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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 4 U 91/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 927
ZPO § 929 Abs. 2
ZPO § 927 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 929
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

4 U 91/06

Anlage zum Protokoll vom 12. Juli 2006

Verkündet am 12. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die mit Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zum Aktenzeichen 6 U 12/03 erlassene einstweilige Verfügung vom 17.06.2003 wird aufgehoben.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Verfügungsbeklagten möchten die Aufhebung der im Verfahren 1 O 2332/03 Landgericht Potsdam/6 U 12/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht im Berufungsverfahren mit Urteil vom 17.06.2003 erlassenen einstweiligen Verfügung erreichen.

Das Landgericht hatte zunächst mit Beschluss vom 03.05.2002 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach den Verfügungsbeklagten untersagt wurde, "auf dem Grundstück des Verfügungsklägers ... bauliche Veränderungen und Erdarbeiten vorzunehmen". Diese einstweilige Verfügung hat der Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten im Parteiwege zugestellt.

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 30.08.2002 aufgehoben und den Erlass abgelehnt.

Auf die Berufung des Verfügungsklägers hat der damals zuständige 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit Urteil vom 17.06.2003 das Urteil des Landgerichts vom 30.08.2002 abgeändert und den Verfügungsbeklagten aufgegeben, es zu unterlassen, "auf dem Grundstück des Verfügungsklägers ... an der von der Straße aus gesehen rechts gelegenen Garage bauliche Veränderungen und Erdarbeiten vorzunehmen, die der Realisierung der Pläne des Architekten T... dienen". Dieses Urteil ist den Verfügungsbeklagten von Amts wegen, nicht aber nochmals im Parteiwege zugestellt worden.

Mit dem auf § 927 ZPO gestützten Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung machen die Verfügungsbeklagten geltend, die einstweilige Verfügung sei mangels Vollziehung innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wirkungslos geworden. Sie vertreten die Auffassung, nachdem das Landgericht seine ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben habe, hätte die im Berufungsverfahren erlassene neue einstweilige Verfügung erneut im Parteiwege zugestellt werden müssen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die einstweilige Verfügung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17.06.2003, Az. 6 O 12/03, wegen veränderte Umstände aufzuheben.

Der Verfügungskläger beantragt,

den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17.06.2003, Az. 6 U 12/03, zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger vertritt die Auffassung, einer Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 17.06.2003 im Parteiwege habe es nicht bedurft. Zum einen genüge die Zustellung von Amts wegen. Zum anderen sei im Berufungsverfahren aber auch lediglich die ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung bestätigt worden. Eine erneute Zustellung stelle deshalb nur eine unnötige Förmelei dar.

Das Landgericht hat nach einem entsprechenden Hinweis und anschließenden Anträgen beider Parteien das Verfahren mit Beschluss vom 29.10.2004 an das im Hinblick auf das dort anhängige Hauptsacheverfahren sachlich zuständige Brandenburgische Oberlandesgericht verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Verfügungsbeklagten auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung ist gemäß § 927 Abs. 1 ZPO zulässig; er hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen keine Bedenken.

Die Zuständigkeit des entscheidenden Senats ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung, die der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO entfaltet.

Bei der von den Verfügungsbeklagten geltend gemachten fehlenden Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 17.06.2003 handelt es sich auch um einen Umstand, der im Verfahren nach § 927 ZPO zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führen kann (vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 929 Rn. 21).

Es fehlt auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Allein der Umstand, dass die Verfügungsbeklagten sich über einen Zeitraum von nunmehr über drei Jahren an das mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Bauverbot gehalten haben, steht der Annahme eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf eine Aufhebung nicht entgegen. Dafür reicht es sogar aus, wenn die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nur im Interesse einer Abänderung der Kostenentscheidung verfolgt wird und der Verfügungsgläubiger es ablehnt, den Kostenerstattungsanspruch des Verfügungsschuldners anzuerkennen (BGH NJW 1993, 2687). Letzterem entspricht es, dass der Kläger hier am 04.12.2003 - erfolgreich - eine Berichtigung des Kostentenors des Urteils des 6. Zivilsenats vom 17.06.2003 dahin beantragt hat, dass sich die Kostentragungspflicht der Verfügungsbeklagten nicht nur auf das Berufungsverfahren, sondern auf das gesamte einstweilige Verfügungsverfahren beziehe, und diesen Antrag auch nicht geändert hat, nachdem die Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 05.01.2004 mitgeteilt haben, sie hätten wegen Nichtvollziehung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung gemäß § 927 ZPO beantragt.

2. Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO ist auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers bedurfte die mit Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17.06.2003 erlassene einstweilige Verfügung der (erneuten) Vollziehung im Wege der Privatzustellung des Urteils innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO.

Zur Vollziehung einer Unterlassungsverfügung im Sinne des § 929 ZPO bedarf es regelmäßig einer Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteiwege, die hier in Bezug auf die einstweilige Verfügung vom 17.06.2003 unstreitig nicht erfolgt ist.

Dies gilt auch, wenn - wie hier - die einstweilige Verfügung durch Urteil erlassen wurde. Die von Amts wegen vorzunehmende Zustellung des Urteils durch das Gericht reicht nicht aus. Insoweit folgt der Senat der Auffassung der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. dazu ebenso wie zur Gegenmeinung nur: Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 929 Rn. 18 m.w.N.). Nur diese Auffassung wird bei einer Unterlassungsverfügung dem Zweck des § 929 ZPO gerecht, innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO für die beteiligten Parteien darüber Klarheit zu schaffen, dass der Verfügungsgläubiger sein Verfügungsziel ernsthaft weiter verfolgt und auch weiterhin als eilbedürftig erachtet. Diese Klarheit kann nur durch einen vom Verfügungsgläubiger selbst ausgehenden Akt geschaffen werden. Insoweit mag man in Ausnahmefällen auch andere Ausdrucksformen als die Parteizustellung der einstweiligen Verfügung als ausreichend erachten, wenn es sich dabei um einen in seinem Aussagewert gleichwertigen Formalakt handelt, für den hier allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers war hier eine Parteizustellung der einstweiligen Verfügung vom 17.06.2003 auch nicht deshalb entbehrlich, weil der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit dieser Entscheidung lediglich die zunächst vom Landgericht mit Beschluss vom 03.05.2002 erlassene einstweilige Verfügung bestätigt hätte. Es ist bereits zweifelhaft, ob man überhaupt der - im Übrigen vereinzelt gebliebenen - Entscheidung des OLG Celle (NJW-RR 1987, 64) folgen kann, wonach eine besondere Warnung des Verfügungsschuldners nicht mehr erforderlich sei, wenn eine einmal vollzogene einstweilige Verfügung nach deren Aufhebung im Widerspruchsverfahren durch die zweite Instanz lediglich bestätigt werde. Immerhin sprechen gute Gründe für die Annahme, dass es sich bei einer nach Aufhebung einer erstmals erlassenen einstweiligen Verfügung im Widerspruchsverfahren durch das Berufungsgericht erlassenen einstweiligen Verfügung immer um eine neue einstweilige Verfügung handelt, die deshalb auch einer erneuten Vollziehung bedarf (so etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 68). Im vorliegenden Fall bedurfte es einer erneuten Vollziehung aber jedenfalls schon deshalb, weil die mit dem Urteil vom 17.06.2003 erlassene einstweilige Verfügung mit der am 03.05.2002 erlassenen und vollzogenen einstweiligen Verfügung inhaltlich nicht deckungsgleich war (zur Erforderlichkeit einer erneuten Vollziehung bei inhaltlicher Änderung und wesentlicher Neufassung vgl. nur: Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 929 Rn. 15). Während die einstweilige Verfügung vom 03.05.2002 den Verfügungsbeklagten jegliche baulichen Veränderungen und Erdarbeiten auf dem Grundstück des Verfügungsklägers untersagte, wurde ihm mit der Verfügung vom 17.06.2003 lediglich untersagt, Veränderungen an dem Grundstück nach den Plänen des Architekten T... vorzunehmen. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers um eine wesentliche Einschränkung des Unterlassungsgebotes, und schon deshalb bestand ein Bedürfnis nach Klarstellung durch einen formalen Vollziehungsakt, dass der Verfügungskläger sein Ziel auch in dem nur eingeschränkten Umfang ernsthaft weiter verfolgen wollte.

3. Ist danach die einstweilige Verfügung vom 17.06.2003 gemäß § 927 ZPO aufzuheben, sind die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens insgesamt dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Dabei verkennt der Senat auch hier nicht, dass der Umfang der Kostentragungsverpflichtung infolge einer Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 927 ZPO in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist (vgl. nur: Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 927 Rn. 12). Auch insoweit überzeugt jedoch die herrschende Meinung, die eine Kostentragungspflicht des Verfügungsklägers für das gesamte einstweilige Verfügungsverfahren als geboten erachtet, weil eine mögliche, aber unterlassene Vollziehung der einstweiligen Verfügung letztlich das gesamte Verfahren nachträglich überflüssig macht (vgl. dazu nur OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 68).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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