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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 4 U 82/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 242 | |
BGB § 765 Abs. 1 | |
BGB § 766 | |
ZPO § 511 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 519 | |
ZPO § 520 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
4 U 82/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 16.01.2008
Verkündet am 16.01.2008
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2007 durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer und die Richterin am Landgericht Brune
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.05.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 11 O 404/06 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages anwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage auf Zahlung aus einer Bürgschaftserklärung in Anspruch.
Am 03.09.2003 übernahm der Beklagte gegenüber der Klägerin "zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen ... gegen die G... GmbH ... aus Darlehen ... Vertrag vom 12.06.2003 in Höhe von 102.250,- EUR" die selbstschuldnerische "Bürgschaft für Einzelforderungen" bis zum Betrag von 122.700,- € einschließlich Nebenleistungen, insbesondere Zinsen und Kosten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Haftungsübernahme wird auf die Bürgschaftsurkunde (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 16. f. der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Die Hauptschuldnerin, deren Mehrheitsgesellschafter der Beklagte war, führte bei der Klägerin das Kontokorrentkonto mit der Nummer ..., auf dem ihr bereits die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die G...bank e. G., im Jahr 1997 einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 200.000,- DM (102.258,37 €) eingeräumt hatte. Im Juni 2003 sollte dieser Kontokorrentkredit in ein Tilgungsdarlehen über 102.250,- € umgeschuldet werden. Den ihr von der Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2003 übersandten Darlehensvertrag hatte die Hauptschuldnerin nicht unterschrieben, sondern sich stattdessen mit der Klägerin über eine sukzessive Reduzierung des Kontokorrentkredits geeinigt, zu der es in der Folgezeit zunächst auch kam.
Wegen eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin kündigte die Klägerin unter dem 05.04.2004 die gesamte Geschäftsverbindung fristlos und stellte aus dem nämlichen Kontokorrentkonto unter Berücksichtigung erfolgter Verrechnung mit einem geringfügigen Sparguthaben den Betrag von 80.281,79 € zur sofortigen Rückzahlung fällig. Mit Beschluss vom 22.04.2004 lehnte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) - Insolvenzgericht - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Vorhandenseins einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aus ihren - dem Beklagten bekannten - Schreiben vom 24.02.2004 und 31.03.2004 ergäben sich Kenntnis und Einverständnis des Beklagten mit einer Haftung seiner Bürgschaft nunmehr für den fortgesetzten Kontokorrentkredit.
Der Beklagte hat eingewandt, mangels Zustandekommens des Darlehensvertrages sei seine Bürgschaft nie wirksam geworden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB scheitere am Schriftformerfordernis des § 766 BGB für die Bürgschaftserklärung. Eine Haftungserklärung betreffend den Kontokorrentkredit habe der Beklagte nicht abgegeben, eine solche lasse sich auch nicht den Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004 entnehmen, weil darin keine Bürgschaftserklärung enthalten sei. Die Voraussetzungen, unter denen die Einhaltung des Schriftformerfordernisses ausnahmsweise entbehrlich sei, lägen ebenfalls nicht vor.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Ziel einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 40.000,- € weiterverfolgt. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Verletzung materiellen Rechts.
Entgegen der Argumentation in dem angefochtenen Urteil sei dem Formerfordernis des § 766 BGB genügt, weil die Parteien sich, nachdem das Zustandekommen des Umschuldungskredits gescheitert war, schriftlich darüber einig geworden seien, dass die von dem Beklagten unterzeichnete Bürgschaftserklärung der Besicherung des dann weiter bestehenden Kontokorrentkredits habe diesen sollen. Diese Einigung ergebe sich aus ihren an die Hauptschuldnerin gerichteten Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004, von denen der Beklagte, wie dieser nicht bestreitet, das letztere gegengezeichnet habe. Der Errichtung einer neuen Bürgschaftsurkunde habe es nicht bedurft, an seinem schriftlich erklärten Einverständnis müsse der Beklagte sich festhalten lassen.
Im Übrigen hafte die Bürgschaft gemäß deren Ziffer 1 auch denjenigen Ansprüchen, die ihr, der Klägerin, infolge der Unwirksamkeit des aufgeführten Darlehens entstanden seien. Da der Umschuldungskredit mangels Unterzeichnung durch die Hauptschuldnerin nicht zustande gekommen sei, unterfalle er dieser Regelung mit der Folge, dass sich die Bürgschaft auf die Ansprüche aus dem Kontokorrentkredit erstrecke, dessen Umschuldung das geplante Darlehen habe dienen sollen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts verhalte der Beklagte sich treuwidrig, indem er sich auf einen Formmangel berufe, weil er durch sein Verhalten nach Erteilung der Bürgschaft und Scheitern des Darlehensvertragsschlusses Vertrauen auf das Bestehen seiner Bürgenhaftung geweckt habe.
Die Klägerin beantragt,
das am 18.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 11 O 404/06 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die zulässige, namentlich gemäß §§ 511 ZPO statthafte sowie gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 40.000,- € steht der Klägerin aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 765 Abs. 1 BGB nicht zu.
Für den zur Kontonummer ... als Kontokorrent geführten Betriebsmittelkredit der Hauptschuldnerin hat der Beklagte sich nicht verbürgt. Der in der Bürgschaftsurkunde als allein als durch sie besichert genannte Darlehensvertrag "vom 12.06.2003" ist nicht zustande gekommen, anstelle dessen wurde das auf dem nämlichen Konto bestehende Kreditlimit sukzessive verringert. Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ging damit ins Leere, zur Vereinbarung einer geänderten Zweckbestimmung kam es nicht.
In der Bürgschaftsurkunde ist ausdrücklich von einem Darlehensvertrag "vom 12.03.2006 in Höhe von 102.500,- EUR" die Rede, nicht aber von dem Betriebsmittelkredit. Wegen der Abhängigkeit der Bürgschaft vom Bestand der Hauptschuld bleibt erstere gegenstandslos, wenn die gesicherte Verbindlichkeit nicht entstanden ist - der Gläubiger darf ihr nicht eine andere Schuld des Hauptverpflichteten unterlegen (BGH, Urteil vom 09.04.1992, IX ZR 145/91, WM 1992, 1016, 1017). Um eine in diesem Sinne andere Schuld handelte es sich bei dem Kontokorrentkredit.
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus einer gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung nichts anderes. Der Umfang der Bürgenhaftung war in der Urkunde vom 03.09.2003 so klar bezeichnet, dass es bereits an einer Auslegungsbedürftigkeit fehlt. Eine Erstreckung der Haftung des Beklagten auf Ansprüche der Klägerin aus dem nicht abgelösten Kontokorrentkredit kommt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der in der Bürgschaftsurkunde verbrieften Zweckbestimmung nicht in Betracht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dieses Ergebnis angesichts dessen, dass der Beklagte wegen seiner Position als Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin abweichend hiervon dann aus der "weiten", eingangs von Ziffer 1 der Bürgschaft formulierten Sicherungszweckabrede haften würde, wenn der konkrete Darlehensvertrag in der Urkunde überhaupt nicht genannt wäre, für die Klägerin nur schwerlich zu akzeptieren ist. Zu berücksichtigen ist hierbei indes, dass die Klägerin nicht schutzbedürftig erscheint, weil es ihr unbenommen war, wegen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen mit der Hauptschuldnerin eine persönliche Haftung des Beklagten für den Betriebsmittelkredit zu erreichen, indem sie für eine entsprechende Änderung der Zweckabrede Sorge trug.
Daraus, dass die Bürgschaft gemäß Ziffer 1 der schriftlichen (formularmäßigen) Erklärung des Beklagten auch diejenigen Forderungen der Klägerin sicherte, die infolge einer Unwirksamkeit des Darlehensvertrages entstanden, folgt ebenfalls keine Haftung des Beklagten für die Rückführung des Betriebsmittelkredits. Von der genannten Klausel sind nur diejenigen Fälle erfasst, in denen es zu einer rechtsgeschäftlichen Begründung der Hauptschuld kam, der es allerdings an Wirksamkeit fehlte. Erfasst sind sonach bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin im Fall bereits erfolgter Darlehensvalutierung, nicht aber vertragliche Ansprüche auf der Grundlage eines in der Bürgschaftsurkunde nicht genannten Kreditvertrages. Eine Erstreckung hierauf ließe die Erfordernisse an die hinreichende Bezeichnung der zu sichernden Forderung leer laufen, die Schutzbedürftigkeit des Bürgen, der in die Lage versetzt sein soll zu wissen, auf welches Haftungsrisiko er sich einlässt, würde gegenüber den Gläubigerinteressen in unangemessen benachteiligender Weise zurückgesetzt.
