Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: 5 U 13/07
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 411 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 492
ZPO § 511 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 524
HGB § 159
BGB § 254
BGB § 472 a. F.
BGB § 477 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 13/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17.01.2008

Verkündet am 17.01.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richterin am Oberlandesgericht Kiepe

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Dezember 2006 - 17 O 203/04 - unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Beklagten zu 1) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.627,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 14. Oktober 2004 betreffend den Beklagten zu 1) bzw. 15. Oktober 2004 betreffend die Beklagten zu 2) bis 4) von 5.143,50 € und seit dem 17. Juli 2006 betreffend die Beklagten von weiteren 2.483,65 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. a) Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens - gerichtliche und außergerichtliche Kosten - tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagten - diese als Gesamtschuldner - zu 75 %.

b) Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen die Parteien wie folgt: Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 25 % und der Beklagte zu 1) 75 % und davon die Beklagten zu 2) bis 4) 18 % als Gesamtschuldner.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 25 % und der Beklagte zu 1) 75 % selbst; von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 4) tragen diese als Gesamtschuldner 82 % selbst und 18 % die Klägerin.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte zu 1) 75 %, und zwar 51 % gemeinschaftlich mit den Beklagten zu 2) bis 4) als Gesamtschuldner; die diesen zur Last fallen; im Übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Beklagte zu 1) war seit 1999 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Beklagten zu 2) bis 4) zu einer Anwaltssozietät verbunden, wobei der Beklagte zu 1) seinen Sitz in E... und die Beklagten zu 2) bis 4) ihren Kanzleisitz in S... hatten. Zwischenzeitlich ist die Sozietät beendet.

Die Klägerin, die im Frühjahr 1999 dem Beklagten zu 1) ein Mandat betreffend Gewährleistungsansprüche bezüglich eines Hauskaufs in F... erteilt hatte, nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatzzahlung aus Anwaltshaftung in Höhe von 10.098,92 € in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vom Landgericht in seinem Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin zu den Umständen und dem Umfang der Mandatserteilung und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % in Höhe von 2.571,75 € für die entgangene Kaufpreisminderung sowie 1.242,83 € als Kosten für den Minderungsprozess zugesprochen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus anwaltlicher Pflichtverletzung gegenüber allen vier Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der Zeugeneinvernahme des Ehemannes der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Beklagten zu 1) bereits im Frühjahr 1999 umfassend mit der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen nach dem Hauskauf beauftragt habe. Ein Anwaltsverschulden sei auch darin zu sehen, dass der Beklagte zu 1) die Klägerin auf den drohenden Ablauf von Verjährungsfristen erst im Herbst 2001 aufmerksam gemacht habe. Dies hätte früher erfolgen können und müssen, so dass der von der Klägerin verfolgte Gewährleistungsanspruch jedenfalls rechtzeitig hätte geltend gemacht werden können. Der Klägerin sei aber ein erhebliches Mitverschulden entgegenzuhalten. Sie habe nicht im Einzelnen dargelegt und bewiesen, dass sie im Laufe des Jahres 2001 an den Beklagten herangetreten sei, um das weitere Vorgehen zu besprechen, vielmehr sich allein auf die Mandatserteilung im Frühjahr 1999 verlassen habe. Vor allem aber habe die Klägerin die angeforderten Gerichtskosten für das Ursprungsverfahren nicht zeitnah eingezahlt. Wenn der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag viel an der Durchsetzung der von ihr verfolgten Gewährleistungsansprüche gelegen habe, sei von ihr zu erwarten gewesen, dass sie die Gerichtskosten nicht erst mit sechswöchiger Verspätung, sondern unverzüglich einzahle, zumal die vom Beklagten zu 1) an sie weitergeleitete Zahlungsaufforderung darauf hinweise, dass die alsbaldige Einzahlung der Gerichtskosten zur Wahrung von Fristen erforderlich sei. Die Klägerin könne sich daher nicht allein darauf zurückziehen, dass der Beklagte zu 1) sie nicht ausdrücklich auf drohenden Rechtsverlust wegen verspäteter Einzahlung der Gerichtskosten hingewiesen habe. Die verspätete Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses sei auch schadensursächlich geworden. Denn die Verjährungsunterbrechung nach altem Verjährungsrecht nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens habe nicht bereits mit Zustellung des damals eingeholten Gutachtens am 24. August 2000 geendet sondern erst nach einer ausreichend bemessenen Stellungnahmefrist, die hier bei einem Zeitraum von weniger als drei Monaten noch nicht als verstrichen zu betrachten sei. Die Frage, wann ein selbständiges Beweissicherungsverfahren beendet sei, werde zwar nicht einheitlich beurteilt, es sei aber festzuhalten, dass nach dem klageabweisenden Urteil des Landgerichts diese Frage ausdrücklich offen gelassen worden sei, so dass die Klägerin auch nicht mit hinreichender Sicherheit darlegen könne, dass das Landgericht, wäre es darauf angekommen, die Beendigung der Verjährungsunterbrechung auf einen früheren Zeitpunkt als den 28. November 2001 datiert hätte. Vielmehr sei die Klage deswegen mit dem tragenden Argument abgewiesen worden, dass die Gerichtskosten nicht zeitnah eingezahlt worden seien. Unter Abwägung dieser Umstände bewerte das Landgericht das klägerische Mitverschulden mit 50 %.

