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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 5 U 90/07
Rechtsgebiete: SachenRBerG, EGBGB, ZGB/DDR, WohnraumlenkungsVO


Vorschriften:

SachenRBerG § 5 Abs. 2 Satz 1
SachenRBerG § 121
SachenRBerG § 121 Abs. 2
SachenRBerG § 121 Abs. 2 lit. a)
SachenRBerG § 121 Abs. 2 lit. b)
EGBGB Art. 231 § 8 Abs. 2 Satz 1
ZGB/DDR § 99
ZGB/DDR § 100 Abs. 1 Satz 1
WohnraumlenkungsVO § 22 Abs. 1 Satz 1
WohnraumlenkungsVO §§ 30 ff.
WohnraumlenkungsVO § 34 Abs. 1 lit. a)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 5. Juni 2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 2 O 331/06 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zu Gunsten der Kläger an dem Grundstück in ... W., Flur ..., Flurstück 63 (610 m²), eingetragen im Grundbuch von W. Blatt ..., Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf Ankauf, wahlweise auf Bewilligung eines Erbbaurechts, bestehen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern Ansprüche nach Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) an dem mit einem Zweifamilienhaus (EG, OG, ausgebautes Dachgeschoss) bebauten Grundstück R.Straße in ... W. (Gemarkung W., Flur ..., Flurstück 63 mit einer Größe von 610 m², eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Neuruppin von W. Blatt ...) [im folgenden: Grundstück] zustehen.

Die Klägerin zu 1) nutzt seit dem Jahre 1978 eine Wohnung [zunächst: die (Dreizimmer-) Wohnung im 1. Obergeschoss] in dem auf dem Grundstück befindlichen Zweifamilienhaus. Sie ist seit dem 31. Juli 1978 unter dieser Anschrift mit alleiniger Wohnung gemeldet und bewohnte die Wohnung zunächst gemeinsam mit ihrem am 28. August 1988 verstorbenen Ehemann Dr. R. Sch. und ihren beiden Kindern. Der Kläger zu 2), seit 1989 Lebensgefährte der Klägerin zu 1), zog im Frühjahr 1989 in diese Wohnung ein und ist seit dem 28. März 1989 unter dieser Anschrift mit alleiniger Wohnung gemeldet. Beide Kläger sind im Hausbuch eingetragen. Das Grundstück befand sich seit 1971 im Eigentum des Volkes. Am 7. Februar 1990 beantragten die Kläger bei dem Rat der Stadt W. den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages. Am 31. Mai 1990 schlossen die Kläger mit dem Rat der Stadt W. vor dem Staatlichen Notariat W. (20-387-90) einen Vertrag über den Kauf des Grundstücks für einen Preis von 24.032,- MDDR. Die Eintragung der Kläger als Eigentümer im Grundbuch erfolgte am 3. August 1990.

Ebenfalls am 3. August 1990 beantragten der Beklagte zu 1) und Frau Ju. J. die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück nach dem Vermögensgesetz. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises O. vom 4. Juni 1997 und Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 12. Februar 1998 verpflichtete das Verwaltungsgericht Potsdam durch - rechtskräftiges - Urteil vom 31. März 2004 (6 K 1116/98) das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, das Eigentum an dem Grundstück auf die Antragsteller zurück zu übertragen. Frau Ju. Jo. verstarb am 7. Oktober 2000 und wurde von den Beklagten zu 2) bis 4) beerbt. Am 23. August 2005 wurden die Beklagten zu 1) bis 4) als Eigentümer des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.

Auf Antrag der Kläger wurde im Jahre 2004 vor dem Notar P. A. in Potsdam ein notarielles Vermittlungsverfahren eingeleitet (AR 13/2004). Nachdem die Beklagten die Antragsberechtigung der Kläger bestritten hatten und keine Einigung erzielt werden konnte, verwies der Notar die Parteien auf den Klageweg (§ 94 Abs.2 Satz 1 Nr.2 und Satz 2 SachenRBerG).

