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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 4 U 55/07
Rechtsgebiete: BbgStrG, BGB, EFZG, SBG IV, ZPO


Vorschriften:

BbgStrG § 49 a
BbgStrG § 49 a Abs. 1
BbgStrG § 49 a Abs. 1 S. 1
BbgStrG § 49 a Abs. 2
BbgStrG § 49 a Abs. 2 S. 1
BbgStrG § 49 a Abs. 5
BbgStrG § 49 a Abs. 5 Nr. 2
BbgStrG § 49 a Abs. 5 S. 1 Nr. 2
BbgStrG § 49 a Abs. 5 S. 1 Ziff. 2
BGB § 254
BGB § 276
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
EFZG § 3 Abs. 1 S. 1
EFZG § 6 Abs. 1
SBG IV § 28 e Abs. 1 S. 1
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 55/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19.03.2008

Verkündet am 19.03.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13.02.2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, die Richterin am Oberlandesgericht Woerner und die Richterin am Landgericht Brune

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.04.2007 (Az.: 14 O 422/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.997,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz einschließlich der Kosten der Streithelferin hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend.

Sie hat behauptet, ihre Mitarbeiterin E... H... sei am 07.03.2006 gegen 7.45 Uhr im Stadtgebiet F... auf einem vereisten, nicht gestreuten Gehweg, der an das im Eigentum der Beklagten stehende Schienengrundstück der Flur 50, Flurstück 35, angrenze, zu Fall gekommen und habe sich das rechte Handgelenk gebrochen. Für die Zeit vom Schadensfall bis zum 02.07.2006 habe sie Leistungen in Höhe von insgesamt 7.997,13 €, die sich aus Entgeltfortzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen zusammensetzten, für die Geschädigte erbracht. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch die Satzung ihrer Streithelferin über die Reinigung und den Winterdienst öffentlicher Straßen, Wege und Plätze und die Erhebung von Gebühren vom 10.11.2005 (Straßenreinigungssatzung) sei die Räum- und Streupflicht an der Unfallstelle auf die Beklagte übergegangen.

Die Streithelferin der Klägerin hat geltend gemacht, das Grundstück der Beklagten sei erschlossen im Sinne dieser Satzung. Es handele es sich - wie die Beklagte nicht bestreitet - nicht um ein reines Schienengrundstück, vielmehr existierten dort bauliche Anlagen, deren Erreichbarkeit man - etwa mittels einer Treppe - auch über die ...straße gewährleisten könne; in dieser Weise sei die Beklagte auf einem vergleichbaren Grundstück in der Nähe der Unfallstelle vorgegangen. Weil die Beklagte infolge des zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs auf die Inanspruchnahme der Straße angewiesen sei, unterfalle der fragliche Bereich deren Reinigungspflicht.

Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation geleugnet; die Räum- und Streupflicht für den Gehweg sei nicht durch die Straßenreinigungssatzung der Streithelferin auf sie übergegangen. Das fragliche Grundstück stehe zwar in ihrem Eigentum, sei aber nicht durch die angrenzende ...straße erschlossen, weil es - wie die Klägerin nicht bestreitet - nicht über eine Zuwegung zu dieser verfüge, sondern durch eine Böschung und eine Mauer von ihr abgegrenzt sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine sie treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die gemäß § 49 a Abs. 1 und 2 BbgStrG grundsätzlich der Streithelferin obliegende Verpflichtung, innerhalb der geschlossenen Ortslage Gehwege von Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, sei nicht vermittels der Straßenreinigungssatzung der Streithelferin vom 10.11.2005 auf die Beklagte als Grundstückseigentümerin übergegangen. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor, weil das Grundstück nicht im Sinne von § 5 Abs. 2 der Satzung erschlossen sei. So weise es keine Nutzungsverbindung zu der Straße auf, sodass ein von der Straße ausgehender Vorteil nicht gegeben sei - ein solcher sei indes Voraussetzung für die Übertragung der Straßenreinigungs- und Winterdienstpflicht. Auch § 5 Abs. 2 S. 2 der Satzung verlange, dass der jeweilige Straßen- und Gehwegbereich, sei er auch durch Gräben, Böschungen oder Mauern vom Grundstück getrennt, einen irgendwie gearteten Vorteil für das Grundstück mit sich bringe, woran es fehle.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageziel einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7.997,13 € nebst Zinsen und Kosten weiterverfolgt. Sie macht geltend, zu Unrecht habe das Landgericht festgestellt, dass das Grundstück der Beklagten im fraglichen Bereich keine Zugangsmöglichkeit zur Straße besitze, eine solche sei aus den von ihr als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Fotografien ersichtlich. Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung habe das Landgericht unzutreffend ausgelegt, denn danach seien auch diejenigen Grundstücke erschlossen im Sinne der Satzung, die - wie hier - vom Gehweg durch eine Böschung oder eine Mauer getrennt seien. Diese Regelung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 49 a Abs. 5 BbgStrG gedeckt, weil danach der Winterdienst für ein Grundstück, das von mehreren Seiten an eine öffentliche Straßen angrenze, auch für diejenigen Seiten übertragen werden könne, die über keine Zuwegung verfügten.

Auch die Streithelferin der Klägerin macht geltend, das Landgericht habe die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung unzutreffend ausgelegt. Bei richtiger Rechtsanwendung falle die Immobilie der Beklagten unter den Begriff des erschlossenen Grundstücks unabhängig davon, ob sich aus der Straße ein irgendwie gearteter Vorteil für das Grundstück ergebe. Das Bahngrundstück erstrecke sich über das Gebiet zwischen einer Reihe von Straßen, auf ihm befänden sich zahlreiche Gebäude, die von mehreren Straßen aus erreichbar seien. An diesen Straßen führe die Beklagte widerspruchslos den Winterdienst aus. Dieser stehe es darüber hinaus frei, auch im hier fraglichen Bereich eine Zuwegung zu errichten, etwa über eine Treppe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.04.2007 (Az.: 14 O 422/06) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.997,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2006 sowie 5,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über der Basiszinssatz seit dem 12.01.2007 zu zahlen.

Die Streithelferin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.04.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.997,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2007 zu zahlen.

Die Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die durch das Landgericht vorgenommene Auslegung der Straßenreinigungssatzung entspreche deren Regelungsgehalt, Abweichendes sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 49 a BbgStrG gedeckt. Zu- und Abgangsverkehr von der Straße, in der die Zeugin H... gestürzt sein solle, gebe es nicht und sei wegen der tatsächlichen Gegebenheiten auch nicht möglich. Das Grundstück werde allein als Bahnbetriebsgrundstück genutzt, sodass Zu- und Abgangsverkehr auch nicht zu erwarten sei.

Überdies bestreite sie, die Beklagte, die Kausalität eines etwaigen Sturzes der Zeugin H... für die sich aus den ärztlichen Bescheinigungen ergebende Verletzung und die Behandlungsmaßnahmen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin sei wegen Mitverschuldens der Verletzten gemäß § 254 BGB zu kürzen - weder habe die Zeugin H... wintergeeignetes Schuhwerk getragen noch die Straßenseite gewechselt, um auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig weiterzugehen, wo es nicht glatt gewesen sei. Schließlich bestreite sie, dass die Klägerin Leistungen in geltend gemachter Höhe für die Zeugin H... erbracht habe.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 7.997,13 € aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Streithelferin über die Reinigung und den Winterdienst öffentlicher Straßen, Wege und Plätze und die Erhebung von Gebühren vom 10.11.2005 (Straßenreinigungssatzung).

a) Die Straßenreinigungssatzung beinhaltet ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Darunter fällt jede Rechtsnorm, mithin nicht nur ein Gesetz im formellen Sinne, sondern auch eine Satzung wie diejenige der Streithelferin vom 10.11.2005.

