Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 4 U 66/06
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AKB


Vorschriften:

BGB § 247
VVG § 6 III
AKB § 7 V
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 66/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20. Dezember 2006

Verkündet am 20. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. April 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Auszahlung der Versicherungsleistung aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag für den Pkw Audi A 4 Cabrio 2.4 mit dem amtlichen Kennzeichen ....

Wegen der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.4.2006 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe den Versicherungsfall, die Entwendung des Fahrzeuges, nicht bewiesen. Zwar reiche es im Hinblick auf die regelmäßig bestehende Beweisnot eines Versicherungsnehmers aus, das äußere Bild eines Diebstahls zu beweisen. Ein solches habe die Klägerin auch dargelegt und unter Beweis gestellt. Der Erhebung der dazu angebotenen Zeugen habe es jedoch nicht bedurft, weil die Beklagte Indizien aufgezeigt habe, aus denen sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ergebe, dass der Versicherungsfall lediglich vorgetäuscht worden sei. Unabhängig von den widersprüchlichen Angaben der Klägerin zu den Schlüsseln bestünden durchgreifende Bedenken an der Darstellung, der im Gewahrsam der Frau E... befindliche Schlüssel sei bei einem Einbruch in deren Haus gestohlen worden. Angesichts der von der Polizei festgestellten Spurenlage könne weder davon ausgegangen werden, dass ein Einbruch in das Haus der Frau E... stattgefunden habe, noch, dass bei diesem Einbruch der - nach Angaben der Klägerin lediglich vorhandene - zweite Fahrzeugschlüssel entwendet worden sei.

Hinzu komme das sich zu Lasten der Klägerin auswirkende Indiz ihrer wechselnden und nicht miteinander in Einklang zu bringenden Darstellungen zu der unstreitig im Internet erschienenen Verkaufsannonce für das Fahrzeug. Die Klägerin sei im Verhandlungstermin auf die Unvereinbarkeit der beiden Darstellungen hingewiesen worden, ohne dass sie sich weiter zu dieser Thematik geäußert hätte. Nach der unmissverständlichen Darstellung in der Schadensanzeige sei davon auszugehen, dass die Verkaufsabsicht der Kläger gescheitert sei. Als weiteres - wenn auch im Vergleich zu den anderen Punkten weniger gravierendes - Indiz komme hinzu, dass unstreitig Herr T... D..., einer der beiden hauptsächlichen Nutzer des Fahrzeuges, am 2.8.2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, woraus zu schließen sei, dass er sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt.

Die Klägerin meint, unrichtig komme das Landgericht zu dem Ergebnis, dass sie, die Klägerin, den Beweis eines Versicherungsfalles in Gestalt der Entwendung des Fahrzeuges nicht geführt habe. Es habe zwingend einer Beweisaufnahme bedurft. Die durchgreifenden Bedenken des Landgerichts hinsichtlich des Diebstahls des Autoschlüssels aus dem Haus in R... seien nicht nachvollziehbar. Zu den Einbruchsspuren sei erstinstanzlich ausreichend vorgetragen worden; ebenso zur Verkaufsannonce im Internet. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Herrn T... D... sei irrelevant.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 26.4.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 2 O 4/06, die Beklagte zu verurteilen, an sie 40.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht und aus zutreffenden Gründen, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Auszahlung einer Versicherungsleistung für die Entwendung des Fahrzeuges Audi A 4 Cabriolet nicht zu. Die Klägerin hat den Eintritt des Versicherungsfalles, die Entwendung des Fahrzeuges, nicht beweisen können.

1. Da ein Kraftfahrzeugdiebstahl in der Regel in Abwesenheit des Eigentümers und auch sonstiger Zeugen begangen wird und die hierdurch hervorgerufene Beweisnot des Versicherungsnehmers, der als Anspruchsteller grundsätzlich den vollen Beweis sämtlicher tatbestandlicher Voraussetzungen seines Anspruches zu erbringen hat, mit der spezifischen Eigenart des Versicherungsfalles selbst zusammenhängt, sind dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zuzubilligen. Er muss lediglich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegen und ggf. beweisen, also lediglich ein Mindestmaß an Tatsachen darlegen und beweisen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Wegnahme gegen den Willen des grundsätzlich als redlich unterstellten Versicherungsnehmers zulassen. Verlangt wird zunächst jedenfalls nicht der Vollbeweis der Fahrzeugentwendung, sondern nur der Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung (BGH, Urteil vom 17.5.1995, IV ZR 279/94; Urteil vom 14.7.1993, IV ZR 179/92).