Die Kläger haben behauptet, sie hätten ihre Wohnung aufgrund eines Mietvertrages und vorheriger Wohnraumzuweisung genutzt und von Beginn an bis zum Abschluss des Kaufvertrages vom 31. Mai 1990 regelmäßig die monatliche Miete von 72,- MDDR entrichtet. Der Kläger zu 2) sei im April 1989 in den Mietvertrag mit aufgenommen worden. Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch nach § 121 Abs.2 SachenRBerG zu. Eine Wohnraumzuweisung sei nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Wohnraummietvertrages gewesen.

Sie haben beantragt,

festzustellen, dass zu Gunsten der Kläger an dem Grundstück in ... W., Flur ..., Flurstück 63 (610 m²), eingetragen im Grundbuch von W. Blatt ..., Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf Ankauf, wahlweise auf Bewilligung eines Erbbaurechts, bestehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben entgegnet, den Klägern stehe kein Anspruch nach § 121 Abs.2 SachenRBerG zu. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Norm fehle es an den darin vorgeschriebenen Anspruchsvoraussetzungen: Da jedenfalls eine der Wohnungen regelmäßig an Dritte vermietet werde und das Dachgeschoss zur Wohnung ausgebaut worden sei, handele es sich bei dem Wohngebäude nicht um ein Eigenheim der Kläger. Zudem sei die Nutzung der Wohnung der Kläger ohne (wirksamen) Mietvertrag und ohne die erforderliche Wohnraumzuweisung erfolgt.

Das Landgericht hat zur Frage, ob die Nutzung der Wohnung der Kläger aufgrund eines Mietvertrages und einer entsprechenden Wohnraumzuweisung erfolgt ist, Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E. D. und D. K.. Durch Urteil vom 5. Juni 2007 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Den Klägern stehe kein Ankaufsrecht nach § 121 Abs.2 SachenRBerG zu. Zwar handele es sich bei dem Zweifamilienhaus um ein Eigenheim der Kläger im Sinne der §§ 121, 5 Abs.2 Satz 1 SachenRBerG; hierfür genüge die Nutzung eines Teils des Wohnhauses als eigene Wohnung. Im Hinblick auf Art. 231 § 8 Abs.2 Satz 1 EGBGB sei es auch unschädlich, dass der Kaufvertrag mit dem "Rat der Stadt" W. geschlossen worden sei. Schließlich bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung in § 121 Abs.2 SachenRBerG. Die Kläger hätten jedoch nicht nachgewiesen, dass sie die Wohnung am 18. Oktober 1989 aufgrund eines wirksamen Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages genutzt hätten. Für den Anspruch aus § 121 Abs.2 SachenRBerG habe ein wirksamer Mietvertrag und eine entsprechende Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR vorliegen müssen; dies ergebe sich aus der gebotenen engen Auslegung der Regelung in § 121 Abs.2 SachenRBerG. Dieser Nachweis sei für keinen der beiden Kläger erbracht worden. Er ergebe sich weder aus der Hausbucheintragung noch aus den Meldebescheinigungen noch aus den vorgelegten Schriftstücken und letztlich auch nicht aufgrund der Beweisaufnahme; die Aussagen der vernommenen Zeugen seien nicht überzeugend bzw. unergiebig geblieben.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Sie machen geltend, durch die Zeugenaussagen und die vorgelegten Schriftstücke (Indizien) sei hinreichender Nachweis für einen wirksamen Mietvertrag und eine entsprechende Wohnraumzuweisung erbracht worden. Die Beklagten dürften sich insoweit auch nicht mit schlichtem Bestreiten begnügen, da sie im Besitz der vollständigen Verwaltungsakten der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) seien und sich hierin unter anderem auch der Mietvertrag und die Wohnraumzuweisungen befänden. Im Übrigen bedürfe es einer Wohnraumzuweisung nicht, um die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 121 Abs.2 SachenRBerG zu erfüllen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass zu Gunsten der Kläger an dem Grundstück in ... W., Flur ..., Flurstück 63 (610 m²), eingetragen im Grundbuch von W. Blatt ..., Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf Ankauf, wahlweise auf Bewilligung eines Erbbaurechts, bestehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und bestreiten, dass ihnen die vollständigen Verwaltungsakten der KWV einschließlich Mietvertrag und Wohnraumzuweisungen übergeben worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat über die Behauptung der Kläger, sie hätten die Wohnung am 18. Oktober 1989 aufgrund eines Mietvertrages und entsprechender Wohnraumzuweisung genutzt, Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E. D. und D. K.. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 26. Juni 2008 und die Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Kläger ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 511 Abs.1 und Abs.2 Nr.1, §§ 517, 519, 520 ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache selbst Erfolg. Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

a) Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen keine Bedenken (§ 108 Abs.1 SachenRBerG). Die Angabe "610 m²" im Klageantrag dient der Individualisierung und Beschreibung des betroffenen Wohngrundstücks und enthält keine - unzulässige (s. BGH VIZ 2001, S.503, 505; VIZ 2001, S.505, 506; OLG Jena, VIZ 2003, S.247, 249 m.w.Nw.) - Festlegung der dem Ankaufs- bzw. Erbbaurecht unterliegenden Grundstücksgröße.

b) Die Klage ist auch begründet.

Den Klägern steht an dem streitigen Grundstück ein Anspruch aus § 121 Abs.2 SachenRBerG zu.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und von den Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht angegriffen wird, bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 121 Abs.2 SachenRBerG keine durchgreifenden Bedenken (s. BVerfG VIZ 2001, S.482, 483; VIZ 2001, S.483 ff.; BGH VIZ 1999, S.418, 420 f. = ZfIR 1999, S.438, 441 f.; VIZ 1999, S.605, 606; OLG Jena, VIZ 2003, S.247, 248 f.; Eickmann/Wittmer, Sa-chenrechtsbereinigung, 2007, § 121 SachenRBerG Rdn.95 ff., 105 ff.; Czub, in: Czub/ Schmidt-Räntsch/Frenz, Kommentar zum SachenRBerG, § 121 Rdn.46 ff., 46g).

Erforderlich für diesen Anspruch ist, dass die Kläger am 18. Oktober 1989 aufgrund eines bis dahin abgeschlossenen Miet-, Pacht- oder Nutzungsvertrages ein Eigenheim genutzt haben, bis zum 14. Juni 1990 einen wirksamen beurkundeten Kaufvertrag über dieses Eigenheim mit einer staatlichen Stelle der DDR geschlossen haben und das Eigenheim am 1. Oktober 1994 zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Das auf dem streitigen Grundstück errichtete Wohngebäude ist als Zweifamilienhaus ein Eigenheim im Sinne von § 121 Abs.2, § 5 Abs.2 Satz 1 SachenRBerG (vgl. dazu etwa Eickmann/Rothe, aaO., § 5 SachenRBerG Rdn.67; Eickmann/Wittmer, aaO., § 121 SachenRBerG Rdn.63). Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt (und wird von den Beklagten nicht angegriffen), dass das Wohnhaus nur über zwei Wohnungen verfügt, da sich im ausgebauten Dachgeschoss keine weitere (dritte) Wohnung befindet, sondern nur zwei Zimmer ohne Bad, WC und Küche. Anerkanntermaßen betrifft § 121 Abs.2 SachenRBerG nicht lediglich den Ankauf des Wohngebäudes, sondern auch den Ankauf des Eigenheimgrundstücks (s. BGH VIZ 1999, S.605; VIZ 2002, S.49, 50 = ZOV 2001, S.396, 397; OLG Jena, VIZ 2003, S.247, 248). § 121 Abs.2 SachenRBerG findet schließlich auch dann Anwendung, wenn der Käufer/Anspruchsteller nur eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus vertraglich als "Eigenheim" genutzt hat und die weitere Wohnung von anderen Personen genutzt worden ist (s. BGH VIZ 2002, S.583 = ZfIR 2002, S.641 f.; VIZ 2004, S.81, 82; Senat, NJ 2004, S.469, 470; Eickmann/Wittmer, aaO., § 121 SachenRBerG Rdn.62a f.; Czub, aaO., § 121 Rdn.108a; Toussaint, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, 2007, § 121 SachenRBerG Rdn.34).

Dass der Kaufvertrag vom 31. Mai 1990 durch den Rat der Stadt W. abgeschlossen worden ist, ist im Hinblick auf Art. 231 § 8 Abs.2 Satz 1 EGBGB unschädlich (s. etwa auch BGHZ Bd.142, S.184, 187 = BGH VIZ 1999, S.418 f.).

Auch die Voraussetzung nach § 121 Abs.2 lit. a) SachenRBerG ist erfüllt. Hiernach ist der Abschluss eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages erforderlich. Die Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR vom 14. September 1967 (GBl. DDR II 1967, S.733) bzw. vom 16. Oktober 1985 (GBl. DDR I 1985, S.301) genügt dazu für sich allein genommen nicht; denn die Wohnraumzuweisung war gemäß §§ 99, 100 Abs.1 Satz 1 ZGB/DDR nur Voraussetzung für die Begründung eines Mietverhältnisses, das seinerseits erst durch Abschluss eines Mietvertrages zustande kam (s. BGH VIZ 2003, S.398; Senat, VIZ 2002, S.585, 586; Eickmann/Wittmer, aaO., § 121 SachenRBerG Rdn.62d; Czub, aaO., § 121 Rdn.108b; Toussaint, aaO., § 121 SachenRBerG Rdn.34; Schmidt-Räntsch, NJ 2005, S.49, 54; s. auch OG/DDR, NJ 1968, S.315, 316; Mühlmann, in: Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 1, 1981, S.278). Der Mietvertrag konnte indes auch durch konkludentes Handeln abgeschlossen werden (arg. e § 100 Abs.1 Satz 2 ZGB/DDR; s. dazu Senat, VIZ 2002, S.585, 586; Münch.Komm.-Wendtland, BGB, Bd.6, 4.Aufl.2004, § 121 SachenRBerG Rdn.11; OG/DDR, NJ 1968, S.315, 316; Mühlmann, aaO., S.280; Kommentar zum ZGB/DDR, 2.Aufl.1985, § 100 Anm. 1.1.). Ob es zur Erfüllung der Voraussetzung nach § 121 Abs.2 lit. a) SachenRBerG neben dem Mietvertragsschluss auch einer (vorherigen) Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungslenkungsverordnung der DDR bedarf, ist in der Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich - nicht entschieden worden. Nach dem Recht der DDR war ein Wohnungsmietvertrag nichtig, wenn keine ordnungsgemäße Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung vorlag (§ 68 Abs.1 Nr.1, § 99 Satz 1 ZGB/DDR, § 18 Abs.2 Satz 2 WohnraumlenkungsVO [1967] bzw. § 22 Abs.2 Satz 1 WohnraumlenkungsVO [1985]; s. etwa Kommentar zum ZGB/DDR, aaO., § 99 Anm.4.; Mühlmann, aaO., S.278). Unter Mitberücksichtigung dessen, dass § 121 Abs.2 SachenRBerG "die äußerste Flanke" des gesetzgeberischen Kompromisses zwischen den Interessen des Nutzers und des restituierten Eigentümers bzw. Restitutionsberechtigten darstellt und daher eher eng auszulegen ist (BGH VIZ 2003, S.398 f.; Eickmann/Wittmer, aaO., § 121 SachenRBerG Rdn.62d), spricht die vorbezeichnete Rechtslage in der DDR dafür, dass der Nutzung am 18. Oktober 1989 ein "wirksamer Mietvertrag" zugrunde gelegen haben muss, also sowohl der Abschluss eines Mietvertrages als auch eine ordnungsgemäße Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR erforderlich sind, um die Voraussetzungen nach § 121 Abs.2 lit. a) SachenRBerG zu erfüllen. Andererseits ist in § 121 Abs.2 lit. a) SachenRBerG - anders als in § 121 Abs.2 lit. b) SachenRBerG - nicht von einem "wirksamen" (Miet-) Vertrag die Rede (sondern nur von einem "abgeschlossenen" Vertrag), wird das Erfordernis einer (ordnungsgemäßen) Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverord-nung in § 121 Abs.2 SachenRBerG nicht erwähnt und genügt als vertragliche Grundlage der Eigenheimnutzung neben einem Miet- oder Pachtvertrag auch ein "sonstiger Nutzungsvertrag". Diese Frage bedarf im Streitfall jedoch keiner Entscheidung, da die Kläger ihre Behauptung, dass die gemeinsame Nutzung ihrer Wohnung am 18. Oktober 1989 auf der Grundlage eines bis dahin abgeschlossenen Mietvertrages und einer vorausgegangenen Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR erfolgt ist, zur Überzeugung des Senats bewiesen haben (§ 286 ZPO).

An die gegenteiligen Feststellungen (einschließlich der Beweiswürdigung) des Landgerichts ist der Senat nicht gebunden, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 529 Abs.1 Nr.1 ZPO). Konkreter Anhaltspunkt ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Zweifel an deren Richtigkeit können sich bereits aus einer abweichenden Wertung des Beweisergebnisses ergeben; das Berufungsgericht darf eine eigene Würdigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vornehmen und diese an die Stelle der erstinstanzlichen Würdigung setzen (s. BVerfG NJW 2003, S.2524; BGH NJW 2006, S.152, 153; BGHZ Bd.162, S.313, 315 ff., 317; Zöller/Heßler, ZPO, 27.Aufl.2009, § 529 Rdn.2, 7; Baumbach/Hartmann, ZPO, 65.Aufl.2007, § 529 Rdn.6 ff.).

Aus der Eintragung beider Kläger in das Hausbuch, den vorgelegten Meldebestätigungen, den Angaben zu den Wohnanschriften der Kläger im Kaufvertrag mit dem Rat der Stadt W. vom 31. Mai 1990, dem Schreiben der Wohnungsverwaltung (GWV) GmbH W. vom 11. Februar 2004 und dem Schreiben der Stadt W. vom 27. Dezember 2006 ergeben sich insgesamt bereits tragfähige Indizien für die Annahme, dass beide Kläger (am 18. Oktober 1989) "Mieter" der Wohnung waren, also mit beiden Klägern ein (gfs. konkludent geschlossener) Mietvertrag bestand, und zwar mit Wissen der staatlichen Organe. Letzteres deutet wiederum darauf hin, dass die für das Mietverhältnis erforderlichen Wohnraumzuweisungen nach der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR vorgelegen haben, denn sonst hätte der Rat der Stadt W. gegen die Wohnraumnutzung der Kläger einschreiten müssen. Wohnraum war in der DDR ein "knappes Gut" und wurde streng reglementiert; eine Wohnraumnutzung ohne Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung war rechtswidrig und wurde dementsprechend sanktioniert und unterbunden (s. §§ 23, 24 Abs.1 lit. a) WohnraumlenkungsVO [1967] bzw. § 22 Abs.1 Satz 1, §§ 30 ff., 34 Abs.1 lit. a) WohnraumlenkungsVO [1985]). Allein schon der - belegte - Umstand, dass beide Kläger vom Rat der Stadt W. als "rechtmäßige Mieter" angesehen wurden, spricht für das Vorliegen entsprechender Wohnraumzuweisungen nach der Wohnraumlenkungsverordnung. Diese Indizien werden durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen E. D. und D. K. in ihrer Vernehmung vor dem Senat erhärtet und bestätigt: Der Zeuge D., damals Hauptbuchhalter und später Amtsleiter der KWV, hat ausgesagt, dass allgemein keine Wohnraumnutzung ohne Mietvertrag und Wohnraumzuweisung der Stadt gestattet worden sei. Das Wohngrundstück sei ihm wegen Schwierigkeiten mit einem anderen dort wohnenden Mieter und aus Brandschutzbegehungen bekannt gewesen, und auch an die Kläger könne er sich erinnern, unter anderem auch wegen des (stadtbekannten) Suizids des Ehemannes der Klägerin zu 1), des Arztes Dr. R. Sch., im August 1988. In der Mietakte habe sich ein Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung mit den Eheleuten Sch. befunden. Der Kläger zu 2) habe im Frühjahr 1989 eine auf ihn ausgestellte Wohnraumzuweisung der Stadt W. und die Sterbeurkunde für den verstorbenen Ehemann der Klägerin zu 1) mitgebracht und darum gebeten, in den Mietvertrag mit aufgenommen zu werden. Hierauf habe er, der Zeuge D., die Nachtragung des Klägers zu 2) in den Mietvertrag der Klägerin zu 1) sowie die Austragung (Streichung) des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu 1) veranlasst. Dies habe durch eine Mitarbeiterin der Treuhandabteilung der KWV durchgeführt werden sollen, und er, der Zeuge D., gehe davon aus, dass dies auch so umgesetzt worden sei. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sei ferner davon auszugehen, dass die Mietzinszahlungen regelmäßig geleistet worden seien und auch für die Klägerin zu 1) eine Wohnraumzuweisung vorgelegen habe. Anderes wäre aufgefallen und nicht ohne Reaktion der KWV geblieben. Die Zeugin K., damals (seit 1988) Stadträtin für Wohnungspolitik der Stadt W., hat ausgesagt, dass der Kläger zu 2) sie 1989 wegen der Erteilung einer Wohnraumzuweisung aufgesucht habe und davon auszugehen sei, dass er diese auch erhalten habe. Denn der Bezug einer Wohnung ohne Wohnraumzuweisung sei in einer Kleinstadt wie W. praktisch unmöglich gewesen. Sie selbst habe in jener Zeit drei Räumungen von Wohnungen erlebt, deren Nutzer keine Wohnraumzuweisung gehabt hätten. Sie habe den Kläger zu 2) als Mieter betrachtet und sei sich "relativ sicher", ihm die begehrte Wohnraumzuweisung erteilt zu haben. An die Kläger könne sie sich wegen des damals erst kurz zurückliegendes Suizids des früheren Ehemannes der Klägerin zu 1) und der kurze Zeit später begründeten Lebensgemeinschaft der Kläger erinnern; beides sei damals "Stadtgespräch" gewesen. Auch falle der Kläger zu 2) durch seine Körpergröße auf. Diese Aussagen genügen in Zusammenschau mit den vorerwähnten weiteren Indizien nach Überzeugung des Senats für den Nachweis eines "wirksamen Mietvertrages" der Kläger zu 1) und 2) (§ 286 ZPO). Ohne "wirksamen Mietvertrag", insbesondere ohne Wohnraumzuweisung nach der Wohnraumlenkungsverordnung, wären der Rat der Stadt W. und die KWV gegen die Wohnraumnutzung der Kläger eingeschritten und hätte der Rat der Stadt W. nicht den Kaufvertrag vom 31. Mai 1990 mit beiden Klägern geschlossen. Eine Wohnraumnutzung aufgrund vorheriger Wohnraumzuweisung war der Regelfall, das Gegenteil eine - seltene - Ausnahme, die in der kleinen Stadt W. nicht verborgen geblieben und nicht hingenommen worden wäre. Für das Vorliegen dieser Ausnahme ist hier nichts ersichtlich, und für den Regelfall streiten die genannten Indizien sowie die Aussagen der Zeugen D. und K.. Die vom Landgericht beschriebenen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen D. finden weder eine Stütze im Akteninhalt noch ergeben sich hierzu Anhaltspunkte aus der Vernehmung des Zeugen vor dem Senat. Dass sich der Zeuge D. an die Sache der Kläger erinnern konnte, erklärt sich aus den damaligen Problemen mit einem anderen Mieter des betroffenen Wohnhauses sowie aus dem Suizid des Ehemannes der Klägerin zu 1), des Arztes Dr. R. Sch., im August 1988 und der wenige Monate später begründeten Lebensgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) - Umstände, die in der kleinen Stadt W. bekannt und Gesprächsthema waren. Der Hinweis des Zeugen D. auf die "allgemein übliche Praxis" ist plausibel; ein Mietverhältnis ohne vorherige Wohnraumzuweisung gab es im Allgemeinen nicht, und das Ausbleiben von Mietzahlungen einer "situierten" Familie in der kleinen Stadt W. wäre aufgefallen, die pünktliche Mietzahlung hingegen nicht.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs.1 ZPO sowie auf § 708 Nr.10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof nach § 543 Abs.2 Satz 1 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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