Die Straßenreinigungssatzung hat drittschützenden Charakter, weil sie zumindest auch dazu dienen soll, Einzelne - wie die Zeugin H... - vor Rechtsgutverletzungen, die aus schnee- und glättebedingten Unfällen entstehen können, zu schützen.

b) Die Beklagte hat gegen die sie aus § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1 der Straßenreinigungssatzung treffende Anliegerpflicht, den an ihr Grundstück der Flur 50, Flurstück 35, angrenzenden Gehweg der ...straße wegen der am 07.03.2006 herrschenden Eisglätte mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen, verstoßen.

aa) Zunächst lag die öffentlich-rechtliche Reinigungspflicht bei der streithelfenden Stadt F.... Gemäß § 49 a Abs. 1 S. 1 BbgStrG haben die Gemeinden alle öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage zu reinigen. Die Reinigungspflicht umfasst auch die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger von Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, § 49 a Abs. 2 S. 1 BbgStrG.

bb) Die Streithelferin hat ihre Streupflicht wirksam auf die Beklagte übertragen. Gemäß § 49 a Abs. 5 Nr. 2 BbgStrG ist es ihr gestattet, die Reinigungspflicht ganz oder teilweise den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen. In Ausübung der ihr hierdurch erteilten Ermächtigung hat sie am 10.11.2005 eine Straßenreinigungssatzung erlassen, die am 30.11.2005 in ihrem Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 dieser Satzung wird die Reinigung einschließlich der Schnee- und Glättebeseitigung für die im Straßenverzeichnis (Anlage) aufgeführten Fahrbahnen, Gehwege und Plätze in dem darin festgelegten Umfang dem Eigentümer der durch sie erschlossenen Grundstücke übertragen (Anliegerpflicht).

(1) Die ...straße, auf deren Gehweg sich der streitgegenständliche Unfall gemäß der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 13.02.2008 erfolgten Klärung der Straßenbezeichnung ereignete, ist in dem Straßenverzeichnis, das die Anlage zu der Straßenreinigungssatzung bildet, aufgeführt.

(2) Das Grundstück der Beklagten, verzeichnet im Grundbuch der Stadt F... zu Blatt 50, Flurstück 35, ist über die Zufahrt von der L... Straße aus erschlossen im Sinne von §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung. Deshalb ist die Beklagte zum Winterdienst auch an der ...straße verpflichtet, soweit ihr Grundstück an diese angrenzt.

Die den Anlieger gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung treffende Reinigungspflicht ist nicht auf den öffentlichen Straßenraum beschränkt, der an derjenigen Grundstücksseite liegt, von der aus das Grundstück über eine Zufahrt oder Zuwegung verfügt. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob das - einheitliche - Grundstück überhaupt über eine Zuwegung verfügt, da sein Eigentümer bereits dann umfassend die Vorteile der Straßennutzung ziehen kann, die gleichsam spiegelbildlich zur Berechtigung der öffentlichen Hand führen, ihm die Pflicht zur Straßenreinigung aufzuerlegen. Die Nutzung des einheitlichen Grundstücks ist für den Eigentümer dann umfassend gewährleistet, wenn es über wenigstens eine Zuwegung zum öffentlichen Straßenland verfügt. Daraus folgend ist etwa der Eigentümer eines Eckgrundstücks, das nur an einer Seite über eine Zuwegung verfügt, aus der Satzung zur Reinigung beider Straßen, an die seine Immobilie angrenzt, verpflichtet. Nichts anderes kann gelten, wenn - wie vorliegend - das Grundstück des Anliegers an eine Vielzahl von Straßen angrenzt.

Allein diese Sichtweise wird dem Erfordernis hinreichend bestimmter Kriterien zur Möglichkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht gerecht. Die Kommunalverwaltung als Satzungsgeberin ist gehalten, leicht nachvollziehbare Kriterien dafür aufzustellen, welche örtliche Situation zur Straßenreinigungspflicht des Anliegers führt und in welchen Fällen diese Verpflichtung bei ihr selbst verbleibt. Wäre zur Bestimmung des Reinigungspflichtigen danach zu differenzieren, von welcher Straße aus die konkrete Erschließung erfolgt, so würde dies zu Zweifelsfällen führen, die angesichts des Gefahrenpotentials nicht tragbar wären.

