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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 4 U 60/06
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO, BGB
Vorschriften:
GmbHG § 16 Abs. 3 | |
ZPO § 156 | |
ZPO § 156 Abs. 2 Nr. 2 | |
ZPO § 296 a | |
ZPO § 580 Nr. 7 b | |
ZPO § 580 Nr. 7 b 2. Alt. | |
ZPO § 580 Nr. 7 | |
ZPO § 582 | |
ZPO § 586 | |
ZPO § 586 Abs. 2 | |
BGB § 826 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
4 U 60/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 27.09.2006
Verkündet am 27.09.2006
In dem Restitutionsklageverfahren
hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2006 durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Restitutionsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Restitutionsklageverfahrens hat die Beklagte zu 2. zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Restitutionsklägerin möchte im Wege der Restitutionsklage die Aufhebung des Urteils des Senats vom 05.04.2006 - Az.: 4 U 156/05 - und die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage auf Zahlung von insgesamt 8.947,61 € erreichen.
Mit der Klage im Vorprozess hatte der Restitutionsbeklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinnützige P... GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) die nunmehrige Restitutionsklägerin auf Zahlung rückständiger Stammeinlage in Höhe von 8.947,61 € in Anspruch genommen.
Der Senat hat der Klage mit - inzwischen rechtskräftigen - Urteil vom 05.04.2006 stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die nunmehrige Restitutionsklägerin hafte gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG für die ordnungsgemäße Einzahlung der Stammeinlagen in Höhe der von ihr durch notariellen Vertrag vom 01.07.2003 von den ehemaligen Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin, dem Qualifizierungsverein ... e.V. und dem Förderwerk ... e.V., übernommenen Geschäftsanteile von 5.000,00 DM und 16.500,00 DM. Sie habe den Nachweis für die Erfüllung der jeweiligen Einlageverpflichtungen nicht in prozessual beachtlicher Weise erbracht. Soweit sie erstmals mit Schriftsatz vom 23.03.2006 Kontoauszüge der Insolvenzschuldnerin vom 23.01.1992 und 17.02.1992 vorgelegt habe, könne dieses Vorbringen nach § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Der Senat habe eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zwar erwogen, hiervon aber im Ergebnis abgesehen, da sie verfahrensfehlerfrei geschlossen worden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Restitutionsklägerin mit ihrer Restitutionsklage. Sie macht geltend, sie sei erst am 21.03.2006 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung in dem Vorprozess, durch Zufall in den Besitz von Kopien der Kontoauszüge der Insolvenzschuldnerin vom 23.01.1992 und 17.02.1992 gelangt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Förderwerk ... e.V., die Zeugin B..., habe diese Kopien bei der Durchsicht alter Projektunterlagen im Archiv bzw. in Altunterlagen des Förderwerkes L... e.V. i.L. anlässlich von Projektaufgaben gefunden, die von einer Tochtergesellschaft der Restitutionsklägerin übernommen worden sei. Die Zeugin habe in Kenntnis des außergewöhnlichen Rechtsstreits unverzüglich die Geschäftsführung der Restitutionsklägerin über diesen Fund informiert. Sie könne sich deshalb auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 b 2. Alt. ZPO stützen. Entgegen der in dem Hinweisbeschluss des Senats vom 16.05.2006 vertretenden Rechtsaufassung seien die Urkunden vom 23.01.1992 und 17.02.1992 in dem Vorprozess auch nicht als unerheblich angesehen worden, sondern nach § 296 a ZPO nicht berücksichtigt worden.
Die Restitutionsklägerin beantragt,
1. das rechtskräftige Urteil umgekehrten Rubrums des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 05.04.2006, Az. 4 U 156/05, aufzuheben,
2. die im Verfahren vor dem Landgericht Potsdam, 2 O 561/04, erhobenen Klage des jetzigen Beklagten und früheren Klägers abzuweisen.
