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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 5 U 132/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 286 | |
BGB § 286 Abs. 3 | |
BGB § 288 | |
BGB §§ 387 ff | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 261 | |
ZPO § 269 | |
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 | |
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
5 U 132/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 12. Juli 2007
Verkündet am 12. Juli 2007
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Landgericht Boecker
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Juli 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 11 O 5/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Mit der - soweit noch in zweiter Instanz rechtshängigen - Klage verlangt die Klägerin, gestützt auf einen von der nunmehr mit ihr verschmolzenen VE... AG B... mit der Beklagten am 15. August 2000 geschlossenen notariellen Kaufvertrag, Zahlung von Zinsen auf ein von der Beklagten zu zahlendes Nutzungsentgelt und zwar in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 6. Dezember 2001 von 21.892,81 €.
Zunächst hatte die VE... einen Mahnbescheid über 21.892,81 € Nutzungszinsen vom 1.9. bis 30.11.2000 sowie über 637,80 € Grundsteuer erwirkt. Nachdem die Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, hat die Klägerin die Durchführung des streitigen Verfahrens nur noch bezüglich der Grundsteuer beantragt und darüber hinaus Zahlung von Verzugszinsen auf den Betrag von 21.892,81 € verlangt.
Das Landgericht hat der Klage nach teilweisem Anerkenntnis in voller Höhe stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, in Höhe von 188,67 € habe die Beklagte die Forderung anerkannt, so dass sie entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen sei. Der Klägerin stehe auch der darüber hinaus geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Grundsteuer in Höhe von 449,12 € zu. Ferner könne sie Zahlung der Zinsen auf von der Beklagten zu zahlendes Nutzungsentgelt in Höhe von 21.892,81 € seit dem 6. Dezember 2001 aus §§ 286, 288 BGB verlangen.
Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Nach Vorlage des Handelsregisterauszuges stehe fest, dass die Klägerin im Wege der Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der VE... sei. Die Beklagte sei passivlegitimiert, da sie ausweislich des Kaufvertrages vom 15. August 2000 Käuferin des Grundstücks sei.
Neben dem Anspruch auf Erstattung anteiliger Grundsteuern in Höhe von 449,12 € könne die Klägerin Zahlung von Zinsen auf das von der Beklagten zu entrichtende Nutzungsentgelt für die Zeit ab Übergabe des Grundstücks am 31. August 2000 bis zur Zahlung des Kaufpreises am 1. Dezember 2000 gem. § 286 Abs. 3, 288 BGB verlangen.
Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, für die Zeit ab Übergabe des Grundstücks am 31. August 2000 bis zur Zahlung des Kaufpreises am 1. Dezember 2000 einen Nutzungszins in Höhe von 7 % p. a. zu zahlen (§ 2 Abs. 4 des Kaufvertrages). Bei einem zu Grunde zu legenden Kaufpreis von unstreitig 2.453.500,00 DM entspreche diese bei dem vereinbarten Zinssatz von 7 % einem Betrag von 21.898,81 € (42.818,62 DM). Die Beklagte sei spätestens 30 Tage nach der ihr am 28. Februar 2001 zugegangenen Rechnung der Klägerin vom 23. Februar 2001 in Verzug geraten, so dass die Beklagte spätestens ab dem 6. Dezember 2001 Zahlung von Zinsen zu entrichten habe. Es liege kein Verstoß gegen das Verbot des sogenannten Zinseszinses vor. Denn die Klägerin begehre keine Zinsen auf von der Beklagten zu zahlende Zinsen sondern Zinsen auf eine von der Beklagten nach § 2 Abs. 4 des Kaufvertrages zu zahlende Nutzungsentschädigung.
Die geltend gemachte Forderung sei nicht verjährt. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht durch von der Beklagten mit Schriftsatz vom 3. November 2005 erklärten Aufrechnungen erloschen. Die Beklagte habe seinerzeit noch vor dem Amtsgericht Strausberg die Aufrechnung wirksam erklärt. Die Aufrechnungserklärung habe, anders als die Beklagte wohl meine, nicht mehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21. Juni 2006 zurückgenommen oder widerrufen werden können, da sie als Prozesshandlung gestaltenden Charakter habe, mithin unwiderruflich sei. Der Beklagten stünden jedoch gegen die Klägerin die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht zu.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie auf den Betrag der Nutzungszinsen von 21.892,61 € beschränkt, während sie die Verurteilung in Höhe von 637,79 € nicht angreift.
Zur Begründung will die Beklagte auf die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in der ersten Instanz Bezug nehmen. Näher führt sie aus, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Klage bezüglich der Nutzungszinsen zurückgenommen worden sei, sie, die Beklagte, der Rücknahme zugestimmt habe, so dass somit nur bezüglich der Kosten habe entschieden werden müssen. Dies habe das Gericht übersehen. Des Weiteren habe das Landgericht über die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche entschieden, obwohl die Aufrechnungserklärung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zurückgenommen bzw. widerrufen worden sei. Dies sei wirksam geschehen. Eine Aufrechnung mache den zur Aufrechnung gestellten Anspruch nicht nach § 261 ZPO rechtshängig, weshalb die Beklagte die Aufrechnung stets fallen lassen dürfe, auch ohne die Zustimmung des Prozessgegners. Die prozessuale Aufrechnung werde erst durch Vortrag in der mündlichen Verhandlung wirksam und könne widerrufen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. Juli 2006 insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen, als die Beklagte über den Betrag von 637,79 € hinaus verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin weist darauf hin, dass sie die noch im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung von 21.892,81 € im streitigen Verfahren nicht mehr weiterverfolgt habe, so dass dieser Betrag zutreffend vom Landgericht nicht bei der Kostenentscheidung berücksichtigt worden sei. Zu Recht habe das Landgericht auch über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in Höhe von insgesamt 46.643,12 € entschieden, da die Rücknahme der Aufrechnungserklärung wirkungslos gewesen sei.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
In Höhe von 637,79 € nebst Zinsen ist das Urteil rechtskräftig. Es geht im Berufungsverfahren also nur noch um die Frage, ob die Beklagte der Klägerin Zinsen auf das Nutzungsentgelt in Höhe von 21.892,81 € seit dem 6. Dezember 2001 schuldet und ob darüber hinaus zu Unrecht über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung entschieden worden ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt eine Rücknahme bezüglich der Verzugszinsen auf das Nutzungsentgelt nicht vor. Die Verzugszinsen waren zunächst nicht Gegenstand des Mahnbescheides, der sich lediglich über die Hauptforderung von 21.892,81 € verhielt, und wurden erst im Rahmen des streitigen Verfahrens geltend gemacht.
Soweit die Beklagte beanstandet, dass das Landgericht sie zur Zahlung von Zinsen auf den Betrag von 21.892,81 € seit dem 6. Dezember 2001 verurteilt habe, greift die Beklagte das Urteil mit Ausnahme der fehlenden Aktivlegitimation mit Gründen nicht an. Die Aktivlegitimation der Klägerin als mit der Gläubigerin verschmolzenes Unternehmen ist aber nach Vorlage der Handelsregisterauszüge (Bl. 14 ff. und Bl. 261 ff. d. A.) nicht zweifelhaft. Soweit sich die Beklagte mit ihrer Berufung darüberhinaus gegen die Verurteilung zur Zahlung der Verzugszinsen unter Verweis auf erstinstanzlichen Vortrag wendet, ist die Berufung unzulässig. Denn die Beklagte hat entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO nicht konkret angegeben, in welchen Punkten und auch aus welchen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig ist. Die bloße Berufung auf erstinstanzliches Vorbringens genügt nicht (Musielak, ZPO, § 520 Rn. 20).
Zu Recht hat das Landgericht auch über die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung entschieden, obwohl der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt hat, dass erhobene Einwendungen gegen die Klageforderungen nicht zur Aufrechnung gestellt würden.
Die Aufrechnung ist gemäß §§ 387 ff BGB eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, also Ausübung eines privatrechtlichen Gestaltungsrechts durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger (§ 388 S. 1 BGB). Dabei ist unerheblich, ob sie vor dem Prozess, außergerichtlich während eines laufenden Prozesses oder im Prozess erklärt wird. Erklärt der Beklagte die Aufrechnung erstmals in der mündlichen Verhandlung, so stellt sein (einheitliches) Vorbringen sowohl die materielle Aufrechnungserklärung wie die prozessuale Geltendmachung dar (Doppeltatbestand). Die Aufrechnung im vorbereitenden Schriftsatz bedeutet dagegen lediglich die Ankündigung, in der mündlichen Verhandlung die Aufrechnung materiell und prozessual erklären zu wollen (MünchKomm/Peters, § 145, Rn. 19; Stein-Jonas-Leipold, § 145 Rn. 29). Nur im schriftlichen Verfahren ist die Aufrechnung als sofort wirkende materielle Gestaltungserklärung und Prozesshandlung gemeint (MünchKomm/Peters a.a.O.).
Hier hat zunächst eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden. Darin hat das Amtsgericht beiden Parteien Hinweise erteilt. U. a. ist die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass bezüglich der geltend gemachten Gegenforderungen keine Aufrechnungserklärung vorliege. Da beide Parteien auf diese Hinweise Schriftsatznachlass beantragt hatten, hat das Amtsgericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt und beiden Parteien Schriftsatznachlass gewährt. Im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 3. November 2005 hat die Beklagte dann gegenüber der Forderung der Klägerin auf Zahlung des Nutzungszinses die Aufrechnung mit den darin im Einzelnen aufgeführten Gegenforderungen erklärt.
Bei diesem Schriftsatz handelt es sich nicht nur um einen die mündliche Verhandlung vorbereitenden sondern um einen solchen im schriftlichen Verfahren. Die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht war bereits geschlossen und es war Verkündungstermin anberaumt worden. Indem das Landgericht beiden Parteien einen Schriftsatznachlass bewilligt hat, ist es in das schriftliche Verfahren übergegangen und die im nachgelassenen Schriftsatz erklärte Aufrechnung war als sofort wirkende materielle Gestaltungserklärung und Prozesshandlung gemeint. Damit war sie unwiderruflich (Zöller/Greger § 145, Rn. 11, Baumbach/Lauterbach/ Hartmann § 145 Rn. 12).
Die Aufrechnung war zwar gegenüber der Forderung der Klägerin auf Zahlung des Nutzungszinses, das ist die ursprünglich mit dem Mahnbescheid verfolgte Forderung gemäß § 2 Ziff. 5 des Vertrages, erklärt worden, während es im streitigen Verfahren nur um die Zinsen hierauf geht. Die Zinsforderung war jedoch von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass das Landgericht zu Recht zunächst über diese und im Zusammenhang damit über die Aufrechnung entschieden hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Klage stattzugeben sei, weil die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht bestehe.
Über die Kosten hat das Landgericht gemäß § 91 ZPO entschieden und diese der Beklagten als der Unterlegenen auferlegt. Es hat § 269 ZPO unberücksichtigt gelassen, soweit es um die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten 21.892,81 € geht. Dies ist nicht zu beanstanden. Denn wegen des Nutzungsentgelts war das Mahnverfahren nicht in das streitige Verfahren übergeleitet worden, so dass die Streitsache insoweit als nicht rechtshängig geworden anzusehen ist (§ 696 Abs. 4 ZPO). Für die Kostenentscheidung war der ermäßigte Wert ausschlaggebend (Zöller/Vollkommer § 696 Rn. 2a).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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