Bei der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes seien dem Grunde nach geringfügige Abstriche vorzunehmen. Ein Nettobetrag von 10.059,80 DM für die Sanierungskosten ohne Holzimprägnierung seien nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten als ausreichender Minderungsbetrag anzusehen. Denn es sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein älteres Haus gehandelt habe und die wesentliche Ursache für die Schäden am Dach (undichte Unterspannbahn) ausweislich sowohl des damaligen Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren als auch des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens auf Grund von Witterungseinflüssen (UV-Strahlen) gegeben gewesen sei. Es handele sich also um einen Mangel, der auf Grund einer gewissen zeitlichen Alterung aufgetreten sei. Es komme hinzu, dass ausweislich des Kaufvertrages noch weitere Arbeiten auf dem Grundstück zur Pflege des Hauses erforderlich gewesen seien. Die Kosten für den Holzschutz könne die Klägerin nicht als Schadensersatz fordern, weil in dem Ursprungsprozess eine solche Position nicht eingefordert gewesen sei. Die damalige Klage sei allein auf den von der Klägerin einholten Kostenvoranschlag gestützt worden, der aber Aufwendungen für Holzschutz in dem Angebot nicht aufführe. Die Klageabweisung wegen Verjährung sei insoweit also nicht ursächlich dafür geworden. Denn es gehe hier um einen Schadensersatzanspruch der nur in dem Umfang bestehen könne, in dem überhaupt Klage erhoben worden sei, die dann schadensursächlich als verjährt abgewiesen worden sei. Dass der Beklagte zu 1) die damalige Klage nicht auftragsgemäß erhoben habe, habe die Klägerin nicht dargetan. Geltend machen könne die Klägerin aber die auf Grund Klageabweisung gescheiterte Kostenerstattung durch den damaligen Prozessgegner, die mit der Klageerweiterung vom 17. Juli 2006 rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht worden sei. Das landgerichtliche Urteil trage das Datum vom 14. November 2003, so dass die dreijährige Verjährung erst Ende des Jahres 2006 auslaufe.

Der wegen anwaltlichen Pflichtverstoßes nicht mehr realisierbare Kaufpreisminderungsbetrag von 10.059,80 DM (5.143,50 €) sei durch das klägerische Mitverschulden auf 5.143,50 DM (2.571,75 €) reduziert. Die ebenfalls als Schaden zu berücksichtigende fehlende Kostenerstattung durch den damaligen Prozessgegner in Höhe von 4.857,60 DM (2.571,75 €) sei durch das klägerische Mitverschulden auf 2.483,65 DM (1.242,83 €) begrenzt.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und der Beklagte zu 1) mit seiner Anschlussberufung.

Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht ein Mitverschulden angenommen. Das Landgericht habe ihren Vortrag übergangen, wonach sie, die Klägerin, mit Schriftsatz vom 17. August 2005 dem Gericht dargelegt und unter Beweis gestellt habe, dass sie sich auch nach dem ihr unbekannten Abschluss des Beweissicherungsverfahrens im Jahr 2001 alle drei Wochen bei dem Beklagten zu 1) nach dem Sachstand zu erkundigen bemüht habe. Er habe stets über seine Sekretärin mitteilen lassen, dass er nicht anwesend sei bzw. nicht mit ihr. der Klägerin, sprechen könne. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass sie dem Beklagten zu 1) den Vorschuss auf dessen Anforderung vom 21. November 2001 unverzüglich überwiesen habe. Mit der Berechnung des Gerichtskostenvorschusses habe der Beklagte deutlich zu erkennen gegeben, sich selbst um die Zahlung des Vorschusses zu kümmern, so dass sie, die Klägerin, davon habe ausgehen können, dass der Beklagte zu 1) rechtzeitig die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses vornimmt. Ein Verschulden des Beklagten zu 1) liege auch darin, dass er sie nicht über den zeitnah zu befürchtenden Verjährungseintritt belehrt habe. Hierauf sei zurückzuführen, dass sie nicht zeitnah den Gerichtskostenvorschuss gezahlt habe. Hinzu komme die dadurch aufgetretene Verwirrung, weil der Beklagte zu 1) nicht nur selbst den Gerichtskostenvorschuss bei ihr angefordert habe, sondern darüber hinaus ihr auch noch die Gerichtskostennote zugeleitet habe. Soweit das Landgericht die Holzimprägnierungskosten nicht als erstattungsfähig angesehen habe, sei dies ebenfalls fehlerhaft. Die Klägerin habe ein Haus mit einem neuen Dach gekauft. Minderungsmaßstab könnten daher nur die Sanierungskosten für ein neues Dach sein. Es sei mit dem Beklagten zu 1) abgesprochen gewesen, gegebenenfalls im Laufe des Verfahrens die Minderungsforderung zu erhöhen oder diese Kosten nach Vorliegen eines Urteils gegebenenfalls in einem Folgeprozess geltend zu machen. Tatsächlich sei ihr Schaden höher gewesen. Schließlich sei ihr auch die Mehrwertsteuer zuzusprechen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 17 O 203/04 - vom 21. Dezember 2006 - teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere 6.285,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und, im Wege der Anschlussberufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagten zu 2) - 4) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) meint, ihm könne keine Verletzung der Anwaltspflicht vorgeworfen werden. Für die Annahme des Landgerichts, dass die Klägerin ihn vollständig mit der Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche beauftragt habe, ergebe sich aus der Anhörung des dazu gehörten Ehemanns der Klägerin nichts. Es treffe vielmehr zu, dass die Klägerin auf Grund einer Aussage des Dachdeckermeisters Sch... davon ausgegangen sei, dass 40.000 - 50.000 DM verlangt werden könnten. Statt jedoch ungeprüft diese Mandantenvorstellung in einer Klageschrift zu übernehmen, habe er, der Beklagte zu 1), die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie in einem derartigen Prozess bei einem überwiegenden Unterliegen den zu erstreitenden Betrag für Prozess- und Anwaltskosten ausgeben müsse. Aus diesem Grund sei eine sichere Methode gesucht worden, die Schadenshöhe gerichtlich feststellen zu lassen. In diesem Zusammenhang hätten sich die Parteien auf ein Beweissicherungsverfahren geeinigt. Er, der Beklagte zu 1), habe sich auch nicht verpflichtet, unabhängig von der Klägerin für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zu sorgen. Darüber hinaus sei weiterhin offen, ob das ursprüngliche Beweissicherungsverfahren überhaupt ein Ende gefunden habe, da die Beweisfragen nicht vollständig beantwortet worden seien.