Der Restitutionsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Aufhebung des rechtskräftigen Urteils zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, ein Erfolg der Restitutionsklage würde zur Umgehung der Verspätungsvorschriften und der Verpflichtung zur Förderung des Rechtsstreits führen. Im Übrigen fehle jeder Vortrag, warum eine Einzahlung der G... GmbH von 20.000,00 DM und des Förderwerkes L... e.V. von 10.000,00 DM den Nachweis für die ordnungsgemäße und vollständige Einzahlung der Stammeinlage erbringe, soweit sie von der Restitutionsklägerin bzw. ihren Rechtsvorgängern geschuldet sei.
Entscheidungsgründe:
Die Restitutionsklage ist in Bezug auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere auch innerhalb der Frist des § 586 ZPO erhoben worden. Gemäß § 586 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist für die Erhebung einer Restitutionsklage jedenfalls nicht vor Eintritt der Rechtskraft des aufzuhebenden Urteils aus dem Vorprozess. Die Rechtskraft des Urteils vom 05.04.2006 ist im Verhältnis zur Restitutionsklägerin erst mit Ablauf des 13.05.2006 eingetreten, da ihr das Urteil am 13.04.2006 zugestellt worden ist. Die Restitutionsklage ist am 12.05.2006 eingegangen.
In der Sache hat die Restitutionsklage jedoch keinen Erfolg.
Eine unter dem Gesichtspunkt des § 580 Nr. 7 b ZPO erhobene Restitutionsklage kann nur auf solche Urkunden gestützt werden, die für die Partei im Vorprozess ohne ihr Verschulden (§ 582 ZPO) nicht benutzbar waren.
1. Benutzbar war eine Urkunde im Vorprozess aber auch dann, wenn sie bei der Vorentscheidung vom Gericht ohne Inhaltsprüfung als unerheblich angesehen worden ist (vgl. dazu nur Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 580 Rn. 23 unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt MDR 1982, 60). Dies war auch bei den Urkunden vom 23.01.1992 und 17.02.1992 der Fall.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Entscheidung des OLG Frankfurt (a.a.O.) nicht genau dieselbe Situation zugrunde gelegen hat wie im vorliegenden Fall. Während im dortigen Verfahren das Gericht des Vorprozesses die als Restitutionsgrund geltend gemachten Unterlagen offenbar ihrer Art nach ohne Berücksichtigung ihres Inhaltes als für die zu beweisende Tatsache unerheblich erachtet hatte, geht es im vorliegenden Fall darum, dass der Senat die von der Restitutionsklägerin im Vorprozess vorgelegten Unterlagen gemäß § 296 a ZPO als für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr berücksichtigungsfähig und damit aufgrund des Zeitpunktes ihrer Einbringung in das Verfahren als unerheblich angesehen hat.
Dieser Unterschied ist jedoch für die Frage der Benutzbarkeit der Urkunden im Vorprozess nicht von entscheidender Bedeutung.
Auch im vorliegenden Fall geht es letztlich darum, Urkunden, die bereits im Vorprozess gewürdigt und damit - wenn auch nicht in ihrem Inhalt - bereits verwertet wurden, einer anderen rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Einer rechtlichen Würdigung im vorgenannten Sinne bedurften die von der Restitutionsklägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess vorgelegten Urkunden nämlich im Hinblick auf die Frage der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Senat ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils vom 05.04.2006 die Urkunden auch tatsächlich einer Prüfung unterzogen. Angesichts des Vortrages der damaligen Beklagten zu 2. und jetzigen Restitutionsklägerin im Schriftsatz vom 23.03.2006 hatte der Senat jedoch gar keinen Anlass, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines Restitutionsgrundes im Sinne des § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Erwägung zu ziehen, da die Restitutionsklägerin mit diesem Schriftsatz nicht einmal im Ansatz geltend gemacht hat, dass sie die Urkunden erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess aufgefunden hat. Der Senat konnte vielmehr - und daraus erklären sich auch die Ausführungen in dem Urteil vom 05.04.2006 zur Verpflichtung der Vorlage von Nachweisunterlagen bereits in der ersten Instanz - davon ausgehen, dass die Restitutionsklägerin die Urkunden bei gehöriger Anstrengung durchaus bereits hätte vorlegen können, darauf jedoch bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15.03.2006 verzichtet hatte.
