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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.04.2006
Aktenzeichen: 6 U 24/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, GDO


Vorschriften:

BGB § 891
BGB § 892
BGB § 902 Abs. 1 S. 1
BGB § 920
BGB § 985
BGB § 986
BGB § 1004
EGBGB Art. 231 § 6
GDO § 10
GDO § 479 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 24/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.04.2006

Verkündet am 18.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Oktober 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 3 O 542/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Teilstückes des Flurstückes 773, Flur 1, eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814. Dieses Flurstück stellt die ... Straße in H... dar. Im Grundbuch ist als deren Eigentümerin die Beklagte eingetragen. Der Kläger nutzt dieses Teilstück sozusagen als Vorgarten im Zusammenhang mit seinem angrenzenden Hausgrundstück "... Straße 1",eingetragen im Grundbuch als Flurstück 775, Flur 1.

Auch weitere Anlieger der ... Straße, so Herr W... P... (Flurstück 774/1, Flur 1; 6 U 25/04 - Brandenburgisches Oberlandesgericht) und Frau R... F... (Flurstück 772, Flur 1; 6 U 26/04 - Brandenburgisches Oberlandesgericht) nutzen im Zusammenhang mit ihrem Hausgrundstück Teile des Flurstückes 773, Flur 1.

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 20.7.2000 (Bl. 6 d. A.) auf, seine Grundstücksbegrenzung zurückzusetzen bzw. zu entfernen, da Vermessungsarbeiten die Inbesitznahme von Straßenland seitens des Klägers ergeben habe. Die Umzäunung seines Grundstückes sei ca. 2,50 m auf Straßenland errichtet worden.

Dies habe eine auf Veranlassung der Beklagten im August 2000 vorgenommene Vermessung des Flurstückes 773 ergeben.

Die Vorgeschichte der Flurstücke ist folgende: Im Jahre 1919 wurde ein großes, der Landgesellschaft "E... S... mbH" gehörendes Gebiet zu Besiedlungszwecken zusammenliegend vermessen und parzelliert. Darunter befand sich aus das Flurstück 1377/109. Aus dem Flurstück 1377/109 entstanden die heute so bezeichneten Flurstücke 773 und 775.

Mit Vertrag vom 22.5.1919, geschlossen zwischen der Landgemeinde H... und der Landgesellschaft "E... S... mbH", wurde geregelt, dass die Landgemeinde beabsichtige, auf den Katasterzellen Gemarkung H..., Kartenblatt 1 Abschnitt 1377/109 etc. Kleinsiedlerstellen zu gründen. Mit der Durchführung des Besiedlungsverfahrens wurde die "E... S... mbH" in Vollmacht und auf Rechnung der Auftraggeberin beauftragt. (Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 156 d. A. Bezug genommen). Bei Parzellierung der oben genannten Flurstücke wurde aus dem Flurstück 1377/109 das Flurstück 773 für die ... Straße mit einer Breite von 15 m gebildet. Zugleich wurden die Flurstücke 772 (F...), 774 (P...) und 775 (L... - der Kläger) heraus vermessen.

Mit Vertrag vom 13.6.1919 (Bl. 153 ff. d. A.) wurde zwischen dem Bauunternehmer "Fa. L... N..." und ansiedlungswilligen Bürger geregelt, in welcher Weise die Gebäude zu errichten seien und dass die Kontrolle über die Bauausführung bei der Landgesellschaft "E... S..." oder bei dem Beauftragten der Gemeinde H... liegen solle. Mit Vertrag vom 8.8.1924 (Bl. 235 d. A.) veräußerte Herr P... Sch... an die Eheleute Hintersatz das Grundstück "... Straße 1 in H..." (Flurstück 775), wie es steht und liegt.

Nachfolgend wurden als Eigentümer des Flurstückes 775 Frau S... P..., die Eheleute E... sowie ab 1989 der Kläger ins Grundbuch eingetragen.

Der Kläger hat zunächst Klage auf Feststellung erhoben, wonach er zur Herausgabe und Beräumung des bezeichneten Teilstückes nicht verpflichtet sei.

Hilfsweise hat er geltend gemacht, gegenüber der Beklagten zur Herausgabe und Räumung des besagten Teilstückes nur Zug um Zug gegen Übernahme der Räumungskosten und Ersatz der bis zur Klageerhebung getätigten Investitionen auf der streitgegenständlichen Grundstücksfläche verpflichtet zu sein.

Nachdem die Beklagte im Wege der Widerklage die Räumung und Herausgabe eben jenes Teilstückes begehrt hatte, haben die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.12.2002 den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrages in Haupt- und Hilfsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat ihre Widerklage auch gegen die Ehefrau des Klägers, Frau E... L... (Drittwiderbeklagte) gerichtet. Die Drittwiderbeklagte ist neben dem Kläger als Eigentümerin des Grundstückes Flurstück 775, Flur 1 im Grundbuch von H... eingetragen.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, die von ihnen genutzte Teilfläche des Grundstückes Gemarkung H..., Flur 1, Flurstück 773, eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814, von 20 m Länge und einer Breite von 2,73 m bis 2,44 m, gelegen an der Grenze zum Grundstück Gemarkung H..., Flur 1, Flurstück 775, wie im Übersichtsplan des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs U... D... vom 12. Mai 2003 dargestellt ist, zu räumen und an die Beklagte herauszugeben, sowie

festzustellen, dass die Beklagte Eigentümerin des unter dem Klageantrag zu 1. beschriebenen und mit dem Klageantrag zu 2. zeichnerisch dargestellten Grundstücksteiles ist.