Die Beklagte wird durch eine umfassende Übertragung der Reinigungspflicht auch nicht unangemessen benachteiligt. Der Eigentümer eines Grundstücks, das an mehrere Straßen angrenzt, genießt die Vorteile der kommunal eingerichteten Infrastruktur unabhängig davon, ob eine direkte Befahr- oder Begehbarkeit von jeder dieser Straßen aus möglich ist. Diesen Vorteilen entsprechend muss er die Last der Verpflichtung zur Straßenreinigung auf allen an sein Grundstück angrenzenden Straßen tragen - letztlich ist dies Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG).

Unter Zugrundelegung dieser Sichtweise scheitert das Erschlossensein des Grundstücks der Klägerin schließlich nicht daran, dass dieses durch eine Böschung und eine Mauer von der ...straße gleichsam abgeschnitten ist. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung gelten auch diejenigen Grundstücke als erschlossen, die vom Gehweg oder von der Fahrbahn durch Gräben, Böschungen, Mauern, Trenn-, Rand-, Seiten- und Sicherheitsstreifen oder in ähnlicher Weise getrennt sind, unabhängig davon, ob sie mit der Vorder-, Hinter- oder Seitenfront an der Straße liegen. So verhält es sich hier.

(3) Entgegen der Argumentation der Beklagten ist die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung der Streithelferin von der Ermächtigungsgrundlage des § 49 a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BbgStrG gedeckt. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden berechtigt, durch Satzung die Reinigungspflicht ganz oder teilweise den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen. Erschlossen im Sinne des Straßenreinigungsrechts ist ein Grundstück, wenn es rechtlich und tatsächlich eine Zugangsmöglichkeit zur Straße hat und dadurch schlechthin eine innerhalb der geschlossenen Ortslage übliche und sinnvolle Grundstücksnutzung ermöglicht wird. Damit werden auch Hinterliegergrundstücke erfasst, sofern diesen eine hinreichend gesicherte Zugangsmöglichkeit geboten wird (Jupe, Straßenrecht in Brandenburg, Seite 132). Dass das Grundstück der Beklagten, bei dem es sich nicht um ein reines Schienengrundstück handelt, sondern das - wie aus den zu den Gerichtsakten gereichten Luftbildaufnahmen ersichtlich ist - mit diversen zur Bahnverwaltung genutzten Gebäuden bebaut ist, von der L... Straße aus über eine ausreichend gesicherte und auch ständig genutzte Zufahrtsmöglichkeit verfügt, ist nicht zweifelhaft.

Einer Erschließung gerade durch die ...straße, auf deren Gehweg sich der Unfall ereignete, ist auch im Rahmen des § 49 a Abs. 5 S. 1 Ziff. 2 BbgStrG zur Begründung der Winterdienstpflicht nicht erforderlich. Insoweit gilt das bereits zu § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung Ausgeführte: Entscheidend ist allein, ob das einheitliche Grundstück überhaupt über eine Zuwegung verfügt, die eine Nutzung der umliegenden, angrenzenden Straßen ermöglicht.

c) Die Pflichtverletzung war rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Beklagte unterließ es fahrlässig im Sinne des § 276 BGB, den im Bereich der Unfallstelle gebotenen Streupflichten nachzukommen. Durch einfache Nachfrage bei der Streithelferin wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, Kenntnis über ihre Pflichtigkeit im Bereich der ...straße zu erlangen.

d) Dadurch, dass die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung den an ihr Grundstück angrenzenden Gehweg an der ...straße trotz der herrschenden Eisglätte nicht mit abstumpfenden Mitteln bestreute, ist in der Person der Zeugin H... eine Rechtsgutverletzung, namentlich eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, eingetreten. Die Zeugin H... hat sich infolge eines glättebedingten Sturzes eine distale Radiusfraktur des rechten Handgelenkes zugezogen.

