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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: 5 W 61/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 485 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 485 Abs. 2 | |
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 575 Abs. 3 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
5 W 61/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem selbständigen Beweisverfahren
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Tombrink als Einzelrichter (§ 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO) am 08. Januar 2008
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 05. November 2007 (2 OH 12/07) aufgehoben.
Das Landgericht wird angewiesen, unter Beachtung der Rechtsaufassung des Senats erneut über den Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden.
Gründe:
I.
Mit Schriftsatz vom 09. August 2007 hat die Antragstellerin bei dem Landgericht Neuruppin die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegenstand des Antrags sind mutmaßliche Schäden in dem von der Antragstellerin bewohnten Gebäude auf dem Grundstück ... Damm 6 in L..., das die Antragstellerin aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 10. Mai 2006 zur UR-Nr. F 059/2006 des Notars F... in B... von dem Antragsgegner erworben hat. Die Antragstellerin ist seit dem 11. Mai 2007 eingetragene Eigentümerin des Hausgrundstücks. Der Antragsgegner (Veräußerer) hatte das Grundstück im Jahre 1992 erworben und war am 21. September 1994 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. In § 4 Absatz 1 des Kaufvertrages vom 10. Mai 2006 vereinbarten die Parteien, dass Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen eines Sachmangels des Kaufgegenstandes ausgeschlossen sind und der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Sachmängel nicht bekannt sind. Gegenstand des Antrags der Antragstellerin auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist die Frage nach dem Vorhandensein und dem Umfang von Schwamm, Trockenfäule oder Hausbock und die Klärung der Ursachen derartiger Schäden, der hieraus erwachsenen Folgen, der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Maßnahmen und der hiermit verbundenen Kosten und weiterhin die Frage möglicher Rückschlüsse auf eine Kenntnis des Antragsgegners vom Vorhandensein dieser Schäden angesichts der von ihm vorgenommen Arbeiten am Gebäude, insbesondere an der Holzverkleidung an den Innen- und Außenwänden des Hauses.
Der Antragsgegner ist dem Antrag der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19. September 2007 entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, der Antrag der Antragstellerin sei unzulässig, da er auf einen bloßen Ausforschungsbeweis hinauslaufe. Hierauf hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2007 entgegnet und ergänzend vorgetragen.
Durch Beschluss vom 05. November 2007 hat das Landgericht Neuruppin den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Antrag in der vorliegenden Fassung unzulässig sei; die antragsgegenständlichen Fragen gingen auf bloße Spekulationen der Antragstellerin zurück und zielten auf eine Ausforschung des Sachverhalts. Zudem bestünden Zweifel an der Möglichkeit, den behaupteten Zustand durch einen Sachverständigen feststellen zu können, nachdem die Antragstellerin Teile der Innen- und Außenverkleidung entfernt habe.
Gegen diesen ihr am 07. November 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Eingang vom 19. November 2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2007 hat das Landgericht Neuruppin der sofortigen Beschwerde die Abhilfe versagt und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Einer gesonderten Begründung der sofortigen Beschwerde bedarf es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht (§ 571 ZPO).
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache selbst Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zu Unrecht zurückgewiesen.
Im Hinblick auf den zugrunde liegenden Schlichtungszweck ist der Begriff des rechtlichen Interesses im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO weit auszulegen. Das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO ist nur und erst dann zu verneinen, wenn kein Rechtsverhältnis, kein möglicher Prozessgegner oder kein Anspruch ersichtlich ist; nur in eindeutigen und evidenten Fällen, also dann, wenn ein Anspruch keinesfalls bestehen kann und das Rechtsschutzbegehren offensichtlich aussichtslos ist, fehlt es am erforderlichen rechtlichen Interesse für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (s. BGH NJW 2004, S. 3488 m.w.N.; OLG Zweibrücken, OLGR 2006, S. 174, 175; OLG Stuttgart, MDR 2005, S. 347, 348; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 485 Rn. 7 a m.w.N.; Baubach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 485 Rn. 8). Eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung in Bezug auf den Hauptanspruch findet im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich nicht statt; diese Prüfung bleibt dem nachfolgenden Hauptsacheprozess vorbehalten (s. BGH MDR 2000, S. 224 f.; NJW 2004, S. 3488; OLG Stuttgart, MDR 2005, S. 347, 348; Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 485 Rn. 4 und 8 m.w.N.; Zöller/Herget, a.a.O., § 490 Rn. 3 und § 485 Rn. 4). Dem entsprechend steht das Bestreiten des Anspruchs des Antragstellers durch den Antragsgegner oder die Ablehnung einer gütlichen Einigung durch den Antragsgegner der Annahme des rechtlichen Interesses im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (s. nur Zöller/Herget, a.a.O., § 485 Rn. 7 a m.w.N.; Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 485 Rn. 8 m.w.N.). Gemäß § 485 Abs. 1 Satz 2 genügt die bloße Möglichkeit eines Hauptsacheprozesses und die nicht völlig fern liegende Relevanz des selbständigen Beweisverfahrens für einen solchen möglichen Hauptsacheprozess für die Bejahung des erforderlichen rechtlichen Interesses im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Zweibrücken, OLGR 2006, S. 174; Zöller/Herget, a.a.O., § 485 Rn. 6; Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 485 Rn. 8 m.w.N.).
Diese rechtlichen Maßstäbe hat die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht hinreichend beachtet.
Aus dem - für die Beurteilung maßgeblichen - Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass ihr ein Mängelgewährleistungsanspruch gegen den Antragsgegner keinesfalls zustehen kann und die von ihr begehrte Beweiserhebung offensichtlich und eindeutig nutzlos ist. Im Hinblick auf den in § 4 Absatz 1 des Kaufvertrages vom 10. Mai 2006 vereinbarten Mängelgewährleistungsausschluss hat die Antragstellerin für die Geltendmachung von Sachmängelgewährleistungsansprüchen gegen den Antragsgegner ein arglistiges Verschweigen des Antragsgegners darzulegen und nachzuweisen (§ 444 BGB). Ein arglistiges Verschweigen des Verkäufers kann der Käufer oftmals nur durch Indizien belegen. Solche Indizien (Beweisanzeichen) können sich daraus ergeben, dass der Verkäufer an dem von ihn veräußerten Gebäude Arbeiten vorgenommen hat oder hat vornehmen lassen, die geeignet gewesen sind, die Aufdeckung erheblicher Substanzschäden zu verhindern oder zumindest zu erschweren, wie etwa dann, wenn durch Schwamm und Holzschädlinge befallendes Gebälk mit Holzlatten oder -wänden verkleidet wird. Dass die hierzu beantragte Beweiserhebung von vornherein nutzlos wäre, ist nicht ersichtlich.
Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens dient nicht der rechtsverbindlichen Klärung der Frage, ob dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein zivilrechtlicher Anspruch zusteht. Vielmehr ist es Aufgabe des selbständigen Beweisverfahrens, durch ein im Hauptsacheprozess uneingeschränkt verwertbares gerichtliches Sachverständigengutachten Fragen zu klären, die für ein späteres Hauptsacheverfahren bedeutsam sind oder zumindest sein können und von deren Beantwortung es abhängt, ob der Antragsteller überhaupt ein Hauptsacheverfahren einleiten wird. Dies dient der Entlastung des streitigen Zivilprozesses (Hauptsacheverfahren) und der Prozessökonomie. Eine Prüfung der Schlüssigkeit des Vorbringens des Antragstellers und der Erheblichkeit der antragsgegenständlichen Beweisfragen hat im selbständigen Beweisverfahren daher grundsätzlich keinen Raum.
Mithin ist die angefochtene Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und hat das Landgericht, dem gemäß § 575 Abs. 3 ZPO die erforderliche Anordnung übertragen wird, unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über den Antrag der Antragstellerin zu entscheiden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (arg. e §§ 97, 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1812 KV-GKG; s. dazu etwa Zöller/Herget, a.a.O., § 490 Rn. 5 m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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