Die Beklagte hat behauptet, auf Grund der am 22. August 2000 durchgeführten Vermessung stehe fest, dass das Grundstück des Klägers und der Drittwiderbeklagten nach ihrer tatsächlichen Einfriedung etwa 2,50 m über die tatsächliche Grundstücksgrenze hinaus auf das Flurstück 773 reiche. Ihr, der Beklagten, stehe als der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin eben jenes Teilgrundstückes ein Herausgabeanspruch sowie ein Räumungsanspruch (§ 1004 BGB analog) zu. Ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers und der Drittwiderbeklagten stehe nicht entgegen, es sei allenfalls ein Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen gegeben. Hierzu fehle es an substantiiertem Vortrag. Nützliche Verwendungen seien auf dem Teilgrundstück nicht vorgenommen worden, wegen gewöhnlicher Erhaltungskosten bestehe ein Ersatzanspruch nicht. Eine Werterhöhung habe im Übrigen nicht stattgefunden.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben die Auffassung vertreten, sie hätten das Hausgrundstück in denjenigen Grenzen erworben, die heute in der Örtlichkeit sichtbar seien. Der gegenwärtige Grenzverlauf werde durch einen auf Höhe des Grundstücks Flur 1, Flurstück 744 vorgefundenen Grenzsteines bestätigt. Selbst wenn eine Feinvermessung den von der Beklagten behaupteten Grenzverlauf des Flurstückes 773 bzw. des Flurstückes 775 ergeben sollte, stünde dies ihrem Eigentumserwerb an dem streitgegenständlichen Teilgrundstück nicht entgegen. Maßgeblich sei allein, über welche Grundstücksflächen sich der vormalige Erwerber des Grundstücks mit dem Veräußerer geeinigt habe. Bei Fehlvorstellungen über die Lage bzw. die Umrisse des zu veräußernden Grundstücks sei im Zweifel nicht der grundbuchmäßige, sondern der tatsächliche Umfang des Grundstückes, wie in der Natur ersichtlich, der gewollte Einigungs- und Auflassungsgegenstand. Bei übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien des Kaufvertrages von den örtlichen Grenzen des Grundstücks sei dieses in eben diesen und nicht in den katastermäßigen Grenzen aufgelassen worden. Seit Bestehen der vorliegenden Grundstücksgrenzen im Jahre 1920 seien alle Beteiligten von der Deckungsgleichheit der Grundstücksgrenzen mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Flächen, wie sie sich aus der Örtlichkeit ergebe, ausgegangen. Jedenfalls sei der Herausgabeanspruch der Beklagten verwirkt, nachdem die Nutzung der Flurstücke 773 und 775 durch den jeweiligen Eigentümer in der derzeitigen aus der Örtlichkeit ersichtlichen Grenzen in der Zeit von 1920 bis Juli 2000 durch die Beklagte nicht beanstandet worden sei. Zudem müsse die Beklagte sich an ihren eigenen Planungen festhalten lassen. So habe die Beklagte gegenüber den Grundstückseigentümern festgelegt, wie Versorgungsleitungen, Abwasser- und Stromleitungen im Erdreich zu verlaufen hätten. Auf dem streitigen Grundstücksstreifen seien demzufolge die Anschlüsse der Anlieger geplant und verlegt worden. Baugenehmigungen für aufstehende Häuser, der Bau des Bürgersteigs und auch die Genehmigung für den Ausbau der Grenzbefestigung seien unter Bezugnahme auf jene Grenze erfolgt, in der das Grundstück heute tatsächlich genutzt werde. Einem möglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch der Beklagten stehe entgegen, das Bäume angepflanzt und gepflegt worden seien, die zwischenzeitlich einen Stammesumfang von über 30 cm aufwiesen und daher deren Entfernung unter Beachtung der Baumschutzordnung des Landes Brandenburg der behördlichen Erlaubnis bedurften. Der Annahme der Verwirkung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte rechtlich erst seit dem 3. Oktober 1990 bestehe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 19. Dezember 2002 (Bl. 160 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Vermessungsingenieurs U... D... (Bl. 169 ff. d. A.). Der Sachverständige D... hat sein Gutachten im Termin vom 4. September 2003 mündlich erläutert (Bl. 215 ff. d. A.).

