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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 5 U 44/06
Rechtsgebiete: BbgNRG, BGB, ZGB/DDR, prALR, DBO 1958, BevölkerungsbauwerkeVo 1972


Vorschriften:

BbgNRG § 20
BbgNRG § 20 Abs. 2
BbgNRG § 20 Abs. 2 Satz 1
BGB § 242
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 analog
ZGB/DDR § 316
prALR § 142
DBO 1958 § 254 Abs. 2
DBO 1958 § 354 Abs. 2
BevölkerungsbauwerkeVo 1972 § 5 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 44/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 07. Dezember 2006

Verkündet am 07. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und die Richterin am Oberlandesgericht Kosyra

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. Januar 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 4 O 416/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ...-Straße 18, der Beklagte Eigentümer des Nachbargrundstücks ...-Straße 17 (Villa ...).

Auf dem Grundstück ...-Straße 18 steht ein Wohnhaus mit einer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichteten Grenzwand. An diese Grenzwand war 1897 auf dem Grundstück des Beklagten, ...-Straße 17, ein Pavillon angebaut worden.

Mit gemäß Verordnung vom 22. 3.1972 über die Verantwortung der Räte der Gemeinden, Stadtbezirke, Städte und Kreise bei der Errichtung und Veränderung von Bauwerken der Bevölkerung (GBl. II, S. 293) - Bevölkerungsbauwerkeverordnung 1972 - erteilter Zustimmung des Rates der Stadt P... vom 4. Oktober 1974, aber gegen den Willen des damaligen Verwalters des (West-) Grundstücks ...-Straße 17, wurde in die Grenzwand im Bereich dieses Pavillons, der sich seinerzeit in einem schlechten und unbenutzbaren Zustand befand, unterhalb seines Daches ein Fenster eingebaut, um so zusätzlichen Wohnraum für ein Arbeitszimmer der damaligen Mieterin einer Wohnung des Hauses ...-Straße 18 zu schaffen. Nachdem der Kläger das Grundstück ...-Straße 18 erworben hatte, renovierte er das Haus und baute es dergestalt um, dass sich nun an der Stelle des Arbeitsraums ein Badezimmer befindet. Das Fenster blieb dabei erhalten.

Ende Juni, Anfang Juli 2005 ließ der Beklagte bzw. sein Nutzer des Grundstücks ...-Straße 17, die Firma W... GmbH, den unter Denkmalschutz stehenden Pavillon wiederherrichten. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das Badezimmerfenster zugemauert.

Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Beseitigung der Mauer im Fensterbereich.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Fenster sei seinerzeit rechtmäßig in die Grenzwand gebrochen worden. Es genieße nunmehr Bestandsschutz, so dass er, der Kläger, gemäß § 20 Abs. 2 BbgNRG bzw. aus nachbarrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis seine Beseitigung verlangen könne. Denn dem Beklagten ginge es nur um die optische Gestaltung seines Pavillons, während für ihn, den Kläger, die durch die Vermauerung des Badezimmerfensters entstehenden Nachteile erheblich und nicht hinnehmbar seien. Das Bad sei nunmehr vollkommen von der Frischluftzufuhr und von natürlichem Licht abgeschnitten.

Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Pavillon dem Nutzer des Grundstücks als Regenschutz in den Sommermonaten diene. Ein Toilettenfenster direkt neben seinem Gartentisch sei unzumutbar. Der Einbau des Fensters stelle auch eine rechtswidrige Eigentumsverletzung dar, da der damalige Verwalter seines Grundstücks dem Einbau nicht zugestimmt habe. Schließlich könne er, der Beklagte, nicht in Anspruch genommen werden, weil nicht er Bauherr der Sanierungsarbeiten am Pavillon gewesen sei, sondern die Firma W... GmbH.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Beseitigung der Mauer im Bereich des Badezimmerfensters aus §§ 1004 analog i.V.m. § 20 Abs. 2 BbgNRG zu. Das Fenster habe zwar seinerzeit den Vorgaben des § 316 ZGB/DDR entsprochen. Jedoch seien nach dem damals geltenden öffentlichen Baurecht Fensteröffnungen zum Nachbargrundstück nur befristet zulässig und im Fall einer späteren Grenzbebauung des Nachbargrundstücks auf Anordnung zu schließen gewesen. Damit habe die Fensteröffnung von Anbeginn keinen Bestandsschutz genossen und für den Rechtsvorgänger des Klägers und damit auch für den Kläger kein Lichtrecht entstehen können. Die Bestandskraft der Baugenehmigung habe zwar dem Bauherrn insoweit eine Rechtsposition verschafft, als sie den Bestand seines Bauvorhabens gegenüber einem Rückgriff auf das einschlägige materielle Recht sichere. Sie vermittele aber bei Abweichen von der damaligen Rechtslage keine das nachbarliche Eigentumsrecht einschränkende Wirkung, so dass sich der Kläger nicht auf den Fortbestand des Fensters habe verlassen dürfen. Denn im Baugenehmigungsverfahren des Jahres 1997 sei das Fenster durch die grüne Schraffur in der genehmigten Bauplanung ausdrücklich nicht genehmigt und deshalb als zu beseitigen gekennzeichnet worden.

Ein Beseitigungsanspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Dieses Rechtsinstitut diene in Extremfällen als Korrektiv nach Treu und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte. Danach könne die Ausübung aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden, wenn ein dringend gebotener Ausgleich der widerstreitenden Interessen nur so möglich sei. Ein derart dringender über die übrige Rechtsordnung hinausgehender Ausgleich sei hier aber nicht geboten. Wenn das Fenster auch von den jeweiligen Eigentümern des Nachbargrundstücks zwar 31 Jahre geduldet worden und nunmehr das Badezimmer von der direkten Frischluft- und Lichtzufuhr abgeschnitten sei, so könne es als gefangener Raum doch auch mit künstlichem Licht und künstlicher Entlüftung genutzt werden. Derartige Räume befänden sich bereits im Haus des Klägers. Dagegen könne das Recht des Beklagten, sein Grundstück nach seinem Ermessen zu nutzen, allenfalls dann mit Rücksicht auf sonst den Kläger treffende schwere Nachteile eingeschränkt werden, wenn für den Beklagten verschiedene gleichwertige Nutzungsmöglichkeiten bestünden, die auch den Interessen des Klägers entsprächen. Der Kläger habe aber nicht dargelegt, welche Alternativlösungen in Betracht kämen, die dem Beklagteninteresse an der originalgetreuen Sanierung und einer ungestörten Nutzung des Pavillons bei einer einheitlichen optischen Gestaltung entgegenkämen. Auch die Feststellungsklage habe keinen Erfolg. Da kein Beseitigungsanspruch des Klägers bestehe, treffe den Beklagten auch keine Schadensersatzpflicht.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger hält nach wie vor einen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis für gegeben, da das Badezimmer vollständig von Licht- und Frischluft abgeschnitten worden sei. Er habe im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht als Alternative eine lichtdurchlässige Mattfensterscheibe mit beschränkter Öffnungsmöglichkeit angeboten, welche dem Beklagten zumutbar sei. Denn dem Beklagten gehe es nur um die optische Gestaltung, während auf seiner, des Klägers, Seite eine funktionaltechnische Beeinträchtigung vorliege, die zu erheblichen Werteinbußen und Anspruchsstellungen des Mieters führe, weil er auf ein grob verputztes Mauerwerk blicken müsse. Der Beklagte habe sich besonders rücksichtslos verhalten, indem er bereits vor Erteilung der Baugenehmigung für die Renovierung des Pavillons und trotz Unterlassungsaufforderung des Klägers vollendete Tatsachen geschaffen habe, ohne auch nur einen Versuch einer Alternativlösung zu unternehmen. Zu Unrecht habe das Landgericht auch einen Anspruch aus § 20 Abs. 2 BbgNRG verneint. Seinerzeit habe die Fensteröffnung § 316 ZGB/DDR entsprochen. Die erteilte Baugenehmigung und die Errichtung der Fensteröffnung hätten in vollem Umfang mit der öffentlich rechtlichen Lage übereingestimmt. Die bloße Möglichkeit eines Widerrufs rechtfertige das Versagen des Bestandsschutzes nicht. Das Grundstück des Beklagten sei bereits mit einer Villa bebaut. Die Errichtung weiterer Gebäude auf dem Grundstück sei baurechtlich nicht zulässig. Mit Ausnahme des bestehenden Pavillons werde es keine Grenzbauung auf dem Grundstück des Beklagten geben. Die einzig denkbare Konfliktsituation bezüglich des Pavillons habe die Baubehörde im Jahre aber1974 endgültig entschieden und die Annahme eines Widerrufs der Genehmigung nach der DBO wäre unrealistisch gewesen. Dass tatsächlich in dem späteren Baugenehmigungsverfahren für die Renovierung und den Umbau die Fensteröffnung grün durchgestrichen worden sei, bedeute lediglich, dass die Genehmigung sich nicht auf diese Fensteröffnung erstrecke. Dies sei aber angesichts der bereits vorliegenden Genehmigung auch nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18.Januar 2006 Az. 4 O 416/05 den Beklagten zu verurteilen, die auf seinem Grundstück ...-Straße 17, P..., vorgenommene Vermauerung der in dem als Anlage K1 beigefügten Lageplan durch Schraffur gekennzeichneten Fensteröffnung an der unmittelbar grenzenden Hauswand auf dem Grundstück des Klägers ...-Straße 18, P..., vollständig zu beseitigen und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die unter Ziffer 1. bezeichneten Vermauerung entstanden sei oder künftig entstehen werde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze, den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die von dem Landgericht getroffenen Feststellungen verwiesen.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Der Kläger kann von dem Beklagten die Beseitigung der Mauer im Bereich des Badezimmerfensters weder aus §§ 1004 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, 20 Abs. 2 BbgNRG verlangen noch einen derartigen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten.