Solche - von der Beklagten bestrittenen - Tatsachen hat die Klägerin hier allerdings dargelegt und unter Beweis gestellt durch Vernehmung von Zeugen.

2. Ob der Versicherungsnehmer in der Lage wäre, den hiernach erst einmal ausreichenden Nachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls zu führen, kann jedoch dahinstehen, wenn dem Versicherer der ihm offene "Gegenbeweis" gelungen ist (OLG Köln, Urteil vom 20.11.2001, 9 U 39/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.1998, 4 U 16/97).

a) Um zu einem angemessenen Ausgleich des Beweisrisikos zu gelangen und den Versicherer gegen den Missbrauch der dem Versicherungsnehmer gewährten Beweiserleichterungen zu schützen, sind auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zuzubilligen. Die mit dem - hier unterstellt: gelungenen - Beweis für das äußere Bild einer Entwendung für den Versicherungsnehmer verbundenen Beweiserleichterungen entfallen dann, wenn auf Grund konkreter Tatsachen, die entweder unstreitig oder vom Versicherer bewiesen sind, nach der Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden kann, der Versicherungsnehmer habe den Versicherungsfall mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht (BGH, Urteil vom 21.2.1996, IV ZR 300/94). Dabei reichen für den "Gegenbeweis" des Versicherers nicht erst solche Tatsachen aus, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des Versicherungsfalles begründen, sondern schon solche, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit hierfür nahe legen (BGH, Urteil vom 12.4.1989, IVa ZR 83/88, Rn. 11, 12 - zitiert nach Juris). Die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung kann sich sowohl aus den Tatumständen allgemein als auch aus erheblichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Anspruchstellers und aus seinem Verhalten ergeben.

b) Dieser "Gegenbeweis" ist der Beklagten gelungen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf Grund bestimmter feststehender Tatsachen der Diebstahl des Fahrzeuges mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht sei. Die Vernehmung der von der Klägerin zum Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls benannten Zeugen war daher entbehrlich.

aa) Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass die festgestellten Spuren zu dem von der Klägerin behaupteten Einbruch in das Haus, in dem der Autoschlüssel aufbewahrt wurde, nicht passen.

Ausweislich der bereits erstinstanzlich zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Akte des Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Protokolls über kriminaltechnische Tatortarbeit/Spurensicherung und der Fotomappe finden sich zwar Werkzeugspuren am Fensterrahmen des Badfensters, die auf ein Aufhebeln hindeuten könnten. Dann wäre jedoch eine Gegenspur am Fensterflügel zu erwarten, die aber nicht festgestellt werden konnte. Die nur mögliche relativ enge Öffnung von 30 cm des Fensters mag zwar einen Einbruch einer schlanken Person ermöglicht haben. Es gab jedoch keine weiteren darauf hindeutenden Spuren, die bei einem Einstieg durch das Fenster hätten entstehen müssen. im besonderen Wischspuren. An den Wandfliesen waren nur nach unten verlaufende nicht verwischte Wrasenspuren festzustellen. Auch der Schmutz auf dem innenliegenden verfliesten Fensterbrett war nicht verwischt. Mit dem Landgericht muss der Senat angesichts dieser Spurenlage davon ausgehen, dass weder der Einbruch in das Haus der Zeugin E... stattgefunden hat, noch der - nach korrigierten Angaben der Klägerin zweite - Fahrzeugschlüssel entwendet wurde.

