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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 5 U 211/06
Rechtsgebiete: GG, EMRK, VerkFlBerG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 100 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 2
EMRK Art. 1 des Zusatzprotokolls
VerkFlBerG § 3
VerkFlBerG § 5
Gegen das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG), insbesondere das Ankaufsrecht und den damit verbundenen Kontrahierungszwang nach § 3 Abs.1, § 5 VerkFlBerG sowie die darin enthaltene Entgeltregelung, bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Im Namen des Volkes Urteil

5 U 211/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.08.2007

Verkündet am 09.08.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth und den Richter am Oberlandesgericht Tombrink

auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. November 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 3 O 155/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt aufgrund von § 3 Abs.1 des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes (VerkFlBerG) die Verurteilung des Beklagten zur Annahme des notariellen Kaufangebots der Klägerin vom 14. Mai 2004 zur UR-Nr. 624/2004 des Notars U... M....

Der Beklagte ist Eigentümer des hier streitgegenständlichen, im Grundbuch von B... Blatt 2103 und Blatt 2189 verzeichneten Grundbesitzes, belegen in der Ortsrandlage von B.... Im einzelnen handelt es sich um folgende Grundstücke:

a) Grundbuch von B... Blatt 2103 (lfd. Nr.16, 20-27 BV): Flur 10, Flurstücke 613/1, 587/1, 596, 597, 604/1, 610/1, 611/1, 612/2 und 620/1; in Abteilung III sind als Belastungen eingetragen unter lfd. Nr.2 eine brieflose Grundschuld für H... K... über 200.000,- DM (eingetragen am 21. Februar 1997) und unter lfd. Nr.3 eine brieflose Grundschuld für H...K... über 600.000,- DM (eingetragen am 26. September 2001).

b) Grundbuch von B... Blatt 2189 (lfd. Nr.11-18 BV): Flur 10, Flurstücke 621, 622/2, 633/1, 637/2, 639/2, 640/2, 737/1 und 578/1; in Abteilung III lfd. Nr.1 ist als Belastung eingetragen eine brieflose Grundschuld für H... K... über 600.000,- DM (eingetragen am 26. September 2001).

Auf den streitgegenständlichen Grundstücken errichtete die DDR ein Teilstück der im Jahre 1973 in Betrieb genommenen Autobahn Berlin-Rostock, nunmehr Teilstück der BAB 10 Berlin-Hamburg im Bereich der Anschlussstelle B... und somit Teil des Autobahnnetzes der Klägerin. Die BAB 10 wurde in den letzten Jahren umfangreich saniert. Die Grundstücke sind im Grundbuch als "Verkehrsfläche" ausgewiesen.

Vor Errichtung der Autobahn wurden die Grundstücke teilweise als Wohn- und Wochenendgrundstück und teilweise als Heideland, begünstigtes Ackerland, Gartenland und Wegefläche genutzt.

1996 bis 1997 führten die Parteien Verhandlungen über den Verkauf der Grundstücke an die Klägerin. Diese Verhandlungen scheiterten an den erheblich divergierenden Einschätzungen der Parteien zum Bodenwert. Die Parteien schlossen sodann eine Nutzungsvereinbarung, wonach auf der Basis eines Bodenwertes von 1.021.517,20 DM (522.293,45 €) ein Nutzungsentgelt von jährlich 8.712,14 DM (4.454,45 €) gezahlt wurde.

Mit Schreiben vom 5. November 2002 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten das Angebot, die Grundstücke für einen Preis von 33.118,19 € anzukaufen. Der Preis wurde berechnet auf Grundlage von § 5 VerkFlBerG und auf der Basis der Bodenrichtwertauskünfte des Gutachterausschusses des Landkreises O... vom 16. Februar und 24. April 1996.

Dieses Angebot lehnte der Beklagte ab. Am 14. Mai 2004 gab die Klägerin unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des VerkFlBerG zur UR-Nr. 624/2004 des Notars U... M... in V... ein Kaufvertragsabschlussangebot für den Grundbesitz zu einem Preis von 33.118,25 € ab. Diesem Angebot widersprach der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 11. April 2005.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe ein Ankaufsrecht nach § 3 Abs.1 VerkFlBerG zu. Sie sei unterhaltungspflichtiger öffentlicher Nutzer der Verkehrsfläche im Sinne von § 2 Abs.2 Nr.1 und Abs.3 VerkFlBerG. Eine Privatisierung der BAB 10 sei weder beabsichtigt noch beschlossen; die Einführung der "LKW-Maut" stelle keine "Privatisierung" dar. In jedem Falle bestehe kein Grund zur Annahme, dass die öffentliche Nutzung der Grundstücke (als Verkehrsfläche) nicht länger als fünf Jahre fortdauern werde, so dass dem Beklagten kein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs.2 VerkFlBerG zustehe. Die eingetragenen Grundschulden stünden dem Ankaufsrecht im Hinblick auf § 7 Abs.1 VerkFlBerG nicht entgegen. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des VerkFlBerG bestünden keine Bedenken.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Annahme des notariellen Kaufangebots vom 14. Mai 2004, verhandelt vor dem Notar U... M... zu der UR-Nr. 624/2004 in der als Anlage K1 zu der Klageschrift genommenen Fassung, über die beim Amtsgericht O...im Grundbuch von B... Blatt 2103 genannten Flurstücke 613/1, 587/1, 596, 597, 604/1, 610/1, 611/1, 612/2 und 620/1 sowie über die beim Amtsgericht O... im Grundbuch von B... Blatt 2189 genannten Flurstücke 621, 622/2, 633/1, 637/2, 639/2, 640/2, 737/1 und 578/1 zu einem Kaufpreis in Höhe von 33.118,25 € zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat in erster Linie eingewandt, dass das VerkFlBerG wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG sowie gegen Art. 20 Abs.3, Art. 14 GG i.V.m. Art.1 des Protokolls Nr.1 zur EMRK (Eigentumsgarantie) nichtig sei. Der Ankaufsanspruch nach Art.3 Abs.1 VerkFlBerG unter Zugrundelegung des in § 5 VerkFlBerG geregelten - niedrigen - Entgelts stelle eine rechtswidrige Enteignung dar. Es werde ein unzulässiger Kontrahierungszwang begründet. Das für die in Art. 14 Abs.3 GG geforderte Entschädigungsregelung geltende Abwägungsgebot sei nicht bzw. nicht hinreichend beachtet worden. Maßgeblich sei der Grundstückswert zur Zeit der Enteignung. Die Vorteile für die Allgemeinheit (Wert der - bebauten - Verkehrsfläche) müsse angemessen berücksichtigt werden. Die Verkehrswege stellten einen erheblichen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Staat zufließe und den er sich im Wege der Privatisierung kommerziell zunutze mache bzw. machen könne, wie dies etwa durch die Einführung der "LKW-Maut" schon geschehen sei. Der Gesetzgeber habe mit den Regelungen im VerkFlBerG auch gegen die EMRK (Art.1 des Protokolls Nr.1 zur EMRK) verstoßen; hiernach müsse die Enteignungsmaßnahme verhältnismäßig und die Entschädigung angemessen sein.

Das Landgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß verurteilt, die Annahme des Vertragsangebotes des Klägerin zu erklären. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Ankaufsanspruch aus § 3 Abs.1 VerkFlBerG zu. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des VerkFlBerG bestünden keine Bedenken. Die Gesetzgebungskompetzenz des Bundes ergebe sich aus Art.74 Abs.1 Nr.18 GG. Die Regelungen des VerkFlBerG seien als zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 GG anzusehen. Es sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Grundstücke nicht "unbelastet" in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eingetreten seien; sie seien schon zu DDR-Zeiten (aufgrund gleichsam faktischer Enteignung) als Verkehrsfläche genutzt worden, so dass für den privaten Eigentümer nur eine "leere Eigentumshülle" verblieben sei. Vor diesem Hintergrund habe Anlass für eine Rechtsbereinigung bestanden. Das VerkFlBerG regele einen angemessenen Interessenausgleich. Es liege auch kein Verstoß gegen die EMRK vor. Die Voraussetzungen für den Anspruch nach § 3 Abs.1 VerkFlBerG seien gegeben. Die Klägerin habe ein ordnungsgemäßes Ankaufsangebot abgegeben; § 3 Abs.2 VerkFlBerG stehe nicht entgegen; der gebotene Preis entspreche den gesetzlichen Anforderungen; die Art der Nutzung der betroffenen Grundstücke vor ihrer Inanspruchnahme als Verkehrsfläche sei zuletzt unstreitig geworden.

Gegen dieses ihm am 7. November 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Eingang vom 7. Dezember 2006 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21. Februar 2007 durch Verfügungen vom 10. Januar und 8. Februar 2007 - mit Schriftsatz vom 21. Februar 2007, eingegangen am selben Tage, begründet.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur Nichtigkeit des VerkFlBerG wegen Verstoßes gegen Art.14 (Abs.3) GG und gegen Art. 20 Abs.3, Art. 14 GG i.V.m. Art. 1 des Protokolls Nr.1 zur EMRK. Das Landgericht habe seiner Vorlagepflicht nach Art.100 Abs.1 und 2 GG nicht genügt. Überdies sei die Verkaufspflicht im konkreten vorliegenden Fall unverhältnismäßig, da er, der Beklagte, durch den Verkauf die Nutzungsentschädigung verliere, die er als regelmäßige Einnahmequelle für die Sicherung seines Lebensunterhalts benötige.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unzulässig und verteidigt im übrigen die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Es bestehe keine Vorlagepflicht nach Art.100 Abs.1 oder Abs.2 GG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 511 Abs.1 und 2 Nr.1, §§ 517, 519, 520 ZPO). Gemäß § 14 Abs.1 Satz 1 VerkFlBerG ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Gemäß § 14 Abs.1 Satz 3 VerkFlBerG i.V.m. § 103 Abs.1 Satz 1 SachenRBerG finden die Vorschriften der ZPO Anwendung. Die gegen die Zulässigkeit der Berufung gerichtete Rüge der Klägerin geht fehl. Um eine Verfassungsbeschwerde durchführen zu können, muss der Beklagte zunächst den ordentlichen Rechtsweg erschöpfen (Art.94 Abs.2 GG i.V.m. § 90 Abs.2 Satz 1 BVerfGG), also die hier statthafte Berufung durchführen; damit wird dem Berufungsgericht die Gelegenheit gegeben, seinerseits etwaige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des VerkFlBerG zu prüfen.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache selbst jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die - zulässige - Klage zu Recht als begründet angesehen und den Beklagten antragsgemäß zur Annahme des Kaufangebotes der Klägerin verurteilt.

a) Der Klägerin steht der geltend gemachte Ankaufsanspruch nach § 3 Abs.1 VerkFlBerG an sich zu, was zwischen den Parteien wohl auch nicht mehr streitig ist und von dem Beklagten mit seiner Berufung auch nicht angegriffen wird.

Es handelt sich um im Beitrittsgebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, die in der Zeit zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 (nämlich: 1973) für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe - nämlich als Straßenverkehrsfläche (Autobahn) - tatsächlich in Anspruch genommen wurden und einer Verwaltungsaufgabe (hier: als BAB 10) noch dienen (§ 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1, § 2 Abs.2 Nr.1 VerkFlBerG). Die Klägerin ist für die BAB 10 - als Bundesfernstraße (§ 1 Abs.1 und 2 Nr.1 FStrG) - als Träger der Straßenbaulast unterhaltungspflichtig (§§ 3, 5 Abs.1 Satz 1 FStrG) und somit "öffentlicher Nutzer" im Sinne von § 2 Abs.3 Satz 1 VerkFlBerG. Das nach § 3 Abs.1 Satz 2 VerkFlBerG erforderliche notariell beurkundete Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages liegt vor. Die Frist zur Ausübung (Geltendmachung) des Ankaufsrechts nach § 8 Abs.1 VerkFlBerG ist gewahrt. Ein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs.2 VerkFlBerG steht dem Beklagten nicht zu, da kein Grund für die Annahme ersichtlich ist, dass die öffentliche Nutzung der Grundstücke als Straßenverkehrsfläche/BAB nicht länger als fünf Jahre fortdauern wird. Auch für ein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs.3 VerkFlBerG ist nichts ersichtlich, da kein Anhalt dafür besteht, dass die hier betroffenen Grundstücke durch die Verkehrsfläche (BAB 10) nur in einzelnen Beziehungen genutzt werden (s. § 1090 Abs.1 BGB). Die Ermittlung des Kaufpreises nach § 5 Abs.1 und 2 VerkFlBerG ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Bodenwertermittlung ist der Zustand der Grundstücke vor ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme als Verkehrsfläche (§ 5 Abs.1 Satz 3 VerkFlBerG). Die vom Beklagten als maßgeblich betrachtete Aufstellung [Bl.46 d.A. (Mitte)] weicht von der Aufstellung der Klägerin nur geringfügig ab, und zwar zum eigenen Nachteil des Beklagten, wie das Landgericht in seinem Urteil zutreffend festgestellt hat. Die auf den Grundstücken lastenden Grundschulden hindern das Ankaufsrecht nicht (s. § 7 Abs.1 VerkFlBerG).

b) Eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs.2 GG scheidet aus, da eine solche nur in Betracht kommt bei objektiven, ernst zu nehmenden Zweifeln über die Geltung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts (Art.25 GG) und ihr Verhältnis zum deutschen Bundesrecht (sog. Normgeltungsklarstellungsverfahren; s. etwa BVerfGE Bd.23, S.288, 316 ff.; Bd.75, S.1, 11; Jarass/Pieroth, GG, 6.Aufl.2002, Art.100 Rdn.19; Maunz/Dürig, GG, Art.100 Rdn.41; von Münch/Kunig/Meyer, GG-Kommentar, 3.Aufl.1996, Art.100 Rdn.29). Solche Zweifel bestehen hinsichtlich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht. Anerkanntermaßen sind die Regelungen der EMRK keine allgemeinen Regeln des Völkerrechts, sondern Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland im Range eines (einfachen) Bundesgesetzes und bei der Interpretation deutschen Rechts angemessen zu berücksichtigen (s. etwa BVerfGE Bd.74, S.358, 370; BVerfG FamRZ 2004, S.1857, 1858 ff.).

c) Es besteht auch keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs.1 GG. Diese setzt voraus, dass ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes genügen nicht (s. etwa BVerfGE Bd.80, S.54, 59 m.w.Nw.; Bd.86, S.52, 57; Maunz/Dürig, aaO., Art.100 Rdn.35; von Münch/Kunig/Meyer, aaO., Art.100 Rdn.22; Jarass/Pieroth, aaO., Art.100 Rdn.10). Eine sonach erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des VerkFlBerG vermag der Senat indes nicht zu gewinnen:

Vorläufer des am 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen VerkFlBerG ist die Regelung in Art. 233 § 2a Abs.9 EGBGB; diese Nutzungsentgeltregelung ist allgemein als eigenständiger Moratoriumstatbestand anerkannt worden (s. BGH VIZ 1996, S.520, 521; ZOV 2002, S.153, 155; bestätigt durch BVerfG VIZ 2001, S.334, 335; vgl. auch Jankowski, LKV 2007, S.12). Zweck des VerkFlBerG ist die Bereinigung der Problematik des "rückständigen Grunderwerbs"; in der DDR wurden zahlreiche private Grundstücke durch staatliche Stellen für öffentliche Zwecke, insbesondere auch für Verkehrsflächen in Anspruch genommen, ohne dass dem ein bodenrechtlicher Rechtstitel (insb.: eine Enteignung oder sonstige Überführung in Volkseigentum) zugrunde lag; hierdurch kam es zu einem Auseinanderfallen des Besitz- und Nutzungsrechts des Staates einerseits und der förmlichen, wirtschaftlich weitgehend "ausgehöhlten" Eigentumsposition des Privaten andererseits; der Lösung dieser Problematik und der Angleichung der betroffenen Rechtsverhältnisse an das Immobilienrecht der Bundesrepublik Deutschland dienen die Bestimmungen des VerkFlBerG (s. dazu etwa BGH ZOV 2006, S.20; ZOV 2006, S.349; vgl. auch BVerfGE Bd.98, S.17, 19, 20; BVerfG VIZ 2001, S.330, 331; Kimme/Matthiessen, Offene Vermögensfragen, Rdn.4, 11 vor § 1 VerkFlBerG; Eickmann/Wittmer, Sachenrechtsbereinigung, § 3 VerkFlBerG Rdn.14; Zimmermann, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 1 VerkFlBerG Rdn.1; Prütting/Zimmermann/Heller, Grundstücksrecht Ost, 2003, § 1 VerkFlBerG Rdn.1 f.; Jankowski, LKV 2007, S.12; Salzig, NotBZ 2007, S.164, 165; von Hammerstein/Hertel, LKV 2004, S.385, 386; Aschmann/Groth, ZOV 2003, S.85).

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 74 Abs.1 Nr.18 GG (s. etwa Matthiessen, aaO., Rdn.9 vor § 1 VerkFlBerG).

Art. 14 GG ist nicht verletzt.

Dabei kann offenbleiben, ob sich die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit im einzelnen nach Art. 14 Abs.1 Satz 2 GG oder nach Art. 14 Abs.3 GG richtet. Angesichts der besonderen historischen Umstände spricht nach Ansicht des Senats viel dafür, dass es sich bei den Regelungen des VerkFlBerG (insbesondere auch: bei dem Ankaufsrecht nach § 3 Abs.1 VerkFlBerG) um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 GG handelt (so etwa auch Matthiessen, aaO., Rdn.10 ff. vor § 1 VerkFlBerG; Wittmer, aaO., § 3 VerkFlBerG Rdn.14 ff.). Sieht man im Ankaufsrecht und dem damit verbundenen Kontrahierungszwang nach § 3 Abs.1 Satz 1 und 3 VerkFlBerG hingegen eine Enteignung (so etwa: Jankowski, LKV 2007, S.12 f.; Aschmann/Groth, ZOV 2003, S.85, 86; a.A. Wittmer, aaO., § 3 VerkFlBerG Rdn.13), so wäre diese gemäß Art. 14 Abs.3 GG verfassungsrechtlich zulässig.

Die Übertragung des förmlichen Bodeneigentums auf den öffentlichen Nutzer der Verkehrsfläche gemäß § 3 Abs.1, § 5 VerkFlBerG erfolgt zum Wohle der Allgemeinheit, für deren Gebrauch die Verkehrsflächen bestimmt sind, und stellt sich auch unter Berücksichtigung der Entgeltregelung in § 5 VerkFlBerG insgesamt als angemessener und gerechter Interessenausgleich dar.

Die Schwierigkeiten bei der notwendigen Überführung der sozialistischen Rechts- und Eigentumsordnung in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland und die mit der Wiedervereinigung Deutschlands verbundenen grundlegenden Veränderungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eröffnen dem Gesetzgeber einen weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum (s. BVerfGE Bd.101, S.54, 75 f.; BVerfG VIZ 2001, S.330, 331; VIZ 2001, S.334, 335; Matthiessen, aaO., Rdn.12 vor § 1 VerkFlBerG und Rdn.1 vor §§ 5, 6 VerkFlBerG; Wittmer, aaO., § 3 VerkFlBerG Rdn.16). Zudem ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers um so größer, je größer der soziale Bezug des Eigentumsobjektes (hier: öffentliche Verkehrsflächen) ist (BVerfG VIZ 2001, S.330, 331).

In der DDR hatte das Grundeigentum seinen Wert "so gut wie verloren"; es war wirtschaftlich überlagert und ausgehöhlt durch die dem jeweiligen Nutzer an Grund und Boden zuerkannten Befugnisse; der Nutzer war regelmäßig gleichsam "faktischer Eigentümer"; die Geringschätzung des (formalen) Eigentumsrechtstitels einerseits und die Betonung der Nutzungs- und Verwertungsrechte der Besitzer andererseits war prägend für das Bodenrecht der DDR (s. dazu etwa BVerfG VIZ 2001, S.330, 332; Wittmer, aaO., § 3 VerkFlBerG Rdn.17; a.A. von Hammerstein/Hertel, LKV 2004, S.385, 388). Erst mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die privaten Grundstückseigentümer in die Lage versetzt, Ansprüche in Bezug auf die ihnen gehörenden, zu öffentlichen Zwecken genutzten Grundstücke geltend zu machen (BVerfG VIZ 2001, S.334, 336). Das Grundeigentum gelangte indes schon mit dem Besitz- und Nutzungsrecht der öffentlichen Körperschaft belastet in den Geltungsbereich des Grundgesetzes (BVerfG VIZ 2001, S.334, 335). Infolge ihrer fortdauernden Verwendung für öffentliche Zwecke (insbesondere: als Verkehrsfläche) sind die betroffenen Grundstücke dem Grundstücksverkehr entzogen und haben insoweit also keinen "Verkehrswert" (BVerfG VIZ 2001, S.334, 336, 337; s. auch Aschmann/Groth, ZOV 2003, S.85, 86 f.; Heller, aaO., § 5 VerkFlBerG Rdn.4 f.). Einen gewissen wirtschaftlichen Wert haben diese Grundstücke erst im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands erhalten; der - teilweise: explosionsartige - Anstieg der Grundstückspreise durch den Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft hat auch diesen Grundstücken einen gewissen Wert verschafft; diesem Wertzuwachs liegt allerdings keine wirtschaftliche Leistung des Eigentümers zugrunde, so dass sich der eingetretene Wertzuwachs für den Eigentümer gleichsam als "unerwarteter Gewinn" darstellt (vgl. BVerfG VIZ 2001, S.330, 332).

Vor diesem Hintergrund enthalten die Bestimmungen des VerkFlBerG insgesamt eine gerechte und abgewogene Regelung. Der Grundstückseigentümer erhält für den Verkauf der Grundstücke eine gewisse finanzielle Entschädigung (§ 3 Abs.1, § 5 VerkFlBerG); der "Verkaufszwang" ist eingeschränkt durch die in § 3 Abs.2 und 3 VerkFlBerG geregelten Verweigerungsrechte des Eigentümers und das Wiederkaufsrecht in § 10 VerkFlBerG. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass der Eigentumswechsel dauernd dem öffentlichen Nutzen und Gebrauch dient und Grundstücke nicht im Übermaß (etwa dann, wenn sie durch die Verkehrsfläche nur "in einzelnen Beziehungen" genutzt werden) vom Eigentumswechsel erfasst werden. Die Entgeltregelung in § 5 VerkFlBerG begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Berücksichtigt wird einerseits die Nutzung der Grundstücke vor der Heranziehung zur öffentlichen Nutzung und der heutige Verkehrswert für solchermaßen genutzte Grundstücke, andererseits die faktische "Entwertung" der Grundstücke durch die dauernde Ingebrauchnahme durch staatliche Stellen der DDR und ihre fortwirkende Nutzung für öffentliche Zwecke (insbesondere: als Verkehrswege; vgl. etwa Matthiessen, aaO., Rdn.1 vor §§ 5, 6 VerkFlBerG; Wittmer, aaO., § 3 VerkFlBerG Rdn.18; krit. Aschmann/Groth, ZOV 2003, S.85. 87 f.). Pauschalierungen und Verallgemeinerungen sind bei Bewertungsfragen zulässig (BVerfG VIZ 2001, S.330, 333; VIZ 2001, S.334, 336). Die Ungleichbehandlung zwischen der Entschädigung des Eigentümers bei der Sachenrechtsbereinigung und der Entschädigung des Eigentümers bei der Verkehrsflächenbereinigung rechtfertigt sich daraus, dass die Verkehrsflächen für öffentliche Zwecke des Gemeinwohls verwendet werden (vgl. BVerfG VIZ 2001, S.334, 337; a.A. von Hammerstein/Hertel, LKV 2004, S.385, 391).

Sonach ergibt sich auch kein hinreichender Anhalt für die Annahme einer Verletzung von Art.3 Abs.1 GG (a.A. von Hammerstein/Hertel, LKV 2004, S.385, 389 ff.) oder für die Annahme eines Verstoßes gegen Art.20 Abs.3, Art.14 GG i.V.m. Art.1 des (1.) Zusatzprotokolls zur EMRK (a.A. von Hammerstein/Hertel, LKV 2004, S.385, 391 f.). Die Eigentumsgarantie nach Art.1 des (1.) Zusatzprotokolls zur EMRK reicht nicht weiter als die Eigentumsgewährleistung nach Art.14 GG.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs.1 ZPO und auf § 708 Nr.10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof nach § 543 Abs.2 Satz 1 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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