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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 6 U 40/00
Rechtsgebiete: AO, GmbHG, BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

AO § 51 ff.
GmbHG § 43 II
GmbHG § 43
GmbHG § 46 Nr. 8
BGB § 823
BGB § 823 I
BGB § 823 II
StGB § 268
ZPO § 97 I
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 40/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

verkündet am 07.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwenke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 1.2.2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 31 O 127/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung im Betrage von 27.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Das Urteil beschwert die Klägerin um 587.493,35 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH i.S.v. §§ 51 ff. AO. Sie betreibt zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung auf dem Gebiet des ehemaligen Landkreises A u.a. ein Krankenhaus. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin war im streitrelevanten Zeitraum der Landkreis A.

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 18.3.1992 (Bl. 5 ff. AB) errichtet. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages besteht bei der Klägerin ein Beirat, der den Geschäftsführer zu beraten und zu überwachen hat. Mit Gesellschafterbeschluß ebenfalls vom 18.3.1992 wurde der Beklagte zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt (Bl. 1 ff. AB) Einen auf den 21.1.1992 rückdatierten Anstellungsvertrag schlössen die Parteien erst Anfang 1994. Nach § 11 des Anstellungsvertrages war die Vertretungsbefugnis des Beklagten im Innenverhältnis beschränkt. Danach hatte er u.a. vor der Eingehung von Rechtsgeschäften, die für die Gesellschaft Verbindlichkeiten von über 100.000 DM begründen können, die vorherige Zustimmung der Gesellschaft einzuholen (Bl. 21 ff. AB).

Die Klägerin plante die Errichtung eines Gesundheitszentrums. Dazu benötigte sie einige im Eigentum der Stadt A befindliche Grundstücke. Der Landkreis als Alleingesellschafter der Klägerin beabsichtigte, die Stadt A als Minderheitsgesellschafterin an der Klägerin zu beteiligen. Diese sollte ihre Einlage durch Einbringung der Grundstücke in die Gesellschaft leisten. In der Stadtverordnetenversammlung vom 25.11.1992 faßte die Stadt A den Beschluß, sich an der Klägerin zu beteiligen (Bl. 97 d.A.).

In der Zeit von Dezember 1992 bis April 1993 beauftragte der Beklagte die Architektin O (Bl. 54 ff. AB) und die Ingenieure L (Bl. 65 ff. AB), R (Bl. 77 ff. AB) und S (Bl. 87 ff. AB) mit der Erbringung von verschiedenen, für die Errichtung des Gesundheitszentrums erforderlichen Planungsleistungen.

Mit Schreiben vom 2.9.1993 unterrichtete der Beklagte den damaligen Landrat S darüber, daß mit der Firma D eine Finanzierung und Baubegleitung erarbeitet werde (Bl. 33 AB). In seiner Sitzung vom 25.10.1993 faßte der Gesellschaftsbeirat der Klägerin den Beschluß, daß mit der Kreisverwaltung über die Anmietung von Räumen für das im Gesundheitszentrum anzusiedelnde Gesundheitsamt verhandelt werden solle (Bl. 47 AB). Der Kreistag beschloß in seiner Sitzung vom 27.11.1993 einen Wirtschafts- und Investitionsmaßnahmenplan der Klägerin, der mit dem Zusatz "Leasingfinanzierung über D " für den Aufbau des Gesundheitszentrums im Jahre 1994 Investitionen in Höhe von 4.500.000 DM vorsah (Bl. 82 d.A.).

Bereits zuvor, am 29.12.1993 hatte der Beklagte namens der Klägerin einen Leasingvertrag mit der Firma E über das noch zu errichtende Gebäude geschlossen, der die Verpflichtung zur Zahlung einer Abschlußgebühr von 25.000 DM und zur Leistung von Vormieten zur Abgeltung der Kosten der Objektfinanzierung enthielt (Bl. 124 ff. AB). Mit Einverständnis des Beklagten beauftragte die E schließlich am 2.11.1993 und 10.11.1993 die Firma D mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung und dem Projektmanangement im Hinblick auf die medizinischen und wirtschaftlichen Belange des Gesundheitszentrums (Bl. 145 ff. und 154 ff. AB).

Das Vorhaben scheiterte schließlich daran, daß die Stadt A nicht Mitgesellschafterin der Klägerin wurde, weil zwischen ihr und dem Landkreis Uneinigkeit über die Ausübung des Stimmrechts bestand. Ungefähr ab August 1994 war dem Beklagten klar, daß das Projekt nicht mehr realisiert werden sollte. Mit der E wurde am 24.11./8.12.1994 ein Vertrag geschlossen, der die Aufhebung des Leasingverhältnisses gegen eine Zahlung von 57.500 DM vorsah (Bl. 189 f. AB). Der Beirat der Klägerin stellte das Scheitern des Vorhabens schließlich in seiner Sitzung vom 7.12.1994 fest (Bl. 52 AB).

Der Beklagte hatte bereits in den Jahren 1992 und 1993 Projekte mit Investitionsvolumina von mehreren Millionen DM weitgehend selbständig für die Klägerin getätigt, ohne daß es diesbezüglich förmliche Gesellschafterbeschlüsse gab.

Der Kreistag erteilte dem Beklagten am 27.11.1993 für die Jahre 1991 und 1992 Entlastung.

Über einen Teil der zur Einbringung in die Gesellschaft vorgesehenen Grundstücke schloß die Stadt A inzwischen mit der Klägerin Erbpachtverträge ab. Die Flächen sind zur Erweiterung des bestehenden Krankenhauses verwendet worden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte ihr auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die von ihm zu ihren Lasten eingegangenen Verträge entstanden sei. Der Beklagte habe seine Vertretungsbefugnis überschritten. Er habe sie dadurch geschädigt, daß er bereits Investitionen getätigt habe, obwohl die Durchführung des Projektes nicht gesichert gewesen sei.

Die Klägerin hat behauptet, der Anstellungsvertrag habe nach dem Willen der Parteien rückwirkend zum angegebenen Zeitpunkt wirksam werden sollen. Bereits zuvor habe über dessen Inhalt, so auch der Begrenzung der Vertretungsmacht des Beklagten im Außenverhältnis, Einvernehmen bestanden, da nur die Vergütungsregelung streitig gewesen sei. Der Beklagte habe die Klägerin zu keiner Zeit detailliert über die von ihm bereits getätigten Investitionen informiert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 587.493,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.12.1993 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, es habe verschiedene Entwürfe von Anstellungsverträgen gegeben, so daß über die Einzelheiten des Dienstverhältnisses vor Vertragsunterzeichnung keine Einigkeit bestanden habe. