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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: 5 U 57/98
Rechtsgebiete: BGB, EGZGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 527
BGB § 531 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Fall
BGB § 925
EGZGB § 15 Abs. 2 Nr. I. 1
GBO § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 57/98 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 22.10.1998

Verkündet am 22.10.1998

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 01. Oktober 1998 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. Januar 1997 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 17 O 431/96 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt,

das im Grundbuch von B..., Blatt ..., Flur 3, Flurstück 117 eingetragene, mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäuden bebaute und in... gelegene Grundstück mit einer Größe von 3.142 m² Hofraum, sowie

das Grundstück, gelegen in B..., eingetragen im Grundbuch von B..., Blatt ..., Flur 3, Flurstück 107 zur Größe von 1.856 m² Grünland; Flur 3, Flurstück 108 zur Größe von 2.012 m² Grünland; Flur 3, Flurstück 119 zur Größe von 928 m² Grünland; Flur 2, Flurstück 252 zur Größe von 1,0228 ha Ackerland

an den Kläger aufzulassen, und zwar frei von in Abt. II und III eingetragenen Lasten, mit Ausnahme einer in Abt. 2 des Blatt 1217 unter Nr. 4 eingetragenen Rentenbankrente von 40,80 GM, und unter Nr. 6 eingetragenen jährlichen Restrente in Höhe von 3,- GM für die Sparkasse der Stadt Berlin, und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

II.Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

III.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

V.Das Urteil beschwert den Beklagten im Wert von 140.000,00 DM

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten, seinem Enkel, die Rückübertragung von Grundstücken.

Mit notariellem Vertrag vom 03. Juli 1991 (UR-Nr. 1229/1991 der Notarin H... B...) schlossen der damals 81-jährige Kläger und der Beklage einen als "Grundstücksübertragungsvertrag" bezeichneten Vertrag. Danach übertrug der Kläger dem Beklagten den mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäuden im Grundbuch von B..., Bl. ..., Flur 3, Flurstück 117 in einer Größe von 3.142 m² eingetragenen Grundbesitz sowie den im Grundbuch von B..., Bl. ..., Flur 3, Flurstück 107 eingetragenen unbebauten Grundbesitz mit einer Größe von 1.856 m² Grünland, Flur 3, Flurstück 108 mit einer Größe von 2.012 m² Grünland; Flur 3, Flurstück 119 mit einer Größe von 928 m² Grünland; Flur 2, Flurstück 252 mit einer Größe von 1,0228 ha Acker.

Der Wert des Grundbesitzes wurde in § III des Vertrages mit 60.000,00 DM angegeben. Als Gegenleistung für die Übertragung vereinbarten die Parteien zugunsten des Klägers und dessen inzwischen verstorbener, damals 75-jähriger, Ehefrau ein Altenteil auf Lebenszeit, welches unter anderem folgende Rechte und Verpflichtungen umfaßte:

-ein unentgeltliches Wohnungsrecht auf dem Grundstück Flur 3, Flurstück 117 am gesamten Einfamilienhaus und das freie Umgangsrecht auf dem gesamten Grundstück,

-die Befugnis des Klägers, die malermäßige Instandsetzung auf Kosten desBeklagten verlangen zu können,

-sowie die Verpflichtung des Beklagten, bei Bedarf den Kläger und dessenEhefrau unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen, die Wohnung zu reinigen, die Kleidung instandzuhalten, die Schuhe auszubessern sowie drei Mahlzeiten am Tag zu verabreichen. Schließlich die Übernahme von Besorgungen und Einkäufen, die Beheizung der Wohnräume der Berechtigten sicherzustellen sowie die Wohnung zu pflegen, soweit sich die Berechtigten im einem Krankenhaus oder Pflegeheim aufhalten.

Der Wert des Altenteils wurde mit 200,00 DM im Monat angegeben.

Wegen des weiteren Inhalts des notariellen Vertrages wird auf Blatt 54 - 60 d. Akte Bezug genommen.

