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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: 5 U 36/06
Rechtsgebiete: BGB, GBBerG, ZPO, EnergieVO, BaulandG


Vorschriften:

BGB § 894
BGB § 1004
BGB § 1004 Abs. 1
GBBerG § 9
GBBerG § 9 Abs. 1
GBBerG § 9 Abs. 1 Satz 1
GBBerG § 9 Abs. 4
GBBerG § 9 Abs. 6
GBBerG § 9 Abs. 11
ZPO § 533
ZPO § 543 Abs. 2
EnergieVO § 29
EnergieVO § 29 Abs. 2
EnergieVO § 29 Abs. 4
BaulandG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 36/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 01.02.2007

Verkündet am 01.02.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20. Januar 2006 - Aktenzeichen: 1 O 575/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 305.270,- Euro

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke im Bereich der Flur 1 S..., und zwar unter anderem der Flurstücke 7/1, 7/2, 321 und 381 (Grundbuch für S... Blatt 995), Flurstück 322 (Grundbuch für S... Blatt 92) und Flurstück 214 (Grundbuch für S... Blatt 96). Auf diesen Grundstücken betreibt die Beklagte eine 110 kv-Freileitung, Abschnitt S.../Wohnungsbau, die zu einem Umspannwerk führt, das wiederum mit einer Trafostation verbunden ist. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Beseitigung dieser Einrichtungen und die Zustimmung zur Löschung der insoweit eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz wurde für das Umspannwerk und die Trafostation ebenfalls eine Dienstbarkeit eingetragen, deren Löschung nun erstmals in der Berufungsinstanz mit dem neuen Antrag zu 1. begehrt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB noch ein Anspruch auf Beseitigung der Anlagen gemäß § 1004 BGB gegenüber der Beklagten zu. Die materielle Rechtslage stehe mit der formellen Eintragung im Grundbuch im Einklang, die materielle Berechtigung zur Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit folge aus § 9 Abs. 1 GBBerG, weil die Leitungstrasse eine Anlage zur Fortführung von Elektrizität sei und am 3. Oktober 1990 bereits auf den streitgegenständlichen Grundstücken genutzt worden sei. Für die Absicherung von Investitionen zu DDR-Zeiten nach § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz komme es nicht darauf an, ob die Anlage am 3. Oktober 1990 endgültig fertig gestellt gewesen sei; auch eine noch nicht abgeschlossene Baumaßnahme könne bereits Gegenstand einer "Nutzung" im Wortsinne sein. Es komme hinzu, dass die Anlage am 3. Oktober 1990, wie dies die von der Beklagten eingereichten Unterlagen belegten, im technischen Sinne als Anlage fertig gestellt gewesen sei. Dass § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz auch dann auf Leitungstrassen Anwendung finden müsse, wenn diese fertig gestellt, jedoch nicht im Sinne einer Inbetriebnahme genutzt würden, werde aus einem Vergleich mit § 9 Abs. 11 Grundbuchbereinigungsgesetz deutlich. Da für eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Versorgungsbetriebe kein rechtfertigender Grund ersichtlich sei, müsse das in § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz aufgeführte Tatbestandsmerkmal "Nutzung" mit dem in § 9 Abs. 11 Grundbuchbereinigungsgesetz benannten Tatbestandsmerkmal der "Errichtung" gleichgesetzt werden. Der Klägerin stehe demgemäß auch kein Anspruch auf Beseitigung gemäß § 1004 BGB zu. Zwar beeinträchtigten die Anlagen den Grundstückseigentümer, so dass grundsätzlich ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB in Betracht käme. Die Anlagen seien jedoch ordnungsgemäß und mit entsprechenden Bauerlaubnissen errichtet worden, so dass der beeinträchtigende Zustand nicht rechtswidrig sei. Ein Anspruch auf Beseitigung folge auch nicht aus dem von Klägerin behaupteten Gesprächsinhalt vom 14. April 2004. Unabhängig von dem konkreten Inhalt der Gespräche handele es sich bei der - bestrittenen - zitieren Äußerung inhaltlich in keinem Falle um eine bindende Verpflichtungserklärung der Beklagten, sondern allenfalls um eine Ankündigung, aus welcher sich etwaige Erfüllungsansprüche nicht ergeben.

Gegen das ihr am 30. Januar 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam hat die Klägerin mit am 16. Februar 2006 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 30. März 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

In der Berufungsinstanz bestreitet die Klägerin weiterhin, dass sich die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen auf die streitgegenständlichen Anlagen beziehen und diese am 3. Oktober 1990 bzw. am 25. Dezember 1993 in Betrieb gegangen sei. Die Inbetriebnahme sei vielmehr erstmals im Jahre 1995 erfolgt, als die Stromversorgung für die Großkläranlage W... aufgenommen worden sei. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 haben die Parteien unstreitig festgestellt, dass die M... als Rechtsvorgängerin der Beklagten am 23. Dezember 1993 in Besitz der elektrotechnischen Anlagen (Leitungstrasse, Umspannwerk und Trafostation) war. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.

Nach den Hinweisen des Senates im Termin vom 14. Dezember 2006 hat die Klägerin ihren -bestrittenen - Vortrag zur Aufgabe der Energieanlage durch die Beklagte ergänzt und trägt nun vor, das Wohnungsbauvorhaben, das die Energieanlage mit Strom habe versorgen sollen, sei - was von Beginn des Rechtsstreits an zwischen den Parteien unstreitig war - im Zuge der sich abzeichnenden Wende bereits vor dem 3. Oktober 1990 aufgegeben worden; die Energieversorgungsanlage der Beklagten habe dadurch ihre Bestimmung verloren. Die Klägerin wiederholt weiter ihren Vortrag, wonach die Energieversorgungsanlage von dem Energieversorger nach der Errichtung teilweise als Ersatzteillager genutzt worden sei; die im Zusammenhang mit der Energieversorgungsanlage getätigten Investitionen seien danach nicht schutzwürdig im Sinne von § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz;

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgericht Potsdam vom 20. Januar 2006 - Az.: 1 O 575/04 - die Beklagte zu verurteilen,

1. Ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs des AG Königs Wusterhausen von S..., Blatt 995, FlNrn. 7/1, 7/2 und 321 der Flur 1 insofern zu erteilen, als die dort jeweils in Abteilung II zu Gunsten der Beklagten eingetragene beschränkte persönliche Dienstbarkeit (110-kV-Umspannwerk einschließlich Einbauten und Zubehör sowie betriebsbedingte Neben- und Sonderanlagen) zu löschen ist,

2. das auf den im Grundbuch des AG Königs Wusterhausen von S..., Blatt 995, eingetragenen Grundstücken FlNrn. 7/1, 7/2 und 321 der Flur 1 stehende und in der Anlage K 4 der beigefügten Planung rot umrandete Umspannwerk S.../ Wohnungsbau zu beseitigen,

3. die auf dem im Grundbuch des AG Königs Wusterhausen von S..., Blatt 995, vorgetragenen Grundstück FlNn. 321 der Flur 1 stehende und in der Anlage K 4 der beigefügten Planung grün umrandete Trafostation zu beseitigen,

4. ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs des AG Königs Wusterhausen von S... Blatt 995, FlNr. 7/1, FlNr. 321, FlNr. 381, Blatt 922, FlNr. 322 und Blatt 96, FlNr. 214 der Flur 1 insofern zu erteilen, als die dort jeweils in Abteilung II zu ihren Gunsten eingetragenen beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Leitungs- und Anlagenrecht DHT 1062) zu löschen ist,

5. den Betrieb, der über die im Klageantrag Ziffer 4 genannten Grundstücke verlaufenden 110-kV Freileitung, Abschnitt S...-Wohnungsbau, auf der in dem Lageplan (Anlage K 4) rot markierten Leitungstrasse einzustellen und

6. die über die im Klageantrag Ziffer 4 genannten Grundstücke verlaufende 110-kV -Freileitung, Abschnitt S...-Wohnungsbau, nebst dazugehörigem Leistungsmasten auf der in dem Lageplan (Anlage K 4a) rot markierten Leitungstrassen zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 517, 519, 520 ZPO). Die Berufung ist auch zulässig, soweit mit dem jetzigen Berufungsantrag zu 1 erstmals die Zustimmung zur Löschung der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in I. Instanz eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit für das Umspannwerk beantragt wird. Für diesen neuen Antrag liegen die Voraussetzungen des § 533 ZPO vor. Die damit verbundene Klageänderung ist ohne weiteres sachdienlich, weil dadurch über den gesamten Streitstoff einheitlich entschieden werden kann; für die Entscheidung sind nur solche Tatsachen maßgeblich, die der Entscheidung ohnehin zugrunde gelegt werden müssen.

Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen, weil die Klägerin weder die Löschung der eingetragenen Grunddienstbarkeiten nach § 894 BGB noch die Beseitigung der Energieanlagen nach § 1004 Abs. 1 BGB von der Beklagten verlangen kann.

A.

Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches nach § 894 BGB, weil das Grundbuch durch die Eintragung der Grunddienstbarkeiten für die Freileitung, das Umspannwerk und die Trafostation (im Folgenden: Energieanlage) nicht unrichtig geworden ist. Die Beklagte hatte nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz einen Anspruch auf Eintragung dieser Dienstbarkeiten, weil die Energieanlage im Sinne dieser Vorschrift an den jeweiligen Stichtagen (3. Oktober 19990 und 25. Dezember 1993) von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin genutzt wurde.

1.

Zwischen den Parteien ist in diesem Zusammenhang insbesondere streitig, wie das Tatbestandsmerkmal der "Berechtigung zum Besitz und Betrieb sowie zur Unterhaltung und Erneuerung von Energieanlagen auf Leitungstrassen, die am 3. Oktober 1990 ... genutzt waren" auszulegen ist..

Die Klägerin versteht das Merkmal in der Weise, dass die Energieanlage zu diesem Stichtag tatsächlich bestimmungsgemäß genutzt sein, also "von Strom durchflossen" gewesen sein muss. Nach Ansicht der Beklagten ist es dagegen ausreichend, dass die Energieanlage zu diesem Stichtag im technischen Sinne fertig gestellt war bzw. mit ihrer Errichtung zumindest begonnen gewesen sein muss.

Für das Entstehen der Dienstbarkeit spielt es in diesem Zusammenhang im Übrigen keine Rolle, ob bereits zuvor auf Grund § 29 EnergieVO 1988 ein Mitbenutzungsrecht entstanden ist - Anhaltspunkte für eine entsprechende Vereinbarung oder eine Anordnung nach § 29 Abs. 4 EnergieVO in Verbindung mit § 17 BaulandG bestehen allerdings nicht - oder nicht. Für das Entstehen der Dienstbarkeit kommt es allein darauf an, ob die betroffenen Grundstücke am 3. Oktober 1990 für eine Anlage zur Fortleitung von Elektrizität genutzt worden waren (BGHZ 157, 144 ff = VIZ 2004, S. 189).

2.

Für ein Verständnis des Tatbestandsmerkmals "auf Leitungstrassen, die am 3. Oktober 1990 ... genutzt waren" im Sinne der Klägerin spricht, dass eine Nutzung bzw. ein Betreiben im engeren Wortsinne voraussetzt, dass die Anlage bestimmungsgemäß genutzt wird und das bloße Vorhandensein der Anlage nicht ausreicht. In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, das Erfordernis des Betreibens beschreibe nicht allein den Begünstigten, sondern enthalte zugleich eine qualitative Anforderung an die Energieanlage, in dem diese betrieben werden müsse, also nicht stillgelegt sein dürfe (Zimmermann, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz, Rdnr. 7; in diesem Sinne wohl auch Möller, Leitungsrecht in den neuen Bundesländern nach § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz, RdE 1997, 101, 102). Der Klägerin ist in diesem Zusammenhang jedenfalls insoweit zuzustimmen, dass sich der Relativsatz in § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz "die am 3. Oktober 1990 ... genutzt waren", nicht zwingend auf die Leitungstrasse ziehen muss, sondern sich auch auf die Energiefortleitungsanlage beziehen kann.

3.

Gleichwohl ist der Senat der Auffassung, dass es für das Merkmal der Nutzung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz nicht darauf ankommt, dass die Energieanlage am 3. Oktober 1990 bereits bestimmungsgemäß genutzt worden ist, sondern dass es ausreicht, wenn zu diesem Zeitpunkt jedenfalls mit ihrer Realisierung begonnen worden war. Hierfür sprechen aus Sicht des Senates die folgenden Argumente:

Geht man vom Wortlaut des Gesetzes aus, so erfasst das Recht den Besitz und Betrieb sowie die Unterhaltung und Erneuerung solcher Energieanlagen auf Leitungstrassen, die am 3. Oktober 1990 genutzt waren. Maßgeblich ist danach die Inanspruchnahme des Grundstückes durch die Leitungstrasse selbst. Mit dem Begriff der "Leitungstrasse" wollte der Gesetzgeber den tatsächlich beanspruchten Grundstücksteil kennzeichnen; entscheidend ist die Inanspruchnahme des Grundstücks selbst zum Stichtag. Für dieses Verständnis von § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz spricht weiter die Gesetzesbegründung. Denn danach soll die Dienstbarkeit für solche Anlagen begründet werden, die am 3. Oktober 19990 tatsächlich vorhanden, aber nicht vollständig rechtlich abgesichert waren (BT-Drucksache DRUCKS. 12/6228 S. 75).

Auch wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Frage, ob es nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz erforderlich ist, dass die Energieanlage am 3. Oktober 1990 bereits bestimmungsgemäß genutzt worden ist, noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, so lassen aus Sicht des Senates die bisher hierzu veröffentlichten Entscheidungen jedoch zumindest erkennen, dass der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang ebenfalls entscheidend auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundstücks selbst abstellen will. So spricht der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit dieser Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich davon, dass das betroffene Grundstück am 3. Oktober 1990 für eine Energiefortleitungsanlage genutzt wurde (BGH NJW-RR 2006, 521; BGHZ 157, 144, 145). Ein Grundstück wird in diesem Sinne aber schon dann "genutzt", wenn mit der Errichtung der Anlage begonnen wird, nicht erst, wenn sie bestimmungsgemäß in Betrieb geht. Dem entspricht es, wenn in einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofes davon die Rede ist, es komme für die Belastung mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit darauf an, dass sich am 3. Oktober 1990 Energiefortleitungsanlagen auf dem Grundstück "befunden" haben (BGH LKV 2002, 486). Nach Auffassung des Senats sprechen darüber hinaus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dafür, dass es für deren Anwendbarkeit nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Anlage technisch in Betrieb genommen wurde. Nach der Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz Lücken in der Absicherung von Altanlagen im Beitrittsgebiet schließen, die dadurch entstanden waren, dass die nach § 29 Abs. 2 EngergieVO 1988 erforderliche Zustimmung des Grundstückseigentümers nicht eingeholt oder eine Duldungsanordnung nicht ergangen war. Dies war aber nicht der eigentliche Zweck der Regelung. Eigentlicher Anlass für den Gesetzgeber war der Umstand, dass die im Einigungsvertrag vorgesehene Ablösung der nach der EnergieVO 1988 entstandenen und vorläufig aufrecht erhaltenen Benutzungsrechte durch vertraglich neu zu begründende Dienstbarkeiten an praktischen Schwierigkeiten zu scheitern drohte. Erklärte Absicht des Gesetzgebers war es, diese Ablösung durch eine am voraussichtlichen Inhalt dieser Verträge ausgerichtete gesetzliche Regelung vorwegzunehmen (BGHZ 157, 144 ff). Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang weiter, dass die Mitbenutzungsrechte nach § 29 EnergieVO 1988 bereits zum Zwecke der Bebauung begründet werden konnten (auch die Regelung in § 8 AVBeltV, auf die es in diesem Zusammenhang jedoch nicht ankommt, verpflichtet den Grundstückseigentümer, das Anbringen und Verlegen der Leitungen zu dulden), so ist es konsequent, § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz auf solche Sachverhalte anzuwenden, bei denen in diesem Sinne zum Stichtag 3. Oktober 1990 das Grundstück in Anspruch genommen worden war. Bei einem anderen Verständnis der Regelung wäre eine hinreichende Absicherung schutzwürdiger Investitionen in Energiefortleitungsanlagen nicht realisierbar, denn das Energieunternehmen müsste dann bis zur tatsächlichen und bestimmungsgemäßen Inbetriebnahme mit der rechtlichen Ungewissheit leben, ob der Eigentümer des Grundstücks rechtlich zur Duldung der Anlage verpflichtet ist oder deren Beseitigung verlangen kann. Auf einer solchen Grundlage können aber Investitionen in diesem Umfang nicht vorgenommen werden, vielmehr ist das Versorgungsunternehmen darauf angewiesen, bereits vor Beginn der Errichtung die Frage der notwendigen Inanspruchnahme fremder Grundstücke verbindlich zu klären. Dem entspricht es, wenn § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz neben dem Betrieb der Anlage ausdrücklich auch den reinen Besitz schützt. Eine den Regelungen der EnergieVO vergleichbare Absicherung der Investitionen lässt sich danach nur erzielen, wenn bereits in der Errichtungsphase der Energieanlage die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz Anwendung findet. Dadurch wird -worauf es allerdings entscheidend nicht mehr ankommt - darüber hinaus eine durch die Sache nicht gebotene Ungleichbehandlung mit den in § 9 Abs. 11 Grundbuchbereinigungsgesetz geregelten Sachverhalten vermieden, bei denen es nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift allein auf die Errichtung der Anlagen ankommt.