Ist danach aber die Geltendmachung des nunmehrigen Restitutionsgrundes im Vorprozess nur deshalb prozessual ausgeschlossen gewesen, weil die Restitutionsklägerin weder einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt, noch den Restitutionsgrund inhaltlich dargelegt hat, kann sie darauf ihre nunmehrige Restitutionsklage nicht mehr stützen (so im Ergebnis auch: Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 582 Rn. 9).
2. Darüber hinaus kann die Restitutionsklage aber auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Restitutionsklägerin nicht ohne ihr Verschulden im Sinne des § 582 ZPO gehindert war, die Kontoauszüge vom 23.01. und 17.02.1992 im Vorprozess vorzulegen.
Auch wenn man der Restitutionsklägerin Glauben schenken mag, dass sie von den Kontoauszügen tatsächlich erst am 21.03.2006 Kenntnis erlangt hat, ist zur Last zu legen, dass sie es unterlassen hat, sich bereits im Vorprozess die erforderlichen Informationen zu verschaffen.
Wie sich aus dem eigenen Vortrag der Restitutionsklägerin im Rahmen der Begründung der Restitutionsklage, aber auch bereits aus ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 19.05.2005 im Vorprozess ergibt, war ihr nämlich bekannt, dass "ihre Rechtsvorgängerin", d.h. der Förderwerk L... e.V. i.L., von dem sie mit Vertrag vom 01.07.2003 einen Geschäftsanteil von 16.500,00 DM übernommen hatte, seine Buchungsunterlagen archiviert hatte und damit offenbar auch, wo diese Unterlagen archiviert waren. Es ist auch davon auszugehen, dass sie zumindest über eine ihrer Tochtergesellschaften die Möglichkeit hatte, auf diese archivierten Unterlagen Zugriff zu nehmen. Schließlich ist kein Grund ersichtlich, warum die Restitutionsklägerin, hätte sie von dieser Möglichkeit der Nachforschung in den archivierten Unterlagen des Förderwerkes L... e.V. i.L. Gebrauch gemacht, die erstmals mit Schriftsatz vom 23.03.2006 im Vorprozess vorgelegten Urkunden nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt finden und in den Vorprozess hätte einbringen können. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es sich bei den Urkunden vom 23.01. und 17.02.1992 nicht um Kontoauszüge oder Zahlungsbelege - und damit um Buchhaltungsbelege des Förderwerk L... e.V. im engeren Sinne handelt, sondern um Kopien von Kontoauszügen der Insolvenzschuldnerin selbst, die diese offenbar dem Förderwerk L... e.V. für seine Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte. Dies ändert nichts daran, dass es für die Restitutionsklägerin keineswegs unzumutbarer Anstrengungen bedurft hätte, die archivierten Unterlagen des Förderwerk L... e.V. i.L. zu überprüfen; die Restitutionsklägerin hat insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die nunmehr aufgefundenen Urkunden an einer so ungewöhnlichen Stelle abgelegt waren, dass sie sie auch bei sorgfältiger Prüfung nicht hätte auffinden können. Die Situation der Restitutionsklägerin unterscheidet sich vielmehr nur unwesentlich von der Situation einer Prozesspartei, die "eine während des Rechtsstreits in ihrem Gewahrsam befindliche, aber ... infolge mangelhafter Nachforschung unbemerkt gebliebene Urkunde erst nachträglich vorlegt"; auch in diesem Fall ist eine auf die später aufgefundene Urkunde gestützte Restitutionsklage jedoch nicht gerechtfertigt (BGH DB 1974, 1158).
Auf die weitere von dem Restitutionsbeklagten aufgeworfene Frage, ob die Kopien der Kontoauszüge vom 23.01.1992 und 17.02.1992 überhaupt geeignet sind, den Nachweis zu erbringen, dass die Stammeinlagen der ursprünglichen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin in voller Höhe eingezahlt worden waren, kommt es danach nicht mehr an.
Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob die Restitutionsklägerin einer Vollstreckung des Restitutionsbeklagten aus dem Urteil vom 05.04.2006 mit dem Einwand der Sittenwidrigkeit gemäß § 826 BGB entgegentreten könnte. Diese Frage ist nicht Gegenstand des Restitutionsklageverfahrens.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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