Das Landgericht Neuruppin hat mit dem am 2. Oktober 2003 verkündeten Urteil der Widerklage ganz überwiegend stattgegeben. Es hat den Kläger und die Drittwiderbeklagte zur Räumung und Herausgabe einer im Einzelnen genau bestimmten Teilfläche des Flurstückes 773, Flur 1, Gemarkung H..., eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814, wie in der Anlage zum Urteil rot gekennzeichnet, verurteilt. Von der Räumungspflicht ausgenommen hat es diverse, auf dem streitgegenständlichen Grundstücksstreifen befindliche Bäume sowie einen Vorgartenzaun.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagten stehe der mit der Widerklage geltend gemachte Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu. Auf Grund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der streitgegenständliche Grundstücksstreifen zum Flurstück 773 gehöre und damit im Eigentum des Beklagten stehe. Der Sachverständige D... habe nachvollziehbar den Vortrag der Beklagten bestätigt, wonach bereits die früher anlässlich der zur Veräußerung der Flurstücke durchgeführte Vermessung die Grundstücke in den durch die Beklagte behaupteten Grenzen festgestellt habe. An dieser katastermäßigen Feststellung habe sich nichts geändert. Es seien ferner die früheren Katasterangaben durch die vor Ort verbliebenen und wieder aufgefundenen Grenzabmarkungen bestätigt worden. Die im Feldbuch aus dem Jahre 1919 ausgewiesenen Grenzsteine seinen vor Ort in eben der verzeichneten Lage vorgefunden worden. Soweit Grenzsteine nicht auffindbar gewesen seien (z. B. auf dem Flurstück 772, im Eigentum der R... F... stehen) seien die Katasterangaben in die Örtlichkeit übertragen worden. Die Flurstücksgrenzen hätten damit eindeutig nachvollzogen werden können. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte hätten an dem streitgegenständlichen Teilstück bei Erwerb ihres Flurstückes kein Eigentum erwerben können. Zwar sei rechtlich anerkannt, dass ein Grundstück abweichend von den sich aus dem Kataster ergebenden Grenzen erworben werden könne, wenn nämlich das Grundstück zuvor durch die Kaufvertragsparteien besichtigt worden sei und diese der Annahme gewesen seien, das Grundstück umfasse auch die zwischen den Parteien streitige Teilfläche. Hierzu hätten der Kläger und die Widerbeklagte jedoch substantiiert zu den Vorstellungen und Willenserklärungen der ursprünglichen Kaufvertragsparteien, beginnend ab 1919, vortragen müssen. Daran fehle es. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb an dem streitgegenständlichen Teilstück sei ausgeschlossen. Die Beklagte habe den Herausgabeanspruch auch nicht verwirkt. Auch nach Jahrzehnten einer Nutzung könne dem Herausgabeanspruch eines eingetragenen Eigentümers der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht entgegen gehalten werden, weil dies im Ergebnis auf eine Ersitzung des Eigentums am Grundstück gegen das Grundbuch hinauslaufe. Ferner fehle im vorliegenden Falle das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment, wonach der Rechtsinhaber einen Vertrauenstatbestand dahin erzeugt habe, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ein solches Vertrauen komme dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsinhaber von den tatsächlichen Umständen, die sein Recht begründen, keinerlei Kenntnis habe. Weiter liege der für eine Verwirkung erforderliche Umstand der Unzumutbarkeit nicht vor. Der Eingriff auf das Grundstück des Klägers und der Drittwiderbeklagten nach Herausgabe des streitgegenständlichen Teilstückes sei minimal. Dem Herausgabeanspruch der Beklagten lägen ferner erhebliche öffentliche Interessen zu Grunde. Auf Grund des sich aus § 1004 BGB ergebenden Räumungsanspruches seien die Kläger zur Beseitigung unwesentlicher Bestandteile des Grundstückes verpflichtet und zwar auch insoweit, als diese vom Voreigentümer übernommen worden seien. Auch dieser Anspruch sei nicht verwirkt. Allerdings sei der Beseitigungsanspruch verjährt, soweit er Bäume und Einfriedungen betreffe, die bereits einen 30 Jahre übersteigenden Zeitraum auf dem Grundstücksstreifen sich befänden. Die Feststellungsklage sei begründet, da das Eigentum der Beklagten an dem streitgegenständlichen Teilgrundstück feststehe.

Gegen dieses ihm am 29.10.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.11.2003 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers welche er innerhalb der bis zum 29. Januar 2004 verlängerten Frist mit dem am 27. Januar 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Die Drittwiderbeklagte hat keine Berufung eingelegt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, rechtsfehlerhaft sei vom Landgericht auf Grund des erstellten Gutachtens nur das Vorhandensein von Grenzzeichen geprüft und daraus auf Stimmigkeit der Katastergrenzen von 1919 mit den heutigen Grenzen geschlossen worden. Zur Aufklärung der tatsächlichen Grundstücksgrenzen hätte jedoch ein Vergleich der Flächenangaben des Grundbuches betreffend das im Eigentum des Klägers stehende Flurstück 775 mit der tatsächlich gegebenen Grundstücksfläche des Flurstückes erfolgen müssen. Der Schutz des guten Glaubens in die Richtigkeit des Grundbuches (§ 892 BGB) erstrecke sich nicht auf die Korrektheit der Wiedergabe der Flurstücke im Liegenschaftskataster sondern nur auf die Flächenangaben im Grundbuch. Ob ein Fall der geltend gemachten Grenzverwirrung (§ 920 BGB) vorliege, hätte vom Landgericht erst dann beurteilt werden können, wenn zusätzlich zu der gutachterlichen Feststellung der aufgefundenen Grenzsteine festgestellt worden wäre, dass die im Grundbuch verzeichnete Fläche der Flurstücke auch heute noch den tatsächlichen Grundstücksgrößen entspreche. Ferner habe das Landgericht allein die Übereinstimmung eines Feldbuches von 1919 mit den einzelnen aufgefundenen Grenzzeichen als ausreichend für die Bestimmung eines Eigentumsrechtes der Beklagten angesehen. Auf Grund der politischen Einwirkungen auf die Liegenschaftskataster über die Zeitläufe hinweg könne von einer Kontinuität des Katasters nicht ausgegangen werden. Insbesondere könnten Übertragungsfehler nicht ausgeschlossen werden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31. August 2004 hat der Kläger vortragen lassen, bei Beräumung eines in der ... Straße gelegenen Grundstückes, nämlich desjenigen der Frau A... B..., seien unter dem Gartenzaun, der das Grundstück nach altem Besitzstand von der ... Straße abgrenze, zwei Grenzsteine gefunden worden. Diese Grenzsteine, die bei der Erstabmaßung des entsprechenden Grundstückes gesetzt worden seien, belegten, dass die Grenzen des Flurstückes 773 nicht so verliefen, wie dies in erster Instanz durch die Beklagte und das eingeholte Sachverständigengutachten dargetan worden seien. Es sei ein Fall der Grenzverwirkung im Sinne von § 920 BGB gegeben, der ursprüngliche Verlauf der Flurstückgrenzen lasse sich nicht klären. Weiter trägt der Kläger in der Berufung vor, bei erster Veräußerung des Flurstückes 775 sei der veräußernde Eigentümer zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstückes 773 (... Straße) gewesen. Demzufolge komme entsprechend der Entscheidung des OLG Hamm (NJW-RR 1992, 152) ein Eigentumserwerb der Käufer an einem Teilstück des Flurstückes 773 in Betracht.

Der Kläger beantragt,

in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Widerklage abzuweisen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Nach ihrer Ansicht liegt ein Fall der Grenzverwirrung nicht vor. Die Voraussetzung, dass sich die richtige Grenze nicht ermitteln lasse, sei nicht gegeben auf Grund des eindeutigen Vermessungsergebnisses des Sachverständigen D.... Auf Grund dessen Gutachten stehe fest, dass sich die Entwicklung der Flurstücksgrenzen aus dem Katasterfeldbuch von 1919 widerspruchsfrei feststellen ließe. Die an der Einfriedung des Flurstückes der Frau A... B... aufgefundenen Steine stellten keine Grenzzeichen dar.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24. Januar 2005 (Bl. 450 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen D... (Bl. 462 ff. d. A.). Der Sachverständige hat sein Gutachten mündlich erläutert im Termin vom 14.3.2006 (Bl. 564 d. A.).

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist fristgemäß eingelegt und begründet worden, mithin zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung des Klägers wirkt nicht zu Gunsten der vormaligen Drittwiderbeklagten - seiner Ehefrau - , welche selbst keine Berufung eingelegt hat. Der Kläger und seine Ehefrau sind keine notwendigen Streitgenossen, da es an der erforderlichen gesamthänderischen Bindung fehlt (§ 61 ZPO). Nur bei Vorliegen einer solchen Bindung wird der säumige Streitgenosse, der selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, Partei im Rechtsmittelverfahren (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 63 Rn 32).

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht Neuruppin den Kläger auf die Widerklage der Beklagten zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Teilfläche des Flurstückes 773 verurteilt.

1.

Der Beklagten steht gegen den Kläger der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu.

a.

Der Kläger ist Besitzer der Teilfläche des Flurstückes 773, welche er im Zusammenhang mit seinem Hausgrundstück als Vorgarten nutzt.

Die Beklagte ist als Eigentümerin des Flurstückes 773 im Grundbuch eingetragen, für sie streitet bereits die Vermutung des § 891 BGB. Danach gilt der im Grundbuch eingetragene Berechtigte als gegenwärtiger Inhaber des Rechts.

Der Kläger hat den ihm zur Widerlegung der Vermutung obliegenden Beweis nicht führen können.

Die Widerlegung der Vermutung aus § 891 BGB erfolgt nicht bereits durch die Erschütterung eben dieser Vermutung, sondern durch den vollen Beweis des Gegenteils (Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 891 Rn 8).

b.

Der Kläger hat die Unrichtigkeit des Grundbuches nicht bewiesen (§ 894 BGB).

Die Unrichtigkeit kann im Wege der Einrede gegen den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB geltend gemacht werden.

Eine solche Einrede erhebt der Kläger, indem er unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 13.06.1991; NJW-RR 1992, 152) geltend macht, sein Hausgrundstück (Flurstück 775) in den Grenzen zu Eigentum erworben zu haben, die heute in der Örtlichkeit sichtbar sind, mithin also auch die als Vorgarten umzäunte und genutzte Teilfläche des Flurstückes 773.

Mit dem zitierten Urteil hatte das OLG Hamm entschieden, dass dann, wenn die Parteien eines Grundstückskaufvertrages das Kaufgrundstück vorher besichtigt haben und sich über den Umfang des Grundstückes in den aus der Natur ersichtlichen Grenzen (dort: landwirtschaftlich genutztes Grundstück) einig waren, der Gegenstand der Auflassung grundsätzlich nicht durch die im Katasterplan eingezeichneten Grenzen, sondern durch die in der Natur ersichtlichen Grenzen bestimmt wird. Unschädlich ist dabei, dass die Parteien den Gegenstand der Auflassung im Vertrag nicht richtig bezeichnen. Der wirkliche Wille der Parteien geht dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor. Es liegt eine - unschädliche - falsa demonstratio vor.

Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann ein Erwerber des Flurstückes 775 bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nur dann zugleich die angrenzende streitige Teilfläche durch Auflassung erworben haben, wenn der Veräußerer zum Zeitpunkt der Auflassung zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstücke 773 war.

Danach kann der Kläger kein Eigentum an der Teilfläche des Flurstückes 773 erworben haben. Zwar hat der Kläger schriftsätzlich zu den Umständen seines Erwerbs des Flurstückes 775 nichts vorgetragen. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass der Kläger offensichtlich 1989 zusammen mit seiner Ehefrau als Eigentümer für Flurstück 775 im Grundbuch eingetragen worden ist und zwar nach den Eheleuten E..., die von 1955 - 1989 eingetragen waren. Die Eheleute E... waren offensichtlich die Schwiegereltern des Klägers, wie dieser im Termin vor dem Landgericht vorgetragen hat (Bl. 221 d.A.). Unklar ist, worauf es letztlich aber nicht ankommt, ob der Kläger das Flurstück von seinen Schwiegereltern gekauft oder geerbt hat. Die Schwiegereltern hatten ihrerseits das Grundstück 1950 von der im Grundbuch eingetragenen Frau S... P... gekauft (s. Vertrag vom 16.06.1950, Bl. 241 ff d.A.).

Für das angrenzende Flurstück 773 war von 1920 - 1926 die "E... S.... Landgesellschaft mbH", von 1926 - 1927 die Gemeinde H..., von 1927 - 1962 die Landgemeinde, ab 1962 der Rat der Gemeinde H... als Rechtsträger des nunmehr volkseigenen Grundstückes und nach der deutschen Wiedervereinigung schließlich die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Aus alledem folgt, dass der Kläger und/oder aber seine Schwiegereltern Eigentum an dem Flurstück 775 von einem Veräußerer erworben hat, der nicht zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstückes 773 gewesen sein kann.

Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass jedenfalls der Ersterwerber des Flurstückes 775 nach dessen Herausbildung aus dem Flurstück 1377/109 Eigentum an demselben erworben hat durch Auflassung mit dem Verkäufer, der zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstücks 773 gewesen ist, nämlich die "E... S... Landgesellschaft mbH", hilft dies im Ergebnis nicht weiter. Der Ersterwerber hätte nämlich an der Teilfläche des Flurstückes 773 nur dann Eigentum erwerben können, wenn er letztlich im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden wäre (§§ 873, 925 BGB). Daran fehlt es. Der von der Eigentümerin "E... S... Landgesellschaft mbH" nach Parzellierung des Flurstückes 1377/109 das Flurstück 775 erwerbende P... Sch... ist niemals als Eigentümer der angrenzenden streitgegenständlichen Teilfläche im Grundbuch eingetragen worden.

Nachfolgende Grundstückserwerber können daher nicht gutgläubig bei Erwerb des Flurstückes 775 zugleich Eigentum an der angrenzenden Teilfläche des Flurstückes 773 erworben haben, weil es an einer Voreintragung des Veräußerers insoweit fehlt. Ein gutgläubiger Erwerb von Grundeigentum kann nicht "gegen das Grundbuch" stattfinden (§§ 891, 892 BGB).

Dies gilt auch, soweit eine Veräußerung des Flurstückes 775 nach Außerkraftsetzung des BGB unter der Geltung der Rechtsvorschriften der DDR stattgefunden hat. Diese Rechtsvorschriften unterschieden sich in den entscheidungsrelevanten Punkten nicht von denjenigen des BGB. Bis 31.12.1975 galten ohnehin die Vorschriften des BGB. Ab Geltung des ZGB war ein gutgläubiger Erwerb von Grundeigentum nicht möglich (§ 20 ZGB). Nach den Vorschriften der sodann geltenden Grundstücksdokumentationsordnung vom 06.11.1975 (GDO) war ein gutgläubiger Erwerb möglich, aber nur unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie in §§ 891, 892 BGB bestimmt sind (§§ 7, 8 GDO).

c.

Dem Kläger kann gegenüber dem Herausgabeanspruch auch kein Recht auf Besitz geltend machen (§ 986 BGB).

Zwar wird ein Recht aus § 986 BGB anerkannt in den Fällen, in denen nach Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrages im Hinblick auf den Eigentumserwerbsanspruch der Besitz an dem Grundstück schon übertragen wird, es letztlich aber zu einer Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch nicht kommt (BGHZ 90, 269). In einem solchen Falle kann der Käufer des Grundstückes nach dessen Übergabe gegenüber dem Verkäufer (Eigentümer) auch dann die Einwendungen nach § 986 BGB geltend machen, wenn der noch nicht erfüllte Anspruch auf Übereignung verjährt ist (BGH, NJW 1984, 1960).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Dass der Kläger in eigener Person oder als Rechtsnachfolger seiner Schwiegereltern einen Anspruch auf Übereignung der streitgegenständlichen Teilfläche gegen die Beklagte aufgrund wirksamer Auflassung und Besitzübertragung hat, kann nach den oben stehenden Ausführungen (Ziff. II 1 b) nicht angenommen werden. Unabdingbare Voraussetzung ist auch hier, dass der das Flurstück 775 Veräußernde und den Besitz Übertragende als Eigentümer der angrenzenden Teilfläche des Flurstückes 773 im Grundbuch eingetragen war.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehen wollte, dass zum Zeitpunkt des Ersterwerbs des Flurstückes 775 die Parteien des Kaufvertrages sich nach den im Urteil des OLG Hamm zitierten Grundsätzen auch betreffend die Eigentumsübertragung der angrenzenden streitgegenständlichen Teilfläche geeinigt hätten und es ferner zu einer Besitzüberlassung eben dieser Teilfläche durch den Veräußerer an den Erwerber gekommen wäre, würde ein damit begründetes Recht des Ersterwerbers nach § 986 BGB dem Kläger nicht weiter helfen. Der Kläger als gegenwärtiger Besitzer kann ein eventuell vom Ersterwerber abgeleitetes Besitzrecht nur geltend machen, solange der Ersterwerber ein Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer hat (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 986 Rn 5). Ist dieses Besitzrecht beendet, kann der Eigentümer die Herausgabe an sich verlangen. So liegt der Fall hier.

Andere die Herausgabe hindernde Besitzrechte des Klägers sind nicht ersichtlich.

d.

Der Kläger kann dem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB auch nicht mit Erfolg entgegen halten, die richtige Grenze zwischen den aneinandergrenzenden Flurstücken 773 und 775 sei nicht feststellbar, die als Vorgarten genutzte Teilfläche gehöre tatsächlich zum Flurstück 775 (§ 920 BGB).

Aufgrund der vom Landgericht Neuruppin und dem erkennenden Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen U... D... steht der exakte Grenzverlauf zwischen beiden Flurstücken fest. Aus der durchgeführten Beweisaufnahme folgt, dass der Kläger einen zum Straßengrundstück (Flurstück 773) der Beklagten gehörenden Teilstreifen nutzt.

Der Sachverständige hat eindeutig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die im Kataster ausgewiesene Grenze die rechtmäßige ist.

Bei Vermessung der im Kataster nachgewiesenen Grundstücksgrenze mittels eines elektrooptischen Tachymeters am 24.04.2003 in der Örtlichkeit bei Aufmessung von Standpunkten aus, deren Lage über Punkte des Lagefeldpunktes bestimmt worden sei, hat der im Kataster ausgewiesene Grenzverlauf zweifelsfrei in die Örtlichkeit übertragen werden können. Die Grenzuntersuchung hat zum Auffinden eines Grenzsteines im östlichen Grenzpunkt (Grenzstein Nr. 25) geführt. Im westlichen Grenzpunkt ist wegen eines vorhandenen Baumes das Aufsuchen des Grenzzeichens (Grenzstein Nr. 26) nicht möglich gewesen.

Die Ergebnisse der Zerlegung des Flurstückes 1377/109 ergeben sich aus dem Fortführungsriss vom 21.22.1924 und 26.07. 1919 (Anlage 2 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 174 - 176 d. A.). Darin sind auch die Ermittlungen der Grenze des Flurstückes 775 (alte Bezeichnung: 1772/109) gegen die ... Straße - Flurstück 773 - (alte Bezeichnung: 1774/109) enthalten. Der Fortführungsriss ist in sich schlüssig, Differenzen sind nicht festgestellt worden. Das Ergebnis der Grenzermittlung und der Abmarkung der Flurstücksgrenzen ist in der dazugehörigen Messungsverhandlung vom 28.07.1919 (Anlage 3 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 177 d. A.) von den von der Vermessung betroffenen Beteiligten rechtsverbindlich anerkannt worden.

Im Ortstermin hat der Sachverständige weiter festgestellt, dass der örtliche Besitzstand, gekennzeichnet durch eine niedrige Mauer mit aufgesetztem Zaun, von dem im Kataster nachgewiesenen Grenzverlauf abweicht (Anlage 4 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 179 d.A.).

Weiter hat der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichtes ausgeführt, dass es sich bei den im Zusammenhang von Räumungsarbeiten auf dem Flurstück 751 (... Straße 6) im Jahre 2004 aufgefundenen Steinen nicht um Grenzsteine handelt. Der aus dem Lichtbild (Bl. 363 d. A.) ersichtliche Stein ist die Abmarkung eines Aufnahmepunktes, verzeichnet im Kataster, der im Zuge eines 1993 erfolgten Vermessungsverfahrens entstanden ist. Der weitere aus dem Lichtbild (Bl. 364 d. A.) ersichtliche quaderförmige Granitstein stellte die Markierung eines Polygonpunktes dar, wie sie in der Zeit von 1900 - 1960 benutzt worden sind. Schließlich ist der aus dem Lichtbild (Bl. 366 d. A.) ersichtliche quaderförmige Granitstein mit einer kreuzweisen Einkerbung auf der Oberfläche die klassische Abmarkung eines trigonometrischen Punktes und damit Bestandteil eines Lagefestpunktfeldes zu Vermessungszwecken.

Aus den Ausführungen des Sachverständigen folgt ferner, dass das Kataster kontinuierlich geführt worden ist und Übertragungsfehler, wie sie der Kläger geltend machen will, nicht vorliegen.

Soweit der Kläger meint, zur Aufklärung der tatsächlichen Grundstücksgrenzen sei ein Vergleich vorzunehmen zwischen der im Grundbuch eingetragenen Flächengröße des Flurstückes 775 und der tatsächlich gegebenen Fläche, kann er nicht gehört werden. Maßgeblich ist die Umgrenzung des Flurstückes, wie sie im Kataster ausgewiesen ist. Die im Kataster ausgewiesene Umgrenzung ist nach Angaben des Sachverständigen in der Örtlichkeit eindeutig nachvollziehbar; soweit es zu Maßdifferenzen gekommen ist, liegt dies in den Genauigkeitsanforderungen begründet, die an die Vermessungen im Jahre 1919 gestellt worden sind.

e.

Der Herausgabeanspruch der Beklagten ( § 985 BGB) ist nicht verjährt.

Für die Verjährung von Ansprüchen gilt nach dem Einigungsvertrag die Übergangsregelung des Art. 231 § 6 EGBGB. Danach finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung nur auf die am Tag des Wirksamwerden des Beitritts bestehenden und nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Ob ein Anspruch zum 03.10.1990 bereits verjährt war, ist nach dem Recht der DDR zu beurteilen. Am 03.10.1990 war der Herausgabeanspruch nicht verjährt.

Der Anspruch unterlag zunächst unter der Geltung des BGB (bis 31.12.1975) der Vorschrift der Unverjährbarkeit (§ 902 BGB). Sodann nach Einführung des ZGB (01.01.1976) bestimmte dessen § 479 Abs. 1 iVm § 10 GDO die Unverjährbarkeit von im Grundbuch eingetragenen Rechten.

Ab dem 03.10.1990 galt und gilt wiederum § 902 Abs. 1 S.1 BGB, wonach der Anspruch des im Grundbuch eingetragenen wahren Berechtigten nicht verjährt.

2.

Der Räumungsanspruch der Beklagten folgt aus § 1004 BGB.

Der Kläger macht in der Berufung Verjährung des Räumungsanspruches, soweit dieser nicht bereits im Tenor des erstinstanzlichen Urteiles Einschränkungen erfahren hat, nicht geltend.

Zur Begründung des Räumungsanspruches wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

3.

Der Kläger kann sich gegenüber der Widerklage auch nicht mit Erfolg auf Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche berufen.

Zwar kann der Eigentümer grundsätzlich auch seine dinglichen Ansprüche verwirken, wenn er sie, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, über einen erheblichen Zeitraum hin nicht geltend macht (Zeitmoment) und sich der Besitzer wegen der Untätigkeit des Eigentümers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde seine Rechte nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment, vgl. BGH, JZ 1980, 767, Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn 87). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben.

Nicht eindeutig feststellbar ist bereits, ob die aus dem Eigentum fließenden Rechte hier tatsächlich über einen für die Verwirkung hinreichenden Zeitraum nicht geltend gemacht worden sind. Bei der Frage, welcher Zeitraum insoweit erforderlich ist, muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber das Grundeigentum gegenüber anderen Rechten in außergewöhnlicher Weise dadurch geschützt hat, dass er seine Ersitzung durch einen bloßen gutgläubigen Eigenbesitzer ganz ausgeschlossen und die aus dem Eigentum fließenden Rechte unverjährbar ausgestaltet hat. Die Länge des Zeitraums muss sich unter diesen Umständen an der üblichen dreißigjährigen Verjährungsfrist als unterster Grenze orientieren, im Regelfall jedoch darüber liegen. Ob ein derartig langer Zeitraum hier vergangen ist, lässt sich nicht feststellen. Seit wann genau die streitgegenständliche Teilfläche von den Rechtsvorgängern des Klägers in Besitz genommen und als Vorgarten genutzt worden ist, ist im Einzelnen nicht vorgetragen. Aus den zur Akte gereichten Unterlagen (Bl. 411 ff d. A.) ergibt sich lediglich, dass der Rechtsvorgängerin des Klägers, Frau S... P..., am 12.04. 1938 die Errichtung eines Vorgartenzaunes bewilligt worden ist, der im Oktober 1938 auch errichtet worden ist. Geht man zu Gunsten des Klägers darüber hinaus davon aus, seine Rechtsvorgänger hätten bereits in zeitlicher Nähe zur Bebauung des Grundstückes, also in den 20iger Jahren, Besitz von dem streitgegenständlichen Teilgrundstück ergriffen, ist zu berücksichtigen, dass im Zeitraum zwischen dem Jahre 1952 und dem 03.10.1990 die Ansprüche aus dem Eigentum nicht verwirkt werden konnten. Denn das Grundstück stand zwischen 1952 und 1962 in kommunalen Eigentum, das wie volkseigenes Eigentum zu behandeln war; seit 1962 war es als Volkseigentum in Rechtsträgerschaft des Rates der Gemeinde H... im Grundbuch eingetragen. Die aus dem Eigentum an volkseigenen Grundstücken fließenden Ansprüche konnten aber nach den Gesetzen der DDR nicht verwirkt werden. Bei Geltendmachung des Herausgabeanspruches durch die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2000 war daher der für die Erfüllung des Zeitmoments erforderliche Mindestzeitraum selbst im für den Kläger günstigsten Fall nur knapp erreicht bzw. überschritten.

Auf den reinen Zeitablauf kommt es allerdings nicht an. Denn jedenfalls liegt das erforderliche Umstandmoment nicht vor.

Auch an das Vorliegen dieses Moments sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Ziel des Gesetzgebers war es, im Grundbuch eingetragenen Rechten zweifellosen und dauernden Bestand zu sichern und ein dauerndes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz, der das erstere zu einem inhaltslosen Recht werden ließe, zu verhindern. Diese Zielrichtung fand ihren Ausdruck in der gesetzlich angeordneten Unverjährbarkeit der aus dem Eigentum fließenden Rechte (s. hierzu v. Olshausen, JZ 1983, 288 m.w.Hinw.). Die der ursprünglichen Vorstellung des Gesetzgebers demnach zuwiderlaufende Verwirkung der aus dem Eigentum fließenden Ansprüche kann daher nur ganz eingeschränkt in Fällen angenommen werden, in denen der Eigentümer gegenüber dem Besitzer in zurechenbarer Weise - etwa durch Zusagen in einem später fehlgeschlagenen Vertrag ( z.B. BGH, NJW 1960,673) - einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, der nahe an einen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf die Durchsetzung der dinglichen Ansprüche heranreicht.

An einem derartigen von der Beklagten gesetzten oder ihr zuzurechnenden Vertrauenstatbestand fehlt es vorliegend. Vertragliche Bindungen zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits oder deren Rechtsvorgängern bestanden - soweit erkennbar - nicht. Die Schaffung einer Vertrauenslage kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Rechtsvorgängerin des Klägers seitens des Landrates des Kreises N... die Setzung des Gartenzaunes in der heute noch aktuellen Lage genehmigt worden ist (Bl. 414). Die erteilende Behörde war nicht identisch mit der für das Flurstück 773 eingetragenen Eigentümerin, die Genehmigung ist "unbeschadet der Rechte Dritter" erteilt worden. Bei Erteilung dieser Genehmigung sind lediglich bauordnungsrechtliche Belange geprüft worden, nicht jedoch eigentumsrechtliche. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger konnten die Erteilung der Genehmigung unter diesen Umständen nicht als Aussage zu möglichen dinglichen Ansprüchen oder gar als einen Verzicht auf Eigentumsansprüche verstehen. Dies gilt umso mehr, als die Parteien offenbar keine zutreffende Vorstellung von der tatsächlichen Lage hatten, also davon, dass der Kläger einen Teil des Straßenlandes als Vorgarten nutzte. Auch war die örtliche Situation nicht so ausgestaltet, dass sich die Vorstellung der Nutzung gegen das Grundbuch dem jeweils eingetragenen Eigentümer des Straßenlandes hätte aufdrängen müssen. Vielmehr nutzten sämtliche Anlieger der ... Straße einen Streifen des Straßenlandes als Vorgarten, so dass sich in der Natur eine geordnete Fluchtlinie entlang der Grundstücksgrenzen zur ... Straße hin ergab. Im Übrigen wird in diesem Punkt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes Bezug genommen.

Da es somit bereits an den Voraussetzungen für die Verwirkung fehlt, bedarf es einer umfassende Würdigung des Verhaltens der den Herausgabeanspruch geltend machenden Beklagten und der Schutzwürdigkeit ihres Begehrens im Vergleich zu den konkret gewerteten Interessen des Klägers, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, nicht mehr.

4.

Die Berufung bleibt aus den oben genannten Gründen auch ohne Erfolg, soweit das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil das Eigentum der Beklagten am Flurstück 773 festgestellt hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, wobei der Senat bei Bemessung der Sicherheitsleistung hinsichtlich des Herausgabe- und Räumungsanspruches von dem geschätzten Verkehrswert der streitgegenständliche Fläche ausgegangen ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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