Der Auffassung der Klägerin, die für eine Änderung der Sicherungszweckabrede erforderliche Einigung könne aus ihren Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004 hergeleitet werden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die genannten Schreiben der Klägerin enthalten auch in ihrer Gesamtschau keine auf eine Änderung der Zweckabrede gerichteten Willenserklärungen der Parteien.
Unter dem 24.02.2004 formulierte die Klägerin, an die Hauptschuldnerin gerichtet, wie folgt:
"Wie bereits mit Ihnen abgestimmt, haben wir per 16.02.2004 den Betriebsmittelkredit für Ihr Geschäftskonto 826 143 10 00 auf den Betrag von EUR 92.800,- reduziert. Wir bitten um entsprechende Berücksichtigung bei der Kontoführung. ... Des Weiteren teilen wir Ihnen die aktuell haftenden Sicherheiten mit: - selbstschuldnerische Bürgschaft für Einzelforderungen über EUR 122.700,- von Herrn E... O... ...".
Ein Angebot der Klägerin, gerichtet auf Änderung der Zweckabrede für den Bürgschaftsvertrag, lässt sich dieser an die Hauptschuldnerin adressierten Erklärung nicht entnehmen. Es handelt sich nicht um eine zur Änderung der Zweckabrede erforderliche Willens-, sondern um eine (unzutreffende) Wissenserklärung.
Selbst dann, wenn man entgegen dieser Sichtweise dem Schreiben vom 24.02.2004 eine rechtsgeschäftliche Erklärung der Klägerin entnehmen wollte, fehlte es an einer hierauf bezogenen Annahmeerklärung des Beklagten. Dieser unterzeichnete zwar "zum Zeichen seines Einverständnisses" das wiederum an die Hauptschuldnerin gerichtete Schreiben der Klägerin vom 31.03.2004, in dem es, bezogen unter anderem auf die Bürgschaft des Beklagten, heißt:
"Die Ihnen mit Schreiben vom 24.02.2004 mitgeteilten und von Ihnen bestätigten Sicherheiten haften weiterhin unverändert."
Er leistete seine Unterschrift aber ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin und nicht als Privatperson. Bereits deshalb fehlt es jedenfalls an einer Willenserklärung bezogen auf die Bürgschaftserklärung vom 03.09.2003.
Darauf, ob der Beklagte sich, wie die Klägerin meint, treuwidrig verhält, wenn er sich auf Formunwirksamkeit beruft, kommt es sonach nicht an - es liegt schlicht kein (Änderungs-) Rechtsverhältnis vor, dessen Wirksamkeit allein am Formmangel scheitern könnte. Selbst wenn man aber die Kriterien des § 242 BGB anlegen wollte, verhielte der Beklagte sich nicht treuwidrig, denn hierfür ist Voraussetzung, dass die Formunwirksamkeit für die betroffene Partei - hier die Klägerin - nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar wäre (BGH, Urteil vom 24.04.1998, V ZR 197/97, BGHZ 138, 339, 348). Dafür genügt es nicht, dass ihr ein Sicherungsmittel von insgesamt vier im Schreiben vom 24.02.2004 genannten (einschließlich einer Ausfallbürgschaft der Bü...bank B... GmbH in Höhe von anfangs 74.240,- €) verloren geht. Gegen eine Schutzbedürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 242 BGB spricht ferner, dass es ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, für eine Änderung der Sicherungszweckabrede entsprechend dem zur Hauptschuldnerin beibehaltenen Kreditverhältnis Sorge zu tragen.
III.
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,- € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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