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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: 5 U 97/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 436
BGB § 436 Abs. 1 n. F.
ZPO § 529 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 97/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 10.07.2008

Verkündet am 10.07.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth

auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. Juni 2007 - Az. 2 O 3/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 21. Dezember 2000 veräußerten die Beklagten, handelnd unter der Bezeichnung "Grundstücksgesellschaft P..., ...straße 154 - 161" den im Grundbuch von P... Blatt 6716 und 6717 eingetragenen Grundbesitz ...straße 154 - 161 an die Klägerin. Die Klägerin hat auf insgesamt vier Beitragsbescheide der Stadt P... vom 12. Februar 2004 an diese Straßenausbaubeträge von insgesamt 30.954,79 € gezahlt, von denen ihr 21.668,35 € von den Beklagten erstattet worden sind. Gegenstand der Klage ist der Restbetrag von noch 9.286,44 €, der nach Auffassung der Klägerin nach der Regelung in § 4 Abs. 6 des Kaufvertrages ebenfalls von den Verkäufern zu tragen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung des Zeugen S... die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, in der Fertigstellung des dritten Bauabschnittes könne keine Fertigstellung der Gesamtbaumaßnahme im Sinne der vertraglichen Regelung in § 4 des Kaufvertrages gesehen werden. Käme es nur darauf an, dass vor den veräußerten Grundstücken die Baumaßnahmen bereits abgeschlossen seien, so wäre die im Vertrag getroffene Unterscheidung zwischen abgeschlossenen und nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen überflüssig gewesen. Es könne dahinstehen, ob es sich bei dem dritten Bauabschnitt um eine teilbeitragsfähige Maßnahme handele und die für diesen Abschnitt abzurechnenden Kosten mit den geltend gemachten identisch seien oder diese gar überstiegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei einer solchen separaten Abrechnung keine identischen Kosten, sondern deutlich niedrigere angefallen wären. Für den dritten Bauabschnitt wären danach nur rund 68 % der für die Gesamtbaumaßnahme berechneten Kosten angefallen. Da auch teilbeitragsfähige Maßnahmen zum Stichtag hätten fertig gestellt sein müssen, komme es auf die Möglichkeit, Vorausbescheide zu erlassen, nicht an.

Gegen das ihr am 2. Juli 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam hat die Klägerin mit am 9. Juli bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 2. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens machte die Klägerin geltend, das Landgericht habe den Begriff der "Maßnahme" in § 4 des Kaufvertrages fehlerhaft mit "Erschließungsmaßnahme" gleich gesetzt. Der Begriff der "Maßnahme" könne aber auch rein bautechnisch verstanden werden, zumal in § 4 des Kaufvertrages auf grundstücksbezogene Maßnahmen Bezug genommen werde. Diese grundstücksbezogenen Baumaßnahmen seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem dritten Bauabschnitt bereits abgeschlossen gewesen. Es sei gerade richtig, das § 4 zu einer Haftung der Verkäufer für noch nicht begonnene Baumaßnahmen habe führen sollen. Die Begriffe "Erschließungsmaßnahme" oder "Gesamtbaumaßnahme" fänden sich in der maßgeblichen vertraglichen Regelung nicht. Die Auslegung des Landgerichts entspreche auch nicht dem Leitbild des § 436 Abs. 1 BGB, wonach der Verkäufer für Erschließungsmaßnahmen, die bis zum Tag des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen seien, die Abgabenlast zu tragen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 28. Juni 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 2 O 3/07, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 9.286,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2004 zu zahlen.

Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1. und 2. verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg, die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 6 des Kaufvertrages vom 21. Dezember 2000 keinen Anspruch auf Zahlung restlicher 9.286,44 €.

1.

Auch wenn der Klägerin darin zuzustimmen ist, dass der Senat an die Auslegung des Landgerichts, dass unter "Maßnahme" die gesamte Baumaßnahmen bzw. die Erschließungsmaßnahme zu verstehen sei, nicht gebunden ist, sondern eine eigene Auslegung vornehmen kann, so führt dies im vorliegenden Fall zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, da auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die fragliche vertragliche Regelung in § 4 des Kaufvertrages auf grundstücksbezogene Maßnahmen, die insoweit abgeschlossen seien, bezogen wäre, der geltend gemachte Anspruch nicht bestünde.

a) Nach § 4 des notariellen Kaufvertrages sollten die Beklagten die Abgaben für grundstücksbezogene Maßnahmen, die am Tag der Übergabe (31. Dezember 2000) ganz oder teilbeitragsfähig abgeschlossen waren, tragen.

Den Begriff der grundstücksbezogenen Maßnahmen kann man entgegen der Auffassung der Klägerin nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung nicht so eng verstehen, dass davon allein solche Maßnahmen umfasst sein sollen, die sich im unmittelbaren Bereich der veräußerten Grundstücke abspielten. Betrachtet man die Maßnahmen, die - teilweise - in den Beitragsbescheiden auf die Anlieger der ...straße umgelegt wurden, so handelt es sich um die Herstellung von Rad- und Fußwegen sowie Herstellung der Fahrbahn und Neuherstellung der Straßenbeleuchtung im Bereich der ...straße in P... von der F...straße bis zum L...platz, wobei bei der Erstellung der Beitragsbescheide berücksichtigt wurde, dass es sich insoweit um eine Bundesstraße handelt. Legt man den Ansatz der Klägerin zu Grunde, es müsse sich um grundstücksbezogene Maßnahmen handeln, die deren Wert erhöhten, so kann es sich bei grundstücksbezogenen Maßnahmen dieser Art nicht um solche handeln, die sich auf Maßnahmen unmittelbar vor den jeweiligen Grundstücken beziehen. Es nützt naturgemäß dem Anlieger wenig und erhöht auch den Wert seines Grundstückes nicht, wenn etwa ein Rad- oder Fußweg nur im Bereich seines Grundstückes angelegt wird, denn eine Erschließungsfunktion kann ein solcher Weg naturgemäß nur dann erfüllen, wenn er etwa im Bereich eines ganzen Straßenzuges angelegt wird. Entsprechendes gilt auch für die Straßenbeleuchtung. Solche isolierten Baumaßnahmen vor einzelnen Grundstücken, wie sie die Klägerin der vertraglichen Regelung zugrunde legen will, wären auch nicht umlagefähig.

Damit ist aber die gesamte, mit den Bescheiden abgerechnete Baumaßnahme in diesem Sinne noch als grundstücksbezogen anzusehen.

Diese Baumaßnahme war aber unstreitig zum Zeitpunkt der Übergabe der Grundstücke noch nicht abgeschlossen, so dass sich jedenfalls ein Anspruch, der über die Erstattung der zu diesem Zeitpunkt beendeten Baumaßnahmen hinausgeht, aus dieser vertraglichen Regelung nicht ergibt. Insbesondere bietet diese Regelung keinen Ansatzpunkt dafür, dass die Beklagten zu 1 und 2 auch für solche Baumaßnahmen aufzukommen hätten, die zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache noch nicht einmal begonnen worden waren.

b) Selbst wenn man aber der Auslegung der Klägerin folgt und davon ausgeht, nur die Maßnahmen im unmittelbaren Bereich der Grundstücke seien von dieser Regelung betroffen, es komme also auf die Realisierung des dritten Bauabschnitts an, ergäbe sich kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis.

Nach der Aussage des Zeugen S..., die von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird und an die der Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO gebunden ist, war es so, dass bei Abrechnung der Gesamtbaumaßnahme, pro Einheit (qm) ein Betrag von 3,39 € in Ansatz gebracht wurde, während bei einer isolierten Abrechnung des dritten Bauabschnittes lediglich ein Betrag von 2,31 €/m² in Ansatz zu bringen gewesen wäre. Damit wäre aber die Baumaßnahme, die sich isoliert auf den dritten Bauabschnitt bezieht, mit dem von den Beklagten zu 1 und 2 an die Klägerin bereits gezahlten Betrag jedenfalls abgegolten. Für den Differenzbetrag, der nach Auffassung der Klägerin nicht auf grundstücksbezogene Maßnahmen entfällt, enthält die Regelung in § 4 des notariellen Vertrages keine Erstattungspflicht, insbesondere lässt sich - wie bereits ausgeführt - der vertraglichen Regelung nicht entnehmen, die Beklagten hätten als Verkäufer sogar für nicht einmal begonnene Baumaßnahmen im Rahmen einer Gesamtbaumaßnahme einzustehen.

Der Einwand der Klägerin, den Beklagten sei, anders als ihr, der Umfang der Gesamtbaumaßnahme bekannt gewesen, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, denn es wäre auch für die Klägerin unschwer möglich gewesen, sich über Art und Umfang dieser öffentlichen Baumaßnahme, die erkennbar bei Vertragsabschluss begonnen war, zu informieren.

c) Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus der gesetzlichen Regelung herleiten.

Zwar regelt § 436 Abs. 1 BGB n. F., dass der Verkäufer eines Grundstücks verpflichtet ist, Erschließungsbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen waren. Die Parteien haben aber gerade eine davon abweichende Regelung in dem Vertrag getroffen, eine Möglichkeit die § 436 Abs. 1 BGB n. F. ("soweit nichts anderes vereinbart ...") ausdrücklich vorsieht.

Im Übrigen gilt diese Fassung des § 436 BGB erst seit dem 1. Januar 2002 (Art. 229 § 5 EGBGB). Die alte Regelung des § 436 BGB, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt, sah eine solche Kostentragungspflicht des Verkäufers gerade nicht vor. Damit kann die Klägerin aber aus der gesetzlichen Regelung, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt, keine für sie günstigere Regelung herleiten.

d) Das Landgericht ist, da es auf die Kosten der konkreten Baumaßnahmen ankommt, zutreffend davon ausgegangen, dass es auf die Möglichkeit des Erlasses von Vorauszahlungsbescheiden, einer Möglichkeit, von der kein Gebrauch gemacht worden ist, nicht ankommen kann.

Die Berufung war danach insgesamt zurückzuweisen.

2.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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