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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 6 U 144/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1004 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
6 U 144/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 22.01.2008
Verkündet am 22.01.2008
In dem Verfügungsverfahren
hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes auf die mündliche Verhandlung vom 22.1.2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 24.9.2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 4 O 192/07 - abgeändert. Im Wege einstweiliger Verfügung wird angeordnet:
1. Dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, bis zur endgültigen Klärung der Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Abberufung als Vorstandsmitglied Maßnahmen der Vorstandstätigkeit und der Vertretung der Verfügungsklägerin zu tätigen.
2. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung dieses Verbots Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens hat der Verfügungsbeklagte zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da gegen das Urteil ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben ist (§§ 542 Abs. 2 Satz 1, 313 a Abs. 1 ZPO).
II.
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Verfügungsklägerin hat für die begehrte Unterlassungsverfügung einen Verfügungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 935, 936, 940, 920).
Ihr steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Die (partielle) Vorwegnahme der Hauptsache steht nicht entgegen.
1.
Die Verfügungsklägerin ist im vorliegenden Verfügungsverfahren nicht als in Liquidation begriffen anzusehen; sie wird auch nicht durch den Verfügungsbeklagten als Liquidator vertreten, sondern durch die Vorstandsmitglieder O..., B... und H....
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Liquidation der Verfügungsklägerin ordnungsgemäß beschlossen worden.
Es fehlt bereits an wirksamen Einladungen zu den entsprechenden Sitzungen. Nach § 8 Ziffer 6 der Satzung soll die Ladungsfrist zu Vorstandssitzungen sieben Tage betragen. Nachdem die Vorstandsmitglieder B... und O... geltend gemacht haben unter Benennung des Datums des Zuganges, die Einladungen seien ihnen nicht Frist wahrend zugegangen, hat der Verfügungsbeklagte das Datum der Absendung weder substantiiert dargetan noch glaubhaft gemacht.
Tragende Gründe, die für eine kürzer zu bemessende Ladungsfrist sprechen könnten, sind seitens des Verfügungsbeklagten nicht dargetan.
Die Verfügungsklägerin ist im Rechtsstreit auch noch ordnungsgemäß anwaltlich vertreten ( § 78 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Zu einem Widerrufung der Prozessvollmacht der Verfügungsklägerin war der Verfügungsbeklagte "als Liquidator" aus den oben dargestellten Gründen nicht befugt.
2.
Der Verfügungklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu (§ 1004 BGB entspr.).
Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass wegen Vorliegen wichtiger Gründe eine rechtswirksame Abberufung des Verfügungsbeklagten als Vorstandsmitglied und Geschäftsführer erfolgt ist (§§ 8, 13 der Satzung).
Bis zur endgültigen Klärung der rechtswirksamen Abberufung hat der Verfügungsbeklagte sich daher sämtlicher Maßnahmen und Handlungen für die Verfügungsklägerin zu enthalten.
Für die Entscheidung ist rechtlich unerheblich, ob der Verfügungskläger (auch) Mitglied der Verfügungsklägerin mit den sog. S... Flächen geworden ist und deshalb entsprechende Stimmrechte am 13.12.2006 wirksam ausüben konnte.
a.
Es kann dahin stehen, ob die Abberufung bereits wirksam in der Mitgliedervollversammlung vom 13.12.2006 erfolgt ist.
Dafür sprechen allerdings gravierende Umstände. Die Einladung zu dieser Vollversammlung erfolgte ordnungsgemäß durch die Vorstandsmitglieder B... und O.... Da die Satzung der Verfügungsklägerin keine Regelungen zur Vertretung enthält, gilt das Mehrheitsprinzip (Palandt/ Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 26 Rn 6).
Die der Einladung beigefügte Tagesordnung (Anlage B 4, Bl. 84, 86 d.A.) kündigte als TOP die Abberufung des Verfügungsbeklagten als Vorstand und Geschäftsführer an (TOP 7), wobei in Zusammenschau mit den angekündigten TOP 3, 4 und 5 die zur Abstimmung angekündigte Abberufung nur als solche aus wichtigem Grunde verstanden werden kann.
Sodann ergibt sich aus dem Protokoll der Versammlung vom 13.12.2006, welches ordnungsgemäß von der Mehrheit der Vorstandsmitglieder unterzeichnet worden ist, die Abberufung des Verfügungsbeklagten aus wichtigem Grunde.
Zwar wird die Abberufungsentscheidung unter TOP 9 nicht ausdrücklich als solche aus wichtigem Grunde bezeichnet. Aus den Erörterungen der Mitgliederversammlung zu TOP 3, 4 und 5 ergibt sich jedoch hinreichend, dass die Abberufung aus außerordentlichem Grunde erfolgen solle.
Bei der Zählung der abgegebenen Stimmen war diejenige des Verfügungsbeklagten nicht zu berücksichtigen. Wird ein Organmitglied aus wichtigem Grunde abberufen, unterliegt das betroffene Organ einem Stimmverbot (§ 34 BGB entspr.iVm § 7 Ziff. 8 der Satzung; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechtes, 11. Aufl., S. 273; BGH, NJW 1983, 938).
Der Verfügungsbeklagte bestreitet allerdings das Vorliegen wichtiger Gründe am 13.12.2006. Letztlich wird darüber im Hauptsacheverfahren entschieden werden müssen.
b.
Jedenfalls ist die begehrte Unterlassungsverfügung auszusprechen, weil der Verfügungsbeklagte im Zusammenhang mit der Eröffnung eines auf die Verfügungklägerin lautenden Kontos bei dem Bankhaus Se... sich in einer untragbaren, den Interessen der Verfügungsklägerin zuwiderlaufenden Weise als deren Vorstandsmitglied geriert hat.
Unstreitig hat der Verfügungsbeklagte bei dem genannten Bankhaus ein Konto auf den Namen der Verfügungsklägerin eröffnet, für welches er allein zeichnungsberechtigt war. Auf dieses Konto sind der Verfügungsklägerin zustehende Fördermittel von ca. 84.000 € geflossen, wovon der Verfügungsbeklagte - unstreitig - den Betrag von 50.000 € auf sein Privatkonto umgeleitet hat.
Dieses bei objektiver Betrachtung an Untreue grenzende Verhalten des Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin zum Anlass genommen, in der Mitgliederversammlung vom 12.11.2007 den Verfügungsbeklagten aus wichtigem Grunde als Vorstandsmitglied und Geschäftsführer abzuberufen.
Zu dieser außerordentlichen Mitgliederversammlung hatten auch die unstreitig wirksam im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder B... und O... eingeladen, wobei, wie oben ausgeführt, eine Einladung durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder rechtswirksam ist. Der Verfügungsbeklagte zählte, sofern er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch Vorstandsmitglied gewesen ist, bei Ermittlung dieser Mehrheit nicht mit.
Da er bei der Abstimmung über seine Abberufung aus wichtigem Grunde nicht stimmberechtigt war, war eine Mitwirkung seinerseits an der Einladung entbehrlich.
In der Einladung war die Abberufung des Verfügungsbeklagten aus wichtigem Grunde als Tagesordnungspunkt 2 angekündigt worden.
Mit der erforderlichen Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen ist ausweislich des Protokolls der Verfügungsbeklagte dann in der Versammlung vom 23.11.2007 abberufen worden.
Soweit der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22.1.2008 geltend gemacht hat, weder im Protokoll der Versammlung vom 23.11.2007 noch in der entsprechenden Einladung zu dieser Sitzung gebe es eine Begründung hinsichtlich eines wichtigen Grundes zur Abberufung, ist dieser Vortrag rechtlich unerheblich.
Dem Protokoll und der Einladung kann bei Heranziehung des gesamten Wortlautes ohne weiteres entnommen werden, dass der wichtige Grund für die Abberufung die - unstreitig- durch den Verfügungsbeklagten vorgenommene Kontoeröffnung bei dem Bankhaus Se... sowie die dort vorgenommenen Kontobewegungen darstellen.
Der hierfür beweisbelastete Verfügungsbeklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass er zu dieser Vorgehensweise - sei es von Gesetzes wegen sei es durch Gestattung der Verfügungsklägerin - berechtigt gewesen ist.
c.
Von der nach § 1004 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr ist angesichts des Gesamtverhaltens des Verfügungsbeklagten ohne weiteres auszugehen.
3.
Wollte man es für die I. Instanz verneinen, liegt jedenfalls jetzt ein Verfügungsgrund vor ( §§ 935, 940 ZPO).
Die Verfügungsklägerin hat sogleich nach Bekanntwerden der Kontoeröffnung beim Bankhaus Se... das Verhalten des Verfügungsbeklagten zum Anlass genommen, die Untersagung der aus dem Tenor ersichtlichen Handlungen zu begehren.
Die partielle Vorwegnahme der Hauptsache steht dem Erlass der einstweiligen Verfügung nicht entgegen.
Eine solche ist dann zulässig, wenn die erforderliche Sicherungsmaßnahme zwangsläufig mit der (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache zusammenfällt.
Das ist hier der Fall.
Dem Sicherungsbedürfnis des Verfügungsklägers ist nur Genüge getan durch einstweilige Untersagung der Vertretungstätigkeit.
Die Ausführungen des Landgerichts, ein wirtschaftlicher Schaden sei nicht ersichtlich, die amtierenden Vorstandsmitglieder könnten den Verfügungsbeklagten beaufsichtigen, geht ins Leere, wie der Verfügungsbeklagte eindringlich vorgeführt hat.
III.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens waren dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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