Im Übrigen verteidigt er mit den Beklagten zu 2) - 4) das erstinstanzliche Urteil.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung, zurückzuweisen.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind gemäß § 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 513, 517, 519, 520, 524 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Lediglich die Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg, da der Klägerin ein höherer als der vom Landgericht zugesprochene Schadensersatz zusteht.

Anspruchsgrundlage ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Aus diesem Gesichtspunkt kann die Klägerin alle vier der damaligen Sozietätsmitglieder auch nach Auflösung der Sozietät gemäß § 159 HGB als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) in Anspruch nehmen. Denn unstreitig haben die Parteien einen Anwaltsvertrag geschlossen. Die Klägerin hat den Prozess gegen den Veräußerer, in dem sie durch den Beklagten zu 1) vertreten wurde, wegen Verjährung verloren. Der Schaden, der ihr infolge nicht mehr durchsetzbarer Gewährleistungsrechte entstanden ist, ist auch auf einen Beratungsfehler zurückzuführen.

Unstreitig hat der Beklagte zu 1) die Klägerin nicht auf die Verjährungsfrist des § 477 BGB a. F. und die sich aus einem durchgeführten Beweissicherungsverfahren ergebenden Konsequenzen für deren Ablauf hingewiesen. Dies stellt einen Beratungsfehler dar, da eine entsprechende Beratung von dem konkreten Mandat, welches dem Beklagten von der Klägerin erteilt worden war, erfasst war.

Erstinstanzlich war zwar streitig, ob die Klägerin den Beklagten von vornherein auch mit der Klageerhebung beauftragt hat oder ob sich das Mandat zunächst nur auf das besagte Beweissicherungsverfahren beschränkte. Nach dem zweitinstanzlichen Vortrag des Beklagten zu 1) hat sich die Klägerin jedoch bereits im Herbst 1999 an ihn gewandt, damit er sogleich den ihr vorschwebenden hohen Betrag von bis zu 50.000,00 DM einklagen solle. Daraufhin habe er ihr vorgeschlagen, zunächst mit einem Beweissicherungsverfahren zu beginnen. Ausgehend von diesem zweitinstanzlichen Vorbringen hatte der Beklagte zu 1) die Interessen der Klägerin wegen der Mängel am Dach umfassend wahrzunehmen und sie vor möglichen Schädigungen zu bewahren. Insoweit hat der Beklagte zu 1) angesichts der Forderung von 40.000 - 50.000 DM zunächst zutreffend dahin beraten, zwecks Meidung eines Kostenrisikos zunächst ein Beweissicherungsverfahren durchzuführen. Das kann nur bedeuten, dass er bei entsprechendem Ausgang auch Klage erheben sollte. Aber auch schon bei der Ausführung des Mandats im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens hat der Beklagte zu 1) die Interessen der Klägerin nicht in dem erforderlichen Umfang wahrgenommen, indem er deren Einwendungen gegen das eingeholte Gutachten in Gestalt des Kostenvoranschlags entgegen §§ 492, 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO, ohne auf ein Ergänzungsgutachten hinzuwirken, lapidar dem Gericht übermittelt hat mit dem Bemerken, dass dies die tatsächlichen Kosten seien. Nach seinem eigenen Vortrag zu der Mandatserteilung war der Auftrag aber nicht auf das Beweissicherungsverfahren beschränkt, sondern aus den erkennbaren Erwartungen der Klägerin ließ sich der Auftrag entnehmen, auch eine entsprechend dem Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens abzufassende Klage zu erheben. Der Beklagte hatte also, ausgehend von der übergeordneten Zielsetzung (vgl. BGH VersR 1960, 932, 933 m.w.N.), Nachteile für den Auftraggeber zu vermeiden, soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind, nach Beendigung des Beweissicherungsverfahrens die hierfür erforderlichen weiteren Schritte mit der Klägerin abzusprechen und sie auf die wirtschaftlichen Gefahren und praktischen Folgen der jeweils anzuratenden rechtlichen Schritte hinzuweisen.

Beendet war das selbständige Beweisverfahren mit Zugang des Gutachtens über die Dachmängel, das war hier der 21. August 2000. Denn bei mehreren voneinander unabhängigen Mängeln desselben Bauvorhabens, die Gegenstand mehrerer Gutachten sind, endet die Beweissicherung hinsichtlich eines jeden dieser Mängel mit Übermittlung des auf ihn bezogenen Gutachtens. Das Recht einer Partei, ergänzende Fragen zum Gutachten zu stellen, oder Vorladung des Sachverständigen zu beantragen (§§ 492, 411, 397 ZPO) ändert für sich allein den für den erneuten Beginn der Verjährung maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Werden solche Fragen oder Anträge nicht oder nicht in angemessener Zeit gestellt, hat es mit dem erneuten Beginn der Verjährung bei Übersendung des Gutachtens sein Bewenden (BGH Versicherungsrecht 1993, 451, 452).

Der Beklagte zu 1) hätte diese BGH-Rechtsprechung kennen müssen und entsprechend die Klägerin belehren müssen, dass nunmehr die Verjährungsfrist erneut zu laufen beginne und entsprechend nach einem Jahr enden werde. Diese Verpflichtung bestand nicht nur im Falle einer umfassenden Mandatserteilung, wie vom Beklagten zu 1) in zweiter Instanz zugestanden, sondern auch dann, wenn ihm ausschließlich zunächst nur für das selbständige Beweisverfahren Auftrag erteilt worden wäre. Denn dies war von seiner Verpflichtung, die Klägerin insoweit umfassend und deren Interesse in bestmöglicher Weise wahrend zu beraten, erfasst. In jedem Fall hätte er sie auf die nach Abschluss des Beweissicherungsverfahrens drohende Verjährung hinweisen müssen. Die Prüfung der Verjährungsfrage gehört zu den wichtigsten Pflichten eines Anwalts (BGH MDR 1983, 242). Es gehört gerade zu dem ureigenen Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts (OLG Düsseldorf, Versicherungsrecht 1980, 483, 484), dafür Sorge zu tragen, dass die Rechte des Mandanten gegen drohende Verjährung gesichert werden (BGH Versicherungsrecht 1971, 1119, 1121, ständige Rechtsprechung). Anders wäre es nur, wenn es sich bei der Klägerin um einen rechtskundigen Mandanten gehandelt hätte, und der Beklagte zu 1) mit Sicherheit davon hätte ausgehen können, dass sich die Klägerin der Risiken der Verjährung bewusst gewesen sei und insbesondere auch den Zeitpunkt des Fristablaufs kenne, was hier weder dargetan noch ersichtlich ist. Aber auch wenn für ihn der genaue Termin der Beendigung der Verjährungsunterbrechung nicht einwandfrei festgestanden haben sollte, so hätte er jedenfalls der Klägerin den sicheren Weg empfehlen müssen, also ihr raten müssen, so rechtzeitig Klage zu erheben, dass auch bei einer für die Klägerin ungünstigen Beurteilung der Verjährungsfrage die Gefahr der Klageabweisung vermieden werde (BGH NJW 1993, 734; BGH NJW 1996, 48, 51; NJW 2001, 675).

Dies ist nicht geschehen. Bei der Klägerin zu unterstellendem beratungsgerechtem Verhalten nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens hätte diese in jedem Fall rechtzeitig Klageauftrag erteilt und auch auf entsprechend vom Beklagten zu 1) zu erwartender Belehrung rechzeitig für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge getragen, wofür zudem spricht, dass die Beklagte am 12. Februar 2001 die umfassende Prozessvollmacht unterzeichnet hatte und auf Anforderung des Beklagten dem Vorschuss gezahlt hat. Jedenfalls war die im Herbst 2001 erteilte Belehrung zu spät, da nach Zugang des Gutachtens am 21. August 2000 die Verjährungsfrist bereits am 21. August 2001 abgelaufen war, so dass die im November 2001 eingereichte Klage zu spät bei dem Landgericht einging und auch spätestens in der zweiten Instanz aus diesem Grund abgewiesen worden wäre .