1)

Für einen Anspruch aus § 1004 genügen Einwirkungen nicht, die darin bestehen, dass jemand durch Verhalten in den Grenzen seines Grundstücks einem anderen Vorteile wie Licht und Luft entzieht. Allerdings ist anerkannt, dass die Beeinträchtigung dessen, worauf der Nachbar z.B. kraft nachbarschützender Vorschriften ein Recht hat, im Sinne von § 1004 BGB entsprechend unzulässig ist. Dies wäre vorliegend dann der Fall, wenn das vor Inkrafttreten des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetzes errichtete Fenster rechtmäßig errichtet worden wäre und wenn nicht nur ein Fensterrecht, sondern darüber hinaus ein Lichtrecht mit Bestandsschutz für den Eigentümer des Grundstücks ...-Straße 18 entstanden wäre. Denn in diesem Falle hätte dem Fenster, das nach wie vor existiert, nicht das Licht entzogen werden dürfen.

Für einen derartigen Anspruch wäre der Beklagte als Zustandsstörer auch passivlegitimiert, da er die Baumaßnahmen seiner Nutzer geduldet hat.

Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass ein derartiges Lichtrecht für den Kläger als Eigentümer des Grundstücks ...-Straße 18 entstanden wäre.

Nach dem Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetz entsteht das Lichtrecht durch Einwilligung des Nachbarn in die Errichtung eines das Fensterrecht verletzenden Fensters. Eine derartige Einwilligung liegt nicht vor.

Das Brandenburgische Nachbarrechtsgesetz gewährt ein Lichtrecht aber auch dann, wenn das Fenster ohne Einwilligung des Nachbarn errichtet worden ist, das Fenster aber gemäß dem damals geltenden Recht angebracht worden ist. Das damalige Recht ist das Recht, das durch die Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetzes über das Fenster- und Lichtrecht ersetzt worden ist. Das sind die einschlägigen Bestimmungen des bürgerlichen Nachbarrechts. Dabei ist der Ausdruck "bisheriges Recht" dahin zu verstehen, dass damit das Recht gemeint ist, das jeweils im Zeitpunkt der Anbringung der Fenster galt, nicht etwa das Recht, das am Tag vor Inkrafttreten des BbgNRG in Kraft war (Dehner NachbarR B § 25 II, 2. a). In Brandenburg war als bisheriges Recht im Zeitpunkt der Anbringung des Fensters im Jahr 1974 das pr. ALR maßgeblich. Danach konnte ein jeder Fenster in seine eigene Mauer oder Wand machen, um Licht in sein Gebäude zu bringen (I 8 § 137). Für ein Fenster in einer Grenzwand galt, dass es, wo es die Umstände gestatteten, sechs Fuß - also wenigstens 1,50 m - vom Boden des Zimmers erhöht sein musste; zudem musste es mit einem Eisen- oder Drahtgitter verwahrt sein (§ 138). Diesen Vorgaben wird das tatsächlich in einer Höhe von 0,80 m über dem Fußboden angebracht Fenster nicht gerecht. Es entsprach damit nicht dem damaligen Nachbarrecht. Da es für das Entstehen eines Lichtrechts aber allein darauf ankommt, ist es unbeachtlich, dass die Fenster gemäß § 142 prALR nach 10-jährigem oder längerem Bestand in Fällen, in denen sie der Lichtzuführung dienten, ein Lichtrecht begründeten. Denn gemäß § 20 BbgNRG ist das Lichtrecht nur bei rechtmäßig angebrachten, also im Zeitpunkt ihrer Errichtung rechtmäßigen, Fenstern geschützt.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Nachbarn am 4. Oktober 1974 für das Fenster eine Zustimmung nach der BevölkerungsbauwerkeVO 1972 erteilt worden war. Dies auch dann nicht, wenn unter dem bisherigen Recht auch das öffentliche Baurecht zu verstehen sein sollte (Postier, NachbarR in BRB, 4. Aufl. § 20 4.2.), obwohl es durch das BbgNRG weder aufgehoben noch ersetzt wurde und damit auch nicht als das bisherige (d.h. durch das NRG aufgehobene und ersetzte) Recht verstanden werden kann. Denn in diesem Fall wäre bei der Auslegung der erteilten Bauzustimmung die nachbarschützende Vorschrift des § 354 Abs. 2 DBO 1958 hinzuzuziehen, wonach die staatliche Bauaufsicht die Schließung der Öffnung anordnen oder fordern konnte, wenn später eine Grenzbebauung auch auf dem Nachbargrundstück vorgenommen werden sollten oder sonstige Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück entstehen. Damit stand die Zustimmung von vorneherein von Gesetztes wegen unter dem Vorbehalt der möglichen späteren Anordnung einer Schließung des Fensters bei Kollision mit dem Nachbarrecht. Dann kann eine derartige Genehmigung aber nicht als eine solche im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BbgNRG angesehen werden, die in der Lage wäre, dem Kläger ein Lichtrecht zu verschaffen (so auch im Ergebnis Postier, a.a.O.).

2)

Der Kläger kann sein Verlangen auf Beseitigung der Mauer im Fensterbereich auch nicht darauf stützen, dass der Beklagte auf Grund des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen sei, bei der von ihm geduldeten Rekonstruktion des Pavillons durch seine Nutzer zu verhindern, dass das Fenster zugebaut wird.

Bei dem Gebot zu gegenseitiger nachbarlicher Rücksichtnahme und Toleranz handelt es sich um einen Rechtsgrundsatz, der auf aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahmefälle beschränkt ist. Das Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses dient danach nur in Extremfällen als Korrektiv nach Treu und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte (BGH NJW-RR 2001, 232, 233). Die Rechtsprechung hat dies für Fälle erwogen, in denen ein Bauvorhaben ungewöhnlich schwere Nachteile (die umfangreiche, folgenschwere Verbauung von Fenstern etwa) für den Nachbarn nach sich zieht (BGH LM Nr. 2 zu 903 BGB).

Mit Urteil vom 11. Juli 2003 hat der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2003, 1313, 1314) einem Hauseigentümer unter der Voraussetzungen, dass sich das Bauvorhaben nicht auf eine andere, dem Nachbarn zumutbare Weise verwirklichen lasse, einen Anspruch darauf gegeben, dass sein Fenster durch den Nachbar nicht verbaut wird. Er hat auch hier ausgeführt, dass sich der Gedanke des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses, der ein Anwendungsfall des § 242 BGB sei, nur in Ausnahmefällen, bei Vorliegen besonderer, vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Umstände anwenden lasse. Diese besonderen Umstände hat der Bundesgerichtshof in der Tatsache gesehen, dass die beiden benachbarten Grundstücke früher in einer Hand, nämlich der der Kläger waren, und zudem der Veräußerer geglaubt hatte, er sei durch öffentlich rechtliche (denkmalschutzrechtliche) Vorschriften hinreichend gegen einen Verbau der Fenster geschützt und benötige daher eine privatrechtliche Absicherung nicht. Eine vergleichbare Situation liegt hier nicht vor.

Zwar konnten seinerzeit die berechtigten Interessen des Nachbarn nicht grob verletzt werden, weil es sich bei dem Grundstück ...-Straße 17 um ein Westgrundstück handelte und sich zudem der Pavillon in einem baufälligen Zustand befand und deswegen auf absehbare Zeit nicht nutzbar war. Vor allem aber war eine grobe Verletzung der Interessen das Nachbarn deswegen ausgeschlossen, weil die Zustimmung zur Errichtung des Fensters gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BevölkerungsbauwerkeVo 1972 unbeschadet der Rechte Dritter erteilt worden war und zudem unter dem Vorbehalt des § 254 Abs. 2 DBO stand.

Dem stand das Interesse des Bauherrn neben dem damals maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Interesse an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums gegenüber.

Nunmehr haben sich die Verhältnisse derart verändert, dass sie mit den damaligen nicht verglichen werden können. Der Kläger hat sein Haus komplett umgestaltet. Hinter dem Fenster befindet sich kein Wohnraum mehr, auf den er oder sein Mieter dringend angewiesen wäre. Durch die Mauer vor dem Fenster wird dem Kläger zwar die natürliche Beleuchtung des Badezimmers mit WC genommen. Dies fällt jedoch gegenüber der ungestörten Nutzung des Grundstücks unter Einschluss des Pavillons, die dem Beklagten bzw. seinen Grundstücksnutzern mit dem Badezimmer-/WC-Fenster so nicht möglich wäre, schon deshalb nicht sonderlich ins Gewicht, weil es nur um ein (und nicht um mehrere) Fenster geht, kein Wohnraum im engeren Sinne betroffen ist und auch wegen des Pavillondaches das eingebaute Fenster keinen wesentlichen natürlichen Lichteinfall ermöglichte. Dass den Kläger durch die Vermauerung des Fensters ungewöhnlich schwere Nachteile treffen könnten, er insbesondere hierdurch erhebliche finanzielle Nachteile erleiden könnte, ist danach nicht ersichtlich, zumal auch hier zu berücksichtigen ist, dass die Zustimmung nach der BevölkerungsbauwerkeVO 1972 ohnehin unbeschadet der Rechte des Nachbarn erteilt worden war und aus diesem Grund ein Vertrauen des Klägers in den Bestand des Fensters nicht gerechtfertigt war.

3.

Die Feststellungsklage hat aus den genannten Gründen, die für den Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, 20 Abs. 2 BbgNRG entsprechend gelten, keinen Erfolg.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Streitwert: 6.000 €

Ende der Entscheidung

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