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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 5 W 57/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 256 Abs. 1 | |
ZPO § 568 S. 1 | |
ZPO § 569 Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
5 W 57/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth als Einzelrichter
am 9. November 2006
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 3. Juli 2006 - Az. 12 O 450/05 - teilweise dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis 13.000,00 €
Gründe:
I.
Die Parteien stritten in dem Verfahren 12 O 300/04 LG Potsdam über die Wirksamkeit des am 20. November 2003 beurkundeten Grundstückskaufvertrages. In der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2004 beendeten die Parteien diesen Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleiches.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2005 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die Anfechtung dieses Vergleiches mit der Begründung, von den Klägern sei ohne ihr Wissen vor Abschluss des Vergleiches die Hecke verlängert und versetzt worden. Wäre ihr vor Abschluss des Vergleiches der Verlauf der Hecke und deren Größe bekannt gewesen, so hätte sie dem Vergleich nicht zugestimmt, weil der jetzige Verlauf der Hecke zu einer erheblichen Wertminderung ihres Grundstückes führe.
Daraufhin erhoben die Kläger im vorliegenden Verfahren Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass der gerichtliche Vergleich durch die Anfechtungserklärung der Beklagten nicht nichtig geworden sei. Nachdem die Parteien den Grundstückskaufvertrag zwischenzeitlich vollzogen haben, haben sie den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt und zur Begründung ausgeführt, die Feststellungsklage sei unzulässig gewesen. Der Streit, ob ein Prozessvergleich wirksam sei, müsse grundsätzlich in Fortführung des Ursprungsverfahrens ausgetragen werden. Dies gelte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch dann, wenn es - wie hier - um die Frage gehe, ob die von einer Vergleichspartei erklärte Anfechtung rückwirkend zur Unwirksamkeit des Vergleiches geführt habe. Danach habe für die von den Klägern erhobene Feststellungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestanden.
Gegen den ihnen am 7. Juli 2006 zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die Kläger mit am 20. Juli 2006 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, für sie habe nur die Möglichkeit bestanden, nach den allgemeinen Regeln eine Feststellungsklage zu erheben; die Fortführung des ursprünglichen Rechtsstreits sei nur mit der Behauptung möglich, der zur Beilegung des Rechtsstreits geschlossene Vergleich sei unwirksam. Das Landgericht habe auch seine Hinweispflichten verletzt, denn noch in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2005 habe es seine Rechtsauffassung dahingehend geäußert, dass es die erhobene Feststellungsklage für zulässig erachte. Die Kosten des Rechtstreits seien insgesamt der Beklagten aufzuerlegen, denn noch vor Abschluss des Vergleiches sei in der mündlichen Verhandlung über die Versetzung der Hecke gesprochen worden.
Das Landgericht hat durch weiteren Beschluss vom 27. Juli 2006 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ergänzend ausgeführt, es habe seine ursprünglich vertretene Rechtsauffassung hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage geändert; ein Hinwies hierauf habe an der zu treffenden Kostenentscheidung nichts mehr ändern können.
II.
Die sofortige Beschwerde der Kläger, über die nach § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, ist zulässig; sie wurde insbesondere rechtzeitig innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt.
In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, die Kosten des Rechtsstreits sind insgesamt gegeneinander aufzuheben.
1.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass, nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, über dessen Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist und es grundsätzlich billigem Ermessen entspricht, derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen, die voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.
2.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die von den Klägern erhobene Klage nicht bereits unzulässig, weil es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hätte.
a) Nach der auch vom Landgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung kann durch Fortführung des bisherigen Rechtsstreits lediglich geklärt werden, ob ein Prozessvergleich aus sachlich-rechtlichen Gründen nichtig oder anfechtbar ist, sofern durch die Geltendmachung der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich in Frage gestellt wird (BGHZ 28, 171, 173; BGH NJW 1977, 583; BGH NJW 1999, 2903). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass ein nichtiger Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hat und daher einer neuen Klage, jedenfalls soweit mit ihr das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegenstehen würde (BGH NJW 1999, a. a. O.). Dagegen ist eine neue Klage nicht schon aus diesem Grund unzulässig, wenn mit ihr die Beendigung des Ursprungsrechtsstreits gerade nicht in Frage gestellt wird (BGH NJW 1999, a. a. O.).
b) Die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich vom 5. November 2004 in dem Verfahren 12 O 300/04 Landgericht Potsdam wird von den Klägern nicht geltend gemacht; sie begehren vielmehr die Feststellung der Wirksamkeit und damit der prozessbeendenden Wirkung dieses Vergleiches. Für eine Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits ist mit einem solchen Klagebegehren, das mit dem Streitgegenstand des Vorprozesses nicht identisch ist, kein Raum, der Rechtsstreit soll in der Sache gerade nicht fortgesetzt werden.
In einem solchen Fall kommt grundsätzlich die Erhebung einer Feststellungsklage in Betracht (Münchener Kommentar/Wolfsteiner, § 794 ZPO Rdnr. 105 m. w. Nachw. i. V. m. Münchener Kommentar/Lüke, § 256 ZPO Rdnr. 17; Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rdnr. 15a).
c) Für die von den Klägern erhobene Feststellungsklage besteht im Ergebnis auch das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ein solches Feststellungsinteresse besteht dann, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte ein Recht des Klägers ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (m. w. Nachw. Zöller/Greger, § 256 ZPO Rdnr. 7).
Diese Voraussetzungen sind dadurch, dass die Beklagte mit der erklärten Anfechtung die Wirksamkeit des geschlossenen Vergleichs ernstlich bestritten hat, gegeben. Das Feststellungsinteresse entfällt nicht ausnahmsweise deswegen, weil den Klägern eine einfachere und bessere Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung gestanden hätte.
Zwar hätten die Kläger aus dem gerichtlich geschlossenen Vergleich jedenfalls hinsichtlich des vollstreckbaren Teils ohne weiteres die Zwangsvollstreckung betreiben können, auf Grund der von der Beklagten nachdrücklich erklärten Anfechtung wäre dann aber im Vollstreckungsverfahren - wie auch der Verlauf des vorliegenden Verfahrens gezeigt hat - ohne weiteres mit Einwendungen der Beklagten zu rechnen gewesen. Die Möglichkeit der - teilweisen Vollstreckung schließt damit das Feststellungsinteresse im vorliegenden Fall nicht aus (vgl. BGH JZ 1966, 575; RGZ 100, 123, 126), zumal hinsichtlich des nicht vollstreckbaren Teils des Vergleiches (etwa Ziffer 3 es Vergleiches vom 5. November 2004, der eine Vereinbarung über den Bestand der Hecke enthält), die Möglichkeit einer Vollstreckung ohnehin nicht bestand.
Für die von den Klägern erhobene Feststellungsklage bestand das erforderliche Feststellungsinteresse; die Klage war nicht schon wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
3.
Damit kommt es für die Frage, wie nach der übereinstimmenden Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits dessen Kosten zu verteilen sind, auf die Begründetheit der erhobenen Feststellungsklage an.
Dies führt dazu, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben waren, weil der Ausgang des Rechtsstreits offen war.
Die Beklagte hatte für ihren Vortrag, die Kläger hätten die Hecke versetzt und verlängert und dies sei ihr vor Abschluss des Vergleiches nicht bekannt gewesen, Zeugenbeweis angetreten.
Demgegenüber hatten die Kläger ihren Vortrag, die Beklagte habe bei Besuchen im Juli und August 2004 den neuen Standort der Hecke, die im Juni 2004 umgepflanzt worden sein soll, gesehen, ebenso unter Beweis gestellt, wie ihren weiteren Vortrag, im Rahmen der Vergleichsverhandlungen vom 5. November 2004 sei der Umstand, dass die Hecke mittlerweile versetzt worden sei, angesprochen worden.
Der Ausgang des Rechtsstreits war danach offen und hing von dem Ergebnis einer noch durchzuführenden Beweisaufnahme ab, so dass es insgesamt billigem Ermessen entspricht, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Die sofortige Beschwerde hat danach insoweit keinen Erfolg, als die Kläger begehren, der Beklagten darüber hinaus insgesamt die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war auf die Höhe der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits, um deren Verteilung die Parteien streiten, festzusetzen.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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