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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 5 U 229/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 104 Nr. 2
BGB § 105 Abs. 1
BGB § 925
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 229/97 Brandenburgisches Oberlandesgericht hi

Anlage zum Protokoll vom 07.10.2004

Verkündet am 07.10.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2004 durch

den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18. September 1997 - 10 O 16/95 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung sowie des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, Erbeserbin nach der am 11. Januar 1994 verstorbenen F... B..., verlangt von der Beklagten Zustimmung zur Grundbuchberichtigung sowie Räumung und Herausgabe eines Grundstücks.

Die am 17. November 1910 geborene Erblasserin war nach dem Tode ihres vorverstorbenen Ehemannes im Jahre 1986 Alleineigentümerin des Grundstücks ... in ..., Gemarkung ..., Flur 13, Flurstück 62/2, eingetragen im Grundbuch von ... des Amtsgerichts Potsdam Blatt .... Mit notariellem Vertrag vom 10. September 1993, auf dessen Inhalt Bl. 8 ff. d.A. Bezug genommen wird, schenkte die Erblasserin der Beklagten dieses Grundstück und ließ es an sie auf. Die Beklagte wurde am 17. Dezember 1994 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin hat behauptet, die Erblasserin habe sich seit ca. 1987, spätestens jedoch seit einem stationären Krankenhausaufenthalt Ende 1992, als Folge zerebraler Durchblutungsstörungen und im Alter zunehmenden Alkoholabusus in einem dauernden, die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden und sei deshalb zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages geschäftsunfähig gewesen. Schenkungsvertrag und Auflassung seien unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs dahingehend zu erteilen, dass nicht sie, sondern die Erben der Frau B... Eigentümer des Grundstücks sind,

2. das Grundstück zu räumen und an sie - die Klägerin - herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass die Erblasserin sich am 10. September 1993 in einem die Geschäftsfähigkeit ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe.

Mit Urteil vom 18. September 1997 hat das Landgericht Potsdam nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht festgestellt werden könne, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt eines krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorgelegen habe. Deshalb sei der Schenkungsvertrag wirksam und stehe der Inhalt des Grundbuchs mit der materiellen Rechtslage im Einklang. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Potsdam (Bl. 219 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hat der Senat nach weiterer Beweisaufnahme mit Urteil vom 9. März 2000 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Veräußerin B... bei Abschluss des Vertrages am 10. September 1993 in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe, der nicht nur vorübergehender Art gewesen sei. Soweit der Sachverständige die erheblichen Schwierigkeiten der Erblasserin in der Vermögensverwaltung als Betreuungsgrund angesehen und ausgeführt habe, dass eine generelle Geschäftsunfähigkeit nicht sicher sei, in Bezug auf die Finanzen jedoch keine vernünftigen Zweifel bestünden, könne dieser rechtlichen Einordnung nicht gefolgt werden.

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 126/00 - das Urteil des Senates vom 9. März 2000 - 5 U 229/97 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den Senat zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme - entgegen dem Sachverständigen - dargelegt, warum dem Gericht Zweifel an einer gegenständlich beschränkten Geschäftsunfähigkeit geblieben seien. Es habe damit bei seiner vom Sachverständigen abweichenden Auffassung die tatsächlichen Umstände anders gewürdigt, ohne die dazu notwendige eigene Sach- und Fachkunde darzulegen.

Mit Beschluss vom 5. März 2002 hat das Amtsgericht Leipzig - 10 VI 0305/94 - die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben nach Frau B... aufgehoben, da der Erbe ermittelt ist. Alleinerbin nach Frau B.. ist Frau H... E... C... L..., ... Straße ..., ... gewesen. Sie ist als Erbin nach Frau B... in den Rechtsstreit eingetreten. Sie ist am 13. Oktober 2003 verstorben und wurde durch ihre Tochter Frau St... B... allein beerbt. Diese hat mit Schriftsatz vom 12. Januar 2004 den Rechtsstreit als Erbin nach Frau L... aufgenommen.

Die Parteien streiten darüber, ob die Erblasserin Frau B... bei Abschluss des Vertrages vom 10. September 1993 geschäftsunfähig gewesen sei.

Die Klägerin behauptet, die Erblasserin sei zumindest nur beschränkt geschäftsfähig gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18. September 1997 - 10 O 16/95 - zu verurteilen,

1. ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Potsdam für das Grundstück Gemarkung ..., Blatt ..., Flurstück 62/2 der Flur 13, Grundstück ... in ..., insoweit zu erteilen, als nicht die Beklagte, sondern die Erben der am 11. Januar 1994 verstorbenen H... H... F... B... (Frau L... und sodann Frau B...) Eigentümer dieses Grundstücks sind;

2. das vorbezeichnete Grundstück zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß den Beweisbeschlüssen vom 7. Februar 2002 sowie 7. März 2002 und dem Ergänzungsbeweisbeschluss vom 20.12.2002 weiterhin Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. W...und Prof. Dr. H... erhoben.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachtliche Äußerung des Sachverständigen Dr. W.. vom 29. Januar 2002 (Bl. 560 ff. d.A.) sowie im Protokoll der Sitzung vom 7. Februar 2002 (Bl. 567 ff. d.A.) Bezug genommen; ferner wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H... vom 8. Oktober 2002 (Bl. 597 ff. d.A.), dessen Ergänzungsgutachten vom 2. Juli 2003 (Bl. 705 ff. d.A.) und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H... vom 26. August 2004 (Bl. 790 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Klägerin hat als Alleinerbin nach Frau H... L..., die anstelle der ursprünglichen Nachlasspflegerin als klagende Partei in den Prozess eingetreten ist, das Verfahren gegen die Beklagte wirksam aufgenommen.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin, die, wie durch die Erbscheine belegt, Erbeserbin nach Frau B... ist, kann von der Beklagten weder Grundbuchberichtigung noch Räumung und Herausgabe des Grundstücks der Gemarkung ..., Flur 13, Flurstück 62/2, eingetragen im Grundbuch von ..., verlangen.

Die Beklagte hat aufgrund der Auflassung vom 10. September 1993 und der am 17. Dezember 1994 erfolgten Eintragung Eigentum an diesem streitgegenständlichen Grundstück erworben. Weder der notariell beurkundete Schenkungsvertrag, noch die in der Form des § 925 BGB erklärte Auflassung sind unwirksam. Diese Rechtsgeschäfte sind nicht wegen einer fehlenden Geschäftsfähigkeit der Veräußerin F... B... gemäß §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB nichtig. Denn es steht nicht fest, dass die Erblasserin bei Abschluss des notariellen Vertrages vom 10. September 1993 geschäftsunfähig gewesen ist.

Geschäftsunfähig ist, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, nicht nur vorübergehenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, § 104 Nr. 2 BGB. Dabei ist neben den Fähigkeiten des Verstandes, vor allem auch die Freiheit des Willensentschlusses von Bedeutung. Es kommt darauf an, ob eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider, eine sachliche Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil der Betroffene fremden Willenseinflüssen unterliegt, oder seine Willensbildung durch unkontrollierte Triebe und Vorstellung ähnlich mechanischen Verknüpfungen von Ursache und Wirkung bestimmt wird (BGH NJW 1970, S. 1680 (1681); BGH NJW 1996, 918 (919)).

Der Senat folgt den überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H..., der unter Zugrundelegung aller relevanten Anknüpfungstatsachen, die sich aus den Aussagen der vor dem Senat vernommenen Zeugen sowie den von dem Senat als wahr unterstellten Erklärungen der Zeugen R..., R... und B..., den zu den Akten gereichten Arztberichten der behandelnden Ärzte und den sonstigen zu den Akten gereichten Urkunden ergaben, zu dem Ergebnis gelangte, dass diese Quellen keinen begründeten Zweifel daran zulassen, dass sich die Erblasserin Frau .... am 10. September 1993 im Zustand der Geschäftsfähigkeit befunden hat. Ebensowenig ergaben sich aus diesen Quellen Hinweise auf eine partielle Geschäftsunfähigkeit für diesen Zeitpunkt. Zwar litt die Erblasserin an internistischen Erkrankungen, wie Herzinsuffizienz, absolute Arrhythmie, Zuckerkrankheit, mehrere Schlaganfälle, Alkohol- und Schlaftablettenabhängigkeit mit mehreren Entzugsdelirien, wobei nach den Schlaganfällen und im Rahmen der Entzugsdelirien eine schwere Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit belegt ist. Jedoch sind diese beiden Krankheitszustände reversibel; Anhaltspunkte dafür, dass bei der Erblasserin eine kognitive Restsymptomatik zurückgeblieben ist, sind in den Arztbriefen nicht vorhanden. Für den Zeitraum von Juli 1992 bis zum Tode der Erblasserin lässt sich den Arztberichten sowie den Bekundungen der mit medizinischen Fachwissen ausgestatteten Zeugen als auch den übrigen Zeugen, bei denen es sich um medizinische Laien handelt, entnehmen, dass die Erblasserin sowohl Zeiten mit deutlich kognitiven Einschränkungen aufwies, aber ebenfalls Zeiten in denen sie altersentsprechend unauffällig gewesen ist. Eine Demenzerkrankung kann für die Beurteilung der Erblasserin nicht zugrundegelegt werden, da diese Diagnose zu keinem Zeitpunkt gesichert worden ist. Wegen der anderen Krankheitsbilder kann allenfalls eine vaskuläre Demenz in Erwägung gezogen werden. Aufgrund dessen kann nicht von einer generellen, d.h. dauerhaften Störung der Geistestätigkeit ausgegangen werden. Wenn auch der Inhalt der Erklärungen der Zeugen R..., B... und R...sowie die Bekundungen der sachverständigen Zeugin Dr. B... auf Indizien für das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit hinweisen, so ist ebenso zu berücksichtigen, dass sich aus den Bekundungen der Zeugen H..., Dipl.-Med. C... und Dr. R... das Gegenteil entnehmen lässt. Dabei sind die Bekundungen der Zeugin Dr. R... als gewichtiger zu berücksichtigen. Denn bei dieser Zeugin handelt es sich um die behandelnde Hausärztin der Erblasserin, die diese im Zeitraum vom 13. Juli 1972 bis zum 26. November 1993 ärztlich betreute, und die damit medizinisch fundierte Angaben zum Krankheitszustand der Erblasserin für den Zeitraum gibt, über den auch die Zeugin R... Angaben macht und die Zeugin Dr. B... die Erblasserin nicht mehr behandelt hat. Die Zeugin Dr. R..., die die Erblasserin auch wegen des im Juni 1993 erlittenen Schlaganfalls behandelte, den sie als cerebrale Ischämie diagnostizierte, bekundete, wie in ihrem Arztbericht vom 28. April 1996 festgehalten, dass die Erblasserin bereits am 8. Juni 1993, wenige Tage nach dem erlittenen Schlaganfall, wieder voll orientiert war und in der folgenden Zeit keine Besonderheiten aufgetreten sind und keine psychischen Auffälligkeiten bestanden haben. Auch die Aussage des Zeugen Prof. Dr. N.. belegt, dass bei der Erblasserin ein sehr wechselhaftes Symptombild vorlag, so dass für die Beurteilung des Krankheitsbildes der Erblasserin nicht von einem zeitlich gleichbleibenden, stabilen Beschwerdebild ausgegangen werden kann. Aus alledem folgt aber, dass es sich bei den von den Zeugen beschriebenen Zuständen der Erblasserin um intermittierende Zustände einer eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit gehandelt hat, die deshalb nicht den Schluss rechtfertigen, dass die Erblasserin dauernd und durchgehend im Zustand der Geschäftsunfähigkeit gewesen ist.

Die Krankheitsbilder der Erblasserin zum Zeitpunkt ihrer Krankenhausaufenthalte in der Zeit vom 21. Dezember 1992 bis 17. Februar 1992 sowie vom 3. Dezember 1993 bis 11. Januar 1994, wie retrograde Amnesie, Durchgangssyndrom und Entzugsdelir einerseits und akute cerebrale Durchblutungsstörung mit Hemiparese, rechts andererseits indizieren, dass sich die Erblasserin zu diesen Zeiten im Zustand der Geschäftsunfähigkeit befunden hat. Daraus folgt aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht, dass damit eine dauernde Störung der Geistestätigkeit der Erblasserin gegeben war. Denn, wie der Sachverständige Prof. Dr. H... nachvollziehbar dargelegt hat, handelte es sich um zeitlich begrenzte Zustände, da sowohl die retrograde Amnesie als typisches Symptom des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas vollständig reversibel als auch die durch das Entzugsdelir bedingten kognitiven Einbußen normalerweise vollständig reversibel sind. Dies gilt umso mehr, als eine Demenzdiagnose bei der Erblasserin nicht gesichert worden ist. Insbesondere aber kann - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht davon ausgegangen werden, dass sich nach dem Krankenhausaufenthalt im Dezember 1992 eine Geschäftsfähigkeit nicht wiederhergestellt hat. Denn zum einen sind die bei der Erblasserin zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Krankheitsbilder, wie dargelegt, völlig reversibel bzw. normalerweise völlig reversibel. Zum anderen kann, wie der Sachverständige Prof. Dr. H... nachvollziehbar ausgeführt hat, aufgrund der von allen Zeugen, aber insbesondere den fachkundigen Zeugen, wie z.B. dem Zeugen Dipl.-Med. C... und der Zeugin Dr. R..., geschilderten Krankheitszustände der Erblasserin nicht von einem chronisch-progredienten Beschwerdebild ausgegangen werden. Darüber hinaus spricht aber auch das Vorliegen einer progredienten Erkrankung nicht notwendigerweise für das Vorhandensein einer dauerhaften Geschäftsunfähigkeit. Denn entscheidend dafür ist der Schweregrad und die konkrete Beeinträchtigung im Einzelfall, die in der Lage sind, die insgesamt freie Urteilsfähigkeit eines Patienten nachhaltig aufzuheben. Über diese Umstände liegen jedoch keine Erkenntnisse vor. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat verifizierbare Indizien nicht zutage gefördert. In den vorhandenen Arztberichten und ärztlichen Gutachten wird auf die Schwere des Syndroms, wie dies auch schon der Sachverständige Dr. W... ausgeführt hat, nicht eingegangen. Ebensowenig kann das Ausmaß der hirnorganischen Schädigung anhand von durchgeführten Tests oder Röntgenbilder bzw. Computertomographie Bilder verifiziert werden. Auch die Leberwerte eines Befundes vom 15. Juli 1992 (Bl. 479 d.A.) geben keinen Hinweis auf Umfang und Ausmaß eines Alkoholmissbrauches. Ob der von den Zeugen bekundete Alkoholmissbrauch zu organischen Veränderungen im Gehirn geführt hat, lässt sich mangels Verifizierung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Jedenfalls hat keiner der Zeugen darüber berichtet, dass der Alkoholmissbrauch der Erblasserin dergestalt war, dass ihr Denken weitgehend auf den Genuss des Alkohols gerichtet und durch den Genuss des Alkohols bestimmt war. Da sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, wie diese Umstände zeigen, keine hinreichende Anhaltspunkte für ein chronisch-progredientes Krankheitsbild ergaben, bestand kein Anlass zur Einholung eines Obergutachtens.

Ebensowenig steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass bei der Erblasserin eine affektive oder auch schizophrene Psychose vorgelegen hat. Die von der Klägerin hierfür in ihrem Schriftsatz vom 18. August 2003 angeführten und durch die vernommenen Zeugen bekundeten Anzeichen geben, wie der Sachverständige Prof. Dr. H... nachvollziehbar ausgeführt hat, keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein etwaiges Vorliegen für eine Erkrankung aus dem schizophrenen und/oder affektiven psychosen Bereich. Denn auch psychotische Symptome haben die unterschiedlichsten Krankheitsursachen. Die von der Klägerin angeführten Symptome können auch mit den Diagnosen des Gutachtens in Einklang gebracht werden. Auch das von der Klägerin zitierte unvernünftige Verhalten der Erblasserin kann als Eigenart der Primärpersönlichkeit, einer extrovertierten, akzentuierten, mittelpunktstrebigen Persönlichkeit verstanden werden. Auf Grund dessen besteht kein Anlass insoweit ein Obergutachten einzuholen.

Demgegenüber hat der Sachverständige Dr. W...das Krankheitsbild der Erblasserin zusammenfassend als hirnorganisches Psychosyndrom diagnostiziert. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen hat er ausgeführt, dass er wegen der erheblichen Schwierigkeiten der Erblasserin in der Vermögensverwaltung einen Betreuungsgrund als gegeben ansieht. Zwar sei eine generelle Geschäftsunfähigkeit nicht sicher, jedoch bestünden in Bezug auf die Finanzen keine vernünftigen Zweifel.

Auch bei seiner erneuten gutachterlichen Äußerung vom 29. Januar 2002 und 7. Februar 2002 ist der Sachverständige bei dieser Einschätzung geblieben. Dabei stützt sich der Sachverständige Dr. W... auf die Bekundungen der ihm als fachlich versiert bekannten Zeugin Dr. B..., deren Angaben er eine wesentliche Bedeutung zumisst, wobei er bei dem ihm von der Zeugin geschilderten Krankheitsbild bereits von einem chronischen Zustand ausgeht, bei dem zwangsläufig keine Befundverbesserung eingetreten sein kann. Auf der Basis des von der Zeugin geschilderten Krankheitsbildes des ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndroms sei hinsichtlich des psychischen Zustandes der Erblasserin für den Schenkungszeitraum eher von einer Verschlechterung des psychischen Befundes auszugehen, allenfalls könne ein gleichbleibender psychischer Zustand angenommen werden, wohingegen eine Verbesserung dieses Zustandes eher unwahrscheinlich sei. Die bei der Erblasserin vorhandene Sprunghaftigkeit und Neigung zu Augenblicksentscheidungen spreche dafür - so der Sachverständige Dr. W.. -, dass Frau B.. zum Schenkungszeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Willensentschluss hierfür frei zu äußern. Auch wenn eine Demenz erfahrensgemäß wellenförmig verlaufe, d.h., dass es Tage mit besserer und schlechterer Orientierung gebe, so stelle sich der Gesamtverlauf einer Demenzerkrankung dergestalt dar, dass umso eher mit einer Verschlechterung zu rechnen sei, je länger der Zeitpunkt zwischen dem letzten Befund und dem Stichtag sei. Außerdem setze mit einer beginnenden Demenz eine erhöhte Suggestibilität ein.

Der Senat vermag sich dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W... nicht anzuschließen. Auch wenn dieser Sachverständige in der Gesamtschau sein Gutachten auch unter Berücksichtigung der Aussagen der durch den Senat vernommenen Zeugen erstattet hat, so lässt sich seinem Ergänzungsgutachten vom 31. August 1998 (Bl. 300 ff. d.A.), insbesondere aber der gutachtlichen Äußerung des Sachverständigen vom 29. Januar 2002 (Bl. 560 ff. (561) d.A.) entnehmen, dass er sich wesentlich auf die Erkenntnisse der Zeugin Dr. B... stützt und deshalb bei der Begutachtung eine nicht hinreichend gesicherte Diagnose des hirnorganischen Psychosyndroms zugrundelegt.

Die sachverständige Zeugin Dr. B... behandelte die Erblasserin, wie sie bekundet hat, bis zum 15. Juli 1992 und diagnostizierte ein deutliches hirnorganisches Psychosyndrom verbunden mit einem Alkoholkonsum, den die Erblasserin herunterspielte. Auf der Grundlage der Auswertung der Krankenhausberichte des Parkkrankenhauses Leipzig/Dösen sowie verschiedener Arztberichte, auch des Berichtes der sachverständigen Zeugin Dr. B..., kommt der Gutachter Dr. W...zunächst zu dem Ergebnis, dass er auf der Basis dieser Befunde eine Geschäftsunfähigkeit der Verstorbenen nicht konstruiert werden könne. Erst die schriftlichen Äußerungen einiger namentlich benannter Zeugen sowie ein ausführliches Gespräch mit der Zeugin Dr. ... ließen den Sachverständigen Dr. W... zu der Wertung kommen, dass die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin zum Schenkungszeitpunkt zumindest erheblich eingeschränkt, wenn nicht gar aufgehoben war. Bei dieser inhaltlichen Bewertung der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin verblieb der Sachverständige im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W... durch die Äußerung der sachverständigen Zeugin Dr. B... bestimmt und verfestigt worden ist. Es kann nämlich nicht übersehen werden, dass die Zeugin Dr. B... die Erblasserin lediglich bis zum 15. Juli 1992 behandelt hat und die von ihr gestellte Diagnose nicht medizinisch abgesichert gewesen ist. In der Zeit vom 13. Juli 1992 bis zum 26. November 1993 befand sich die Erblasserin in ärztlicher Behandlung der Zeugin Dr. R... und für die Zeit bis zum 21. Dezember 1992 auch in Behandlung des Dipl.-Med. C.... Der Zeuge C..., ebenfalls Arzt für Neurologie und Psychiatrie wie die Zeugin Dr. B..., hat bei seiner Behandlung in dem Zeitraum bis zum 21. Dezember 1992 am psychischen Verhalten der Erblasserin nichts festgestellt, was außerhalb des Altersgerechten der Patientin gelegen hätte. Auch die Zeugin Dr. R..., ihre Hausärztin, stellte bei ihren Besuchen keine Besonderheiten fest, fand die häusliche Situation ihrer Patientin geordnet vor und schätzte ihren Zustand im Hinblick auf deren Geschäftsfähigkeit auf altersentsprechend ein; nach den von ihr im Juni 1993 behandelten Schlaganfall fand sie ihre Patientin alsbald danach voll orientiert vor.

Tatsächlich aber ging der Sachverständige Dr. W... aufgrund des Gespräches mit der Zeugin Dr. B... und deren Befund betreffend die Erblasserin, wie er in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 29. Januar 2002 ausgeführt hat, davon aus, dass bereits ein chronischer Zustand des Krankheitsbildes hirnorganisches Psychosyndrom vorliegt, bei dem zwangsläufig keine Befundbesserung eingetreten sein kann. Auf der Grundlage der gesicherten medizinischen Befunde der cerebralen Durchblutungsstörungen und der Alkoholabhängigkeit der Erblasserin lässt sich jedoch nicht zwingend auf ein chronisch-progredientes Psychosyndrom schließen. Denn als Ursachen für eine zwischenzeitliche Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit können bei diesem Krankheitsbild ein sogenanntes Durchgangssyndrom, ein Alkoholentzugsdelir oder eine vaskuläre Demenz in Betracht kommen. Das sogenannte Durchgangssyndrom aber auch das Alkoholentzugsdelir sind dem Wesen nach nicht chronisch progredient und die vollständige Erholung der geistigen Leistungsfähigkeit ist der Normalfall. Demgegenüber können bei einer vaskulären Demenz sowohl chronisch-progrediente als auch sprunghafte Verschlechterungen und Verbesserungen auftreten, so dass auch bei dieser Erkrankung in der Regel nicht von einer dauerhaften kognitiven Beeinträchtigung mit einer eingeschränkten Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann. Die Bekundungen der Zeugen C.., Dr. R... und ... sprechen für einen intermittierenden Verlauf des Krankheitsbildes, bei dem sich Zeiten mit deutlich eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit abwechseln mit Phasen einer deutlich besseren Leistungsfähigkeit.

Auch soweit der Sachverständige Dr. W... sich zur Feststellung der partiellen Geschäftsunfähigkeit auf die von den Zeugen bekundete Sprunghaftigkeit und Neigung zu Augenblicksentscheidungen stützt, ist dies nicht frei von Widerspruch. Denn der Sachverständige hat auf Vorhalt eingeräumt, dass der Umstand, dass sich die Erblasserin bei geschäftlichen Entscheidungen Hilfe holte, auch für eine gewisse Kritikfähigkeit der Erblasserin spreche. Wenn die Erblasserin aber unter kritischer Würdigung ihrer Situation fähig ist, sich dafür zu entscheiden, für den Lebensbereich der Vermögensverwaltung sich der Hilfe dritter Personen zu bedienen, dann spricht dies für die Freiheit ihres Willensentschlusses. Wenn sie sich dem Rat einer dritten Person sodann fügt, so ist dies aufgrund einer vernünftigen freien Willensentschließung geschehen und steht dann auch insoweit nicht unter einem ihren eigenen Willensfreiheit ausschließenden Einfluss eines anderen.

Das Gutachten des Sachverständigen P..., das dieser im Rahmen des Nachlassverfahrens erstellt hat und zu dem Ergebnis gelangte, dass aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms eine deutliche Einschränkung der Kritikfähigkeit als wesentlicher Teil der Geschäftsfähigkeit vorhanden gewesen sei, so dass Geschäftsunfähigkeit vorliege, steht nicht im Widerspruch zum Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H.... Denn dieses Gutachten beruht auf einer geringeren Erkenntnisbasis; so standen diesem Gutachter die Arztberichte der Hausärztin Dr. ... nicht zur Verfügung. Darüber hinaus konnte sich dieser Gutachter lediglich auf die nicht fachkundigen Zeugen R..., B... und R... stützen. Auch der Sachverständige Prof. Dr. H...schätzte ein, dass bei diesen Grundlagen für die Begutachtung man durchaus den Eindruck gewinnen könne, dass insbesondere die nicht fachkundigen Schilderungen der Zeugen an das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit bei der Erblasserin denken lassen könnten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Anwendung der Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins vorliegend kein Raum vorhanden. Für eine Geschäftsunfähigkeit mag dann der erste Anschein sprechen, wenn eine Überzeugung dahin besteht, dass die Erblasserin in den Zeiträumen vor und nach dem Schenkungsvertrag - anhaltend - geschäftsunfähig gewesen ist und somit nur die Möglichkeit in Betracht kommt, sie habe den Schenkungsvertrag während einer vorübergehenden Besserung ihres Geisteszustandes, in der Art eines lichten Interwalles, errichtet (vgl. hierzu OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, S. 870; BayObLGZ 1982, S. 309 (315); BayObLGZ 1979, S. 256 (266). Ein solcher Sachverhalt liegt aber nicht vor. Selbst nach einem Schlaganfall im Juni 1993, den die Zeugin Dr. R...als cerebrale Ischämie diagnostizierte, war die Erblasserin nach wenigen Tagen wieder voll orientiert. Darüber hinaus handelt es sich bei dem im Dezember 1992 aufgetretenen Entzugsdelir sowie der aufgetretenen Amnesie und den dadurch bedingten kognitiven Einbußen um ein reversibles Syndrom.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, wobei der Klägerin auch die Kosten der Revision aufzuerlegen waren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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