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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: 5 U 238/01
Rechtsgebiete: BGB, VermG, EGBGB, ZPO, GVG, BaulG-DVO


Vorschriften:

BGB § 894
VermG § 1
VermG § 1 Abs. 3
VermG § 4 Abs. 2
VermG § 4 Abs. 2 Satz 2
VermG § 4 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz
VermG § 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz lit. a - c
VermG § 30 a
EGBGB Art. 237 § 1 Abs. 3
EGBGB § 1
EGBGB § 1 Abs. 1
EGBGB § 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 319
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 3 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 5
BaulG-DVO § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 238/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26. September 2002

verkündet am 26. September 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kühnholz, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Matthiessen sowie die Richterin am Landgericht Seidel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. November 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - Az. 1 O 709/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der beklagten Gemeinde die Bewilligung einer Grundbuchberichtigung.

Der Vater des Klägers, H O, wurde am 21. März 1940 als Eigentümer des Grundstücks der Gemarkung N F, Flur, Flurstück in das Grundbuch von Blatt später Grundbuch von Neu F, Blatt, heute Blatt, eingetragen. Der Vater des Klägers hielt sich nachfolgend in Frankreich auf. Das Grundstück wurde gem. § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 unter vorläufige Verwaltung des Rates der Gemeinde Neu F gestellt. Die vorläufige Verwaltung wurde am 22. September 1962 in das Grundbuch eingetragen.

Der Vater des Klägers verstarb am 2. April 1973 in Paris. Er wurde durch seine Ehefrau E O beerbt. Diese verstarb am 25. Februar 1988 und wurde vom Kläger allein beerbt.

Durch Feststellungsbescheid Nr. 954 vom 11. April 1990 wurde das Grundstück auf der Grundlage des Baulandgesetzes gegen eine Entschädigung in Höhe von 2.355,50 Mark der DDR in Volkseigentum überführt (Bl. 14 d. A.). Der Bescheid wurde dem Kläger nicht übermittelt.

Am 7. Juni 1990 wurde der Rat der Gemeinde Neu F als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Vater des Klägers eingetragen.

Unter dem 11. Juni 1990 wurde den Eheleuten T und G K vom Rat des Kreises Potsdam ein dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück verliehen. Beide Eheleute schlössen am 27. Juni 1990 einen notariellen Grundstückskaufvertrag über das Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 3 028,50 Mark der DDR.

Der Kläger beantragte mit Eingang am 7. Dezember 1990 bei der Stadtverwaltung in P die Rückübertragung des Grundstücks. Der Antrag ist bis zum heutigen Tage nicht beschieden worden. Eine Eintragung der Grundstückskäufer in das Grundbuch scheiterte bislang an der mangelnden Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung.

Mit Schreiben vom 17. August 2000 forderte der Kläger das Amt F auf, einer Grundbuchberichtigung zu seinen Gunsten zuzustimmen Dies lehnte das Amt durch Schreiben vom 2 November 2000 unter Bezugnahme auf einen Beschluss der Gemeindevertretung Neu F ab.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB zu. Die Enteignung in der Spätphase der DDR ohne Beteiligung des Eigentümers sei rechtswidrig und nichtig. Seinen Grundbuchberichtigungsanspruch könne er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen.

Der Kläger hat die Klage zunächst gegen das Amt F erhoben. Er hat dann durch Erklärung im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 5. Oktober 2001 eine Richtigstellung des Passivrubrums dahingehend beantragt, dass Beklagte die Gemeinde Neu F, vertreten durch das Amt F sei.

Er hat sodann beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von Neu F Blatt, Flurstück Nr., Abt. I insoweit zu erteilen, als nicht die Beklagte, sondern der Kläger Eigentümer dieses Grundstücks ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das zunächst als Beklagte bezeichnete Amt hat seine mangelnde Passivlegitimation gerügt und auf die Eigentümerstellung der Gemeinde Neu F verwiesen. Es hat feiner die Ansicht vertreten, der eingeschlagene Zivilrechtsweg sei nicht gegeben, da über die Rückführung nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach dem Vermögensgesetz entschieden werden könne. Ferner könne die Klage nicht zur Eintragung des Klägers in das Grundbuch führen, da ein zeitlich vorrangiger Eintragungsantrag der Eheleute K vorliege. Es fehle daher am Rechtsschutzbedürfnis für die Klage.

Das Landgericht hat in dem am 2. November 2001 verkündeten Urteil die Gemeinde F als Beklagte aufgeführt und diese antragsgemäß zur Bewilligung der Grundbuchberichtigung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere fehle nicht das Rechtsschutzinteresse. Der Kläger habe ein Interesse, dass gegenüber der beklagten Gemeinde sein Eigentum festgestellt werde, unabhängig wie das Verwaltungsverfahren unter Beteiligung der Eheleute K ausgehe. Die Gemeinde F sei die richtige Beklagte, ihre Einbeziehung in den Prozess sei im Rahmen der Berichtigung der Parteibezeichnung zulässig gewesen. Jedenfalls habe sich die Beklagte auf die Klageänderung in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelassen. Dem Kläger stehe ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 1 Abs. 3 VermG, Art. 237 § 1 Abs. 3 EGBGB i. V. m. § 894 BGB zu, da der Enteignungsbescheid vom 11. April 1990 nichtig sei. Dieser Anspruch könne nach der Rechtsprechung des BGH vor den ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden.

Gegen dieses, ihm am 8. November 2001 zugestellte Urteil, wendet sich die im Urteil als Beklagte bezeichnete Gemeinde F mit ihrer am 6. Dezember 2001 eingegangenen Berufung, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Februar 2002 durch am 22. Januar 2002 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte rügt, die Verurteilung der Gemeinde F stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Auch die Gemeinde Neu F hätte nur durch Parteiwechsel in Gestalt der Zustellung einer Klageschrift in den Prozess einbezogen werden können. Sie ist ferner unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Auffassung, dass auch bei einer Enteignung in der Spätphase der DDR der Verwaltungsrechtsweg einzuschlagen sei. Ferner sei auch die Gemeinde Neu F nicht als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Dort sei vielmehr Eigentum des Volkes und als Rechtsträger der Rat der Gemeinde Neu F vermerkt. Eine Vemögenszuordnung liege jedoch nicht vor, so dass sich das Grundstück in der Treuhandverwaltung des Bundes befinde.

Der Senat hat durch Beschluss vom 5. September 2002 das Rubrum dahingehend berichtigt, dass die Gemeinde Neu F und nicht die Gemeinde F Beklagte des Verfahrens sei

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 2. November 2001, Az: 1 O 709/00, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Grundbuchbezeichnung Blatt von Neu F lautet.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien Bezug genommen, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 22. Januar 2002 (Bl. 96 ff d A) und die Berufungserwiderung vom 31. Mai 2002 (Bl. 113 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der Senat hat über die Berufung nach dem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Reform des Zivilprozesses geltenden Berufungsrecht zu entscheiden, da die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene erstinstanzliche Urteil ergangen ist, vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat folgt der - allerdings in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof stehenden - Annahme des Landgerichts nicht, dass der vom Kläger geltend gemachte Grundbuchberichtigungsanspruch durch Klage vor den ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden kann. Der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte ist nach der Rechtsauffassung des Senats nicht eröffnet. Der Anspruch ist im Verwaltungsverfahren nach dem Vermögensgesetz und anschließend ggf. durch Klage im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen. Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen.

1. Die Gemeinde Neu F ist Partei des Rechtsstreits. Bei der Aufnahme der Gemeinde F in das Rubrum des landgerichtlichen Urteils handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler den der Senat gemäß § 319 ZPO wählend der Anhängigkeit der Sache in der Berufungsinstanz berichtigt hat und berichtigen durfte (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 22 Auflage, § 319 Rdnr. 22 m. w. N.).

Die Klage ist gegen die Gemeinde Neu F auch wirksam erhoben worden Einer förmlichen Klageänderung durch Zustellung eines Schriftsatzes bedurfte es nicht, auch wenn die Klage zuvor gegen das Amt F erhoben worden war. Die Berichtigung des Rubrums durch Erklärung zu Protokoll im Verhandlungstermin vor dem Landgericht war ausreichend.

Die formlose Berichtigung ist bei Wahrung der Identität der Partei zulässig. Hierzu zählt die Rechtsprechung auch Fälle, in denen der Vertreter statt des Vertretenen verklagt worden ist, die Konkursmasse statt der Partei kraft Amtes, der Präsidenten eines Verwaltungsbezirks (eines Landes) statt der Bundesrepublik (vgl. die Nachweise bei Zöller-Vollkommer, aaO. Vor § 50 Rdnr. 7 m.w.N.). Nicht anders ist die Sachlage bei der Klage gegen das Amt beurteilen, das nach § 4 Abs. 3 der Amtsordnung des Landes Brandenburg im gerichtlichen Verfahren als Vertreter der Gemeinde auftritt. Auch hier wäre eine erneute Zustellung eines Schriftsatzes an den Amtsdirektor, nunmehr in seiner Funktion als Vertreter der Gemeinde und nicht als Vertreter des Amtes, eine reine Förmelei.

2. Der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte ist nicht gegeben.

a) Der Senat hat über diese Frage trotz der Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG zu entscheiden, die dem Rechtsmittelgericht die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges im Regelfall verwehrt. Das Landgericht hat über die Rechtswegzuständigkeit trotz der ausdrücklichen Rüge der Beklagten im Schriftsatz vom 28. September 2001 nicht vorab durch Beschluss gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 1 GVG entschieden. Hierzu wäre das Landgericht nach Satz 2 dieser Vorschrift verpflichtet gewesen. Die Regelung des § 17 a Abs. 5 GVG findet nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann keine Anwendung, wenn das erstinstanzliche Gericht - wie hier - verfahrensfehlerhaft über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 119, 246, 250 sowie die weiteren Nachweise bei Musielak-Wittschier, ZPO, 2. Auflage, § 17 a GVG Rdnr. 2).

b) Für den geltend gemachten Anspruch ist der Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes eröffnet. Die vorliegende Enteignung nach dem Baulandgesetz durch Bescheid vom 11. April 1990 erfüllt nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG. Es liegt eine unlautere Machenschaft vor. Der Senat folgt der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung des BGH und des BVerwG, dass eine Enteignung in der Spätphase der DDR jedenfalls nach dem Zeitpunkt des Schreibens des Staatssekretärs im Ministerium der Finanzen und Preise sowie des Leiters des Amtes für Rechtsschutz des Vermögens der DDR an die ersten Stellvertreter der Vorsitzenden der Räte der Bezirke vom 26. Januar 1990 als unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG zu werten ist (BVerwG VIZ 1999, 523 und VIZ 2001, 611, BGH, VIZ 2000, 494, 495). Durch dieses Schreiben ist nach dieser Rechtsprechung nach außen dokumentiert worden, dass auch im Bereich der Inanspruchnahme von Grundstücken eine Entwicklung hin zu rechtsstaatlichen Verhältnissen beabsichtigt war. Die Vorgehensweise bei der Enteignung des klägerischen Grundstücks widerspricht solchen rechtsstaatlichen Verhältnissen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die durch § 8 BaulG-DVO vorgeschriebenen Verhandlungen mit den Eigentümern über den Eigentumserwerb geführt oder dass diese überhaupt am Enteignungsverfahren beteiligt oder hierüber auch nur informiert worden wären.

c) Liegt ein vermögensrechtlicher Restitutionsanspruch vor, schließt dies nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zivilrechtliche Ansprüche und insbesondere den hier geltend gemachten Anspruch nach § 894 BGB auch dann aus, wenn das Erwerbsgeschäft unter einem zusätzlichen Mangel leidet, der zwar bei zivilrechtlicher Betrachtung zur Unwirksamkeit des Erwerbs geführt hätte, der jedoch bei wertender Betrachtung in einem engen inneren Zusammenhang mit dem vom Vermögensgesetz tatbestandlich erfassten staatlichen Unrecht steht (seit BGH, VIZ 1995, 590 ständige Rechtsprechung). Vorliegend ist kein zusätzlicher zivilrechtlicher Mangel gegeben. Die Umstände, die die Nichtigkeit der Enteignung begründen können, erfüllen zugleich den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG. In einem solchen Fall ist die Rechtsverfolgung vor den Zivilgerichten nicht statthaft (BGH, VIZ 1995, 404).

d) Entgegen der Rechtsprechung des BGH ist von diesen Grundsätzen auch dann nicht abzuweichen, wenn es sich um eine Enteignung in der Spätphase der DDR - nach dem 18. Oktober 1989, dem Tag des Rücktritts des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker - handelt.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 12. Mai 2000 (V ZR 47/99 - VIZ 2000, 494) ausgeführt, bei einer rechtsstaatswidrigen Enteignung in der Spätphase der DDR sei ein Vorrang des Vermögensgesetzes vor dem Zivilrecht, insbesondere dem Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB nicht mehr gegeben. Der Vorrang des Vermögensgesetzes sei zwar grundsätzlich wegen des sozialverträglichen Ausgleichs zwischen dem Rückerstattungsinteresse des Berechtigten und dem Schutz des redlichen Erwerbers gerechtfertigt. Dieser besondere Schutz finde aber dort seine Grenze, wo der fehlerhafte Erwerb auch im System des funktionierenden Sozialismus keinen Bestand gehabt hätte. Dies treffe auf eine Enteignung in der Spätphase der DDR zu. Auch finde Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB keine Anwendung, da ein Sachverhalt vorliege, der den Tatbestand von § 1 VermG erfülle.

Diese Rechtsprechung des BGH hat in der Literatur (vgl. Pritsche, NJ 2000, 650 651; Hermann, OV spezial 2000, 350, 353) und durch die Rechtsprechung des BVerwG (VIZ 2001, 611,612) Kritik erfahren. Auch der erkennende Senat vermag sich der Auffassung des BGH nicht anzuschließen.

Soweit der BGH ausführt, der Erwerber eines nach dem 18. Oktober 1989 enteigneten Grundstücks sei auch nach den Maßstäben eines funktionierenden Sozialismus nicht schutzwürdig, steht dies in einem unauflöslichen Widerspruch zu den Regelungen in § 4 Abs. 2 VermG, die eine Restitution im Falle eines redlichen Erwerbs durch eine natürliche Person ausschließen. Diese Vorschrift setzt voraus, dass die Entziehung des Vermögenswertes rechtsstaatswidrig war, ohne dass sich hieraus Auswirkungen auf die Beständigkeit des Erwerbes des Vermögenswertes durch eine privaten Dritten ergeben müssen. Sie geht von der Erkenntnis aus. dass der Erwerber eines Vermögenswertes keineswegs an dem durch die staatlichen Stellen bei der Entziehung des Vermögenswertes begangenen Unrecht beteiligt gewesen sein muss und daher durchaus schutzwürdig sein kann. Dies kann auch bei einem Erwerb einer Rechtsposition durch eine natürliche Person nach dem 18. Oktober 1989 der Fall sein, obwohl § 4 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz VermG einem Erwerbsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 regelmäßig den Bestand versagt. In einer großen Zahl von Fällen wird der Erwerb einer restitutionsfesten Rechtsposition nach § 4 Abs. 2 VermG auch nach dem 18. Oktober 1989 zugelassen. Dies betrifft zunächst die Fälle der Rückausnahmen von der Stichtagsregelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz lit. a - c, nämlich die Fälle einer Anbahnung vor dem 19. Oktober 1989, einem Erwerb auf Grundlage von § 1 des Verkaufsgesetzes und bei der Vornahme wesentlicher Investitionen vor dem Stichtag. Eine restitutionsfeste Rechtsposition konnte auch der Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechtes erwerben, wenn ihm - auch nach dem 18. Oktober 1989 - ein solches zum Zwecke der Errichtung eines Eigenheimes zugewiesen oder verliehen wurde (sog. "Häuslebauer-Nutzungsrecht" in Abgrenzung zum sog. "akzessorischen Nutzungsrecht", das im Zusammenhang mit dem Erwerb eines bereits vorhandenen Gebäudes stand, vgl. hierzu Holst/Liedtke in Fieberg/Reichenbach u.a., VermG, Loseblatt-Kommentar, Stand April 1998, § 4 Rdnr. 81). Die Zuweisung oder Verleihung von Nutzungsrechten, denen kein Erwerbsgeschäft zugrunde lag, fallen daher nicht unter die Stichtagsregelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG (aaO, Rdnr 109).

Wenn aber in solchen Fällen der Erwerb einer Rechtsposition auch nach dem 18. Oktober 1989 die Restitation eines Grundstücks nach dem Vermögensgesetz gemäß § 4 Abs. 2 VermG ausschließen kann, wäre es problematisch, zugleich eine zivilrechtliche Klage auf Grundbuchberichtigung zuzulassen. Hierdurch würde dem Erwerber der vom Vermögensgesetz beabsichtigte sozialverträgliche Ausgleich verwehrt. Dieses Anliegen hat seinen Niederschlag nicht nur in der, materiell-rechtlichen Regelungen - insbesondere in § 4 Abs. 2 und in § 30 a VermG, sondern auch in den verfahrensrechtlichen Regelungen gefunden. So lässt das nach dem VermG durchzuführende Verwaltungsverfahren, das vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird, eine angemessene Beteiligung des Erwerbers zu, ohne ihn zur Partei des Verfahrens zu machen. In dem gegen den Verfügungsberechtigten geführten Zivilprozess ist eine solche Beteiligung hingegen nicht generell gewährleistet. So vermag der Senat auch vorliegend nicht abschließend zu beurteilen, ob die Eheleute K eine restitutionsausschließende Rechtsposition erworben haben. Durch die Eröffnung des Zivilrechtsweges würde mithin die Gefahr entstehen, dass der vom VermG auch beabsichtigte Schutz des Erwerbers nicht gewährleistet wäre oder es zumindest zu divergierenden Entscheidungen im Zivilprozess und im Verwaltungsverfahren nach dem VermG käme. Es wäre sogar möglich, nach der bestandskräftigen Ablehnung der Restitution nach dem VermG ein erfolgreiches zivilrechtliches Klageverfahren durchzuführen.

Darüber hinaus folgt der erkennende Senat der Auffassung des BVerwG, dass die Rechtsprechung des BGH im Widerspruch zum Wortlaut und zum Sinn und Zweck des Art. 237 § 1 EGBGB steht. Auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des BVerwG vom 3. Juli 2001 (VIZ 2001, 611, 612) wird Bezug genommen. Auch die Regelungen in Art. 237 § 2 EGBGB sprechen gegen die Rechtsauffassung des BGH. Art. 237 Abs. 2 Satz 1 EGBGB sieht die Möglichkeit der Heilung einer unwirksamen Übertragung eines Grundstücks in Volkseigentum vor, wenn die Eintragung im Grundbuch vor dem 3. Oktober 1990 erfolgt ist. Hierzu steht die Annahme eines Stichtages 18. Oktober 1989 für die Unwirksamkeit einer Enteignung nach dem Baulandgesetz im Widerspruch. Auch begründet Art. 237 Abs. 4 Satz 2 EGBGB einen Verfahrensvorrang für das vermögensrechtliche Verfahren vor der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Dem würde die Zulassung eines zivilrechtlichen Grundbuchberichtigungsanspruchs vor Abschluss des vermögensrechtlichen Verfahrens widersprechen.

3. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG kommt nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BGH, der auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, ist die Verweisung eines vermögensrechtlichen Rechtsstreits an die Verwaltungsgerichtsbarkeit jedenfalls dann nicht möglich, wenn das vorgelagerte Verwaltungsverfahren - wie hier - noch nicht abgeschlossen ist (BGH, VIZ 1998, 96, 97).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. zuzulassen. Die Rechtssache besitzt wegen der in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH erfolgten Beschränkung des Rechtsweges vor die ordentlichen Gerichte bei Enteignungen in der Spätphase der DDR grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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