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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 5 U 164/01
Rechtsgebiete: MauerG, InVorG, VerkFlBerG, ZPO, BauGB, VermG


Vorschriften:

MauerG § 7
MauerG § 2 Abs. 1
MauerG § 3 Abs. 1
MauerG § 7 Abs. 1
MauerG § 7 Abs. 2
MauerG § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz
InVorG § 3
InVorG § 3 Abs. 1
VerkFlBerG § 5
VerkFlBerG § 3 Abs. 1
VerkFlBerG § 3 Abs. 3
VerkFlBerG § 2 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 n.F.
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BauGB § 165 Abs. 6
VermG § 5 Abs. 1 lit. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 164/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 27. Juni 2002

verkündet am 27. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kühnholz, den Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt sowie den Richter am Oberlandesgericht Dr. Matthiessen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Juli 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - Az. 5 O 398/00 - wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der Kosten der Nebenintervention - auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten und ihrer Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht Ansprüche nach dem Mauergrundstücksgesetz (MauerG) geltend.

Frau K war Eigentümerin der Flurstücke 85/1, 85/3 sowie 85/5 der Flur der Gemarkung H. Die Flurstücke befinden sich am Ufer der Havel im ehemaligen Grenzbereich zum Westteil Berlins. Die Flurstücke 85/1 und 85/3 wurden auf der Grundlage von Kaufverträgen vom 18. Juli 1962 und 11. März 1965 in Volkseigentum überführt. Das Flurstück 85/5 wurde mit Bescheid vom 24. September 1968 in Volkseigentum überführt. Alle drei Flurstücke wurden in den Grenzstreifen einbezogen.

Frau K verstarb am 3. Mai 1954 und wurde durch ihren Ehemann G K (nachverstorben 1965) und ihre Tochter B (nachverstorben 1981) beerbt. Der Kläger ist Erbe nach G K und B.

Nach der Maueröffnung wurde der auch über die streitgegenständlichen Grundstücke verlaufende Grenzstreifen als Rad- und Gehweg freigegeben. Am 19. Juni 1990 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Streithelferin der Beklagten, dass der vorhandene Streifen zwischen Kolonnenweg und Seeufer begrünt und als parkähnliche Anlage mit Sitzelementen ausgestaltet werden solle. Die Asphaltstraße (Kolonnenweg) solle als Uferpromenade, Rad- und Gehweg freigegeben werden.

Am 30. Januar 1991 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Streithelferin der Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplanes, der u. a. die streitgegenständlichen Flurstücke umfasst. Als Planungsziele wurden u. a. die Sicherung der öffentlichen Zugänglichkeit und Nutzung des Uferbereichs angegeben.

Die Aufstellung des später als Bebauungsplan Nr. 6 "Südliches Seeufer" bezeichneten Planes wurde in der Folgezeit öffentlich bekannt gemacht. Auch eine am 13. März 1995 beschlossene Änderung des Aufstellungsbeschlusses wurde nachfolgend öffentlich bekannt gemacht.

Unter dem 12. April 1995 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Streithelferin der Beklagten die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereiches nach § 165 Abs. 6 BauGB, die nachfolgend im "H Amtsblatt" bekannt gemacht wurde.

Nachdem ein Verfahren nach dem Vermögensgesetz abgeschlossen war, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 21. August 1996 den begünstigten Rückkauf der Grundstücke nach dem Mauergrundstücksgesetz.

Unter dem 19./22. Oktober 1999 einigten sich die Streithelferin der Beklagten und die Beklagte über eine Zuordnung u. a. der streitgegenständlichen Flurstücke an die Beklagte. Unter § 3 des Einigungsprotokolls wurde vereinbart, dass der Antrag des Klägers auf Rückerwerb nach dem MauerG durch Bescheid der Beklagten abgelehnt werden solle. § 4 sieht eine Veräußerung des Grundstücks an die Streithelferin der Beklagten vor.

Mit Zuordnungsbescheid vom 4. November 1999 wurde das Eigentum der Beklagten an den streitgegenständlichen Flurstücken festgestellt.

Durch Bescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 25. August 2000 wurde der Antrag des Klägers auf Rückkauf der Flurstücke 85/1, 85/3 sowie einer Teilfläche von ca. 1260 m2 von insgesamt 2940 m2 des Flurstücks 85/5 nach dem MauerG abgelehnt. Zur Begründung wurde dort im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei im ausgesprochenen Umfange unbegründet. Die Beklagte beabsichtige eine Veräußerung im öffentlichen Interesse. Die Voraussetzungen für eine solche Veräußerung seien gegeben, nachdem eine bestandskräftige Entwicklungssatzung und eine fortgeschrittene Planung zur Ausweisung als öffentliche Wege- bzw. Grünfläche vorhanden sei. Der Kläger habe daher nur einen Anspruch auf Auskehr von 75 % des Verkehrswertes.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch am 4. Oktober 2000 eingegangenen Schriftsatz Klage vor dem Landgericht Cottbus erhoben, er hat hierzu durch am 20. Oktober 2000 eingegangenen Schriftsatz den angefochtenen Bescheid eingereicht und die Klage im Übrigen mit am 27. Dezember 2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es liege kein öffentliches Interesse der Streithelferin des Beklagten am Eigentumserwerb der streitgegenständlichen Flurstücke vor. Ausreichend sei die Bestellung von Grunddienstbarkeiten, zu der er sich ausdrücklich bereit erkläre. Es stehe nach dem Stand der Planung keineswegs fest, dass die Flächen als öffentliche Grünflächen ausgewiesen würden. Das öffentliche Interesse der Streithelferin der Beklagten sei, so hat der Kläger behauptet, lediglich vorgeschoben. In anderen Fällen habe sie sich mit der Besitzerlangung zufrieden gegeben. Dies ergebe sich auch aus einem Vertrag der Streithelferin des Beklagten mit dem Landkreis O. Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, eine wirksame Entwicklungssatzung liege nicht vor. Die Bekanntmachung der Satzung sei nicht in wirksamer Form erfolgt. Die Bebauungspläne Nr. 5 und 6 seien nie in Kraft getreten und daher wirkungslos.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2000 - Az. - aufzuheben, soweit der Antrag vom 21. August 1996 abgelehnt wurde, und festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, auch die in H gelegenen Flurstücke 85/1 (1715 m2), 85/3 (472 m2) und 85/5 (teilweise ca. 1260 m2 von 2940 m2) zu den Bedingungen des MauerG zu erwerben.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei verfristet, da die Anfechtungsfrist nach § 7 MauerG nicht durch eine ordnungsgemäße Klageerhebung eingehalten worden sei.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben die Ansicht vertreten, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig.

Das Landgericht hat die Klage durch am 11. Juli 2001 verkündetes Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, jedenfalls mit Einreichung des angefochtenen Bescheides am 20. Oktober 2000 sei der Anspruchsgrund hinreichend konkret angegeben worden. Die Klage sei jedoch unbegründet, da der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 1 MauerG vorliege. Die Beklagte beabsichtige, die Grundstücke an ihre Streithelferin zu veräußern. Die geplante Veräußerung liege auch im öffentlichen Interesse. Ein dringendes öffentliches Interesse sei nicht erforderlich. Dieses Interesse sei auch ausreichend dargelegt. Die Grundstücke lägen im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 6 "Südliches Seeufer". Insoweit sei Planreife eingetreten. Ferner befänden sich die Grundstücke ausweislich der Entwicklungssatzung der Streithelferin vom 12. April 1995 in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Streithelferin gegenüber dem Kläger im Falle des Rückkaufes Enteignungsmöglichkeiten zustünden.

Gegen dieses, ihm am 23. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 15. August 2001 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. Oktober 2001 durch am 20. September 2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seiner dortigen Ausführungen weiter. Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe § 3 Abs. 1 MauerG fehlerhaft angewandt. Er meint, das hiernach erforderliche öffentliche Interesse müsse die Veräußerung des Grundstücks betreffen, nicht aber dessen spätere Nutzung. Solche Gründe könnten sich nur aus der Verschaffung von Geldmitteln oder dem Tausch gegen ein anderes Grundstück ergeben. Hieran fehle es jedoch. Der Kläger ist ferner der Ansicht, ein Bebauungsplan Nr. 6 "Südliches Seeufer" existiere nicht, eine angebliche Planreife sei nicht entscheidend. Die Entwicklungssatzung sei wegen Bekanntmachungsfehlern unwirksam. Ein öffentliches Interesse könne darüber hinaus lediglich am Besitz der streitgegenständlichen Grundstücke bestehen, nicht jedoch am Erwerb. Auch bestehe kein Interesse am Erwerb von solchen Flächen, die nicht für den Radweg benötigt werden. Durch seine Bereitschaft, der Streithelferin des Beklagten eine Grunddienstbarkeit einzuräumen, sei jedenfalls das öffentliche Interesse an einer Veräußerung der Grundstücke entfallen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. Juli 2001 abzuändern und festzustellen,

dass er berechtigt ist, auch die in H gelegenen Flurstücke 85/1 (1715 m2), 85/3 (472 m2) und 85/5 (ca. 1260 m2 von 2940 m2) zu den Bedingungen des MauerG zu erwerben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Streithelferin der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, der angekündigte Berufungsantrag als "Berechtigungsantrag" sei unzulässig, die Berufung daher zu verwerfen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin verteidigen das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung. Die Streithelferin der Beklagten beruft sich insbesondere auf die erneute öffentliche Bekanntmachung der Satzung über die förmliche Feststellung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs nach § 165 Abs. 6 BauGB im "Amtsblatt für die Stadt H" vom 26. Januar 2002.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien Bezug genommen, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 19. September 2001 (Bl. 163 ff. d.A.), die Berufungserwiderung der Beklagten vom 27. Dezember 2001 (Bl. 182 ff. d.A.) und den Schriftsatz der Streithelferin des Beklagten vom 27. März 2002 (Bl. 190 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der Zulässigkeit der Berufung steht auch die ursprünglich angekündigte Formulierung des Berufungsantrages nicht entgegen. Auch diesem Antrag war das Begehren des Klägers mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Er ist durch die vorgenommenen geringfügigen Korrekturen in eine zulässige Form gebracht worden.

Der Senat hat über die Berufung nach dem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Reform des Zivilprozesses geltenden Berufungsrecht zu entscheiden, da die mündlichen Verhandlung, auf die das angefochtene erstinstanzliche Urteil ergangen ist, vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Feststellung der Anspruchsberechtigung des Klägers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Mauergrundstücksgesetzes (MauerG) vom 15. Juli 1996 (BGBl. I S. 980) hinsichtlich der im Antrag näher bezeichneten Flächen abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

a) § 7 Abs. 1 MauerG ordnet die Zulässigkeit des Rechtsweges vor die ordentlichen Gerichte an, obwohl es in der Sache um eine Klage gegen die Versagung eines begünstigenden Verwaltungsaktes geht. Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedarf es nicht.

b) Die Klagefrist des § 7 Abs. 2 MauerG ist gewahrt.

Nach dieser Vorschrift ist die Klage innerhalb von zwei Monaten nach, Zustellung des Bescheides zu erheben. Der Bescheid ist vorliegend am 25. August 2000 erlassen worden. Mit Eingang der Klage am 4. Oktober 2000, die zwar einen bestimmten Antrag, aber keine weitere Begründung enthielt, verbunden mit der Einreichung des angefochtenen Bescheides am 20. Oktober 2000 ist die Klagefrist eingehalten.

Mit der Zuweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit ist die Verfahrensordnung der ZPO einzuhalten. Die Klage nach § 7 Abs. 1 MauerG muss daher zur Fristwahrung im Grundsatz den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechen. An der Einhaltung der Vorgaben des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch die Klageschrift konnten zunächst Zweifel bestehen. Mit der Einreichung einer Ablichtung des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit dem bereits zuvor angekündigten Antrag, den Bescheid aufzuheben und die Feststellung der Berechtigung zum Erwerb der näher bezeichneten Grundstücke nach dem MauerG auszusprechen, ist der Streitgegenstand jedoch innerhalb der Klagefrist hinreichend i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezeichnet worden.

2. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ankauf der Flurstücke 85/1 und 85/3 sowie der restlichen Teilfläche des Flurstücks 85/5 zu den Konditionen des MauerG zu. Der Anspruch des Klägers ist gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz, 3 Abs. 1 Satz 1 MauerG ausgeschlossen, da die Beklagte im öffentlichen Interesse eine Veräußerung der Flächen an Dritte, nämlich ihre Streithelferin, beabsichtigt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts sind in vollem Umfang zutreffend.

a) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz MauerG liegen vor. Es handelt sich unstreitig um Grundstücke, die im ehemaligen Grenzgebiet liegen und die nunmehr im Eigentum des Bundes stehen. Der Kläger ist auch Rechtsnachfolger der früheren Eigentümer.

b) Dem durch § 2 Abs. 1 MauerG begründeten Erwerbsanspruch zu einem auf 25 % des Verkehrswertes verringerten Ankaufspreis steht jedoch der Ausschlusstatbestand gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz, 3 Abs. 1 Satz 1 MauerG entgegen.

aa) Die Beklagte hat, wie bereits § 3 der Zuordnungsvereinbarung zu entnehmen ist, die Absicht, die Flächen an ihre Streithelferin zu veräußern. Diese ist Dritte im Rechtssinne.

bb) Die beabsichtigte Veräußerung steht auch im "öffentlichen Interesse". Dieser Begriff wird durch das Gesetz nicht näher definiert.

Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich zur Auslegung folgende Erkenntnisse gewinnen: Das Mauergrundstücksgesetz geht auf einen Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks. 13/120) zurück, der auf eine Einbeziehung der Mauergrundstücke in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes (Rückgabe der Grundstücke an die ehemaligen Eigentümer ohne Gegenleistung) abzielte. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat sich diesem Anliegen nicht anschließen wollen und statt dessen einen vergünstigten Rückkauf der Grundstücke durch die früheren Berechtigten vorgesehen. Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drucks. 13/3734), der die Motive zu entnehmen sind, sollten die ehemaligen Eigentümer oder ihre Rechtsnachfolger die Grundstücke erwerben können, sofern der Bund sie nicht für eigene öffentliche Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse an Dritte veräußern wolle (§ 2 Abs. 1 MauerG-E idF der BT-Drucks. 13/3734).

Zur Möglichkeit der Veräußerung an Dritte im öffentlichen Interesse führt die Begründung der Beschlussempfehlung lediglich aus, dass dies vor allem der Fall sein werde, wenn die Veräußerung aus investiven Gründen oder im Rahmen des Flächenerwerbs nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes erfolge (BT-Drucks. 13/3734 S. 8).

Die endgültige Gesetzesfassung geht auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zurück (BT-Drucks. 13/4589), nachdem der Bundesrat zur Durchsetzung seines ursprünglichen Anliegens den Vermittlungsausschuss angerufen hatte. Diese Empfehlung enthält hinsichtlich der Eigenverwendung durch den Bund die Verschärfung, dass der Bund das Grundstück für dringende eigene öffentliche Zwecke verwenden wolle. Die zweite Alternative, die Veräußerung an Dritte, ist unverändert geblieben. Die Empfehlung des Vermittlungsausschusses verfügt über keine Begründung.

Veröffentlichte Rechtsprechung zur Konkretisierung des Rechtsbegriffs der öffentlichen Interessen in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 MauerG liegt mit Ausnahme des im Verfahren eingereichten Urteils des AG Cottbus (abgedruckt in VIZ 2001, 340, durch das ebenfalls eingereichte Berufungsurteil abgeändert) - soweit ersichtlich - nicht vor.

In der Kommentierung der Vorschrift wird teilweise auf die in der Begründung der Beschlussempfehlung des BT-Rechtsausschusses genannten Veräußerungen zu investiven Zwecken Bezug genommen (Horst in Rädler/Raupach/Bezzenberger [Hg.], Vermögen in der ehemaligen DDR, § 3 Rdnr. 4). Auch wenn die Veräußerung nach § 3 InVorG den Regelfall darstelle, sei der Begriff der öffentlichen Interessen hierauf jedoch nicht beschränkt (Hellmann in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 3 MauerG Rdnr. 10; Wasmuth in Clemm u.a. [Hg.] Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in den neuen Bundesländern, § 2 MauerG Rdnr. 29 ff, 39 ff). Wasmuth führt zum Begriff des öffentlichen Interesses aus, dass kein geschütztes Rechtsgut der Allgemeinheit verlangt werde. Der Begriff umfasse vielmehr auch rechtlich nicht geschützte Belange, die das Wohl der Allgemeinheit fördern könnten (aaO, Rdnr. 29).

Nach Auffassung des Senats ist ein die Veräußerung rechtfertigendes öffentliches Interesse i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 3 Abs. 1 Satz 1 MauerG außer bei Vorliegen der in § 3 Abs. 1 InVorG aufgeführten investiven Zwecke auch dann gegeben, wenn das Grundstück durch eine andere öffentliche Körperschaft für Zwecke des Gemeingebrauchs als Parkanlage oder als Verkehrsfläche zur Verfügung gestellt werden soll. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Gesetzgebers des am 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes (VerkFlBerG) und des § 5 Abs. 1 lit. b Vermögensgesetz. Diese Gesetze bezwecken den Schutz einer in der DDR aufgenommenen Nutzung eines Grundstücks zu Zwecken des Gemeingebrauchs. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VerkFlBerG fallen dem öffentlichen Verkehr gewidmete Flächen und Parkflächen sowie Grünanlagen in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Der öffentliche Nutzer erhält gemäß § 3 Abs. 1 VerkFlBerG ein Erwerbsrecht zu einem nach § 5 VerkFlBerG ermäßigten Ankaufspreis. In gleicher Weise schließt § 5 Abs. 1 lit. b VermG eine Restitution von dem Gemeingebrauch gewidmeten Flächen aus. Der Schutz der in der DDR aufgenommenen Nutzung zum Gemeingebrauch durch diese Vorschriften beruht auf dem öffentlichen Interesse an diesen Flächen. Nichts anderes kann nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 3 Abs. 1 Satz 1 MauerG für die künftige Nutzung eines Grundstücks zu diesen Zwecken gelten.

Die Rechtsansicht des Klägers, die Veräußerung selbst und nicht die nach der Veräußerung beabsichtigte öffentliche Nutzung müsse im öffentlichen Interesse stehen, widerspricht dem auch in der Begründung niedergelegten Sinn und Zweck der Norm, die eine im öffentlichen Interesse liegende künftige Grundstücksnutzung vor allem zu investiven Zwecken ermöglichen will. Auch bei einem solchen investiven Zweck steht nicht die Veräußerung selbst, sondern allein die spätere Nutzung durch Ansiedlung eines Gewerbebetriebes und der damit verbundenen Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Interesse.

cc) Auf die vom Kläger bezweifelte Wirksamkeit der Rechtsakte der Streithelferin der Beklagten zur Absicherung der Nutzung der Grundstücks kommt es nicht an. Aus der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 6 und dem Beschluss der Satzung gemäß § 165 Abs. 6 BauGB folgt jedenfalls die Ernsthaftigkeit der Absicht der Streithelferin der Beklagten, die Flächen im mitgeteilten Sinne zu nutzen. Dies ist zur Begründung eines öffentlichen Interesses ausreichend. Eines dringenden öffentlichen Interesses bedarf es nicht. Dass die zweckentsprechende Verwendung der Grundstücke planungsrechtlich vollständig abgesichert ist, wird von §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 MauerG nicht verlangt. In gleicher Weise ohne Belang ist der Streit der Parteien über die Möglichkeit einer Enteignung der Flächen. Auch hierauf kommt es zur Begründung des Ausschlusses des Rückkaufsrechtes nicht an.

dd) Das öffentliche Interesse an den Grundstücken entfällt schließlich auch nicht wegen der Bereitschaft des Klägers, der Streithelferin der Beklagten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur Absicherung der öffentlichen Nutzung einzuräumen. Die Beklagte muss sich nach dem Inhalt der Vorschrift nicht darauf verweisen lassen, dass das öffentliche Interesse möglicherweise auch durch die Bestellung anderer dinglicher Rechte gesichert werden kann. Es ist zudem nichtzweckmäßig, die dauerhafte Nutzung von Grundstücken oder größerer Teilflächen als Grün- und Verkehrsfläche durch beschränkte persönliche Dienstbarkeiten abzusichern. Von diesem Rechtsinstitut wird in der Praxis nur dann Gebrauch gemacht, wenn nur geringfügige Teilflächen zur Nutzung übertragen werden sollen (vgl. auch die entsprechende Regelung in § 3 Abs. 3 VerkFlBerG). Eine dauerhafte Nutzung eines gesamten Flurstücks oder einer größeren abgegrenzten Teilfläche zum Zwecke des Gemeingebrauchs ist sachgerecht nur durch den Erwerb der zu nutzenden Flächen abzusichern.

Es ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Streithelferin der Beklagten auf die Möglichkeit der Bestellung einer Dienstbarkeit zu verweisen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers verkennen, dass mit der Versagung des vergünstigten Rückkaufes des Grundstücks kein Eingriff in sein durch Art. 14 GG verbürgtes Eigentumsrecht verbunden ist. Wie bereits vom Landgericht zutreffend hervorgehoben, bestand von Verfassungswegen keine Verpflichtung zur Rückgängigmachung der in der DDR vorgenommenen Enteignungen. Der Kläger verfügte nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik über keine von Art. 14 geschützte Rechtsposition (vgl. BVerfGE 84, 90, 122; BVerfG, VIZ 1996, 325, 332). Es bestand keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Rückgabe der Grenzgrundstücke (vgl. i.E. Wasmuth, aaO, Einführung MauerG Rdnr. 67 ff.). Der Gesetzgeber war vielmehr in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Rückgewähr des außerhalb der Geltung des Grundgesetzes entzogenen Eigentums erfolgen sollte. Es ist daher auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber des MauerG die Rückkaufsmöglichkeit unter den Vorbehalt gestellt hat, dass das Grundstück nicht im öffentlichen Interesse an Dritte veräußert wird. Es handelt sich hierbei um keinen staatlichen Eingriff in die Rechte des Klägers, sondern um die Beschränkung der Gewährung einer von Verfassungs wegen nicht gebotenen Wiedergutmachung für ein von einer fremden staatlichen Macht begangenes Unrecht. Diese Gewährung einer Begünstigung konnte und durfte unter den Vorbehalt eines öffentlichen Interesses an einer anderweitigen Verwendung des Grundstücks gestellt werden, zumal die Interessen des Klägers durch Auskehrung von 75 % des Veräußerungserlöses gewahrt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Über die Zulassung der Revision hat der Senat gemäß § 543 ZPO n.F. entschieden. Für die Revision gelten bereits die Vorschriften des Gesetzes über die Reform des Zivilprozesses, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht - wie hier - nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 7 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor. Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Auslegung des Begriffs der öffentlichen Interessen in § 3 Abs. 1 MauerG besitzt grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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