Das steht nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest.

Die Zeugin H... hat glaubhaft ausgesagt, sie sei am Unfalltag auf dem völlig vereisten Gehweg ausgerutscht und habe im Fallen versucht, sich mit der rechten Hand "abzufedern". Nachdem sie eine Zeit lang nach dem Sturz auf dem Gehweg sitzen geblieben sei, habe sie ihren Fußweg zu ihrer Arbeitsstelle fortgesetzt. Schon unterwegs habe ihre rechte Hand geschmerzt und schließlich auf der Dienststelle so weh getan, dass sie nicht habe arbeiten können. Ihr Ehemann habe sie sodann zum Arzt gefahren, wo ihre Hand geröntgt und eine Fraktur festgestellt worden sei.

An der Glaubwürdigkeit der Zeugin hegt der Senat keinen Zweifel. Sachlich und in sich schlüssig berichtete die Zeugin, wie sich der Unfall zugetragen hat und zu welchen Folgen er für sie führte. Auf Nachfragen wusste sie detailliert zu antworten, Erinnerungslücken räumte sie unumwunden ein.

Weiterer Beweiserhebung zur - von der Beklagten bestrittenen - Kausalität des glättebedingten Sturzes für die Verletzung bedurfte es nicht, da keinerlei den Ursachenzusammenhang in Frage stellende Umstände ersichtlich sind, namentlich keine aus früheren Erkrankungen der Zeugin H... folgende Vorschäden.

e) Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB ist der Zeugin entgegen der Argumentation der Beklagten nicht anzulasten.

aa) Soweit die Beklagte sich insoweit darauf beruft, die Zeugin H... habe kein wintergeeignetes Schuhwerk getragen, kann ihr nicht gefolgt werden. Dass die Zeugin zum Unfallzeitpunkt diejenigen Schuhe trug, die auf den seitens der Klägerin als Anlage K 11 zum Schriftsatz vom 13.11.2007 zu den Gerichtsakten gereichten Fotos abgebildet sind, steht aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin H..., denen der Senat folgt, fest. Es handelt sich um feste, knöchelhohe Schuhe mit aufgerauter Sohle, deren Wintertauglichkeit außer Frage steht und die von der Zeugin, wie diese glaubhaft angab, bereits den ganzen Winter lang vor dem streitgegenständlichen Unfall getragen wurden, ohne dass sie ausgerutscht war.

bb) Soweit die Beklagte geltend macht, aus den Angaben der Zeugin H... ergebe sich, dass zwei Passanten die Straßenseite gewechselt hätten, weshalb dies auch der Geschädigten möglich gewesen wäre, ergibt sich aus dieser Argumentation nicht, dass ein Benutzen des gegenüber liegenden Bürgersteiges gefahrlos möglich gewesen wäre. Vielmehr sind keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung ersichtlich, die Passanten hätten die Straßenseite deshalb gewechselt, weil der gegenüberliegende Bürgersteig keine Eisglätte aufgewiesen habe. Lebensnäher erscheint die von der Zeugin beschriebene Motivation der beiden Passanten: Diese hätten ihr schlicht nicht helfen wollen.

e) Durch die Rechtsgutverletzung ist der Klägerin ein Vermögensschaden in Höhe der Klageforderung entstanden.

aa) Ausweislich der von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichten ärztlichen Berichte, deren Richtigkeit die Beklagte zuletzt nicht mehr bestritten hat, war die seit dem 01.03.1991 als Angestellte in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Klägerin stehende Zeugin H... in der Zeit vom 07.03.2006 bis zum 02.07.2006 unfallbedingt arbeitsunfähig krank. In der Zeit vom 10.05.2006 bis zum 19.05.2006 wurde sie im Klinikum F... stationär behandelt, die ambulante Behandlung war am 26.09.2006 abgeschlossen. Folgende Leistungen hat die Klägerin an die Zeugin, obwohl ihr deren Arbeitskraft nicht zur Verfügung stand, erbracht:

 Entgeltfortzahlung4.703,32 €
anteiliges Urlaubsgeld83,91 €
anteilige Weihnachtsgratifikation911,82 €
Anteil Leistungszulage232,14 €
Krankengeldzuschuss587,31 €
Arbeitgeberanteile zur 
- Umlage U 211,75 €
- Krankenversicherung399,20 €
- Pflegeversicherung50,65 €
- Rentenversicherung580,93 €
- Arbeitslosenversicherung193,64 €
- betrieblichen Altersversorgung242,46 €
Summe7.997,13 €

Zu diesen Leistungen an die arbeitsunfähig erkrankte Zeugin war die Klägerin als deren Arbeitgeberin aus dem Arbeitsverhältnis in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und § 28 e Abs. 1 S. 1 SBG IV (gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung) verpflichtet.

Soweit die Beklagte den Betrag der von der Klägerin für die Zeugin erbrachten Leistungen bestritten hat, bedurfte es einer Beweiserhebung nicht, weil der Klägerin, die hinreichende Anknüpfungspunkte für eine gerichtliche Schätzung dargetan hat, die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen.

Die Zeugin H... erhielt, wie sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Lohnabrechnungen ergibt, ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 3.425,28 €. Zur Krankenversicherung führte die Klägerin monatlich 261,91 € ab, zur Pflegeversicherung 29,29 €, zur Rentenversicherung 336,01 € und zur Arbeitslosenversicherung 112,00 €. Angesichts dieser aus den Lohnabrechnungen ersichtlichen Zahlen sind die von der Klägerin geltend gemachten Positionen, deren Summe die Klageforderung ergibt, nicht übersetzt, sondern unter Berücksichtigung eines Zeitraumes der Lohnfortzahlung von sechs Wochen gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nachvollziehbar.

bb) Weil die Klägerin diese Leistungen an die Zeugin H... erbrachte, ist deren Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 6 Abs. 1 EFZG auf sie übergegangen.

2. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben der Klägerin vom 23.08.2006 unter Fristsetzung auf den 06.09.2006 ist die Beklagte in Verzug geraten.

3. Wegen der darüber hinaus geltend gemachten Nebenforderung in Höhe von 5,64 € ist die Klage demgegenüber unbegründet. Die Klägerin hat diese Forderung nicht mit Tatsachenvortrag untersetzt, der geeignet wäre, die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage zu erfüllen, sie hat weder zum Anspruchsgrund noch zur -höhe irgendwelche Tatsachen vorgetragen.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 oder 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere hat der Senat die Bestimmung des § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in einer Weise ausgelegt, die zu einer nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des § 49 a Abs. 5 S. 1 Ziff. 2 BbgStrG gedeckten Regelung führen würde. Die von der Beklagten angenommene Beschränkung der Ermächtigung des Satzungsgebers dahin, dass den Anliegern die Reinigungspflicht nur für diejenigen Straßenabschnitte übertragen werden darf, durch die ihre Grundstücke unmittelbar erschlossen sind, nicht aber für diejenigen Straßenabschnitte, zu denen die Grundstücke nicht über eine direkte Zuwegung verfügen, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. So ist in § 49 a Abs. 5 S. 1 Ziff. 2 BbgStrG nur von "erschlossenen Grundstücken" die Rede; damit sind nur solche nicht erfasst, die über keinerlei Zuwegung verfügen. Darauf, ob die bloße Möglichkeit der Errichtung einer faktisch nicht vorhandenen Zuwegung genügt, um das Grundstück als erschlossen im Sinne des § 49 a Abs. 5 BbgStrG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 S. 2 der Straßenreinigungssatzung zu betrachten, kommt es angesichts dessen, dass das Grundstück der Beklagten von der L... Straße aus tatsächlich erschlossen ist, nicht an.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.997,13 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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