben sei, ob der von dem Sachverständigen gezeigte Feldstein tatsächlich ein Grenzstein sei. Auch wenn man die Richtigkeit dieser Behauptung unterstellt, ergibt sich aus ihr nicht zwingend ein abweichender Grenzverlauf, dies wiederum als wahr unterstellt, nicht notwendig ein Verlauf der Grundstücksgrenze durch den Neubau des Beklagten.

b) Der Beseitigungsanspruch lässt sich auch nicht auf die den Klägern bewilligte Grunddienstbarkeit - Baubeschränkung - stützen (§§ 1027, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB). Danach hat der Beklagte hinsichtlich des ehemaligen Stallgebäudes lediglich einzelne, genau bestimmte Beschränkungen einzuhalten. Ein Bauverbot außerhalb der Maße dieser Baulichkeit ergibt sich daraus weder ausdrücklich noch stillschweigend. Die Beimessung eines solchen stillschweigenden Erklärungswerts verbietet sich schon aufgrund eines Gegenschlusses aus einzelnen Beschränkungen, mit denen lediglich bestimmte Maßüberschreitungen wie die Höhe der Brandwand oder die Firsthöhe verboten werden.

3. Die Kläger können von dem Beklagten schließlich auch nicht den Rückbau von insgesamt 43 cm Breitenzuwachs verlangen.

a) Zwar wollen sie der Nichteinhaltung der Abstandsfläche nur bis zu einer Gebäudebreite 12,30 Meter zugestimmt haben, so dass eine Eigentumsverletzung i. S. d. §§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 823 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 6 BbgBauO zu bejahen ist.

b) Die Kläger sind jedoch insoweit gemäß § 1004 Abs. 2, 912 Abs. 1 BGB analog zur Duldung verpflichtet.

aa) Die Vorschrift des § 912 Abs. 1 BGB ist in Fällen der Bauwichverletzung entsprechend anwendbar. Wenn der Eigentümer eines Nachbargrundstücks unter bestimmten Voraussetzungen dessen Überbauung mit einem Gebäude dulden muss, so kann er keine weitergehenden Rechte haben, wenn unter den Voraussetzungen des § 912 Abs. 1 BGB gar nicht in sein Grundstück eingegriffen, sondern lediglich gegen eine den Bauabstand von der Grundstücksgrenze regelnde Vorschrift verstoßen wurde (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 665; OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 1394). In ihrem Anwendungsbereich rechtfertigt sie zugleich deliktische Eigentumsbeeinträchtigungen (ebd.).

bb) Die Voraussetzungen für eine Duldungspflicht nach dieser Vorschrift liegen vor.

(1) Entgegen der Auffassung der Kläger fällt dem Beklagten bei der Bauabstandsverletzung weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last. Für ein vorsätzliches Handeln ist ohnehin nichts ersichtlich. Grob fahrlässig handelt nach ständiger Rechtsprechung nur, wer die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müßte (z. B. BGHZ 10, 16). Wegen der im Vergleich zum "echten" Überbau deutlich abgeschwächten Eingriffsintensität ist ferner zu berücksichtigen, dass die dort entwickelten, strengen Haftungskriterien auf den Streitfall nicht oder nur in einem dieser geringeren Eigentumsverletzung entsprechend verringerten Maße übertragbar sind (grobe Fahrlässigkeit bereits bei Einweisungsmängeln, vgl. BGH, NJW 1977, 375; Palandt-Bassenge, a. a. O., § 912 Rdnr. 9).

Aufgrund des unstreitigen Sachvortrag der Parteien konnte sich der Senat davon überzeugen, dass der Beklagte nicht in diesem Maße sorgfaltswidrig gehandelt hat. Da sich auch dem Vorbringen der Kläger dahingehende Gesichtspunkte nicht entnehmen lassen, hat der Beklagte seiner ihn insoweit treffenden Darlegungslast genügt.

Gegen eine derartig schwerwiegende Außerachtlassung der verkehrsüblichen Sorgfalt spricht bereits, dass es sich um eine absolut wie relativ geringfügige Bauwichverletzung handelt. Dementsprechend hat die Baubehörde dem Beklagten bescheinigt, dass der Rohbau entsprechend der Genehmigung ausgeführt worden ist und sichtbare Mängel bzw. wesentliche Abweichungen nicht festgestellt werden können. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine solche Bescheinigung gemäß § 84 Abs. 2 BbgBauO in der seinerzeit geltenden Fassung nicht von der Beobachtung der Bauvorschriften dispensiert. Hat die Baubehörde nämlich eine Ausnahme oder Befreiung von den Abstandsvorschriften erteilt, fehlt es bereits an einer Eigentumsverletzung und die Verschuldensfrage stellt sich nicht mehr (vgl. BayObLG, a. a. O.).

Eine Überschreitung der zugestandenen Baubreite von 12,30 Metern wurde auch nicht schon anhand der geänderten Genehmigungsplanung vom 16.06.1998 offenbar, da darin von eben dieser Breite ausgegangen wird. Dass sich der Kläger etwaiges Architektenverschulden unter Repräsentanzgesichtspunkten analog § 166 BGB zurechnen lassen müßte (BayObLG, a. a. O.), ist im Streitfall ohne Belang, da die Kläger selbst von der Richtigkeit dieser Planung ausgehen und die Breitenüberschreitung in der Bauausführung begründet sehen.

Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass sich die Kläger mit einer Baubreite von 12,30 Metern einverstanden erklärt haben, obwohl sie die Abstandsflächen mit der von ihnen bestellten Grunddienstbarkeit nur auf einer Breite von 8,30 Metern übernommen haben. Wenn die Kläger ohnehin eine durch die Bebauung ihres Grundstücks bedingte Verletzung des Bauwichs um 4 Meter billigten, konnte der Beklagte zumindest ohne grobe Verletzung seiner Sorgfaltspflichten erwarten, dass dieser Aspekt für sie nicht von ausschlaggebender, wenn nicht sogar untergeordneter Bedeutung war. Diese Sichtweise wird zudem durch das weitere Verhalten der Kläger bestätigt. Denn noch in ihrem Schreiben vom 13.12.1999 mahnten sie lediglich die Erfüllung einiger Verpflichtungen aus der zugunsten ihres Grundstücks bestellten Grunddienstbarkeit an.

(2) Aus dem Schreiben vom 31.12.1999 ergibt sich zugleich, dass die Kläger der Verletzung der Abstandsfläche nicht sofort widersprochen haben. Sofortig im Sinne des § 912 Abs. 1 BGB ist nur der Widerspruch, der nach objektiv erkennbarer Bauwichverletzung so rechtzeitig erhoben wird, dass die Beseitigung des in die Abstandsfläche fallenden Bauwerks ohne erhebliche Zerstörung möglich ist (vgl. BGHZ 59, 191). Da die Beklagten den Kläger darin zur Durchführung von Verputzungsarbeiten und zur Anbringung von Schneegittern aufforderten, muss der Neubau zu diesem Zeitpunkt nämlich für sie erkennbar im wesentlichen schon errichtet gewesen sein.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Der Streitwert wird gemäß den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 10.000,00 € festgesetzt, hiervon je 4.000,00 € für die Klageanträge zu 1. und 2. und 2.000,00 € für den Klageantrag zu 3.. Hierfür ist nämlich nur das durch die Bewilligung der Grunddienstbarkeit vom 07.05.1998 beschränkte Interesse der Kläger an der Beseitigung bzw. dem Rückbau des Neubaus maßgeblich. Auf das Interesse des Beklagten an dem Bestand des Neubaus kommt es nicht an.

Ende der Entscheidung

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