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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 5 U 76/00
Rechtsgebiete: BGB, SachenRBerG, EGBGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 985 | |
BGB § 988 | |
BGB § 818 Abs. 2 | |
BGB § 812 | |
BGB § 818 | |
BGB § 987 | |
BGB § 990 | |
BGB § 100 | |
BGB § 102 | |
BGB § 818 Abs. 3 | |
BGB § 994 | |
BGB § 287 | |
SachenRBerG § 12 Abs. 1 | |
SachenRBerG § 12 Abs. 2 | |
SachenRBerG § 12 Abs. 3 | |
SachenRBerG § 4 Nr. 3 | |
SachenRBerG § 7 Abs. 2 Nr. 2 | |
SachenRBerG § 12 Abs. 1 1. Alt. | |
SachenRBerG § 12 Abs. 1 2. Alt. | |
SachenRBerG § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 | |
SachenRBerG § 12 Abs. 1 Nr. 1 | |
EGBGB § 2 a Abs. 1 Sätze 3 u. 4 | |
EGBGB § 232 | |
EGBGB § 1 a | |
EGBGB § 2 a Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 287 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 269 Abs. 3 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 108 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
5 U 76/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 1 O 491/95 Landgericht Potsdam
Anlage zum Protokoll vom 26. April 2001
verkündet am 26. April 2001
Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2001 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K den Richter am Oberlandesgericht G und den Richter am Landgericht Dr. M
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. März 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az: 1 O 491/95 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte 5/7 und die Klägerin 2/7 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit auch durch schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.
Der Wert der Beschwer der Beklagten wird auf 77.328 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Nutzungsersatz sowie die Räumung und Herausgabe zweier Grundstücke, die Beklagte die Feststellung ihrer Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.
Die Klägerin ist aufgrund eines Vermögenszuordnungsbescheides vom 11. Januar 1995 (Bl. 69 d. A.) als Eigentümerin der Grundstücke der Gemarkung G Flur 2. Flurstück 8/1 sowie Flurstück 9, postalische Anschrift B straße im Grundbuch von G des Amtsgerichts P eingetragen. Die Grundstücke standen in der DDR in Volkseigentum, letzter Rechtsträger war die Konsumgenossenschaft Kreis Z deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Das Flurstück 9 war bereits zuvor durch seinen privaten Eigentümer mit einem freistehenden Verkaufsgebäude bebaut worden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten nutzte das Gebäude auf der Grundlage der Rechtsträgerschaft. Ein dingliches Nutzungsrecht wurde ihr nicht zugewiesen, ein Nutzungsvertrag nicht abgeschlossen. In den Jahren 1963/64 nahm die Rechtsvorgängerin der Beklagten Baumaßnahmen vor. Der Verkaufsraum auf dem Flurstück 9 wurde mit einem neu errichteten Verkaufsraum auf dem Flurstück 8/1 zu einem einheitlichen Gebäude zusammengefasst. Ferner befindet sich heute eine Laderampe mit Lagerraum hinter dem Gebäude.
Am 9. Juli 1992 schloss die Beklagte mit Frau K einen Pachtvertrag über das gesamte Objekt zu einem monatlichen Pachtzins von 800 DM zuzüglich MWSt und Nebenkosten wie Grundsteuer, öffentlichen Abgaben und Gebühren (Blatt 78 ff. dA.). Das Objekt verfügte zunächst nicht über eine Heizung. Es fehlen ferner ein Wasseranschluss und eine Toilette.
Durch Schreiben vom 13. Oktober 1995 machte die Klägerin einen Anspruch auf Nutzungsentgelt geltend (Bl. 84 d.A.).
Mit der Klage hat die Klägerin zunächst ein Nutzungsentgelt für das vorgenannte Objekt sowie für weitere Liegenschaften in D und Z für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 1995 geltend gemacht. Nach Rücknahme der weitergehenden Zahlungsklage verlangt die Klägerin ein Nutzungsentgelt lediglich noch für das Objekt G und das Jahr 1995 sowie die Räumung und Herausgabe dieses Objektes.
Die Klägerin hat zunächst behauptet, für das Jahr 1995 sei ein Mietzins von 11,10 DM pro m² ortsüblich gewesen. Für den Altbau in einer Größe von 40 m² stehe ihr daher ein Nutzungsentgelt in Höhe von 444 DM pro Monat zu. Nach Durchführung der Beweisaufnahme vor dem Landgericht hat die Klägerin den im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Betrag als erststelligen Teilbetrag der Gesamtforderung für das Jahr 1995 benannt, nämlich eines Mietzinses von 8,88 DM/m² für die Nutzfläche des Altbaus von 50 m². Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nicht anspuchsberechtigt nach dem SachenRBerG, da lediglich ein geringfügiger Anbau an ein bestehendes Gebäude vorgenommen worden sei.
Das Landgericht hat die Beklagte durch am 11. Dezember 1998 verkündetes Teilversäumnisurteil zur Räumung und Herausgabe der Liegenschaft verurteilt.
Auf den Einspruch der Beklagten hat die Klägerin zuletzt beantragt,
1. das Teilversäumnisurteil vom 11.12.1998 aufrechtzuerhalten;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 5.328 DM nebst 6,5 % Zinsen von der Rechtshängigkeit bis zum 30.01.1996, 6,25 % Zinsen vom 31.01.1996 bis zum 14.04.1996, 5,75 % Zinsen vom 15.04.1996 bis zum 30.10.1996, 5 % Zinsen vom 31.10.1996 bis zum 29.01.1997, 4 % Zinsen vom 30.01.1997 bis zum 17.04.1997, 4,6 % Zinsen vom 18.04.1997 bis zum 11.03.1998 sowie 4,3 % Zinsen seit dem 12.03.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Teilversäumnisurteil vom 11.12.1998 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen,
sowie im Wege der Widerklage,
festzustellen, dass ihr wahlweise Ansprüche auf Ankauf der Flurstücke 8/1 sowie 9 der Flur 2, Gemarkung G in der B Straße in G nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie verfüge wegen der durchgeführten Baumaßnahmen über die Anspruchsberechtigung nach dem SachenRBerG. Bereits aus diesem Grund bestünden Nutzungsentgeltansprüche nicht. Diese seien auch aus Rechtsgründen nicht gegeben. Ein Anspruch sei verwirkt, seine Geltendmachung verstoße gegen Art. 14 und Art. 3 GG. Sie hat behauptet, der vertraglich vereinbarte Pachtzins sei nachträglich auf 5,34 DM monatlich für das gesamte Objekt reduziert worden. Ferner hat sie behauptet, ihr seien Aufwendungen in Höhe von 1.165,26 DM für das Objekt entstanden.
Das Landgericht hat über die Höhe des ortsüblichen Mietzinses für den Altbau im Jahr 1995 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen F nebst schriftlicher Ergänzungen und mündlicher Erläuterungen. Es hat sodann durch am 31. März 2000 verkündetes Urteil das Teilversäumnisurteil vom 11. Dezember 1998 aufrecht erhalten und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 5.328 DM nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Räumungs- und Herausgabeanspruch ergebe sich aus § 985 BGB. Der Beklagten stehe kein Recht zum Besitz zu. Ansprüche nach dem SachenRBerG bestünden nicht, da keine Gebäudeerrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1 SachenRBerG vorliege. § 12 Abs. 2 und 3 SachenRBerG seien - auch hinsichtlich der Laderampe - nicht einschlägig. Der Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentgelt ergebe sich jedenfalls aus §§ 988, 818 Abs. 2 BGB. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei im Jahr 1995 ein Mietzins von 13,80 DM ortsüblich gewesen, sodass der geltend gemachte Betrag gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe nicht behauptet, dass ein geringerer Mietertrag als 800 DM erzielt worden sei. Dies sei auch unerheblich. Auf die Einrede der Entreicherung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie Verwendungen auf die Sache weder schlüssig vorgetragen noch hinreichend unter Beweis gestellt habe. Die Geltendmachung von Nutzungsentschädigung sei schließlich weder treuwidrig noch bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Nach allem sei die Widerklage unbegründet.
Gegen dieses, ihr am 7. April 2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 5. Mai 2000 bei Gericht eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. August 2000 durch an diesem Tage bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründeten Berufung.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihrer dortigen Ausführungen weiter. Sie ist der Ansicht, ihr stehe die Anspruchsberechtigung nach dem SachenRBerG zu. Das Landgericht habe die Größenverhältnisse des Anbaus nicht hinreichend gewürdigt. Hierzu behauptet sie, die Nutzfläche des Gebäudes sei etwa verdoppelt worden. Hinzuzurechnen seien Laderampe und Lagerhalle. Vom seinerzeitigen Altbau seien nur noch drei Wände stehengeblieben, während die gesamt Dachkonstruktion geändert und die vierte Wand herausgerissen worden sei. Bei lebensnaher und natürlicher Betrachtungsweise werde man daher, so meint sie, das Gesamtgebäude als Neuerrichtung ansehen müssen. Ferner handele es sich bei der Rampe auf dem Flurstück 8/1 um eine bauliche Anlage i.S.d. § 12 Abs. 3 SachenRBerG. Für die Finanzierung durch eigene Mittel spreche insoweit eine tatsächliche Vermutung. Der Klägerin stehe jedenfalls Mietzins allenfalls in der von der Beklagten erzielten Höhe (534 DM/Monat für das Gesamtobjekt) zu. Schließlich seien die von ihr vorgetragenen Aufwendungen abzuziehen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angegriffenen Urteils
1. das Teilversäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 11.12.1998 aufzuheben, und die Klage insgesamt abzuweisen,
2. auf die Widerklage der Beklagten hin festzustellen, dass der Beklagten Ansprüche bezüglich der Grundstücke in der B Straße in G, Gemarkung G, Flur 2, Flurstücke 8/1 und 9 nach dem SachenRBerG zustehen,
sowie hilfsweise,
ihr zu gestatten, Sicherheit zu leisten und eine von ihr zu leistende Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer Großbank, öffentlichen Sparkasse oder einer Genossenschaftsbank zu erbringen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen. Sie behauptet ergänzend, dass der Anbau nicht die Fläche des ursprünglichen Verkaufsraumes erreiche. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 SachenRBerG lägen nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 17. August 2000 (Bl. 447 ff. d.A) sowie auf die Berufungserwiderung vom 15. Dezember 2000 (Bl. 472 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache bleibt sie jedoch - mit Ausnahme einer von Amts wegen vorzunehmenden Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung - ohne Erfolg. Die Klage ist begründet, die Widerklage der Beklagten unbegründet.
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin gemäß § 985 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Liegenschaft in Großbeeren sowie gemäß §§ 988, 812, 818 BGB ein Anspruch auf Nutzungsherausgabe in Höhe von 5.328,-- DM nebst Zinsen zusteht. Ebenso zutreffend hat das Landgericht die auf Feststellung der Anspruchsberechtigung nachdem SachenRBerG gerichtete Widerklage der Beklagten abgewiesen, bei deren Begründetheit zugleich der Räumungs- und Zahlungsanspruch der Klägerin gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 EGBGB unbegründet wäre.
I.
Die Widerklage ist unbegründet. Eine Anspruchsberechtigung der Beklagten nach dem SachenRBerG besteht nicht.
Eine Anspruchsberechtigung der Beklagten kann sich hier ausschließlich aus §§ 4 Nr. 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Genossenschaft mit gewerblichem Geschäftsgegenstand auf der Grundlage einer Rechtsträgerschaft ein Grundstück bebaut und den Bau ganz oder überwiegend mit eigenen Mitteln finanziert hat.
Es liegt bereits keine Bebauung im Rechtssinne, vor. Die Voraussetzungen des hierfür maßgeblichen § 12 Abs. 1 SachenRBerG sind nicht gegeben. § 12 Abs. 2 SachenRBerG ist entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht einschlägig, da keine Bebauung auf der Grundlage eines Überlassungsvertrages i.S.d. § 232 § 1 a EGBGB gegeben ist. Auch § 12 Abs. 3 SachenRBerG betrifft den vorliegenden Fall nicht, da es sich bei denn von der Rechtsvorgängerin Beklagten erweiterten Bauwerk einschließlich des Anbaus einer Laderampe mit Lagerhalle um ein einheitliches Gebäude handelt. Bauliche Anlagen i.S.d. § 12 Abs. 3 SachenRBerG können jedoch nur solche Bauwerke sein, die nicht Gebäude sind (vgl. MünchKomm- Wendtland, BGB, 3. Auflage, § 12 SachenRBerG Rdnr. 14).
Bei den von der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf den jetzigen Flurstücken 9 und 8/1 vorgenommenen Baumaßnahmen handelt es sich weder tun die Errichtung eines Gebäudes i.S.d. § 12 Abs. 1 1. Alt. SachenRBerG noch um eine von § 12 Abs. 1 2. Alt. SachenRBerG erfasste bauliche Maßnahme an einem bestehenden Gebäude.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist insoweit keine getrennte Betrachtung der beiden Flurstücke 9 und 8/1 vorzunehmen, die zugleich selbständige Grundstücke im Rechtssinne sind. § 12 Abs. 1 SachenRBerG stellt auf eine Betrachtung des Gebäudes und nicht auf eine solche des Grundstücks ab. Wenn - wie hier - ein einheitliches Gebäude besteht, ist für das gesamte Gebäude zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 SachenRBerG vorliegen. Es ist daher unerheblich, dass das Flurstück 8/1 ursprünglich unbebaut war und die gesamte dort vorhandene Bebauung von der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschaffen wurde, zumal auch nicht vorgetragen ist, ob die Aufteilung der Flächen auf verschiedene Grundstücke bereits vor dem 3. Oktober 1990 bestanden hat. In der Sache handelt es sich um eine Erweiterung des ursprünglichen, auf dem Flurstück 9 vorhandenen Baukörpers.
Trotz des Umfangs der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommenen Baumaßnahmen liegt keine (Neu-) Errichtung eines Gebäudes i.S.d. § 12 Abs. 1 1. Alt SachenRBerG vor. Dem steht wiederum entgegen, dass bereits vor Durchführung der Baumaßnahmen ein nicht völlig untergeordnetes Gebäude vorhanden war. Nur wenn der vorhandene Altbaubestand gegenüber der durchgeführten Baumaßnahme umfang- und wertmäßig völlig untergeordnet ist, lässt sich nach Auffassung des Senats auch bei einem zuvor vorhandenen Gebäude eine Neuerrichtung i.S.d. der 1. Alternative der Vorschrift annehmen. Hier hat das durch den Umbau geschaffene einheitliche Gesamtgebäude unstreitig die alte Bausubstanz (Außenwände) und das Fundament des Altbaus übernommen. Die Flächenvergrößerung ist selbst unter Zugrundelegung des von der Beklagten vorgelegten Parteigutachtens S (Bl. 488 d.A.) nicht so erheblich, dass man den Altbau als völlig untergeordnet anzusehen hätte. Der Altbau hatte danach eine Fläche 58,45 m² der Anbau von 48,54 m² und die in schlichter Bauweise errichte Rampe mit Lager 54,24 m², sodass mehr als ein Drittel der Grundfläche bereits ursprünglich vorhanden war. Die Flächenvergrößerung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG ist hier - wie ausgeführt - nicht einschlägig.
Auch die Voraussetzungen für eine bauliche Maßnahme an einem bestehenden Gebäude i.S.d § 12 Abs. 1 2. Alt. SachenRBerG liegen nicht vor. Die Norm verlangt nicht nur, dass die Baumaßnahmen einen erheblichen Umfang erreichen, der hier möglicherweise vorliegt, sondern zusätzlich entweder einen bestimmten Zustand des zuvor vorhandenen Gebäudes (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG) oder eine Nutzungsänderung (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG). Beides ist hier nicht gegeben.
§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG verlangt, dass schwere Bauschäden vorhanden waren und die Nutzbarkeit des Gebäudes wiederhergestellt worden ist. Dies ist nach der in der Literatur vertretenen Ansicht nur dann der Fall, wenn das Gebäude vor der Maßnahme überhaupt nicht mehr nutzbar war (Eickmann-Trittel, SachenRBerG, § 12 Rdnr. 5; Purps/Krauss, Sachenrechtsbereinigung nach Anspruchsgrundlagen, 1997, S. 232 Rdnr. 12), also regelmäßig eine unbewohnbare Ruine vorlag (Vossius, SachenRBerG 2. Auflage, § 12 Rdnr. 11). Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung (der Literatur folgend OLG Naumburg, OLG-NL 1999, 249, 252; offen gelassen von BGH, VIZ 1999, 488 sowie OLG Rostock, OLGR 1998, 135, 136). Dass überhaupt Bauschäden an dem vorhandenem Verkaufsraum auf dem Flurstück 9 vorgelegen haben sollen, ist bereits nicht vorgetragen und auch aus den vorgelegten Bauunterlagen nicht zu entnehmen. Nachdem Bauantrag von Juli 1963 (Bl. 312 f. d.A.) war Anlass der Baumaßnahme die zu geringe Größe des bislang genutzten Verkaufsraumes, nicht dessen Schadhaftigkeit.
Auch die nach § 12 Abs. 1 2. Alt. Nr. 2 SachenRBerG erforderliche Nutzungsänderung ist nicht ersichtlich. Das Gebäude war bereits zuvor als Verkaufsraum eingerichtet. Eine Änderung der Qualität der Nutzung ist nicht dargetan (bejaht etwa bei einem Umbau eines Kiosks zu einer Gastwirtschaft, vgl. OLG Rostock, OLG-NL 1999, 246).
II.
Die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage der Klägerin ist nach § 985 BGB begründet. Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke. Die Beklagte ist Besitzerin. Sie ist nach Ablauf des Moratoriums in Art. 232 § 2 a Abs. 1 Satz 2 EGBGB nicht mehr zum Besitz berechtigt. In Ermangelung einer Anspruchsberechtigung nach dem SachenRBerG besteht ein Recht zum Besitz nach Satz 3 dieser Vorschrift nicht. Auch eine anderweitige Berechtigung der Beklagten besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in den Fällen konsumgenossenschaftlicher Grundstücksnutzung ausschließlich auf Grundlage der vormaligen Rechtsträgerschaft nicht (vgl. etwa Urteil vom 28. September 2000 - 5 U 27/97 - Umdruck S. 8).
III.
Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995 der geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsherausgabe in Höhe von 5.328 DM gemäß §§ 988, 812, 818 BGB zu. Die Voraussetzungen der §§ 987, 990 BGB sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats wegen der zumindest im Jahr 1995 noch unklaren Rechtslage nicht zu bejahen (vgl. Senat, aaO, Umdruck S. 9). § 988 BGB gilt auch für die rechtsgrundlose und unentgeltliche Fortsetzung des zunächst rechtmäßigen und entgeltlichen oder unentgeltlichen Besitzes (ebda.).
1. Der Anspruch aus § 988 BGB richtet sich auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen nach §§ 812 ff. BGB. Nicht zu ersetzen sind - auch schuldhaft - nicht gezogene Nutzungen (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 59. Auflage, § 988 Rdnr. 6, 7). Die Nutzungen umfassen gemäß § 100 BGB auch Gebrauchsvorteile (aaO, Rdnr. 5 sowie § 987 Rdnr. 5, 6). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deren objektiver Wert entscheidend (BGH NJW 1996, 2627). Bemessungsgrundlage ist hierfür bei Sachen i.d.R der übliche Miet- oder Pachtzins (BGH NJW-RR 1998, 803, 805; BGH NJW 1998, 1707). Ob aus dem Gebrauch der Sache ein Gewinn oder Verlust entstanden ist, ist nicht erheblich (BGH DB 1966, 738, 739). Danach kommt es nicht darauf an, ob dem Besitzer die Gebrauchsvorteile selbst durch Eigennutzung eines Gewerbeobjektes zugeflossen sind oder ob er die Gebrauchsvorteile durch Fremdvermietung genutzt hat. Herauszugeben sind jeweils die objektiv zu bemessenden Gebrauchsvorteile. Auch im Anwendungsbereich des § 988 BGB kann dieser zu § 100 BGB entwickelte Rechtsstandpunkt nach Auffassung des Senats Geltung beanspruchen; wenn sich der Besitzer - wie hier die Beklagte - die Gebrauchsvorteile der unberechtigt genutzten Sache durch gewerbliche Vermietung zunutze gemacht hat. Auch insoweit liegt eine Nutzungsziehung vor, deren objektiver Wert zu vergüten ist. Dass der Besitzer die ihm zunächst zugeflossenen Gebrauchsvorteile nicht in einer gewinnbringenden Weise eingesetzt hat; ist demgegenüber nicht entscheidend. Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob ein - im Falle der Eigennutzung unterhaltener - Gewerbebetrieb keinen Gewinn abwirft oder ob bei einer gewerblichen Vermietung nicht der ortsübliche Mietzins erzielt wird.
Es ist danach nicht entscheidend, welchen Mietzins die Beklagte tatsächlich erzielt hat. Der Anspruch der Klägerin richtet sich vielmehr auf den objektiven Mietwert des Objektes. Diesen hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige F nachvollziehbar und überzeugend mit 13,80 DM/m² ermittelt. Gegen diese vom Landgericht übernommene Annahme des Sachverständigen richtet sich die Berufungsbegründung auch nicht. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, der vom Sachverständigen ermittelte Mietwert sei tatsächlich im Jahr 1995 nicht zu erzielen gewesen, ist dies nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen zu erschüttern. Der Sachverständige hat nachvollziehbar die Mieten vergleichbarer Objekte aus dem Jahr 1995 ermittelt. Hieraus ergibt sich, dass entsprechende Mieten auch im Jahr 1995 zu erzielen gewesen sind. Ob und welche Bemühungen der Beklagten gescheitert sind, eine entsprechende Miete zu erzielen, ist zudem nicht im Einzelnen vorgetragen.
2. Von dem Wert der Gebrauchsvorteile sind gemäß § 102 BGB die Kosten der Fruchtziehung abzuziehen, die der Senat unter Anwendung des § 287 ZPO in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig auf 5 % des Betrages der Gebrauchsvorteile schätzt.
Mit dem aus § 988 BGB i.V.m. § 818 Abs. 2 folgenden Wertersatzanspruch des Eigentümers sind nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Aufwendungen des Besitzers gemäß § 818 Abs. 3 BGB zu saldieren, auch wenn es sich nicht um Verwendungen i.S.d. § 994 BGB handelt (vgl. BGH, NJW 1998, 989,990 = NJ 1998, 319; dem folgend Palandt-Bassenge, aaO, § 988 Rdnr. 6). Auch nach abweichender Auffassung in der älteren Literatur (vgl. die Nachweise bei BGH, aaO) sind jedenfalls die Fruchtziehungskosten im Rahmen eines Wegfalls der Bereicherung abzuziehen.
Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten der Objektverwaltung sind dem Grunde nach solche Kostender Fruchtziehung. Zwar handelt es sich hierbei um die Gemeinkosten der Beklagten, die sie in diesem - wie in zahlreichen anderen vom Senat entschiedenen oder hier noch anhängigen Verfahren - anteilig auf ein einzelnes Objekt umlegen möchte. Es ist zumindest in der besonderen Situation der Beklagten nicht zu beanstanden, wenn sie diese Personal- und Sachkosten für die Verwaltung ihres Immobilienbestandes anteilig auf einzelne Objekte umlegt (Senat, aaO, Umdruck S. 13).
Die von der Beklagten angegebenen Aufwendungen sind jedoch überhöht. Ein Aufwand von 1.165,26 DM für die Objektverwaltung für ein kleines Objekt in 12 Monaten ist nicht angemessen. Selbst wenn die Einzelarbeiten aus der Aufstellung angefallen sein sollten, wäre der Zeitaufwand insbesondere für die Fahrzeit übersetzt, da die Beklagte über eine Vielzahl von benachbarten und in gleicher Weise betreuten Objekten verfügt hat.
Der Senat sieht sich jedoch in der Lage, die Fruchtziehungskosten unter Berücksichtigung des von der Beklagten angegebenen Aufwandes gemäß § 287 BGB zu schätzen. Angemessen erscheint insoweit unter Anlehnung an Nr. 3.5.2.2. der Wertermittlungsrichtlinie 1991/76, die für Verwaltungskosten pauschal einen Anteil von 3 - 5 % des Rohertrages vorsieht, ein Anteil von 5 % der errechneten Gebrauchsvorteile. In diesem Umfang haben die Parteien in Parallelverfahren die Fruchtziehungskosten unstreitig gestellt.
3. Danach berechnet sich der Anspruch der Klägerin wie folgt:
Bei einer angenommenen Größe des Altbaus von 50 m² und einem Mietwert von 13,80 DM/m² ergibt sich eine Jahreswert von 8.280 DM. Nach Abzug eines Anteiles von 5 % für die Fruchtziehungskosten ergibt sich eine Forderung in Höhe von 7.866 DM. Die vorliegend geltend gemachte Teilforderung steht der Klägerin danach zu.
IV.
Den vom Landgericht zugesprochenen Zinsanspruch hat die Berufung nicht mehr angegriffen.
V.
Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung der ersten Instanz, die von Amts wegen abzuändern war, ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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