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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: 5 U 68/07
Rechtsgebiete: VerkFlBerG, ZPO, BbgStrG, SachenRBerG, DDR-StrVO 1957, DDR-StrVO 1974


Vorschriften:

VerkFlBerG § 1 Abs. 1
VerkFlBerG § 1 Abs. 1 Nr. 1
VerkFlBerG § 1 Abs. 1 S. 1
VerkFlBerG § 2 Abs. 2 Nr. 1
VerkFlBerG § 2 Abs. 3 S. 1
VerkFlBerG § 3 Abs. 1
VerkFlBerG § 3 Abs. 1 S. 2
VerkFlBerG § 3 Abs. 2
VerkFlBerG § 3 Abs. 3
VerkFlBerG § 4 Abs. 1 Nr. 1
VerkFlBerG § 4 Abs. 1 Nr. 2
VerkFlBerG § 5 Abs. 1 S. 1
VerkFlBerG § 5 Abs. 1 S. 3
VerkFlBerG § 8 Abs. 1
VerkFlBerG § 8 Abs. 2
VerkFlBerG § 14 Abs. 1 S. 1
VerkFlBerG § 14 Abs. 1 S. 2
VerkFlBerG § 14 Abs. 1 S. 3
VerkFlBerG § 14 Abs. 2
ZPO § 256
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 264 Nr. 2
BbgStrG § 6
BbgStrG § 6 Abs. 1 S. 1
BbgStrG § 8 Abs. 1 S. 1
BbgStrG § 8 Abs. 1 S. 2
BbgStrG § 48 Abs. 7
BbgStrG § 48 Abs. 7 S. 1
SachenRBerG § 103 Abs. 1 S. 1
DDR-StrVO 1957 § 1 Abs. 1 S. 2 lit. d
DDR-StrVO 1957 § 3 Abs. 2 S. 1
DDR-StrVO 1957 § 3 Abs. 2 S. 2
DDR-StrVO 1957 § 3 Abs. 4
DDR-StrVO 1957 § 4
DDR-StrVO 1974 § 3 Abs. 1
DDR-StrVO 1974 § 4 Abs. 1
DDR-StrVO 1974 § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 68/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 10.04.2008

Verkündet am 10.04.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt sowie die Richter am Oberlandesgericht Tombrink und Grepel auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. April 2007 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 17 O 431/06 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten verurteilt werden, das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz gemäß der notariellen Urkunde der Notarin S... mit Amtssitz in F... (UR-Nr. 197/2005) vom 2. März 2005 anzunehmen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Ankaufsanspruch nach § 3 Abs. 1 Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG) geltend.

Die Beklagten sind zu je 1/2-Anteil Eigentümer des im Grundbuch von F... Blatt 5135 unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Grundstücks, Gemarkung F..., Flur 157, Flurstück 407, mit einer Gesamtgröße von 1.141 m². Das Grundstück in F... mit der postalischen Anschrift "A... Straße 81" grenzt an seiner Westseite an die östliche Straßenseite der "A... Straße".

Anfang der Sechziger-Jahre sollte in F... ein verbreiternder Ausbau der "A... Straße" erfolgen. Die Anlieger an der östlichen Straßenseite der "A... Straße" wurden in diesem Zusammenhang aufgefordert, ihre straßenseitigen Zäune und sonstigen Einfriedungen um ca. 1 Meter von der tatsächlichen Grundstücksgrenze zurückzusetzen. Dies erfolgte auch für das Grundstück, das nunmehr im Eigentum der Beklagten steht. Dadurch wurde zur Straße hin eine Teilfläche von ca. 25 m² eröffnet; diese Fläche wurde anschließend als Gehweg -sowie Seiten- und Randstreifen genutzt. Es kam nicht zu dem beabsichtigten Ausbau der "A... Straße". Anfang der Achtziger-Jahre erfolgte lediglich eine teerbeschotterte Fahrbahnbefestigung des Straßenkörpers im engeren Sinne. Im Jahre 1995 haben Anwohner der "A... Straße", darunter auch die Beklagten, entlang der Grundstücksgrenze an der Straße -also unter Einbeziehung des Grundstücksteils von ca. 1 Meter m Breite entlang der Straße -Hindernisse wie Poller oder Feldsteine errichtet und auch Schilder mit der Aufschrift "Privatgrundstück Betreten auf eigene Gefahr" angebracht.

Die Klägerin erließ unter dem 5. Juni 1996 gegen einen Anwohner der "A... Str. 74" eine Ordnungsverfügung mit dem Inhalt, ein vor seinem Grundstück auf dem Gehweg der "A... Straße" vor dem Grundstück Nr. 4 (Flur 157 Flurstück 65) errichtetes Hochbeet bis zum 18. Juni 1996 zu entfernen. Die Verfügung wurde damit begründet, dass das Hochbeet ohne ordnungsbehördliche Erlaubnis im öffentlichen Straßenraum errichtet worden sei. Auf den Widerspruch des Anwohners hin erfolgte kein Bescheid der Klägerin; die Angelegenheit ist von der Klägerin bislang nicht weiter verfolgt worden.

Mit Schreiben vom 14. April 2005 unterbreitete die Klägerin den Beklagten ein notarielles Vertragsangebot, datierend vom 2. März 2005 (UR 197/05 der Notarin S... in F...), über den Ankauf einer noch zu vermessenden Teilfläche in Größe von ca. 25 m² des vorbezeichneten Grundstücks, deren Lage und Umfang sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 VerkFlBerG ergibt. Unter § 1 des Angebots wird "zur zeichnerischen Darstellung" auf einen dem Angebot anliegenden "Lageplan" verwiesen, in dem die Teilfläche schraffiert dargestellt ist". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Lageplan Bezug genommen (Bl. 8 d.A.). In diesem Angebot wurde der Kaufpreis mit insgesamt 65,00 € angegeben. Zur Begründung der Preisbildung wurde unter I. (6) angeführt:

"Bei Einführung des Einheitskatasters 1952 war das Grundstück im alten Bestandsblatt als Acker, 1964 als Hutung ausgewiesen. Daher wird für den Ankauf der Gartenlandpreis zugrunde gelegt. Im aktuellen Grundstücksmarktbericht wird Gartenland im städtischen Bereich mit Werten von 0,51 bis 26,00 €/m² angegeben. 20 % vom Mittelwert, also 13 EUR/qm sind 2,60 €/m². 25 qm mal 2,60 EUR /m² ergeben 65,00 EUR."

Die Beklagten haben das Angebot nicht angenommen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe gegenüber den Beklagten gemäß § 3 Abs.1 VerkFlBerG ein Erwerbsrecht für die verfahrensgegenständliche Fläche zu. Diese Fläche sei seit Anfang der Sechziger-Jahre Bestandteil einer öffentlichen Straße; diese Eigenschaft sei seither auch nicht aufgehoben worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie berechtigt ist, die als öffentlicher Gehweg (Verkehrsfläche) genutzte, noch zu vermessende Teilfläche des beim Amtsgericht F... im Grundbuch von F... Blatt 5135 unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Grundstücks, Gemarkung F..., Flur 157, Flurstück 407, deren Lage sich allein aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 VerkFlBerG ergibt und die eine Größe von ca. 25 m² umfasst, nach den Bestimmungen des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I, S. 2716) zum Kaufpreis von 65,00 € zu erwerben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein Recht nach dem VerkFlBerG zum Ankauf für die verfahrensgegenständliche Fläche zu. In diesem Zusammenhang haben sie geltend gemacht, diese Fläche sei nach wie vor in einem unbefestigten Zustand und werde seit 1995 nicht mehr als öffentliche Verkehrsfläche genutzt.

Das Landgericht hat mit seinem Urteil vom 5. April 2007 die beantragte Feststellung getroffen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, insbesondere stehe der Klägerin das in § 256 Abs. 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ihres angeblichen Erwerbsrechts zu. Die Klage sei auch begründet, da die Klägerin ein Erwerbsrecht nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG habe. Die verfahrensgegenständliche Fläche sei innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für eine Verwaltungsaufgabe genutzt worden und eine öffentliche Verkehrsfläche. Anders als das SachenRBerG knüpfe § 1 Abs. 1 VerkFlBerG für den Begriff der Verwaltungsaufgabe nicht an eine Widmung an, sondern stelle grundsätzlich auf die tatsächliche Inanspruchnahme und die tatsächliche Nutzung ab. Damit solle vermieden werden, dass ein Nachweis förmlicher Widmungsakte verlangt werde, der in vielen Fällen nicht erbracht werden könne. Die verfahrensgegenständliche Fläche werde seit Anfang der Sechziger-Jahre durch die Zurücksetzung des Zauns zu öffentlichen Zwecken tatsächlich in Anspruch genommen.

Seither sei die Fläche Verkehrsfläche iSd. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VerkFlBerG; bis heute habe sie den Status einer öffentlichen Straße. Dieser Status sei durch Wiedereinfriedungsmaßnah-men seitens der Beklagten nicht beseitigt worden. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 BbgStrG erfordere die Herstellung einer öffentlichen Straße einen förmlichen Widmungsakt. Die Aufhebung der öffentlichen Straße könne mithin nur durch die Einziehung als einen ebenso förmlichen actus contrarius erfolgen. Dazu seien die Beklagten aber nicht berechtigt; die Einziehung als förmliche Entwidmung könne von ihnen auch nicht durch Realakt bewirkt werden. Auch darin, dass der Bürgermeister der Klägerin die Beseitigung der Einfriedungen nicht weiter verfolgt habe, könne wegen des Förmlichkeitserfordernisses keine Einziehung angenommen werden.

Gegen dieses ihnen am 18. April 2007 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Eingang vom 16. Mai 2007 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 15. Juni 2007, eingegangen am selben Tage, begründet.

Die Beklagten wenden sich gegen die rechtliche Würdigung durch das Landgericht und wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie machen geltend, durch das Zurücksetzen der Einfriedung um ca. 1 Meter Anfang der Sechziger-Jahre sei es nicht unmittelbar zur Schaffung einer Verkehrsfläche gekommen. Davon ausgehend könne nicht angenommen werden, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fläche um eine öffentliche Fläche iSd. § 48 Abs. 7 BbgStrG handele. In Folge der von ihnen vorgenommenen Wiedereinfriedung diene diese Fläche zumindest nun nicht mehr der Verwaltungsaufgabe. Weiter sind sie der Auffassung, ein etwaiges Erwerbsrecht der Klägerin sei zudem verwirkt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten verurteilt werden, das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz gemäß der notariellen Urkunde der Notarin S... mit Amtssitz in F... (UR-Nr. 197/2005) vom 2. März 2005 anzunehmen.

Die Klägerin verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

1.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§ 511 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 S. 2, §§ 517, 519, 520 ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

2.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

a.)

Die Klage ist zulässig.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Nach § 14 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG iVm. § 103 Abs.1 S. 1 SachenRBerG finden die Vorschriften der ZPO Anwendung.

Die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Dem zunächst geltend gemachten Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO fehlt - anders als vom Landgericht angenommen - das Rechtsschutzinteresse, da die Leistungsklage vorrangig ist. Die Klägerin konnte - wie erfolgt - gemäß § 264 Nr. 2 ZPO den Antrag umstellen. Sie kann ihr Begehren mit einer Leistungsklage einfacher und wirtschaftlicher erreichen, da sie bereits ihr Erwerbsrecht nach § 3 Abs. 1 S. 2 VerkFlBerG durch die Abgabe des notariell beurkundeten Kaufvertragsangebotes vom 2. März 2005 (UR-Nr. 197/2005 der Notarin S... mit Amtssitz in F...) gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 VerkFlBerG ausgeübt hat, so dass lediglich noch die Frage der Verpflichtung der Beklagten zur Annahme dieses Angebots im Raum steht. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 VerkFlBerG, auf die sich das Landgericht berufen hat, eröffnet zwar die Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nach dem SachenRBerG; dieses ist aber im VerkFlBerG - anders als nach dem SachenRBerG - nicht zwingend, da das VerkFlBerG auf ein obligatorisches Vermittlungsverfahren verzichtet (vgl. Kimme/Matthiessen, Offene Vermögensfragen, Stand: 2007, § 14 VerkFlBerG Rdn. 16).

b.)

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten ein Erwerbsrecht an der verfahrensgegenständlichen Fläche aus § 3 Abs. 1 VerkFlBerG und die Beklagten sind zur Annahme des Angebots verpflichtet (§ 3 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG).

Nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG kann der öffentliche Nutzer von dem Grundstückseigentümer den Verkauf des Grundstücks an sich verlangen und ist der Grundstückseigentümer zur Annahme des notariellen Kaufangebotes des öffentlichen Nutzers verpflichtet, wenn der Inhalt des Angebotes den Bestimmungen des VerkFlBerG entspricht. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des VerkFlBerG bestehen keine durchgreifenden Bedenken (Senat, NJ 2007, 477, 478).

Bei der verfahrensgegenständlichen Fläche handelt es sich um ein im Beitrittsgebiet belegendes Grundstück eines privaten Eigentümers, das in der Zeit zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe - nämlich als Straßenverkehrsfläche ("A... Straße" in F...) - tatsächlich in Anspruch genommen wurde und einer Verwaltungsaufgabe (hier: öffentliche Straße) noch dient (§ 1 Abs.1 S. 1 Nr.1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG).

Die Fläche ist Verkehrsfläche iSd. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG. Nach dieser Vorschrift sind Verkehrsflächen iSd. VerkFlBerG dem öffentlichen Verkehr gewidmete oder Kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen. Sie gehört zumindest als Nebenanlage - Gehweg sowie Seiten- und Randstreifen - zur "A... Straße" somit zum öffentlichen Straßenland. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die verfahrensgegenständliche Fläche sogleich in den Sechziger-Jahren nach der Zurücksetzung der Einfriedung an der östlichen Straßenseite oder erst Anfang der Achtziger-Jahre anlässlich der Vornahme einer teerbeschotterten Fahrbahnbefestigung des Straßenkörpers zum öffentlichen Straßenland mit aufgenommen worden ist, denn in beiden Fällen diente sie damit in der Zeit zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 als Straßenverkehrsfläche für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe.

Die Klägerin ist für die "A... Straße" unstreitig als Trägerin der Straßenbaulast unterhaltungspflichtig (§ 9 Abs.1 S. 1 und Abs. 4 BrbgStrG) und mithin "öffentlicher Nutzer" iSv. § 2 Abs. 3 S. 1 VerkFlBerG. Die Beklagten sind zu je 1/2-Anteil Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Fläche. Unabhängig von der gemäß § 48 Abs. 7 S. 1, § 6 BrbgStrG anzunehmenden Widmung als öffentliche Straße genügt die tatsächliche Inanspruchnahme der Fläche für den Zweck der Benutzung als öffentliche Straße (vgl. dazu Senat, OLG-NL 2006, 273, 274). Ausreichend ist nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG) die tatsächliche Inanspruchnahme eines Grundstücks. Die rechtliche Qualität der Begründung der Inanspruchnahme ist unerheblich. Erfasst sind damit auch sämtliche Fälle, in denen der Inanspruchnahme ein unwirksames Rechtsgeschäft, ein rechtswidriger Verwaltungsakt, ein nichtiger Verwaltungsakt oder gar kein Rechtsakt zugrunde lag (vgl. Kimme/Matthiessen, aaO., § 1 VerkFlBerG Rdn. 7). Mit dem VerkFlBerG sollen die Rechtsverhältnisse an Grundstücken bereinigt werden, welche in der DDR für öffentliche Zwecke in Benutzung genommen wurden, ohne dass eine förmliche Enteignung oder eine sonstige Überführung in Volkseigentum stattgefunden hatte. In zeitlicher Hinsicht knüpft das Gesetz deshalb an Nutzungen an, die nach der Schaffung sozialistischer Bodenrechtsverhältnisse im Gebiet der (späteren) DDR und vor deren Ende begründet worden sind (BGH ZOV 2006, 349, 350). Die Inanspruchnahme eines Grundstücks zu öffentlichen Zwecken vor und nach den in § 1 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG genannten Stichtagen (9. Mai 1945 und 3. Oktober 1990) fällt demgegenüber nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes (vgl. BGH WM 2004, 192).

Die "A... Straße" einschließlich Nebenanlagen dient nach wie vor einer Verwaltungsaufgabe und wird tatsächlich zu öffentlichen Zwecken genutzt. Im Hinblick darauf, dass das VerkFlBerG auch Konstellationen regelt, in denen die öffentliche Nutzung zwischenzeitlich aufgegeben worden ist (§ 9 Abs. 2 VerkFlBerG), ist diese zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit des Gesetzes dahingehend zu verstehen, dass das Grundstück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. Oktober 2001 zu öffentlichen Zwecken genutzt worden sein muss. Wurde die Nutzung dagegen vor diesem Zeitpunkt aufgegeben, ist das Rechtsverhältnis zwischen öffentlichem Nutzer und Eigentümer nach den allgemeinen Vorschriften abzuwickeln (vgl. Senat, Urteil v. 11. November 2004 - 5 U 128/03 - = OLG-NL 2006, 273; Kimme/Matthiessen, aaO., § 1 VerkFlBerG Rdn. 10).

Anders als das SachenRBerG knüpft § 1 Abs. 1 VerkFlBerG für den Begriff der Verwaltungsaufgabe nicht an eine Widmung an, sondern stellt grundsätzlich auf die tatsächliche Inanspruchnahme und die tatsächliche Nutzung ab. Damit soll auch vermieden werden, dass der Nachweis förmlicher Widmungsakte verlangt wird, der in vielen Fällen nicht wird erbracht werden können (vgl. Kimme/Matthiessen, aaO., § 1 VerkFlBerG Rdn. 8). Wann kraft Widmung oder Widmungsfunktion eine Verkehrsfläche - Straße, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG) - vorliegt, beantwortet das VerkFlBerG nicht selbst; dies ist vielmehr den Vorschriften des jeweiligen Landesstraßengesetzes zu entnehmen (vgl. Kimme/Matthiessen, aaO., § 2 VerkFlBerG Rdn. 7). Daraus ergibt sich zudem, welche Straßen, Wege und Plätze dem öffentlichen Verkehr vor Ablauf des 2. Oktober 1990 dienten. Die Landesstraßengesetze stellen bei in der ehemaligen DDR zu Verkehrszwecken in Anspruch genommenen Verkehrsflächen überwiegend darauf ab, ob es sich nach dem Recht der ehemaligen DDR um öffentlich genutzte Straßen gehandelt hat. So gelten nach § 48 Abs. 7 S. 1 BbgStrG Straßen, die nach dem bisherigen Recht öffentlich genutzt wurden, nach § 6 BbgStrG als gewidmet. Mithin ist von entscheidender Bedeutung die öffentliche Nutzung der Verkehrsfläche. Für den maßgeblichen früheren Zeitpunkt ist jeweils zu ermitteln, ob eine Straße öffentlich genutzt wurde und unter welchen Voraussetzungen die Straße zur öffentlichen Straße werden konnte. Die Rechtsverhältnisse sind hierbei nach den Grundsätzen des intertemporären Kollisionsrechts nach den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtspraxis zu beurteilen (vgl. BGHZ 123, 65).

Artikel 9 Abs. 2 Anlage II Kapitel XI Sachgebiet D, Abschnitt III Nr. 1-3 EVertr erklärt bis zum Erlass neuer Landesstraßengesetze die Fortgeltung des DDR-Straßenrechts. Bis zum Inkrafttretens des BbgStrG am 16. Juni 1992 galt hier daher die DDR-Straßenverordnung von 1974 (DDR-GVBl. I Nr. 57 S. 515), deren § 3 Abs. 1 den öffentlichen Status der nach DDR-Straßenverordnung vom 18. Juli 1957 als öffentlich geltenden Straßen festschrieb. Für die Anforderungen an die Entstehung einer öffentlichen Straße Anfang der Sechziger-Jahre ist daher auf die Verordnung über das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (GBl. DDR I Nr. 49 S. 377) - DDR-StrVO 1957 - mit den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen abzustellen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 lit. d DDR-StrVO 1957 unterfielen Stadt- und Gemeindestraßen, -wege und -plätze dem Begriff der kommunalen Straßen. Sie wurden gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 DDR-StrVO 1957 öffentlich, wenn die Räte der Städte oder Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer für den öffentlichen Verkehr freigaben. Öffentlicher Verkehr findet auf einer Fläche dann tatsächlich statt, wenn der für diese Fläche Verfügungsberechtigte die Benutzung durch einen nicht näher bestimmten Personenkreis kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung zugelassen hat (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kap. 4, Rn. 2, 3). Dadurch, dass der Rat der Stadt F... Anfang der Sechziger-Jahre die Anlieger an der östlichen Straßenseite der "A... Straße" aufforderte, ihre jeweilige Einfriedung um ca. einen Meter hinter die eigentliche Grundstücksgrenze zurückzusetzen, und dies auch durchgeführt wurde, wurde auch die verfahrensgegenständliche Fläche dem öffentlichen Verkehr zugeführt. Durch diesen Rückbau der Grundstückseinfriedungen entlang der Straße wurden die Grundstücksflächen zwischen der Fahrbahn und den zurückgesetzten Einfriedungen einer unbestimmten Vielzahl von Personen zur Nutzung als Gehweg sowie Seiten- und Randstreifen zugänglich gemacht und damit der Öffentlichkeit zur tatsächlichen Inanspruchnahme übergeben. Einer besonderen förmlichen Entscheidung des Rates der Stadt F... bedurfte es dazu nicht, denn sie war gemäß § 4 DDR-StrVO 1957 nur für den Fall von Streitigkeiten über die Öffentlichkeit der Straße erforderlich.

Die Öffentlichkeit dieser Grundstücksfläche ist durch die Verordnung über die öffentlichen Straßen vom 22. August 1974 (GBl. DDR I Nr. 57 S. 515) - DDR-StrVO 1974 - nicht berührt worden. Die Anordnung in § 4 Abs. 1 DDR-StrVO 1974, wonach der Rat der Stadt bzw. der Gemeinde über die Öffentlichkeit von Straßen durch Beschluss zu entscheiden hatte, galt nur für neu herzustellende Straßen. Eine Regelung für bereits vorhandene Straßen wurde nicht getroffen; einer solchen bedurfte es auch nicht, weil der Zeitraum bis zum Inkrafttreten der DDR-Straßenverordnung 1974 am 1. Januar 1975 (§ 28 Abs. 1 DDR-StrVO 1974) durch § 3 Abs. 2 S. 1 und 2 DDR-StrVO 1957 lückenlos erfasst war (vgl. auch OVG Magdeburg LKV 1998, 278). Entscheidend für die Öffentlichkeit dieser Straßen war danach, dass der Weg tatsächlich von der Öffentlichkeit genutzt wurde, und dass der damalige Rechtsträger bzw. Eigentümer der Nutzung durch jedermann nicht widersprochen hat. Dass eine Entscheidung über den Entzug der Öffentlichkeit getroffen worden sei, wie sie § 3 Abs. 4 DDR-StrVO 1957 und § 4 Abs. 3 DDR-StrVO 1974 vorsah, ist weder von den Parteien vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mithin kann davon ausgegangen werden, dass die bei Inkrafttreten des DDR-StrVO 1974 bereits vorhandenen öffentlichen Straßen weiterhin diesen Status behalten sollten mit der Folge, dass eine unter Geltung der DDR-StrVO 1957 als öffentliche Straße entstandene Straße diesen Status vermittels § 3 Abs. 1 DDR-StrVO 1974, Art. 9 Abs. 2 Anlage II Kapitel XI Sachgebiet D, Abschnitt III Nr. 1-3 EVertr; § 48 Abs. 7 S. 1, § 6 BbgStrG behalten hat.

Die verfahrensgegenständliche Fläche hat ihren Status als öffentliche Straße auch nicht dadurch verloren, dass im Jahre 1995 Anwohner der "A... Straße", darunter auch die Beklagten, entlang der Grundstücksgrenze - also unter Einbeziehung des Grundstücksteils von ca. 1 m Breite entlang der Straße - Hindernisse, etwa wie Poller oder Feldsteine, gesetzt haben. Die Beklagten haben durch diese Form einer "Wiedereinfriedung" ihrer vollständigen Grundstücksfläche - also durch Realakt - den Status der verfahrensgegenständlichen Fläche als öffentliche Straße nicht zu beseitigen vermocht. Nach § 6 Abs. 1 S.1 BbgStrG ist Widmung die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Eine Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft (§ 35 S. 2 VwVfG). § 6 Abs. 1 S. 1 BbgStrG setzt mithin einen förmlichen Widmungsakt voraus. Die Widmung einer Straße für den öffentlichen Verkehr verfügt die Straßenbaubehörde (6 Abs. 2 S. 1 BbgStrG). Die Aufhebung einer solchen Verfügung, Entscheidung oder anderen hoheitlichen Maßnahme einer Behörde kann ebenfalls nur durch die zuständige Behörde erfolgen. Daran fehlt es hier. Dieses Erfordernis ergibt sich bereits aus dem actus-contrarius-Gedanken und findet zudem seine Ausformung im BbgStrG. Aus § 8 Abs. 1 S. 1 u. 2 BbgStrG ergibt sich, dass die Einziehung, eine Allgemeinverfügung, durch die eine gewidmete Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße verliert, sowie die Teileinziehung, eine Allgemeinverfügung, durch die die Widmung einer Straße nachträglich auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise beschränkt wird, von der Straßenbaubehörde mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt zu machen ist und dass diese im Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung wirksam werden. Ein tatsächliches Aufhören des Verkehrs auf der öffentlichen Straße, ihre - teilweise - Sperrung für den Verkehr, die Beseitigung oder der Untergang des Straßenkörpers oder einzelner Teile oder andere rein tatsächliche Vorgänge sind grundsätzlich ohne Einfluss auf den Fortbestand der Widmung, so dass es nach der Wiederherstellung keiner neuerlichen Widmung bedarf. Die Widmung und die durch sie bewirkte öffentliche Zweckbestimmung werden nur durch die förmliche Einziehung in dem durch die Straßengesetze bestimmten Verfahren, soweit gesetzlich zugelassen, auch durch andere Entscheidungen in einem förmlichen Verfahren, beseitigt oder eingeschränkt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 1993 - 1 S 4.93 - , zitiert bei juris).

In der unterlassenen Durchsetzung der Ordnungsverfügung gegen den Anwohner der "A... Str. 74", ein vor seinem Grundstück "auf dem Gehweg der A... Straße vor dem Grundstück Nr. 4 (Flur 157 Flurstück 65) errichtetes Hochbeet bis zum 18.06.1996 zu entfernen", mag ein Verzicht auf die Durchsetzung dieser Verfügung gesehen werden, daraus kann insoweit aber - schon auf Grund der vorgenannten Förmlichkeitserfordernisse - nicht der Entwidmungsakt "Aufhebung der öffentlichen Straße" entnommen werden. Auch darin, dass der Bürgermeister der Klägerin die Beseitigung von Hindernissen auf der verfahrensgegenständlichen Fläche seit 1995 nicht geltend gemacht hat, kann auf Grund der vorgenannten Förmlichkeitserfordernisse ebenfalls keine Einziehung gesehen werden.

Die verfahrensgegenständliche Fläche ist auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerkFlBerG am 1. Oktober 2001 zu öffentlichen Zwecken genutzt worden und wird auch aktuell - zumindest eingeschränkt - genutzt. Die Tatsache, dass diese Fläche von den Beklagten mit Hindernissen versehen worden ist, die ein Befahren oder Begehen der Fläche erschweren, steht dem nicht entgegen. Die verfahrensgegenständliche Fläche ist zumindest einschränkt als Gehweg sowie Seiten- und Randstreifen benutzbar. Ein Aufgeben der Nutzung für öffentliche Zwecke durch die Klägerin vor diesem Zeitpunkt lag darin nicht vor. Mithin dient die verfahrensgegenständliche Grundstücksfläche weiter der Verwaltungsaufgabe (§ 1 Abs.1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG).

Ein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs. 2 VerkFlBerG steht den Beklagten nicht zu, da kein Grund für die Annahme ersichtlich ist, dass die öffentliche Nutzung der verfahrensgegenständlichen Fläche - als Straßenverkehrsfläche - nicht länger als fünf Jahre fortdauern wird. Diese Fläche wird weiterhin als Gehweg sowie Seiten- und Randstreifen genutzt, und die Klägerin hat sich vorbehalten, die uneingeschränkte Nutzbarkeit wieder durchzusetzen.

Auch für ein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs. 3 VerkFlBerG ist nichts ersichtlich, da kein Anhalt dafür besteht, dass das hier betroffene Grundstück durch die Verkehrsfläche (Gehweg sowie Seiten- und Randstreifen) nur in einzelnen Beziehungen genutzt wird (§ 1090 Abs. 1 BGB).

Die Ausschlussfrist nach § 8 Abs.1 VerkFlBerG ist gewahrt. Das Ankaufsrecht der Klägerin wurde (wenn nicht schon mit der Beurkundung [= Abgabe] des Vertragsangebots) - jedenfalls mit Übersendung des notariellen Vertragsangebotes vom 2. März 2005 mit Zugang am 16. April 2005 rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist (30. Juni 2007) ausgeübt (§ 3 Abs. 1 S. 2 VerkFlBerG). Für die Fristwahrung genügt ein notariell beurkundetes Angebot, das die Mindestanforderungen eines Kaufvertrages erfüllt, und zwar auch dann, wenn das Angebot inhaltliche Mängel aufweist (arg. § 14 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG i.V.m. § 106 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG; s. etwa Kimme/Matthiessen, aaO., § 8 VerkFlBerG Rdn.5 f.).

Das notarielle Vertragsangebot vom 2. März 2005 (UR 197/05 der Notarin S... in F...) entspricht den besonderen Anforderungen des VerkFlBerG, insbesondere an die Bemessung des Kaufpreises (§ 5 VerkFlBerG) und an die erfasste Fläche (§ 4 Abs.1 Nr.2 VerkFlBerG).

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG beträgt bei Verkehrsflächen der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenwertes eines in gleicher Lage belegenden unbebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2 VerkFlBerG, mindestens jedoch 0,10 € je Quadratmeter und höchstens 5,00 € je Quadratmeter in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern, höchstens 10,00 € je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 10.000 bis zu 100.000 Einwohnern und höchstens 15,00 € je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern. Maßgebend ist die Zahl der Einwohner am 31. Dezember des Jahres, das der Ausübung des Rechts aus § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2 VerkFlBerG vorausgeht. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG ist bei der Wertermittlung derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen Inanspruchnahme als Verkehrsfläche hatte. Auszugehen ist also vom Zustand Anfang der Sechziger-Jahre mit dem Preis im Zeitpunkt der Ausübung des Erwerbsrechts, also im Jahre 2005. Die vorgenommene Wertermittlung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Bei der Stadt F... handelte es sich zum maßgeblichen Stichtag um eine Gemeinde mit mehr als 10.000 und bis zu 100.000 Einwohnern. Der angebotene Kaufpreis von 2,60 € je Quadratmeter liegt innerhalb des dafür vorgesehenen Rahmens des Kaufpreises. Die Beklagten sind nicht dem Vorbringen der Klägerin entgegen getreten, dass bei Einführung des Einheitskatasters 1952 das Grundstück im alten Bestandsblatt als Acker und 1964 als Hutung ausgewiesen und dass im aktuellen - bezogen auf das Jahr 2005 - Grundstücksmarktbericht Gartenland im städtischen Bereich mit Werten von 0,51 bis 26,00 €/m² angegeben wurde. 20 % vom Mittelwert, also 13 €/m², sind 2,60 €/m², mithin ergeben 25 m² x 2,60 €/m² die angebotenen 65,00 €. Soweit die Beklagen zur Begründung ihrer zwischenzeitlich zurückgenommenen Streitwertbeschwerde ausgeführt hatten, pro Quadratmeter sei dagegen von einem Wert von 50,00 € (Grundstückswert für Wohngrundstücke) auszugehen, steht dies dem nicht entgegen, da die Beklagten diesen Wert lediglich für ihre Annahme zugrunde gelegt hatten, dass das VerkFlBerG nicht anwendbar sei.

Auch genügt das notarielle Vertragsangebot den Anforderungen an die schuldrechtliche Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages. Hierzu zählt die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Kaufgegenstandes, insbesondere bei der Veräußerung einer noch unvermessenen Grundstücksteilfläche. Hierüber herrscht indes im Einzelnen Streit. Während eine Meinung eine bloße Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VerkFlBerG für ausreichend ansieht (s. Eickmann/Stavorinus, aaO., § 4 VerkFlBerG Rdn. 8 ff.; Stavorinus, NotBZ 2001, 349, 362), hält es eine andere Auffassung für erforderlich, dass die unvermessene Grundstücksteilfläche eindeutig und unzweifelhaft bezeichnet wird; die Teilfläche müsse nach den vertraglichen Festlegungen eindeutig ermittelbar sein (s. Kimme/Matthiessen, aaO., § 3 VerkFlBerG Rn.10 f.; s. auch Schmidt-Räntsch, ZfIR 2006, 385, 391). Der Senat hält die letztgenannte - "strengere" - Ansicht für zutreffend (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2008 - 5 U 50/06 - ), doch bedarf der Meinungsstreit hier letztlich keiner Entscheidung, da auch den "strengeren" Anforderungen der letztgenannten Ansicht hier - noch - Genüge getan worden ist. Die zu veräußernde Teilfläche ist im notariellen Vertragsangebot vom 2. März 2005 hinreichend genau bezeichnet. Nach wohl allgemeiner Ansicht genügt es, wenn die Teilfläche in einem maßstabgerechten Lageplan deutlich erkennbar und zweifelsfrei bestimmbar eingezeichnet und dieser Plan ordnungsgemäß zum Bestandteil der Vertragsurkunde genommen worden ist (vgl. BGHZ 150, 334, 339 f.; BGH WM 1980, 1013, 1014; NJW-RR 1999, 1030; NJW-RR 2004, 735; Palandt/Grüneberg, BGB, 67.Aufl. 2008, § 311b Rn. 26 mwN.). Der Lageplan zum Kaufvertragsangebot der Klägerin, auf den gemäß § 1 des Angebots "zur zeichnerischen Darstellung" verwiesen wird, "in dem die Teilfläche schraffiert dargestellt ist", weist zwar keinen Maßstab auf und lässt einen solchen auch nicht unter Berücksichtigung des übrigen Urkundeninhaltes erkennen. Aber gleichwohl ist das Vertragsangebot der Klägerin hinsichtlich der Angabe des Kaufgegenstandes ordnungsgemäß und wirksam. Entscheidend ist insoweit die eindeutige "Bestimmbarkeit" der unvermessenen Teilfläche, die Kaufgegenstand sein soll (BGHZ 150, 334, 338). Ergeben sich insoweit Zweifelsfragen, so ist der Vertrag mangels hinreichender Bestimmung des Kaufgegenstandes unwirksam (BGHZ 150, 334, 340). Dabei genügt es, wenn die Vertragsparteien Einigkeit über Größe, Lage und Zuschnitt der Teilfläche entsprechend einer zeichnerischen - nicht notwendig maßstabsgerechten - Darstellung in einem der notariellen Vertragsurkunde beigefügten Plan und über die spätere Konkretisierung der Fläche durch eine genaue Grenzziehung erzielt haben und dieser Wille in der Urkunde seinen Niederschlag gefunden hat (s. BGHZ 150, 334, 339 f.; BGH NJW-RR 2004, S.735; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311b Rn. 26). Diesen Erfordernissen ist vorliegend Genüge getan. Bei der nicht maßstabsgerechten Skizze, die als Anlage dem notariell beurkundeten Kaufangebot beigefügt ist, dürfte es sich um einen Katasterplan handeln, der Flurstücksbezeichnungen enthält und die Lage der Teilfläche wiedergibt. Die für die Bemessung maßgeblichen Bezugspunkte sind mit den Buchstaben A, B, C, D, bezeichnet. Die von diesen Punkten eingegrenzte Fläche ist schraffiert gekennzeichnet. Außerdem ist die Angabe "A = 25 m²" vorhanden. Die Linie B-C dürfte die tatsächliche Einfriedung betreffen, die Anfang der Sechziger-Jahre in Folge der um ca. 1 m von der tatsächlichen Grundstücksgrenze - Straßenseite - erfolgten Rücksetzung entstanden ist. Die vorgenommene Bezeichnung genügt den Anforderungen an die schuldrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertragsangebotes. Es ist unzweifelhaft, dass die Klägerin entlang der Grundstücksseite den gesamten Grundstücksteil bis zur Einfriedung (Linie B-C) als Verkehrsfläche in Anspruch nimmt, einen diesbezüglichen Erwerb anstrebt und ein dahingehendes Kaufangebot unterbreitet hat.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG ist auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines materiellen Rechts ist ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). Dies bedeutet, dass ein materielles Recht nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umständen hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der andere Teil erstens darauf vertrauen darf, dass die Forderung nicht mehr erhoben wird, wenn er zweitens auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird, und wenn ihm drittens durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil erwachsen würde (zuletzt BGH NJW 2006, 219; Senat, Urteil vom 5. April 2007 - 5 U 96/06 - ; ständige Rechtsprechung seit BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - ; VG Koblenz, Urteil vom 22. April 2005 - 8 K 3559/04.KO - ; Palandt/Heinrichs, aaO., § 242 Rn. 87 mwN.). Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf um so kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (vgl. BGHZ 146, 217). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls.

Davon ausgehend schaffen bereits die 1995 auch auf der verfahrensgegenständlichen Fläche gesetzten Hindernisse für die Beklagten keinen Vertrauenstatbestand. Zumindest seit dieser Zeit besteht zwischen den Parteien des Rechtsstreits sowie zwischen der Klägerin und weiteren Anliegern der "A... Straße" offener Streit über die Zuordnung dieser Flächen als öffentlichen Straße, Wege oder Plätze einschließlich Nebenanlagen. Dadurch, dass die Klägerin den Widerspruch eines Anwohners der "A... Str. 74" gegen ihre Ordnungsverfügung vom 5. Juni 1996 nicht entschieden und diese Angelegenheit zunächst nicht weiterverfolgt hat, ergeben sich keine besonderen Umstände, aus denen die Beklagten schließen konnten, die Klägerin habe ihre Rechtsauffassung, es handele sich u.a. bei der verfahrensgegenständlichen Fläche um öffentlichen Straßenraum, endgültig aufgegeben. Insbesondere konnten die Beklagten auf Grund dieses Verhaltens der Klägerin nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin ein Erwerbsrecht für die streitgegenständliche Grundstücksfläche nicht geltend machen werde. Da die Rechtsgrundlage für das Erwerbsrecht erst mit dem Inkrafttreten des VerkFlBerG zum 1. Oktober 2001 entstanden ist, und die Klägerin dieses Recht auch fristgerecht ausgeübt hat, ist seit der Möglichkeit der Geltendmachung dieses Rechts auch keine längere Zeit verstrichen, die die Geltendmachung des Erwerbsrechts als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließe.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO sowie auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713, §§ 542 ff. ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 65,00 € (arg. e § 14 Abs.3 Satz 1 VerkFlBerG).

Ende der Entscheidung

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