Schon bald nach der Eigentumsumtragung kam es zwischen dem Beklagten und dem Kläger und dessen Ehefrau zu Unstimmigkeiten. So versperrte der Beklagte auf dem Grundstück die Durchgänge zum Garten und stellte die Strom- und Wasserzufuhr ab. Der Kläger erhob daraufhin vor dem damaligen Kreisgericht F... zum Aktenzeichen: 12 C 42/93 Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages. Mit Urteil vom 30. September 1993 hat das Kreisgericht F... die Klage abgewiesen. Im Rahmen der von dem Kläger eingelegten Berufung kam es in der mündlichen Verhandlung vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 13. Juli 1994 zu einem umfangreichen Vergleich. In dem Vergleich legten die Parteien unter anderem fest, welche Wohnräume des Hauses von jeder Partei genutzt werden sollen, zu welchen Gebäudeteilen ein Zutrittsrecht besteht, wer zu welchen Toren und Türen Schlüssel erhalten sollte und wie die Stromrechnung abzurechnen sei. Des weiteren wurden noch Vertragsstrafen vereinbart. Gegenseitig gestellte Strafanzeigen und Strafanträge sollten zurückgenommen werden. Auf Blatt 8 bis 9 d. Akte wird ergänzend verwiesen.

In der Folgezeit kam es jedoch zu weiteren Vorfällen:

Am 09. Februar 1995 erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen den Beklagten, weil dieser ihm von hinten die Mütze vom Kopf heruntergerissen und ihn umgestoßen habe.

Am 27. März 1995 stellte der Beklagte dem Kläger die Wasserzufuhr ab. Mit Beschluß des Amtsgerichts F... vom 29. März 1995, Az. 12 C 145/95, wurde der Beklagte verpflichtet, die Wasserzufuhr wiederherstellen.

Am 17. April 1995 stellte der Beklagte die Stromzufuhr zu dem Elektroherd des Klägers ab. Mit Beschluß des Amtsgerichts F... vom 29. Mai 1995, Az. 12 C 265/95, wurde der Beklagte verurteilt, die Stromzufuhr wiederherzustellen.

Am 25. August 1995 stellte der Beklagte seinen Pkw vor der Wohnungstür des Klägers ab, so daß dieser die Wohnung nicht mehr betreten konnte. Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, wie lange die Behinderung dauerte.

Mit Beschluß vom 21. September 1995 des Amtsgerichts F... wurde der Beklagte verpflichtet, die Wasseruhr zur Wohnung des Klägers wiederherzustellen.

Mit Schreiben vom 04. Dezember 1995 baten der Kläger und seine Ehefrau den Beklagten, da der elektrische Hausanschluß noch immer nicht repariert war, eine eigene Elektroleitung vom Nachbarhaus in ihre Wohnräume verlegen zu dürfen. Die Zustimmung wurde insoweit von dem Beklagten verweigert. Die Elektrofirma, die eine provisorische Zuleitung vom Nachbarn zur Wohnung des Klägers herstellen wollte, wurde von dem Beklagten des Grundstücks verwiesen.

Am 28. Dezember 1995 erstattete der Kläger Strafanzeige gegen den Beklagten wegen Sachbeschädigung, da dieser am 27. Dezember 1995 ungebeten in die Wohnung des Klägers eingedrungen sei und mit einer Zange das Antennen- und Stromkabel des Fernsehgerätes durchgeschnitten habe.

Am 19. Januar 1996 verstarb die Ehefrau des Klägers. Der Kläger zog daraufhin vorübergehend zu seiner Tochter, Frau Theisen. Während er dort wohnte, versuchte er mehrmals auf das Grundstück zu gelangen. Dies war ihm jedoch nicht möglich, da der Beklagte in die Hofeingangstür ein neues Schloß eingebaut hatte. Ein Schlüssel wurde dem Kläger nicht ausgehändigt.

Am 05. März 1996 wurde in die Wohnung des Klägers eingebrochen und der Fernseher mit Satelliten-Empfänger gestohlen.

Am 11. März 1996 ließ sich das Hoftor nicht mehr mit dem Schlüssel des Klägers öffnen.

Am 04. oder 25. September 1996 verpflichtete sich der Beklagte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Amtsgericht F... zum Aktenzeichen 2.6 C 228/96 bis zum 31. Oktober 1996, einen Schlüssel für die Hofeingangstür herauszugeben, da er dort erneut ein neues Schloß eingebaut hatte. Dem kam der Beklagte nicht nach. Den Briefkasten des Klägers und das Namensschild wurden von ihm entfernt.

Am 13. November 1996 suchte der Kläger in Begleitung seiner damaligen Prozeßbevollmächtigten und des Bruders des Beklagten das Grundstück auf, um in seine Wohnung zu gelangen. Der Beklagte verweigerte den Zutritt. Mit Hilfe eines Schlüsseldienstes gelangte der Kläger auf das Grundstück. Er stellte sodann fest, daß seine Wohnung nicht mehr betreten werden konnte. Die Veranda, über die man zu der Wohnung gelangte, war abgerissen worden und die Wohnung leer geräumt. In den folgenden Tagen wollte der Kläger das Grundstück nochmals aufsuchen und stellte dabei fest, daß der Beklagte das Schloß erneut verändert hatte.

Am 13. Dezember 1996 versuchte der Kläger, erneut auf das Grundstück zu gelangen. Der Beklagte verweigerte verbal den Zutritt und schloß die Tür erst auf, als die Polizei zur Hilfe kam. Nunmehr wurde festgestellt, daß der Beklagte inzwischen die Verandatür zum Wohnraum des Klägers zugemauert hatte.

Der schwerbehinderte (Grad der Behinderung: 90 %) Kläger (Pflegestufe I) zog daraufhin - vorläufig - in ein Alten- und Pflegeheim in Beeskow.

Die aufgrund der seitens des Klägers gestellten Strafanzeigen gegen den Beklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden eingestellt.

Mit Anwaltsschreiben vom 08. Januar 1998 forderte der Kläger den Beklagten auf, bis zum 31. Januar 1998 die Wohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen und ihm einen Wohnungsschlüssel auszuhändigen. Zugleich wurde der Beklagte darauf hingewiesen, daß der Kläger Schadensersatz für das entzogene Wohnrecht beansprucht. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Am 07. März 1998 stellte der Kläger fest, daß auf dem Grundstück durch den Beklagten nichts veranlaßt worden war.

Mit Anwaltsschreiben vom 27. März 1998 widerrief die erstinstanzliche Bevollmächtigte des Klägers in dessen Namen "vorsorglich" die erfolgte Schenkung aus dem Überlassungsvertrag.

Mit Klageschrift vom 09. Februar 1996, eingegangen am 14. Juni 1996, hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß der Übertragungsvertrag vom 03. Juli 1991 unwirksam sei und des weiteren beantragt, in die Rückübertragung des Grundstücks einzuwilligen und die Auflassung zu erklären. Hierzu hat er ausgeführt, daß er die Schenkung wegen groben Undanks "erneut widerrufen" habe.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Vorkommnisse habe sich der Beklagte des groben Undanks schuldig gemacht. Der Kläger sei aus seiner Wohnung ausgesperrt, da die Strom- und Wasserzufuhr nicht funktioniere, die Wohnung leer geräumt sei und das Schloß immer wieder verändert werde. Dadurch sei auch die Geschäftsgrundlage für den notariellen Vertrag vom 03. Juli 1991 entfallen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß der notarielle Überlassungsvertrag vom 03. Juli 1991 der Notarin Heidrun Bernd - Urkundennummer 1229/91 - über das Grundstück in Beeskow, Wiesenweg 2, unwirksam ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, in die Rückübertragung des Grundstücks an ihn einzuwilligen und die Auflassung zur Rückübertragung zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, dem Kläger stehe aufgrund der behaupteten Vorkommnisse ein Widerrufsrecht nicht zu. Selbst wenn die Vorfälle zuträfen, habe der Kläger sein Recht verwirkt, da er es nicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Zudem habe er dem Nachbarn, Herrn B..., nicht verboten, dem Kläger Strom und Wasser zu geben. Hierzu habe auch keine Veranlassung bestanden. Auch habe er den Kläger am 20.08.1995 nicht mit den Worten beschimpft: "Du alte Drecksau!, mach, daß Du in Deine Bude kommst!". Bei dem Vorfall am 25. August 1995 habe er den Wohnungseingang des Klägers lediglich 10 Minuten blockiert, um 10 Sack Getreide auszuladen. Auch habe er den Kläger am 30. September 1994 nicht in der Außentoilette eingesperrt; dies sei ihm unmöglich gewesen, da er keinen Schlüssel für den Hof gehabt habe.

Mit seinem am 23. Januar 1998 verkündeten Urteil hat das Landgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die mit dem notariellen Übertragungsvertrag vom 03. Juli 1991 erfolgte Schenkung nicht wirksam widerrufen, da nicht ersichtlich sei, mit welcher Erklärung dies erfolgt sein soll. Auch könne die Klageschrift vom 09. Februar 1996 nicht als Schenkungswiderruf ausgelegt werden. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine Anwaltsvollmacht den Widerruf einer Schenkung überhaupt decke. Zudem könne die Klageschrift selbst aufgrund der gewählten Zeitform nicht als Widerruf gewertet werden. Denn darin sei aufgeführt, daß der Kläger die Schenkung bereits widerrufen habe. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage fänden keine Anwendung, da der Widerruf diesen Regelungen vorgehe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit einem am 02. März 1998 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach zweimaliger Verlängerung mit einem am 04. Juni 1998 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt ergänzend die Auffassung, daß in dem notariellen Überlassungsvertrag ein Schenkungsvertrag zu sehen sei. Unzutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, daß ein Widerruf nicht vorgelegen habe. Denn der Beklagte habe den erfolgten Widerruf nicht bestritten. Jedenfalls sei in dem Klageantrag ein Widerruf zu sehen gewesen. Auch sei der Widerruf mit Schreiben vom 27. März 1998 wirksam erfolgt, da ihm, dem Kläger zu diesem Zeitpunkt, wie sich aus den Vorfällen ergebe, jedenfalls ein Widerrufsrecht zugestanden habe.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 23. Januar 1997 verkündeten Urteils desLandgerichts Frankfurt (Oder), Az. 17 O 431/96, den Beklagte zu verurteilen,das im Grundbuch von B..., Blatt ..., Flur 3, Flurstück 117 eingetragene, mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäuden bebaute und in ... gelegene Grundstück mit einer Größe von 3.142 m² Hofraum, sowie das Grundstück, gelegen in B..., eingetragen im Grundbuch von B..., Blatt ..., Flur 3, Flurstück 107 zur Größe von 1.856 m² Grünland; Flur 3, Flurstück 108 zur Größe von 2.012 m² Grünland; Flur 3, Flurstück 119 zur Größe von 928 m² Grünland; Flur 2, Flurstück 252 zur Größe von 1,0228 ha Ackerland an den Kläger aufzulassen, und zwar frei von in Abt. II und III eingetragenen Lasten, mit Ausnahme eines in Abt. 2 des Blatt 1217 unter Nr. 4 eingetragenen Rentenbankrente von 40,80 GM, und unter Nr. 6 eingetragenen jährlichen Restrente in Höhe von 3,- GM für die Sparkasse der Stadt Berlin, und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt nunmehr vor, bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils sei seitens des Klägers keine Widerrufserklärung abgegeben worden. Er sei für den unordentlichen Zustand der Wohnung des Klägers nicht verantwortlich und auch zur Säuberung und zu Aufräumarbeiten nicht verpflichtet. Zudem verfüge er nicht über irgendwelche Wohnungsschlüssel des Klägers. Soweit er sich im Verfahren des Amtsgerichts F..., Az. 26 C 228/96, zur Herausgabe eines Hofschlüssels verpflichtet habe, sei er dem nachgekommen. Da das Wohngebäude zudem zwei Zugänge besitze, habe der Kläger ohne Schwierigkeiten in seinen Wohnbereich gelangen können. Auch sei der Kläger lediglich deshalb in das Altersheim gezogen, weil er aufgrund seines Gesundheitszustandes der Pflege bedürfe. Die Vorkommnisse seien "aus der Luft gegriffen" und rechtfertigten nicht den Widerruf.

Der Senat hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 01. Oktober 1998 angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll(Blatt 178 bis 180 d. A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Die Akten des Amtsgerichts (früher Kreisgericht) F..., Az.: 15 (12) C 42/93, waren zur Information beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung erweist sich im Ergebnis als begründet.

Der Beklagte ist gemäß der §§ 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Fall, 242 BGB wegen Kündigung aus wichtigem Grund verpflichtet, die ihm aufgrund des Grundstückübertragungsvertrages vom 03. Juli 1991 übereigneten Grundstücke an den Kläger zurückzuübertragen und die Eintragung des Klägers im Grundbuch zu bewilligen.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Übertragungsvertrag handelt es sich aufgrund der vereinbarten lebenslänglichen Verpflichtung zur Überlassung von Wohnraum und zu Versorgungs- und Pflegeleistungen um ein Dauerschuldverhältnis, denn der Vertrag ist nicht auf den einmaligen Austausch von Leistungen gerichtet. Vielmehr begründen die von dem Beklagten übernommenen Verpflichtungen immer wiederkehrende Leistungshandlungen im Sinne eines Betreuungsvertrages.

Anerkannt ist, daß solche Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden können (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, Einl. v. § 241 Rn. 17 ff. m.w.N.). Der Vertragsbeendigung durch Kündigung steht § 7 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Gesetz - Sammlung für die Königl. Preußischen Staaten 1899 S. 177,185) nicht entgegen. Diese Vorschrift, die bei einem Leibgedingsvertrag den Rücktritt vom Vertrag oder die Rückforderung des überlassenen Grundstücks nach § 527 BGB ausschließt, gilt im Land Brandenburg nicht. Sie ist durch § 15 Abs. 2Nr. I. 1 EGZGB - zusammen mit dem BGB - aufgehoben worden.

Der Rückgriff auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden können, ist hier auch nicht durch vorrangige vertragliche Regelungen ausgeschlossen.

Ein ausdrückliches Rücktrittsrecht haben die Parteien in dem Grundstücksübertragungsvertrag nicht vereinbart.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Vorschriften des Schenkungsrechts berufen, denn es läßt sich nicht feststellen, daß die Parteien einen Schenkungsvertrag (§ 516 BGB) geschlossen haben.

Voraussetzung hierfür wäre, daß sich die Parteien bei Vertragsschluß darüber einig gewesen sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgen sollte. Dagegen spricht bereits, daß der Vertrag nicht als Schenkung bezeichnet wird.

Unter § III wird der Wert des Grundbesitzes vielmehr auf ca. 60.000,00 DM angegeben. Sodann vereinbarten die Parteien ein ausdrücklich als Gegenleistung bezeichnetes Altenteil auf Lebenszeit für den Kläger sowie dessen Ehefrau. Es folgen im einzelnen beschriebene Rechte und Verpflichtungen, insbesondere eine Pflegeverpflichtung für zwei Personen zu Lasten des Beklagten. Die Bezeichnung der Verpflichtungen als Gegenleistung und insbesondere die vereinbarten Pflegeleistungen, stehen der Annahme entgegen, daß die Parteien davon ausgegangen sind, daß die Überlassung jedenfalls vollständig unentgeltlich erfolgen sollte.

Es liegt auch keine gemischte Schenkung vor.

Ob die Übergabe der Grundstücke zumindest teilweise unentgeltlich erfolgt und damit von einer auch nur gemischten Schenkung auszugehen ist, ist durch Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Interessenlage der Beteiligten, zu ermitteln. Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn die Gegenleistung wesentlich geringer ist als die Leistung und der erklärte Parteiwille auf die schenkweise Zuwendung der wertvolleren Leistung geht, die Parteien also das objektive Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistungen kennen und darüber einig sind, daß der Mehrwert unentgeltlich zugewendet werden soll (Palandt-Putzo, 55. Aufl. § 516 Rn. 13). Ein Anspruch auf Rückübertragung des gesamten Vertragsgegenstandes ist nach herrschender Meinung allerdings nur dann gegeben, wenn der unentgeltliche Charakter überwiegt (BGHZ 30, 120 ff.). Überwiegt dagegen der unentgeltliche Teil nicht, so besteht unter dem Gesichtspunkt des § 531 Abs. 2 BGB allenfalls ein Geldanspruch auf den die Leistung des Schenkers übersteigenden Mehrwert.

Bei der Bewertung von Leistung/Gegenleistung ist vom Zeitpunktder Übergabe auszugehen, mithin vom Jahr 1991. Die Parteien haben den Wert des Grundstücks mit 60.000,00 DM angegeben und den Wert der "Gegenleistung", des Altenteils, mit 200,00 DM monatlich. Beide Werte sind jedoch unrealistisch:

(1) Das Hausgrundstück hat eine Größe von 3.142 m². 1992 lagen in B... die Bodenrichtwerte in 62% der Verkaufsfälle zwischen 10,00 und 25,00 DM. Bei Annahme eines realistischen Verkaufspreises von nur 20,00 DM ergäbe sich daher bereits ein Kaufpreis für das Grundstück von ca. 63.000,00 DM. Hinzu käme noch der Gebäudewert nebst den Stallgebäuden. Ein Grundstückswert von ca. 130.000,00 DM für das Hausgrundstück anzunehmen, erscheint daher realistisch. Des weiteren wurden ca. 1,5 ha landwirtschaftliche Nutzfläche überlassen. Bei Annahme eines Preises von 1,00 DM/m² sind dies zusätzlich 15.000,00 DM. Die Leistung des Klägers beträgt mithin ca. 145.000,00 DM.

(2) Der von den Parteien vorgenommenen subjektiven Bewertung des Altenteils in Höhe von 200,00 DM pro Monat entbehrt ersichtlich jede sachliche Grundlage. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 81 Jahre alt, seine Lebenserwartung betrug daher nach der Tabelle der durchschnittlichen Lebenserwartung (Zöller/Stöber ZVG, 14. Aufl. Anhang Tab. 2) noch mindestens 5 Jahre, seine Ehefrau war 75 Jahre alt. Ihre Lebenserwartung betrug mithin nach der Tabelle noch ca. 10 Jahre. Selbst wenn man das reine Wohnrecht nebst der Verpflichtung zur Instandhaltung mit nur geringen 100,00 DM pro Monat für beide Personen gewichtet, kommen die vereinbarten umfangreichen lebenslänglichen Betreuungs- und Pflegeleistungen hinzu, die zudem gegebenenfalls auch auf Kosten des Beklagten von Dritten zu erbringen sind. Auch wenn man diese Verpflichtung, aufgrund der wohl gegebenen einfachen Verhältnisse mit nur 1.500,00 DM/monatlich einschätzt, ergibt sich bereits für die Pflege- und Betreuungsverpflichtung ein Wert der Gegenleistung von ca. 270.000,00 DM (5 Jahre x 1.500,00 DM x 2 Personen = 180.000,00 DM; zuzüglich 5 weitere Jahre (Ehefrau) x 1.500,00 DM = 90.000,00 DM).

Angesichts dieser Zahlenverhältnisse und auch des Umstandes, daß die Beklagten den Vertrag selbst nicht als Schenkungsvertrag bezeichnet haben, kann bereits eine Schenkung nicht angenommen werden.

Bestehen vorrangige Regelungen daher nicht, kommt es darauf an, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorgelegen hat.

Dies ist der Fall. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages nach Treu und Glauben nicht näher zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung ist insbesondere dann gegeben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört ist.

Daß das Verhältnis zwischen den Parteien seit Jahren völlig zerrüttet ist, ist unstreitig und bedarf angesichts der seit Jahren zwischen den Parteien bestehenden auch gerichtlichen Auseinandersetzungen und Strafanzeigen keiner weitergehenden Erörterung.

Mangels hinreichender anderweitiger Darlegung muß auch davon ausgegangen werden, daß die Zerrüttung jedenfalls auf ein überwiegendes Verschulden seitens des Beklagten zurückzuführen ist. Auch aus seiner Anhörung vor dem Senat, in der der Beklagte erstmals zu den Vorwürfen des Klägers im einzelnen Stellung genommen hat, kann Gegenteiliges nicht hergeleitet werden (§ 286 ZPO).

Zwar hat der Beklagte nunmehr die den Strafanzeigen zugrundeliegenden Vorfälle bestritten. Zu dem seitens des Klägers vorgebrachten Vorwurf, daß der Beklagte ihm die Ausübung des Wohnrechts durch Unterbrechung der Strom- undWasserversorgung, sowie durch Wegnahme der Schlüssel unmöglich mache, hat er jedoch keine nachvollziehbaren Angaben gemacht. Die Vorwürfe, er habe wiederholt die Wasser- und Stromzufuhr unterbunden, hat er nur pauschal mit dem Hinweis bestritten, der Kläger wolle ihn in ein schlechtes Licht stellen. Aufgrund der Vielzahl der seitens des Klägers beantragten einstweiligen Verfügungen habe er sich irgendwann nicht mehr um diese gekümmert und die nur geringfügigen Verfahrenskosten dann getragen. Den Vorwurf, er habe im Dezember 1995 die Elektrofirma, die auf Veranlassung des Klägers einen eigenen provisorischen Stromanschluß legen sollte, weggeschickt, rechtfertigt er - nicht nachvollziehbar - lediglich damit, daß dieser Anschluß nicht fachmännisch gewesen wäre. Es hätte jedoch nahegelegen zu behaupten, ein solcher Anschluß wäre nicht notwendig gewesen, da die Stromversorgung durch ihn, wozu er aufgrund des Vertrages und auch des Vergleiches vom 13. Juli 1994 verpflichtet war, sichergestellt gewesen war. Derartiges hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen.

Die Einlassung des Beklagten ist insgesamt unzureichend. Sie rechtfertigt die Feststellung, daß der Beklagte dem Kläger jedenfalls im März und April 1995 die Wasser- und die Stromversorgung für den Elektroherd unterbunden hat. Anders ist es nicht zu erklären, daß der Beklagte die gegen ihn vorgebrachten schwerwiegenden Vorwürfe weder in den amtsgerichtlichen Verfahren betr. den Erlaß der Einstweiligen Verfügung noch im vorliegenden Verfahren - bis zum Senatstermin - bestritten hat. Daß der Beklagte letztlich in der Absicht gehandelt hat, das Wohnrecht des Klägers zu vereiteln, wird auch besonders dadurch deutlich, daß er die Elektrofirma, die auf Veranlassung des Klägers einen eigenen Stromanschluß legen sollte, weggeschickt hat. Wieso die Verlegung dieser Stromleitung nicht fachmännisch - und sei es durch einen Wanddurchbruch - hätte ausgeführt werden sollen, ist vom Beklagten nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Dies läßt nur den Schluß zu, daß der Beklagte damit einen - nicht durchgreifenden - Vorwand für sein Vorgehen vorgebracht hat.

Des weiteren will der Beklagte dem Kläger nach dem Einbruch im März 1995 deshalb keinen neuen Schlüssel haben aushändigen können, weil er nicht gewußt habe, wo der Kläger nun wohne. Dies ist unglaubhaft. Denn der Beklagte trägt vor, daß der Kläger zu seiner Tochter, Frau..., gezogen sei, die ebenfalls in B... wohnhaft ist. An die Vorfälle im November und Dezember 1996 könne er, der Beklagte, sich nicht erinnern, beziehungsweise habe er lediglich der Begleitung des Klägers den Zutritt verweigert. Doch auch hierzu war der Beklagte nicht berechtigt.

Schließlich hat er noch trotz Aufforderung mit Schreiben vom 08. Januar 1998 mit Schriftsatz vom 20. August 1998 mitteilen lassen, er sei zur Säuberung der Wohnung des Klägers nicht verpflichtet, obwohl auch gerade dies Gegenstand der Pflegevereinbarung war. Auch damit gibt der Beklagte zu erkennen, daß er sich grundsätzlich weigert, seiner Pflegeverpflichtung aus dem Vertrag vom 03. Juli 1991 nachzukommen.

Angesichts dessen ist eine nachhaltige Störung des Vertragsverhältnisses gegeben und eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages festzustellen, so daß auch eine Vertragsanpassung nicht in Betracht kommt.

Der Kläger hat auch bereits mit Klageerhebung und jedenfalls mit Schreiben vom27. März 1998 wirksam eine Kündigungserklärung abgegeben. Sowohl mit der Klage als auch mit der Widerrufserklärung vom 27. März 1998 hat er unmißverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten vorzeitig beenden zu wollen. Angesichts des hier in besonderer Weise gestörten Vertrauensverhältnisses bedurfte es auch nicht mehr der Feststellung, ob zuvor eine Abmahnung erfolgt ist.

Die Rechtsfolge des wirksam gekündigten Dauerschuldverhältnisses ergibt sich aus§ 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Fall BGB (BGH BGHZ 29, 170), wonach der Beklagte nach dem späteren Wegfall des rechtlichen Grundes verpflichtet ist, das Erlangte, nämlich hier die übertragenen Grundstücke, herauszugeben. Dementsprechend ist der Beklagte verpflichtet, gemäß § 925 BGB die Auflassung zu erklären und gemäß § 19 GBO die Eintragung des Klägers als Eigentümer zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wert des Streitgegenstandes und der Beschwer:140.000,00 DM (§§ 6 ZPO).

Ende der Entscheidung

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