Dass und welche weiteren Spuren über die bereits festgestellten hinaus vorhanden gewesen wären, die ein für einen Einbruchdiebstahl stimmiges Spurenbild ergeben hätten, hat die Klägerin nicht behauptet. Dem Beweisantritt der Klägerin zum Vorhandensein von Einbruchspuren war deshalb nicht nachzugehen.

bb) Unstreitig ist das Fahrzeug im Frühjahr des Jahres 2004 im Internet zum Verkauf angeboten worden. In dem von der Klägerin handschriftlich verfassten Beiblatt zur Schadensanzeige hat sie unmissverständlich angegeben, sie (Plural) hätten das Auto mal im Frühjahr zum Verkauf annonciert. Daraufhin seien Autohändler gekommen, die gebrochen deutsch gesprochen hätten. Probefahrten seien nicht gemacht worden. Im Gegensatz dazu hat die Klägerin in diesem Prozess angegeben, das Auto nicht zum Verkauf annonciert zu haben, sondern lediglich einen Kia Pride, ohne dass dieses verkauft worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt hätten dann auch Leute wegen des annoncierten Audi angerufen. Dadurch auf die falsche Annonce aufmerksam geworden habe man den Online-Handel zur Rede gestellt. Das Fahrzeugangebot sei dann sofort entfernt worden. Diese nicht miteinander in Einklang zu bringenden Darstellungen hat die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erklärt. Obwohl sie ausweislich der nicht angegriffenen Feststellung im angefochtenen Urteil ausdrücklich vor dem Landgericht auf die Unvereinbarkeit der beiden Darstellungen hingewiesen worden ist, hat sie sich auch in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht dazu geäußert. Selbst unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Klägerin gegebenen Erklärung zum Zustandekommen der von ihr unterzeichneten Angaben in der Schadensanzeige deutet dieser Umstand maßgeblich auf die Vortäuschung der Entwendung hin. Anlass für die Erklärung des Zustandekommens der von ihr unterzeichneten Angaben hätte bereits nach der Erhebung des entsprechenden Einwandes durch die Beklagte in der ersten Instanz bestanden, zumindest aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Spätestens nach Erlass der angefochtenen und wesentlich auf diesen Umstand gestützten Entscheidung hätte jedoch Anlass bestanden, in der Berufungsbegründung den Widerspruch zu erklären. Das unterließ die Klägerin.

Auch vor dem Senat hat die Klägerin keine näheren Angaben zu den Umständen machen können, unter denen sie die ergänzenden Angaben zur Schadensanzeige unterzeichnet hat. Selbst wenn entsprechend ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat davon ausgegangen wird, dass die Klägerin aufgeregt war, hat sie andererseits die Schadensanzeige zu Hause ohne Zeitdruck in Ruhe ausfüllen können bzw. hat sie diese ausfüllen lassen. Eine irrtümliche Falschangabe erscheint bei der dem Wortlaut nach eindeutigen Formulierung der betreffenden Antwort nur vorstellbar, wenn die Klägerin die Angabe unterschrieben hätte, ohne sie zuvor zu lesen. Das gilt umso mehr, als diese Antwort allein auf der letzten Seite enthalten ist. Zudem hätte Frau E..., die nach der Darlegung der Klägerin die Schadensanzeige geschrieben hat, sich auch geirrt haben müssen, obwohl sie als Lebensgefährtin des Sohnes der Klägerin eine Hauptnutzerin des Fahrzeuges war. Schließlich spricht der Umstand, dass unstreitig tatsächlich das versicherte Fahrzeug im Internet zum Verkauf angeboten worden ist, eher für die Richtigkeit der Angabe der Klägerin in der Schadensanzeige.

Diese beiden maßgeblichen für die Vortäuschung einer Entwendung sprechenden Anhaltspunkte werden durch weitere Umstände gestützt:

c) Die unbestrittene Tatsache der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eines der Hauptnutzer des Fahrzeuges, des Sohnes der Klägerin T... D... im Jahr 2002 hat das Landgericht zutreffend als Indiz für eine Vortäuschung des Diebstahls gewertet. Nach der Bekundung der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin bestätigt, dass sich ihr Sohn unverändert in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen, d.h. in der Insolvenz befindet.

d) Auch der Umstand, dass es sich bei dem versicherten Fahrzeug um ein hochpreisiges handelt, spricht eher für einen vorgetäuschten Diebstahl.

3. Den danach erforderlichen Vollbeweis des Diebstahls des versicherten Fahrzeuges kann die Klägerin nicht erbringen.

4. Darauf, ob die Beklagte wegen unzutreffender Angaben der Klägerin zur Laufleistung leistungsfrei nach § 6 III VVG i.V.m. § 7 V AKB geworden ist, kam es danach nicht mehr an.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II Nr. 1 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück