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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 5 U (Lw) 193/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, LwVG
Vorschriften:
BGB § 856 Abs. 2 | |
BGB § 861 | |
BGB § 864 | |
ZPO § 513 Abs. 2 | |
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 | |
LwVG § 1 Ziff. 1 a |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
5 U (Lw) 193/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 3. Mai 2007
Verkündet am 3. Mai 2007
In dem Rechtsstreit
hat der Landwirtschaftssenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe, den Richter am Landgericht Boecker sowie die ehrenamtlichen Richter Landwirt B... und Landwirt W...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 26. September 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Fürstenwalde (29 Lw 17/04) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Verfügungskläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Parteien stritten vor dem Landwirtschaftsgericht und dem Senat (5 U (Lw) 6/06) um die Wirksamkeit einer von dem Verfügungsbeklagten (im folgenden Beklagten) am 19. September 2004 ausgesprochenen Kündigung eines Landpachtvertrages, der von den Parteien unter anderem über die Flächen Gemarkung S... Flur 2, Flurstücke 169/9, 169/10 und 162 für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis zum 1. Oktober 2007 geschlossen worden war. Ohne den Ausgang dieses Rechtsstreits abzuwarten erntete der Beklagte im August 2005 die Lupinen von dem Flurstück 162 und ließ sodann dort seine Pferde weiden. Anfang Mai 2006 mähte der Beklagte auch die Stilllegungsflächen 169/9 und 169/10 ab und ließ anschließend auch dort seine Pferde weiden.
Nachdem der Kläger mit seiner Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der von dem Beklagten ausgesprochenen Kündigung und ungekündigten Fortbestehens des Pachtvertrages vom 1. Oktober 1992 auch vor dem Senat dergestalt Erfolg hatte, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2006 seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurücknahm, hat er, der Kläger, mit Eingang vom 7. Juli 2006 bei dem Amtsgericht Fürstenwalde den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Inhalts beantragt, dass dem Antragsgegner, den Beklagten, aufgegeben werde, die Flurstücke Flur 2, Flurstück 169/9 und Flurstück 162 sowie Flurstück 169/10 teilweise zu räumen und an ihn herauszugeben.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 26. September 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Es liege kein Verfügungsgrund vor. Denn der Kläger habe trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses längere Zeit zugewartet, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt habe. Bei Eingang des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung sei seit etwa mindestens einem Jahr bekannt gewesen, dass der Beklagte die Flächen ohne seine, des Klägers, Zustimmung nutzte. Wegen zu langen Zuwartens sei ein Verfügungsgrund zu verneinen.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Der Kläger meint, das Amtsgericht Fürstenwalde habe unzutreffend als Landwirtschaftsgericht entschieden. Denn es gehe allein um eine Besitzschutzklage, nicht jedoch um eine Landpachtsache im Übrigen. Zudem sei das Landgericht und nicht das Amtsgericht zuständig, denn der Streitwert betrage für die über 10 ha große streitige Fläche wenigstens 16.000 €. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung sei auch begründet. Zwar treffe es zu, dass der Beklagte im August 2005 die Lupinen auf dem Flurstück 162 abgeerntet und danach dort seine Pferde geweidet habe, auch lasse er seit Anfang Mai 2006 seine Pferde auf den Stilllegungsflächen der Flurstücke 169/10 und 169/9 weiden. Die Tatsache, dass der Beklagte die Lupinen abgeerntet und anschließend Pferde auf den Acker gestellt habe, lasse jedoch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass er die Fläche dauerhaft in Besitz habe nehmen wollen. Das Beweiden sei nur eine vorübergehende Maßnahme. Ohne die ausdrückliche Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22. Juni 2006, dass er die Flächen in Besitz genommen habe, habe er, der Kläger, nicht davon ausgehen müssen, dass ihm der Beklagte den Besitz auf Dauer habe entziehen wollen. Es sei auch davon auszugehen, dass der Beklagte sich erst später im Laufe des Jahres 2006 entschlossen habe, dem Kläger den Besitz an den Flächen dauerhaft zu entziehen. Denn wenn er die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Klägers habe zu Fall bringen wollen, hätte er nur behaupten müssen, er sei bereits Besitzer der Flächen, dann wäre der Feststellungsantrag unzulässig geworden und der Kläger hätte seinen Antrag auf Herausgabe umstellen müssen. Das habe der Beklagte aber erstinstanzlich nicht getan, sondern erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sei er durch Berufungsrücknahme der auf Grund seiner Erklärung drohenden Umstellung des Antrags auf Herausgabe der Flächen zuvorgekommen. Aus diesem Grund sei die Jahresfrist des § 864 BGB gewahrt. Der Kläger habe auch nicht zulange zugewartet, da zunächst, bis zur Beendigung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung, unklar gewesen sei, ob der Beklagte dauerhaft dem Kläger den Besitz habe entziehen wollen. Der Beklagte habe sich im Zusammenhang mit der von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Pachtvertrages in den Besitz der Flächen gesetzt. Er, der Kläger, habe nicht während des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung die Inbesitznahme der Flurstücke durch den Beklagten rügen müssen und auch nicht auf Herausgabe der Pachtflächen klagen müssen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass sich der Beklagte gesetzeskonform verhalten werde, sobald die Rechtslage geklärt sei. Es könne nicht angehen, dass sich der Beklagte nicht gesetzeskonform verhalte und selbst nach Rücknahme der Berufung und Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung über die Unwirksamkeit der Kündigungen unter Missachtung seiner gesetzlichen Verpflichtung den Besitz nicht freigebe und dieses Verhalten noch belohnt werde. Darauf laufe es aber hinaus, wenn man das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneine.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen
hilfsweise
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Fürstenwalde - Landwirtschaftsgericht - (29 Lw 17/06) vom 26. September 2006 den Beklagten zu verurteilen, die Grundstücke der Gemarkung S... Flur 2, Flurstücke 169/9 und 162 vollständig sowie Flurstück 169/10 teilweise an ihn herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die erstinstanzlichen Feststellungen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Weder ist auf den Hauptantrag das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Frankfurt/Oder zu verweisen, noch kann der Kläger von dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO Wiedereinräumung des Besitzes an den Flurstücken 169/9, 169/10 und 162 der Flur 2 der Gemarkung S... wegen verbotener Eigenmacht (§ 861 BGB) herausverlangen.