4. Eine Nutzung der Grundstücke der Klägerin in diesem Sinne hat am 3. Oktober 1990 bestanden.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist nicht streitig, dass bereits deutlich vor dem 3. Oktober 1990 mit der Errichtung der Energieanlage, die der Versorgung eines noch zu errichtenden Wohngebietes dienen sollte, begonnen worden ist. Bereits dies reicht aus Sicht des Senates für die Anwendbarkeit von § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz aus, weil bereits zu diesem Zeitpunkt die Inanspruchnahme der Grundstücke erfolgte und die Investitionen des Versorgungsunternehmens schutzwürdig waren.

Ohne, dass es noch entscheidend darauf ankäme, ist weiter davon auszugehen, dass die Energieanlagen am 3. Oktober 1990 jedenfalls betriebsbereit waren. Dafür sprechen, wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, die von der Beklagten vorgelegten Bescheinigungen, deren Echtheit von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird. Soweit die Klägerin bezweifelt, dass sich diese Bescheinigungen auf die streitgegenständlichen Anlagen beziehen, ist hierin, worauf in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 ausdrücklich hingewiesen worden ist, ein hinreichendes Bestreiten nicht zu sehen. So ergibt sich insbesondere aus der Betriebsbereitschaftserklärung des VEB En... B... vom 21. September 1989 (Anlage B 4) und dem weiteren Schreiben des VEB En... B... vom 11. Mai 1989 an die Räte der Gemeinden M..., G..., W... und S..., dass die neu errichtete Hochspannungsfreileitung zum 30. Mai 1989 dem Betreiber, dem VEB En... P..., übergeben worden ist und "sofort als unter Spannung stehend zu betrachten" sei. Danach ist von einer Betriebsbereitschaft der Anlage zu einem Zeitpunkt vor dem 3. Oktober 1990 auszugehen; dass bloße Bestreiten der Klägerin, diese Erklärungen bezögen sich nicht auf die streitgegenständliche Anlage, reicht nicht aus, weil, worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 ausdrücklich hingewiesen worden ist, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in dem Bereich S... zu dieser Zeit eine weitere Anlage dieser Art in Betrieb gegangen ist, nicht vorgetragen worden sind. Danach ist, auch wenn in den genannten Erklärungen eine Bezugnahme auf konkrete Grundstücke fehlt, davon auszugehen, dass sie sich auf die hier streitgegenständliche Energieanlage beziehen.

5.

Zwischen der Parteien ist nunmehr unstreitig, dass zu dem weiteren Stichtag am 25. Dezember 1993, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die M... Besitzerin der Energieanlage war. Für die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz ist nicht erforderlich, dass zu diesem Stichtag die Anlage auch tatsächlich betrieben worden ist. Mit der Regelung des weiteren Stichtages 25. Dezember 1993 sollten ersichtlich keine weiteren Anforderungen in sachlicher Hinsicht geregelt werden, es sollte im Hinblick auf die Neustrukturierung der Energieversorgung nach dem 3. Oktober 1990 lediglich eindeutig geregelt werden, welcher Energieversorger im Hinblick auf die Recht in § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz aktiv legitimiert ist.

6.

Auch nach dem ergänzenden Vorbringen der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Investitionen in die streitgegenständliche Energieanlage deswegen nicht schutzwürdig sind, weil wegen der Nichtrealisierung des Wohnungsbauprojektes im Zuge der Wende die Energieversorgungsanlage endgültig aufgegeben worden wäre bzw. die Beklagte nach § 9 Abs. 6 GBBerG vor der Erteilung der Bescheinigung nach § 9 Abs. 4 GBBerG auf die Dienstbarkeit verzichtet hätte. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Tatsachen reichen bereits nicht aus, um eine solche endgültige Aufgabe der Energieanlage feststellen zu können.

Es ist unstreitig, dass mit der Errichtung der Energieanlage begonnen wurde, um ein noch zu errichtendes Wohngebiet S... mit elektrischer Energie zu versorgen. Allein der Umstand, dass dieses Wohngebiet unstreitig nicht errichtet worden ist, führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass die Energieanlage funktionslos wird und vom Versorgungsunternehmen endgültig aufgegeben wird. Der Umstand, dass der ursprünglich vorgesehene Verwendungszweck entfallen ist, hat ohne hinzutreten weiterer Umstände nicht zwingend zur Folge, dass die Energieanlage funktionslos wird, deren Betrieb endgültig aufgegeben wird und die Investitionen des Energieversorgers damit insgesamt nicht mehr schutzwürdig sind. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall daran, dass die Energieanlage jedenfalls später ab dem Jahre 1995 zur Versorgung der Großkläranlage W... genutzt worden ist und es vorgesehen ist, die Anlage zur Versorgung des geplanten Großflughafens in S... zu nutzen.

Der weitere Vortrag der Klägerin, eine endgültige Aufgabe der Energieanlage sei darin zu sehen, dass diese teilweise als Ersatzteillager benutzt worden sei, ist schon nicht hinreichend konkret, um eine solche Schlussfolgerung ziehen zu können. Aus den insoweit vorgelegten Aktennotizen vom 15. Oktober 1993 (Anlage K 3), aus denen sich im übrigen ergibt, dass die Anlage zum 3. Oktober 1990 jedenfalls betriebsbereit war, lässt sich lediglich pauschal entnehmen, dass das Umspannwerk, also ein Teil der Energieanlage nicht in Betrieb gegangen ist und in jüngster Zeit als Ersatzteillager benutzt worden sein soll. Daraus ergibt sich bereits, dass allenfalls ein Teil der Energieanlage, nämlich das Umspannwerk, nicht aber die Freileitung und die Trafostation, als Ersatzteillager gedient haben sollen. Es fehlen aber jegliche konkreten Anhaltspunkte dafür, in welchem Umfang eine solche - von der Beklagten bestrittene - Nutzung erfolgt sein soll. Auch in dem nachgelassenen Schriftsatz finden sich über die auf den Inhalt der vorgelegten Protokolle gestützte Behauptung, die Anlage sei teilweise als Ersatzteillager genutzt worden, keine weiteren Ausführungen, in welchem - auch zeitlichen Umfang - eine solche Nutzung erfolgt sein soll. Ohne eine derartige Konkretisierung lässt sich aber schon nicht feststellen, dass hierin eine endgültige Aufgabe der Energieanlage als solcher zu sehen ist.

Entgegen der in dem nachgelassenen Schriftsatz vertretenen Auffassung der Klägerin ist sie insoweit darlegungspflichtig, da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt. Da die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz gegeben sind, bestünde ein Anspruch auf Bestellung einer entsprechenden beschränkt persönlichen Dienstbarkeit allenfalls dann nicht, wenn festgestellt werden könnte, dass die Investition deswegen nicht schutzwürdig sind, weil die Energieanlage nach dem 3. Oktober 1990 vom dem Energieversorger endgültig aufgegeben worden ist.

Eine solche endgültige Aufgabe lässt sich schließlich nicht daraus herleiten, dass die Energieanlage, jedenfalls das Umspannwerk, nach dem 3. Oktober 1990 zunächst nicht genutzt worden ist und eine Nutzung erst im Jahre 1995 mit der Versorgung der Großkläranlage W... erfolgte. Allein der Zeitraum von 5 Jahren reicht nach Auffassung des Senates allein für sich - noch - nicht aus, um hierin eine endgültige Aufgabe der Anlage zu sehen. Angesichts des Umfangs der Investitionen, die für die Errichtung solcher Energieanlagen erforderlich sind, ist es für den Eigentümer des betroffenen Grundstücks hinnehmbar, wenn nach Wegfall des ursprünglichen Verwendungszwecks, nämlich der Versorgung eines Wohngebietes, weitere 5 Jahre verstreichen, bis die Anlage einem neuen Nutzungszweck zugeführt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Energieversorgungsmarkt nach der Wende im Beitrittsgebiet völlig neu strukturiert wurde und schon vor diesem Hintergrund eine rasche Entscheidung darüber, ob die Anlage endgültig aufgegeben oder ein neuer Verwendungszweck gefunden werden kann, nicht zu erwarten war. Jedenfalls ist es vor diesem Hintergrund - noch - nicht unzumutbar, wenn eine bestimmungsgemäße Nutzung der Energieanlage erst rund 5 Jahre nach dem 3. Oktober 1990 erfolgte.

Es ist damit vom Vorliegen der Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz auszugehen; die beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten zugunsten der Beklagten sind zu Recht im Grundbuch eingetragen worden; eine Unrichtigkeit des Grundbuchs besteht insoweit nicht.

B.

Demgemäß hat die Klägerin gegen die Beklagte desweiteren keinen Anspruch auf Beseitigung der Anlage aus § 1004 Abs. 1 BGB. Zwar kann, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nicht festgestellt werden, dass für die streitgegenständlichen Anlagen eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Ein Beseitigungsanspruch der Klägerin besteht gleichwohl nicht.

Ähnlich wie im Anwendungsbereich des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes kommt es auf eine solche förmliche Genehmigung nicht an. Der Gesetzgeber konnte wie in anderen Bereichen der Bereinigung der dinglichen Verhältnisse an Grund und Boden nicht darauf abstellen, ob die fragliche Nutzung zu einer förmlichen Absicherung geführt hatte. Aufgrund der Billigung der vorgenommenen Mitnutzung von Grundstücken für Energiefortleitungsanlagen kam in der Rechtswirklichkeit der DDR der allein faktischen Mitnutzung eine vergleichbare Bedeutung zu. Der Gesetzgeber war, anders als im Rahmen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, hier nicht gehalten, die Begründung der Dienstbarkeiten von einer konkret nachzuweisenden staatlichen Billigung abhängig zu machen. Es handelt sich nämlich um Anlagen, die der öffentlichen Versorgung dienen. Hier kann ähnlich wie bei der Nutzung von privatem Grundstücken durch öffentliche Stellen im Rahmen einer pauschalierenden Betrachtungsweise auch ohne besonderen Nachweis von der Billigung staatlicher Stellen ausgegangen und auf einen konkreten Nachweis im Einzelfall verzichtet werden. Die sachliche Entscheidung über Anlage und Verlauf einer Energiefortleitungsanlage lag in der Hand der zuständigen Betriebe. Deshalb lag eine staatliche Billigung praktisch immer vor; sie war als besondere Tatbestandsvoraussetzung verzichtbar (BGHZ 157, 144 ff).

Danach hat die Klägerin die Energieanlagen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz zu dulden und kann deren Beseitigung nicht verlangen.

Die Berufung war danach insgesamt zurückzuweisen.

C.

1.

Der Senat misst der Frage, ob es für die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchbereinigungsgesetz darauf ankommt, ob die Energieanlage zum Stichtag 3. Oktober 1990 bereits tatsächlich bestimmungsgemäß genutzt worden ist, die soweit ersichtlich höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO grundsätzliche Bedeutung bei und lässt aus diesem Grunde die Revision zu.

2.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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