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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: 4 U 37/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 139
BGB § 254
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 302
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 37/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 28. September 2005

verkündet am 28. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilvorbehalts- und Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 19. Januar 2005 - 2 O 321/04 - aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an die 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht Potsdam vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung im Rahmen eines Franchisevertrages gelieferter Waren in Anspruch. Der Beklagte wandte gegen seine Inanspruchnahme ein, der Franchisevertrag sei gemäß § 138 BGB nichtig, weil die Klägerin das spezielle Know-How nicht verfügbar gemacht habe; die Nichtigkeit erfasse auch die abgeschlossenen Kaufverträge. Ferner machte er einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten mit der Begründung geltend, die bei Abschluss des Franchisevertrages abgegebenen Erklärungen zu den Rentabilitätserwartungen seien falsch und unvollständig gewesen, die Klägerin habe die ihr obliegenden Informationen für die Erfolgsaussichten des Franchise-Outlets nicht mitgeteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs und unter Vorbehalt der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung des Beklagten in Höhe von 122.043,03 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe sein Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin, nachdem diese einen Handelsregisterauszug vorgelegt habe, nicht aufrechterhalten. Sie habe die Klageforderung durch Vorlage der Rechnungen schlüssig dargelegt, dagegen habe der Beklagte nichts vorgebracht. Ob der Franchisevertrag, wie der Beklagte behaupte, nichtig sei, sei unerheblich, denn eine eventuelle Nichtigkeit erfasse nicht die daraufhin geschlossenen Kaufverträge. Die vom Beklagten für das Vorliegen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne des § 139 BGB herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. April 1986 (BGHZ 97, 351) stelle vielmehr das Gegenteil fest. Die in BGHZ 112, 288 abgedruckte Entscheidung betreffe den Kaufvertrag über die Warenerstausstattung und damit einen anderen, mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt.

Das Beklagtenvorbringen, ihm sei durch die behauptete Pflichtverletzung ein Schaden auch in Gestalt der streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen entstanden, sei nicht nachvollziehbar, denn der Beklagte sei ohnehin lediglich zur Abführung von 51 % des durch Weiterveräußerung der Waren erzielten Erlöses verpflichtet. Der Zinsanspruch sei mangels wirksamer Zinsvereinbarung lediglich in gesetzlicher Höhe und ab Rechtshängigkeit begründet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Landgericht habe ein Teilvorbehalts- und Schlussurteil nicht erlassen dürfen. Es sei unter Verkennung der Darlegungs- und Beweislast davon ausgegangen, dass der Gegenanspruch des Beklagten noch nicht entscheidungsreif sei; die Klägerin habe den von ihm im einzelnen dargelegten Schaden nur pauschal und damit unzureichend bestritten.

Die Kammer habe übersehen, dass der Beklagte im Wege des Schadensersatzes die Befreiung von den geltend gemachten Kaufpreisforderungen verlangen könne. Ersatzfähige Schadenspositionen seien sämtliche Zahlungen an den Franchisegeber, also auch die klagegegenständlichen Warenlieferungen; die Einnahmen des Franchisenehmers, die unmittelbar auf den Franchisebetrieb zurückzuführen seien, seien lediglich im Wege der Vorteilsanrechnung in Abzug zu bringen. Die Klägerin habe die von ihm im Einzelnen dargelegten Schadenspositionen nur unzureichend - nämlich pauschal mit Nichtwissen - bestritten. Eine Berechnung des Gesamtschadens aus der Franchisetätigkeit hätte nur bei einer Gegenüberstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben erfolgen können. Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin habe auch nicht dargetan, dass und wie sie ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen sei.

Der Beklagte hält den Franchisevertrag weiterhin für nichtig gemäß § 138 BGB und meint, auch die Kaufverträge würden von der Nichtigkeit erfasst. Entgegen den Ausführungen der Kammer sei der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (NJW 1991, 105) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Nichtigkeit des Franchisevertrages die Verträge über die einzelnen Warenlieferungen miterfasse; dies entspreche auch der überwiegenden Literaturmeinung. Wegen Nichtigkeit sämtlicher Kaufverträge bestehe hier lediglich ein Anspruch aus Bereicherungsrecht; im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung seien indes alle Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, weshalb im Ergebnis kein Anspruch der Klägerin verbleibe.

Der Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin schließt sich dem Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung an und beantragt hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung führt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst dem zugrundeliegenden Verfahren und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem schwerwiegenden Mangel. Das Landgericht hat unter Verstoß gegen § 302 ZPO ein Vorbehaltsurteil erlassen.

1.

Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Landgerichts, hinsichtlich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung fehle es an der Entscheidungsreife.

Diese Voraussetzung für den Erlass eines Vorbehaltsurteils gemäß § 302 ZPO - fehlende Entscheidungsreife der Gegenforderung - lag entgegen der Auffassung des Beklagten vor.

a) Bis zum Verhandlungstermin vor der Kammer am 24. November 2004 hatte der Beklagte seinen Schaden der Höhe nach nicht hinreichend dargetan.

In der als Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 29. April 2004 eingereichten "Spezifikation Aufwendungen" war der Schaden lediglich nach Schadensgruppen aufgeschlüsselt und weder diese Auflistung noch der schriftsätzliche Vortrag ließen auch nur ansatzweise erkennen, dass und ob die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Franchisevertrag entstanden und erforderlich waren. Erstmals mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22. Dezember 2004 und den im Nachgang hierzu mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 eingereichten sechs Ordnern Unterlagen hat der Beklagte überhaupt einlassungsfähig zu den bis dahin umfänglich lediglich pauschal behaupteten - und von der Klägerin zulässig mit Nichtwissen bestrittenen - Schadenspositionen des zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs vorgetragen.

Da der Klägerin das Recht zur Einlassung auf diesen, nach der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag eingeräumt werden muß, lag schon aus diesem Grund hinsichtlich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung keine Entscheidungsreife vor.

Ob das Vorbringen des Beklagten hinsichtlich jeder Schadensposition nunmehr schlüssig war - was etwa hinsichtlich der Kosten für die Anmietung einer Zweitwohnung in S... angesichts des Ladengeschäfts in P... zweifelhaft erscheint - bedarf danach keiner Entscheidung. Es kann auch offen bleiben, ob es - ungeachtet der grundsätzlich dem Ersatzverpflichteten obliegenden Darlegungs- und Beweislast dafür, ob dem behaupteten Schaden Vorteile gegenüberstehen, die ebenfalls durch das schadenstiftende Ereignis verursacht wurden und auf den Schaden anzurechnen sind - angesichts des naheliegenden Vermögensvorteils in Höhe des objektiven Wertes der zur Geschäftseröffnung erworbenen Einrichtungsgegenstände nicht Sache des Beklagten ist darzutun, dass derartige, offensichtliche Vorteile im konkreten Fall nicht entstanden sind.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten stand zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Kammer auch die Verletzung einer Aufklärungspflicht noch nicht fest.

Bei Vertragsverhandlungen trifft jeden Beteiligten die Pflicht, den anderen Teil über sämtliche Umstände aufzuklären, die für dessen Vertragsschluß erkennbar von besonderer Bedeutung sind. Zwar müssen sich die Parteien nicht gegenseitig das gesamte Vertragsrisiko abnehmen; denn zunächst ist es Sache der Partei selbst, sich über die allgemeinen Marktverhältnisse und die daraus resultierenden Risiken und Chancen zu informieren. Ausnahmen von dieser Regel gelten aber dann, wenn im Einzelfall besondere und zusätzliche Umstände hinzukommen, die allein der einen Partei bekannt sind und von denen sie weiß oder doch wissen muss, dass die Entscheidung der anderen Partei durch deren Kenntnis beeinflusst wird. Bestand und Ausmaß der Aufklärungspflicht hängen von den Umständen des Einzelfalls und von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab. Die Reichweite der Aufklärungspflicht bestimmt sich danach entscheidend auch nach dem Informationsbedarf und den Informationsmöglichkeiten sowie der Funktion des zur Aufklärung Verpflichteten.

Gemessen an diesen Anforderungen ist zweifelhaft, ob der Beklagte, der seinen Schadensersatzanspruch darauf stützt, dass eine Standortanalyse - unbestritten - unterblieben sei, hiermit eine Verletzung der Aufklärungspflicht zu begründen vermag.