Damit haben die Beklagten Schadensersatz in Höhe des verlorenen Prozesses zu leisten. Denn dass die Minderungsklage bei rechtzeitiger Erhebung zum Erfolg geführt hätte, bestreiten die Beklagten in der zweiten Instanz nicht mehr. Sie wenden sich mit ihrer Berufungserwiderung auch nicht gegen die in erster Instanz festgestellten Minderungskosten, die allerdings entgegen § 472 BGB a. F., als Ersatz für die Berechnung des Minderwertes, wie in der Praxis üblich (Palandt/Putzo, 61. Aufl., § 472 Rn. 8), nach dem vereinbarten Kaufpreis abzüglich Reparaturkosten angesetzt werden.

Die Klägerin, die die Dachreparatur in Eigenregie vorgenommen hat, will auf die erstinstanzlich festgestellten Reparaturkosten noch die Mehrwertsteuer aufschlagen. Bei der Berechnung der Minderung gemäß § 472 BGB ist die Mehrwertsteuer allerdings nur ein Kalkulationsposten. Ist sie in dem vereinbarten Kaufpreis enthalten, fließt sie auch in die Feststellung des Ausgangswertes, von dem aus gemindert wird, ein, so dass in diesem Fall bei der Höhe der Minderung auch die Mehrwertsteuer zu berücksichtigen ist. Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit dem Kaufpreis auch die Mehrwertsteuer für das Hausgrundstück bezahlt hat, diese also in dem vereinbarten Kaufpreis für das Hausgrundstück enthalten war. Dann kann sie aber nicht in die Feststellung des Ausgangswertes einfließen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Mehrwertsteuer, wie dargelegt, hier nicht zu berücksichtigen. Denn die Minderung bestimmt sich nicht nach den Kosten, die der Käufer zur Beseitigung des Mangels aufzuwenden hat; vielmehr ist die Eigenart der vertraglichen Kaufpreisbildung aufrecht zu erhalten.

Soweit die Klägerin darüber hinaus auch Kosten der Imprägnierung des Dachstuhls erstattet verlangt, obwohl sie derartige Kosten im Ursprungsprozess nicht geltend gemacht hatte, kann ihre Berufung keinen Erfolg haben. Den Beiakten ist nicht zu entnehmen, dass sie eine Teilklage erhoben hätte. Sie hat auch bis zur zweiten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in dem über ein Jahr laufenden Vorprozess keine Klageerweiterung vorgenommen. Bei Geltendmachung dieses Betrages in gesonderter Klage wäre die Forderung ohnehin verjährt gewesen.

Danach stehen der Klägerin die erstinstanzlich festgestellten Reparaturkosten als Minderungsbetrag in Höhe von 10.059, 80 DM zu.

Hinzu kommen die Kosten des verlorenen Prozesses mit 4.857, 60 DM, insgesamt 14.917,40 DM oder 7.627,15 €.

Der Betrag ist nicht wegen eines der Klägerin anzulastenden Mitverschuldens gemäß § 254 BGB zu reduzieren.

Grundsätzlich ist die Fristwahrung eine ureigene Aufgabe des Anwalts und ein Mitverschulden des Mandanten wegen Fristversäumung deshalb abzulehnen (BGH NJW 1992, 820). Die Klägerin durfte sich auf fehlerfreie Beratung und Behandlung von Rechtsfragen unbesehen verlassen, so dass ihr, vom Beklagten zu 1) auf das Drohen des Ablaufs der Verjährungsfrist nicht hingewiesen, ein Mitverschulden nicht angelastet werden kann.

Denn der Einwand des mitwirkenden Verschuldens greift in der Regel dann nicht durch, wenn die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt dem in Anspruch genommenen Schädiger allein oblag. Deswegen kann grundsätzlich dem Geschädigten nicht ein Mitverschulden angerechnet werden, weil er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er einen Fachmann hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können (BGH WM 1992, 62).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 92, 97, 708 Ziffer 10, § 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück