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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.09.2009
Aktenzeichen: 5 U 143/08
Rechtsgebiete: BGB, ZGB/DDR, EGBGB, EGZGB, VZOG 1994, ZPO


Vorschriften:

BGB § 217 n. F.
BGB §§ 812 ff
BGB § 816
BGB § 816 Abs. 1 Satz 1
BGB § 818
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 873
BGB § 892
BGB § 894
BGB § 900
BGB § 937
BGB § 985
BGB §§ 987 ff
BGB § 988
BGB § 2020
BGB § 2021
ZGB/DDR § 33 Abs. 2 Satz 1
ZGB/DDR § 33 Abs. 2 Satz 2
ZGB/DDR § 356
ZGB/DDR § 357
ZGB/DDR § 413 Abs. 2
EGBGB Art. 237 § 1
EGBGB Art. 237 § 2
EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 1
EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 1 Satz 2
EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 2
EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 3
EGZGB § 8 Abs. 1
VZOG 1994 § 8 Abs. 1
VZOG 1994 § 8 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6. Juni 2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 35/05 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerinnen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerinnen von dem beklagten Land Zahlung von Nutzungsentgelt für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1998 verlangen können.

Die Klägerinnen sind Erbinnen nach C... S....

C... S... war im Grundbuch von P... Blatt 6239 als Eigentümerin des Grundstücks A... 4 in P... (Grundstück), eingetragen. Sie verstarb am 18. Januar 1982. Da Erben nicht ermittelt wurden bzw. werden konnten, stellte das Staatliche Notariat P... mit Bescheid vom 11. Oktober 1983 fest, dass der Staat Erbe der Verstorbenen sei. In der Folgezeit wurde das Grundstück im Bestandsblatt als Eigentum des Volkes ausgewiesen. Rechtsträger war zuletzt der Rat des Bezirkes P.... Am 27. April 1998 wurde der Bescheid des Staatlichen Notariats vom 11. Oktober 1983 eingezogen. Das Amtsgericht Potsdam erteilte den Klägerinnen am 21. März 2000 einen gemeinschaftlichen Erbschein. Am 9. Oktober 2000 wurde auf Ersuchen des Präsidenten der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 4. August 2000 das beklagte Land als Eigentümer des Grundstücks eingetragen.

Mit ihrer Stufenklage haben die Klägerinnen von dem beklagten Land zunächst Auskunft über die Höhe der Nutzungen aus dem Grundstück verlangt. Diesem Antrag hat das Landgericht stattgegeben und durch sein rechtskräftiges Urteil vom 16. Dezember 2005 das beklagte Land verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über die Höhe der Nutzungen aus dem Grundstück A... 4 in P... in der Zeit vom 30. November 1987 bis zum 30. September 1998 zu erteilen.

Nach erteilter Auskunft hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil das beklagte Land verurteilt, an die Klägerinnen 284.242,14 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Klägerinnen als damaligen Eigentümerinnen stehe gegen das beklagte Land als Erbschaftsbesitzer ein Anspruch auf Herausgabe der bis zum Zeitpunkt des Eigentumsverlustes gezogenen Nutzungen aus §§ 2020, 2021, 818 Abs. 2 BGB, bzw., bis zum 2. Oktober 1990, gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 ZGB/DDR zu. Der Anspruch umfasse neben den im Jahre 1991 aus Vermietung erzielten Einnahmen in Höhe von 16.400 DM auch die in der Eigennutzung für den davor und danach liegenden Zeitraum liegenden Gebrauchsvorteile nach Maßgabe der jeweiligen objektiven Mietwerte. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch sei nicht durch die Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB entfallen. Diese Vorschrift schließe ihrem Inhalt nach zum Ersitzungszeitpunkt bereits entstandene eigentumsbezogene Ansprüche gemäß § 816, §§ 987 ff bzw. vorliegend §§ 2020 ff BGB nicht aus. Da es um einen Ausgleich von Vermögensvorteilen gehe, die vor Änderung der eigentumsrechtlichen Zuordnung durch den Bucheigentümer erzielt worden seien, habe derartige Ansprüche nur der Gesetzgeber ausschließen können. Der Verwirkungstatbestand des Art. 237 § 2 EGBGB sei auch nicht mit der Bestandschutzregelung des Art. 237 § 1 EGBGB vergleichbar, der nach h. M. sämtliche auf Eigentum gestützte Ansprüche untergehen lasse. Im Gegensatz hierzu beinhalte Art. 237 § 2 EGBGB nur eine weniger einschneidende Ausschlussfrist. Die Herausgabe erlangter Vermögensvorteile schulde der Bereicherte hiernach unabhängig davon, ob es später zu einer tatsächlichen oder fiktiven Ersitzung komme. Ausschlaggebend sei für den Anspruch der Klägerinnen allein, dass sie während der Zeit der Nutzung durch das beklagte Land Eigentümer des Grundstücks gewesen seien.

Der Höhe nach sei der objektive Mietwert für die streitgegenständliche Zeit durch das vom Gericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. U... Sp... festgestellt. Die Ansprüche der Klägerinnen seien - auch nicht teilweise - wegen Wegfalls der Bereichung nach §§ 2021, 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Die Bereicherung bestehe fort, weil sich das beklagte Land damit noch vorhandene Vermögensvorteile verschafft habe, auch wenn es, wie behauptet, bei Kenntnis des Eigentums der Klägerinnen nicht deren Grundstück, sondern andere leerstehende Gebäude genutzt hätte. Auf die nach § 2021 BGB herauszugebende Bereicherung seien im Wege der Anrechnung die vom beklagten Land gemachten Aufwendungen, die von den Klägerinnen mit ihrem Sicherheitsabschlag von 33 % hinreichend berücksichtigt worden seien, abzuziehen.

Gegen das Urteil wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung, mit der es eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts rügt.

Das beklagte Land meint, dass der auf dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bzw. der ungerechtfertigten Bereicherung beruhende aus dem Eigentum abgeleitete Anspruch der Klägerinnen auf Herausgabe der bis zum Eigentumsverlust aus dem Grundstück gezogenen Nutzungen mit Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 1, 2 EGBGB entfallen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen Art. 237 § 1 und Art. 237 § 2 EGBGB. Beide Vorschriften unterschieden sich nur dadurch, dass in dem einen Fall der Verlusttatbestand wegen unbeachtlicher und in dem anderen wegen nicht fristgerecht gerichtlich geltend gemachter Erwerbsmängel geregelt werde. In beiden Fällen bestehe vor Rechtsverlust die Rechtslage eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. So werde auch für § 937 BGB von der herrschenden Meinung die Auffassung vertreten, dass ein bereits zuvor entstandener Anspruch aus dem Eigentum gegenüber dem ursprünglichen Besitzer mit der Ersitzung erloschen sei. Art. 237 § 2 EGBGB sei im übergeordneten Interesse der Grundbuchklarheit, der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eingeführt worden. Mit ihm habe der Gesetzgeber die Rechtslage abschließend im Hinblick auf das Bestehen von Eigentumsansprüchen geregelt. Gerade der gutgläubig das Eigentum Erwerbende solle davor geschützt werden, auch noch Jahre nach der Wiedervereinigung im Hinblick auf das Eigentum in Anspruch genommen zu werden. Ein derartiger Rechtsfrieden könne nur dann erzielt werden, wenn nicht nur die Ansprüche auf Herausgabe und auf Eigentumsübertragung bzw. Feststellung von Eigentum abschließend geregelt würden, sondern auch solche Ansprüche, die aus dem zuvor bestehenden Eigentum herrührten. Es gebe keine inhaltliche Rechtfertigung dafür, zwar die dingliche Rechtslage endgültig zu regeln, die aus der zuvor bestehenden dinglichen Rechtslage folgenden Ansprüche aber nicht zugleich mit zu erledigen. Die Gesamtregelung des Gesetzgebers sei bei verständiger Würdigung nur dann sinnvoll, wenn insgesamt die auf und aus dem Eigentum resultierenden Ansprüche bei Verwirklichung der dort vorgesehenen Tatbestände abschließend zwischen den Parteien geregelt würden.

Was die Höhe des zuerkannten Anspruchs betreffe, seien nur die im Jahr 1991 erzielten Mietzinseinnahmen in Höhe von 16.400 DM zu berücksichtigen. Im Übrigen habe sie das Haus selbst für eigene Zwecke genutzt und derartige Gebrauchsvorteile seien mit gezogenen Nutzungen nicht gleichzusetzen, weil genügend Ersatzraum zur Verfügung gestanden habe. Jedenfalls sei es aus diesem Grund als entreichert anzusehen.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 6. Juni 2008 - 1 O 35/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sowie den Inhalt der von den Parteien zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die statthafte (§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 513, 517, 519, 520 ZPO) hat auch in der Sache Erfolg.

Den Klägerinnen steht kein Anspruch auf Ersatz von Nutzungen zu, die das beklagte Land in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1998 dadurch gezogen hat, dass es das Hausgrundstück vermietet bzw. für eigene Zwecke genutzt hat.

1.

Das in der Auskunftsstufe rechtskräftig ergangene Teilurteil entfaltet keine Bindungswirkung auch für die Leistungsstufe. Denn innerhalb der Stufenklage sind die stufenweise erhobenen Ansprüche prozessual selbständige Teile (BGH NJW 1980, 1106, 1107) und die Entscheidung zum Auskunftsanspruch enthält keine rechtskräftige Feststellung zum Grund des Leistungsanspruchs (Zöller/Greger 27.Aufl. § 254 Rn. 9 m.w.N.).

2.

Da die Klägerinnen weder zuordnungs- noch restitutionsberechtigt sind, können sie den Anspruch auf Nutzungsersatz nicht aus dem Vermögenszuordnungsgesetz oder dem Vermögensgesetz herleiten.

Auch zivilrechtliche Ansprüche gemäß § 33 Abs. 2 Sätze 1, 2 ZGB/DDR für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 und für die Zeit danach gemäß § 988 i.V.m. §§ 812, 818 Abs. 1, 2 BGB bestehen nicht.

Gemäß Artikel 235 § 1 EGBGB sind für die erbrechtlichen Verhältnisse der Klägerinnen als die wahren Erbinnen der ursprünglich eingetragenen, am 18. Januar 1982 in der DDR verstorben Eigentümerin und von in der DDR gelegenem Grundbesitz die Bestimmungen des Erbrechts der DDR maßgebend. Für den nach dem 1. Januar 1976 eingetretenen Erbfall gilt gemäß § 8 Abs. 1 EGZGB das ZGB/DDR. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer zählt zu den erbrechtlichen Verhältnissen, auch soweit sie im Recht der DDR durch Verweisung auf allgemeine Bestimmungen geregelt waren. An der Rechtsstellung der Klägerinnen als Erbinnen hat der Beschluss des Staatlichen Notariats vom 11. Oktober 1983 nichts geändert, da gemäß § 413 Abs. 2 ZGB/DDR der Erbschein lediglich die Vermutung begründete, dass der Fiskus Erbe sei. Der Anspruch der Klägerinnen auf Nutzungsersatz für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 leitete sich mithin aus § 33 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. §§ 356, 357 ZGB/DDR ab, wonach der Eigentümer von jedem, der ihm sein Eigentum unberechtigt vorenthielt und dadurch einen Vorteil ohne Rechtsgrund erlangte, die Herausgabe einschließlich der erlangten Nutzungen verlangen konnte. Für die Zeit nach dem 2. Oktober 1990 galten gemäß Art. 233 § 2 BGB für das von den Klägerinnen ererbte Eigentum an dem Grundstück und darauf beruhende Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen bzw. Wertersatz die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches, für den Nutzungsersatzanspruch damit § 988 BGB, der auch im Falle einer Verfügungsbefugnis des beklagten Landes gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VZOG 1994 gegenüber dem wirklichen Eigentümer eingreift (BGHZ 114, 100, 118). Hingegen können die Klägerinnen den Anspruch nicht aus §§ 2020, 2021 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB herleiten, da das ZGB/DDR einen besonderen Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer nicht kannte. Beide Ansprüche sind jedoch mit Ablauf des 30. September 1998 erloschen.

Nach dem Tod von C... S... war fälschlich festgestellt worden, dass der Staat ihr Erbe geworden war und vor dem 3. Oktober 1990 war das Grundbuch zugunsten des Eigentums des Volkes umgeschrieben bzw. das Grundstück im Bestandsblatt als volkseigen geführt worden. Vor Ablauf des 30. September 1998 haben die Klägerinnen als die wahren Eigentümerinnen keinerlei Ansprüche auf Grundbuchberichtigung geltend gemacht. Das beklagte Land ist daher gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB Eigentümer des Grundstücks geworden, so dass die Klägerinnen Herausgabe des Grundstücks nicht mehr verlangen können. Dies hat den Verlust des aus dem Eigentum fließenden Anspruchs auf Herausgabe der Nutzungen bzw. Wertersatz zur Folge.

Art. 237 § 2 Abs 2 EGBGB ist an die Stelle der nicht begründbaren Buchersitzung (vgl. BGHZ 132, 245) durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz eingeführt worden.

Die Vorschrift heilt Entstehungsmängel des im Grundbuch oder im Bestandsblatt eingetragenen Volkseigentums, wenn dieses nicht durch rechtskräftige Klage des wirklichen Eigentümers oder begründeten Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs vor Ablauf des 30. September 1998 angegriffen war. Das Eigentum ging mit dem Ablauf des 30. September 1998 auf die nach den Vorschriften über die Abwicklung des Volkseigentums zuordnungsberechtigte juristische Personen über.

Nutzungsersatz verlangen die Klägerinnen für den davorliegenden Zeitraum, als sie noch die wahren Eigentümer des Grundstücks waren. Grundsätzlich setzt der Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 988 BGB i.V.m. § 818 BGB eine Vindikationslage nur zur Zeit der Tatbestandsverwirklichung voraus und nicht auch das Fortbestehen dieser Lage. Ausdrücklich ist in Art. 237 § 2 EGBGB auch nicht geregelt, dass derartige Ansprüche, die vor dem 1. Oktober 1998 entstanden sind, zugleich mit dem Verlust des Eigentums und des damit verbundenen Grundbuchberichtigungsanpruchs ebenfalls entfallen sollten.

In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass vor dem Stichtag entstandene Ansprüche auch noch nach dem Stichtag geltend gemacht werden können, weil sich weder im Wortlaut noch in den Materialien ein Anhalt dafür finde, dass bereits entstandene Ansprüche aus §§ 987 ff, 812 ff BGB ausgeschlossen sein sollten. Auch der Zweck der Herstellung der grundbuchrechtlichen Ordnung und Rechtsklarheit werde durch solche Ansprüche nicht berührt (Palandt/Bassenge, 61. Aufl. Art. 237 Rn. 1; Staudinger Rauscher, [2003] Art. 237 EGBGB Rn. 26).

Nach einer anderen Meinung (Böhringer in Eickmann Sachenrechtsbereinigung Art. 233 § 2 EGBG Rn 89 c; MünchKomm/Busche Art. 237 Rn. 10; Schmidt/Gohrke, VIZ 2000, 697, 700) führt der Eigentumsverlust nach Art. 237 § 2 EGBGB hingegen dazu, dass alle dinglichen und sonstigen Ansprüche, die die Eigentümerstellung des Anspruchsstellers voraussetzen, mit den gesetzlichen Eigentumserwerb untergehen. Der frühere wirkliche Eigentümer könne sich nach Fristablauf nicht mehr auf Erwerbs- oder hieraus resultierende Verfügungsmängel und damit auf sein früheres Eigentum berufen. Es komme zu einem umfassenden Rechtsverlust einschließlich aller aus dem Eigentum entspringenden Ansprüche wie z. B. die aus §§ 894, 985, 987 BGB.

Der Senat schließt sich der letzteren Ansicht aus folgenden Erwägungen an:

Der Gesetzgeber hat mit Art. 237 § 2 EGBGB darauf reagiert, dass der Bundesgerichtshof die Ersitzung von Volkseigentum jedenfalls vor dem 31. Dezember 2005 verneint hat (BT-Drucks 13/7275 S. 33; BGHZ 132, 245; 136, 228). Er wollte mit der Fristenregelung ein ähnliches Ergebnis erzielen, so dass in der Vorschrift kein Heilungsfall, sondern eine Art Buchersitzung zu sehen ist (BGH, ZOV 2003, 171, 172; LG Rostock, VIZ 2002, 589, 591; Böhringer, OV Spezial 1999, 258; Keller/Schöner/Stöber Rn 42112 p). Mit der Vorschrift des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber also einen Tatbestand geschaffen, der der Ersitzung in § 900 BGB (auch dem Wortlaut nach) nachgebildet ist. Der Regelungsgehalt der Norm geht damit über eine bloße Ausschlussfrist hinaus. Jedem, der einen Erwerbsmangel in Bezug auf einen eingetragenen Eigentümer geltend machen will, wird mit der Vorschrift eine letzte, zeitlich begrenzte Chance eingeräumt, diesen Mangel zu rügen. Danach soll im Interesse des Rechtsfriedens eine Berufung auf den Mangel nicht mehr möglich sein und Rechtssicherheit durch Heilung von Fehlern beim Erwerb zu Volkseigentum unter ersitzungsähnlichen Bedingungen erreicht werden.

In dinglicher Hinsicht steht damit fest, dass ein früherer Eigentümer nach ungehemmtem Fristablauf nicht mehr Herausgabe des Grundstücks und Grundbuchberichtigung verlangen kann. Darüber hinaus beugt Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB dem Entstehen von "nacktem" Eigentum ohne Sachherrschaft vor, das, wenn es die Ersitzung nicht gäbe, in dem Augenblick entstehen würde, in dem der Herausgabeanspruch des wirklichen Eigentümers gegen den Buchbesitzer verjährt, indem er die Verjährungswirkung nach der positiven Seite verstärkt (Staudiner/Gursky (2008) § 900, Rn. 2). Für die weniger einschneidende Verjährung - die Schnabel (ZOV 1997, 384, 389) allerdings als absolute und ohne Einredeerfordernis in der Vorschrift des Art. 237 § 2 EGBGB sieht - gilt § 217 BGB n. F. (§ 224 BGB a. F.), wonach mit dem Hauptanspruch der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen verjährt, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist. Der Anspruch auf Nutzungsherausgabe zählt zu den in § 217 BGB angesprochenen Nebenansprüchen des Anspruchs aus § 985 BGB (Palandt/Heinrichs § 217 Rz. 1). Zudem ist für die Ersitzung anerkannt, dass bei Fehlen einer Leistungsbeziehung zwischen dem bisherigen und dem Ersitzenden die Ersitzung einen endgültigen Erwerbsgrund darstellt, welcher die Eingriffskondiktion, die hier allein in Betracht käme, mit den Folgeansprüchen der §§ 812 ff BGB ausschließt (Siehr in Festsschrift Stoll, S. 373, 382, 384 m.w.N.).

Genauso wie § 900 BGB will auch Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB eine endgültige Neuordnung der Güterlage herbeiführen, d.h., mit dem gesetzlichen Erwerbsvorgang zugleich einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen in jeder Hinsicht bereitstellen. Auch im Übrigen ist die Rechtsfolge des Art. 237 § 2 EGBGB mit dem Ersitzungstatbestand des § 900 BGB vergleichbar. Er sieht genauso wie § 900 BGB einen schuldrechtlichen Ausgleich für den Rechtserwerb des Buchberechtigten nicht vor.

Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 2003 (V ZR 38/02 - zitiert nach Juris) nicht entgegen, wonach der einmal entstandene Anspruch auf Herausgabe des Erlöses nicht in entsprechender Anwendung von Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB erlischt, wenn zu Unrecht eingetragenes Volkseigentum vor dem 30. September 1998, also bevor es ersessen wurde, veräußert worden war. In diesem Fall konnte die Rechtsfolge des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB schon gar nicht eintreten, weil gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 EGBGB Zwischenverfügungen unberührt bleiben und wegen des deshalb möglichen gutgläubigen Erwerbs nach §§ 873, 892 BGB der wahre Eigentümer sein Recht zugunsten des gutgläubigen Dritten vor Ablauf der Ausschlussfrist verloren hat. Eine unrichtige Grundbuchlage, die Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB voraussetzt, bestand daher nicht mehr (BGH, ZOV 2003, 171). Zudem ging es in dieser Entscheidung nicht um einen Nebenanspruch im Sinne von § 217 BGB sondern - wie auch in der Entscheidung des OLG Dresden vom 31. Januar 2000, Az. 7 U 3261/99, zitiert nach Schmidt/Gohrke, VIZ 2000, 697, 700 - um das Surrogat für die Veräußerung bzw. Belastung des Eigentums vor dem Stichtag aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diesen Anspruch hätte, wie vom Bundesgerichtshof a.a.O. ausgeführt, nur der Gesetzgeber ausschließen können. Vorliegend bedurfte es hingegen aus den genannten Gründen eines derartigen ausdrücklichen Ausschlusses durch den Gesetzgeber nicht.

Nach alledem sind nicht nur die Ansprüche der Klägerinnen auf Herausgabe und Grundbuchberichtigung mit dem 30. September 1998 untergegangen, sondern zugleich mit ihnen auch der von ihnen abhängige Anspruch auf Nutzungsersatz.

Für den Anspruch aus § 33 Abs. 2 Satz 2 EGBGB gilt nichts anderes.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass der Schriftsatz der Klägerinnen vom 8. September 2009 weder Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt, noch ein Grund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegt, die Revision zuzulassen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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