Falls damit gemeint ist, dass die Klägerin für ihren Franchisenehmer eine (zeit- und kostenaufwändige) Wirtschaftlichkeitsberechnung hätte erstellen und vorlegen müssen, stehen dem die vom Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil von 30. Juni 2004 (VI-U (Kart) 40/02) angeführten Erwägungen entgegen. Danach würden die sich aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten des Franchisegebers überspannt, wenn man annehmen wollte, er müsse dem Franchisenehmer nicht nur das Datenmaterial für eine eigene Wirtschaftlichkeitsprognose überlassen, sondern darüber hinaus von sich aus und auf eigene Kosten eine ins Einzelne gehende Rentabilitätsuntersuchung durchführen und dem Franchisenehmer sodann für deren Richtigkeit einstehen. Nach der vertragstypischen Interessenlage im Franchisevertrag sei es vielmehr ausschließliche Sache des Franchisenehmers, aus dem Datenmaterial des Franchisegebers Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten des geplanten Franchisegeschäfts zu ziehen und zu diesem Zweck eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen oder von dritter Seite einzuholen. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an; der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, die gegenüber dem beklagten Franchisenehmer bestehende Verpflichtung zur Aufklärung auszudehnen. Insbesondere lässt sich aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung die Notwendigkeit, der Klägerin als Franchisegeberin die Verpflichtung aufzuerlegen, eine Analyse der Rentabilität des angestrebten Unternehmens zu erstellen, nicht rechtfertigen. Unbestreitbar bewirkte der am 10. April 1997 geschlossene Franchisevertrag eine gewisse Beschränkung des Beklagten in seinen unternehmerischen Entscheidungen im Hinblick auf Auswahl und Bezugsquelle der Waren sowie Art und Gestaltung der Außen- und Innenausstattung des Ladengeschäfts. Insbesondere in Anbetracht der seitens der Klägerin - anders als etwa den Franchisenehmern von Mc Donalds - gewährten Möglichkeit zum Verkauf nichtkonkurrierender Artikel anderer Firmen (§ 9 des Franchisevertrages), der freien Preisgestaltung (§ 11), der fehlenden Erhebung von Franchisegebühren (§ 12) - die Auffassung des Beklagten, diese seien in der Bestellung einer "überteuerten Ladeneinrichtung" zu sehen, teilt der Senat nicht - und der im übrigen eigenverantwortlich gestalteten Führung des Ladengeschäfts (§ 4) ist nicht erkennbar, weshalb die Klägerin die ureigenste Entscheidung des Beklagten als künftigen Unternehmer, ob das Ladengeschäft an dem konkreten Ort und mit welchem konkreten Umfang an Einsatz von Kapital sowie eigener und fremder Arbeitskraft rentabel sein wird, durch Einholung einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hätte abnehmen sollen.

Auch soweit nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag beider Parteien Gegenstand eines der vor Abschluss des Franchisevertrages geführten Gespräche war, dass sich am beabsichtigten Standort in P... ein jährlicher Umsatz in Höhe von 800.000,00 DM erzielen lasse, fehlte die Entscheidungsreife. Die Klägerin, der nach der Rechtsprechung (siehe nur OLG Hamburg, Urteil vom 30. Dezember 2002 - 5 U 220/01 -) der Entlastungsbeweis obliegt, hat unter Beweisantritt dargetan, mit dem Beklagten sei über die Grundlagen der Umsatzprognose, die Höhe der Investitionsmittel, Notwendigkeit der Ladeneinrichtung, des Personals und der Höhe der voraussichtlichen laufenden Kosten gesprochen worden. Diesem Vorbringen ist der Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22. Dezember 2004 zwar insoweit entgegengetreten, als er vorträgt, die Gespräche seien nicht mit den angebotenen Zeugen, sondern mit anderen, namentlich bezeichneten Personen geführt worden und ihm seien keinerlei Informationen zur Wirkungsweise des Franchisesystems und Angaben über den erforderlichen Arbeits- und Kapitaleinsatz erteilt worden. Auf das Fehlen dieser Informationen stützt er seinen Schadensersatzanspruch indes nicht, insbesondere ist nicht dargelegt, dass das Unterbleiben derartiger Informationen irgendeinen Einfluss auf seine Entscheidung zum Vertragsschluss gehabt hat. Soweit es hingegen die Rentabilitätsaussage als solche betrifft, standen sowohl deren konkreter Inhalt als auch die inhaltliche Richtigkeit in Frage; Entscheidungsreife lag bei beiden Aspekten nicht vor. Die Kammer hätte zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den Sachvortrag der Klägerin zum konkreten Inhalt der dem Beklagten mitgeteilten Prognose als ausreichend substantiiert ansehen und den Beweisantritten nachgehen oder aber durch Erteilung eines rechtlichen Hinweises der Klägerin zunächst Gelegenheit geben müssen, ihren Vortrag zu substantiieren.

2.

Das Vorbehaltsurteil hätte aber deshalb nicht erlassen werden dürfen, weil die Klageforderung nicht entscheidungsreif war. Das Landgericht hätte über die Klageforderung nicht entscheiden dürfen, ohne dem Einwand des Beklagten, der ihm durch die Verletzung von Aufklärungspflichten entstandene Schaden bestehe bereits in "der streitgegenständlichen Forderung selbst" und dieser sei im Rahmen einer Gesamtsaldierung sämtlicher Ausgaben und Einnahmen aus der Franchisetätigkeit festzustellen, nachzugehen.

Der Beklagte hat den Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, soweit er auf Befreiung von der Klageforderung gerichtet war, im Wege des dolo-agit-Einwandes geltend gemacht. Der dolo-agit-Einwand gründet auf dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) mit der Folge, dass das Gericht diesen Aspekt bei entsprechender Sachlage - als Verstoß gegen Treu und Glauben - von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Das Landgericht hätte daher die Beurteilung, ob der mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten begründete dolo-agit-Einwand durchgreift, nicht vor abschließender Klärung der hier dem Nachverfahren vorbehaltenen Fragen treffen dürfen, ob der Klägerin überhaupt eine (Aufklärungs-)Pflichtverletzung vorzuwerfen ist und dem Beklagten die geltend gemachten weiteren Schadenspositionen zustehen.

a) Bei einem Schadensersatzanspruch ist zwar der im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnende Vorteil, ohne dass es einer Gestaltungserklärung des Schädigers bedarf, ausschließlich bei der Schadensposition anzusetzen, der er sachlich entspricht. Die Kammer hat daher insoweit zutreffend hinsichtlich desjenigen Schadens, der dem Beklagten durch die Bestellung der Waren entstanden ist, wegen deren Bezahlung er mit der Klage in Anspruch genommen wird, den durch die Weiterveräußerung erzielten Erlös abgezogen und einen Schaden verneint.

b) Gleichwohl hätte das Landgericht dem Zahlungsbegehren der Klägerin nicht stattgeben dürfen, denn der aufgrund der streitgegenständlichen Warenbestellungen entstandene Schaden ist nur ein - unselbständiger - Rechenposten des geltend gemachten und im übrigen von der Kammer selbst für noch nicht entscheidungsreif erachteten Schadensersatzanspruchs, mit dem der Beklagte über den dolo-agit-Einwand die Klage insgesamt zu Fall bringen könnte.

Die vom Beklagten behauptete Verletzung von Aufklärungspflichten bei Abschluss des Franchisevertrages als richtig unterstellt, hätte die Klägerin den Beklagten so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Richtigkeit der Aufklärung bei Abschluss des Franchisevertrages vertraut hätte (negatives Interesse). Ihm ist dann die Wertdifferenz zwischen der Vermögenslage, die sich ohne das Vertrauen auf die Richtigkeit der Aufklärung ergibt, und derjenigen, die durch die Verletzung der Aufklärungspflichten geschaffen wurde, im Wege des Schadensersatzes zu erstatten. Dass in diesen Vermögensvergleich die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Franchisevertrag eingegangenen Zahlungsverpflichtungen wie etwa der Warenerstausstattung oder der Kosten für Umbau und Ausstattung des Verkaufsraums jedenfalls dem Grunde nach einzustellen sind, liegt nahe. Bei der Bemessung des erstattungsfähigen Schadens wird jedoch sowohl bei den bereits vor oder bei Vertragsschluss eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, als auch den im späteren Verlauf entstandenen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sein, in welchem Umfang diese tatsächlich darauf zurückzuführen sind, dass der Beklagte nach den §§ 3, 9 des Franchisevertrages für ein festgelegtes Erscheinungsbild sowie eine bestimmte Büroausstattung zu sorgen hatte und zum Bezug von Waren der Klägerin verpflichtet war; der Schaden könnte dann gegebenenfalls lediglich in den Mehraufwendungen liegen, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, dass er das Bekleidungsgeschäft als Franchisenehmer - und nicht als auch hinsichtlich Warenauswahl und -bezug freier Unternehmer - betrieben hat (vgl. OLG München - 5 U 218/00 -).

Es wird darüber hinaus - unabhängig von eventuellen Einwänden der Klägerin gegen die Höhe der konkreten Schadensposten - zu beurteilen sein, ob und in welchem Umfang die innerhalb des Zeitraums von etwa sechs Jahren getätigten Aufwendungen überhaupt noch auf die Verletzung der Aufklärungspflicht bei Abschluss des Franchisevertrages im Frühjahr 1997 zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang könnte etwa von Bedeutung sein, ob sich die Aufwendungen, die der Beklagte nach dem 30. Oktober 2001 und damit zu einem Zeitpunkt getätigt hat, zu dem er nach dem unbestritten gebliebenen Klägervortrag bereits einen Verlust von 47.657,42 € erwirtschaftet hatte, überhaupt als ein von der unterlassenen Aufklärung über die Rentabilität und Erfolgsaussichten des Franchisesystems verursachter Schaden darstellen; nach seinem eigenen Vortrag in der Klageerwiderung vom 10. Juni 2004 (Seite 2, Bl. 29 d.A.) will der Beklagte selbst sogar "bis zur Geschäftsaufgabe im Mai 2003 nur Verluste" erwirtschaftet haben. Auch steht zur Klärung offen, wie der Umstand - etwa im Rahmen des § 254 BGB - zu bewerten ist, dass der Beklagte von der ihm in § 15 Ziffer 3 Abs. 3 Satz 1 des Franchisevertrages eingeräumten Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung nicht Gebrauch gemacht hat - obgleich der bereits erwähnte Sachvortrag das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung nahelegt.

Da die Kammer hinsichtlich des Haftungsgrundes - Verletzung einer Aufklärungspflicht -und der in die Differenzbetrachtung einzustellenden Schadenspositionen zutreffend eine Entscheidungsreife verneint hat - lediglich die rechtliche Bedeutsamkeit für den Klageanspruch hat sie fehlerhaft eingeschätzt -, durfte dieser nicht als entscheidungsreif angesehen werden.

3.

Das Urteil beruht auch auf dem Verfahrensfehler.

Die Klage auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises für die von der Klägerin bezogenen Waren ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die zugrundeliegenden Kaufverträge gemäß § 139 BGB als mit dem vermeintlich sittenwidrigen Franchisevertrag einheitliche Rechtsgeschäfte nichtig sind.

Gesamtnichtigkeit setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass die Einzelverträge und der Rahmenvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, das heißt nach dem Willen der Parteien miteinander stehen und fallen sollten (BGHZ 50, 8, 13; NJW 1983, 2027; BGHZ 112, 288). Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt die Würdigung des Landgerichts, eine eventuelle Nichtigkeit des vorliegenden Franchisevertrages habe keinen Einfluss auf die auf seiner Grundlage geschlossenen und bereits erfüllten Einzelverträge, keinen Rechtsfehler erkennen. Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der des Senats.

Zutreffend hat das Landgericht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. April 1986 (NJW 1986, 1988) herangezogen. Darin hatte der Bundesgerichtshof - unter II 4 b) -die Anwendung des § 139 BGB auf Kaufverträge über Warennachlieferungen, die in Erfüllung einer in einem Franchise-Vertrag enthaltenen - wirksam widerrufenen - Bezugsverpflichtung abgeschlossen wurden, verneint und ausgeführt, dass die einzelnen Kaufverträge trotz des wirtschaftlichen Zusammenhangs selbst bei weiter Auslegung des Begriffs des einheitlichen Rechtsgeschäfts nicht mehr im rechtlichen Sinne als Teil der Franchise-Vereinbarung angesehen werden konnten.

Von dieser Rechtsauffassung ist der Bundesgerichtshof auch nicht, wie der Beklagte meint, in seinem Urteil vom 8. Oktober 1990 - VIII ZR 176/89 - abgerückt. Ausweislich der Sachverhaltsdarstellung sowie der Entscheidungsgründe wurde das Berufungsurteil mit der Revision lediglich insoweit angegriffen, als darin die Wirksamkeit des Vertrages über die Ladeneinrichtung und der Warenerstausstattung unter dem Gesichtspunkt des § 139 BGB geprüft und bejaht worden war; hingegen stand "rechtskräftig fest, dass die Verträge über die Warennachlieferungen wirksam" waren. Zur Frage der Nichtigkeit jener Verträge über Warennachlieferungen wegen Vorliegens eines mit dem - unwirksamen -Franchisevertrages einheitlichen Rechtsgeschäfts verhielt sich der Bundesgerichtshof in diesem Urteil daher nicht.

Seine Rechtsauffassung zur fehlenden Einheitlichkeit von Franchisevertrag und nachfolgenden Warenlieferungsverträgen im Sinne von § 139 BGB hat der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 4. Dezember 1996 (NJW 1997, 933) und vom 23. Juli 1997 (NJW 1997, 3304) nochmals bekräftigt.

Der Senat sieht sich weder durch die Berufungsbegründung noch die Erörterungen im Verhandlungstermin vom 17. August 2005 veranlasst, von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.

4.

Schließlich liegt die weitere Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - das Erfordernis einer umfangreichen oder aufwändigen Beweisaufnahme - vor.

Wie oben unter Ziffern 1. und 2. dargelegt, bedarf der Rechtsstreit einer umfangreicher Sachaufklärung, die - nach derzeitiger Beurteilung - auch eine aufwändige Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen und ggf. anschließende Einholung eines Sachverständigengutachtens einschließt.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 72 Nr. 1 GKG n.F. auf 161.691,19 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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