a)
Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Landwirtschaftsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe (§ 48 LwVG). Im Übrigen war das Landwirtschaftsgericht zuständig, da es um eine Landpachtsache im Übrigen gemäß § 1 Ziffer 1 a LwVG geht. Danach ist das Landwirtschaftsgericht für alle Streitigkeiten zuständig, die ihren Grund in dem tatsächlichen Komplex der Pachtbeziehung der Parteien hatten und die das Bestehen oder Nichtbestehen, die Erfüllung oder Nichterfüllung sowie die Beendigung des Pachtverhältnisses betreffen (OLG Schleswig, RdL 1950, 176). Wenn der Kläger von dem Beklagten, seinem Verpächter, Wiedereinräumung des Besitzes an den Pachtflächen aus welchem Grund auch immer verlangt, verlangt er damit zugleich auch die Erfüllung des Pachtvertrages.
b)
Auch in der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zwar zulässig, obwohl die verlangte Maßnahme, die Herausgabe der Flächen, bereits zu einer Befriedigung des Klägers führen würde. In dem hier geltend gemachten Fall der verbotenen Eigenmacht lässt die Rechtsprechung jedoch Leistungsverfügungen zu.
Es kann auch von einem Verfügungsanspruch nach § 861 BGB ausgegangen werden, da der Beklagte sich den Besitz an den Pachtflächen ohne den Willen des Klägers verschafft hat. Dem Erlass einer einstweiligen Verfügung steht jedoch entgegen, dass eine Eilbedürftigkeit der verlangten Anordnung weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht worden ist (Verfügungsgrund).
Der Kläger hat die Erforderlichkeit der verlangten Maßnahme zur Abwendung wesentlicher Nachteile selbst widerlegt, indem er, was das Flurstück 162 angeht, über ein Jahr, und was die beiden weiteren Flurstücke angeht, zwei Monate hat verstreichen lassen, bis er sich entschloss, seine Rechte im Rahmen eines Eilverfahrens wahrzunehmen. Das Landwirtschaftsgericht hat für den Senat verbindlich (§ 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO) festgestellt, dass der Beklagte das Flurstück 162 im August 2005 bestellt und seither als Pferdeweide nutzt, indem er dort im August 2005 Lupinen geerntet und sodann die Fläche seinen Pferden als Weide zur Verfügung gestellt hat. Spätestens seit Anfang Mai 2006 lässt der Beklagte auf den Flurstücken 169/9 und 169/10 teilweise seine Pferde weiden. Damit hat der Beklagte die tatsächliche Sachherrschaft und damit den Besitz an den Flächen ergriffen (§ 854 Abs. 1 BGB) und der Kläger hat ihn verloren (§ 856 Satz 1, 2. Alternative BGB). Denn die für die Besitzverhältnisse maßgebliche Verkehrsanschauung (Palandt/Bassenge § 854 Rn. 3) ordnet den Besitz an landwirtschaftlichen Flächen dem zu, der sie nutzt bzw. bearbeitet. Hier hat der Beklagte bereits die Lupinen geerntet, Heu gemacht und die Pferde auf den Flurstücken weiden lassen. Das ist keine flüchtige Sachbeziehung mehr, die es rechtfertigen könnte, dieses Verhalten als nur vorübergehenden Verhinderung (§ 856 Abs. 2 BGB) anzusehen. Hierfür genügt ein etwa weiter bestehender Besitzwille des Klägers allein nicht (MünchKomm/Joost § 856 Rn. 14). Auch kann von einer geschützte Sachherrschaftssphäre des Klägers seit der Beweidung der Flächen durch den Beklagten nicht mehr ausgegangen werden, zumal der Beklagte die Flächen zuvor abgeerntet bzw. zur Heugewinnung verwendet hat. Vorübergehend wäre darüberhinaus die Verhinderung im Sinne des § 856 Abs. 2 BGB nur, wenn im Zeitpunkt ihres Beginns die Beseitigung des Hindernisses zu erwarten gewesen wäre. Das bloße Vertrauen des Klägers darauf, dass der Beklagte bei einer rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und des Fortbestehens des Pachtverhältnisses die Flächen wieder herausgeben werde, ist einer Erwartung nicht gleichzusetzten. Zudem wäre ein derartiges Vertrauen allenfalls dort gerechtfertigt, wo die Person des Gegners die Respektierung des Feststellungsurteils erwarten lässt, z. B. bei Klagen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, Versicherungen, Banken etc.. Vorliegend war schon auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens des Beklagten, wie es der Kläger selbst in erster Instanz und in dem Kündigungsprozess (29 Lw 17/04 Amtsgericht Fürstenwalde) geschildert hat, aber auch aufgrund des Umstands, dass der Beklagte trotz des laufenden Kündigungsverfahrens die Flächen in Besitz genommen hat, das Gegenteil anzunehmen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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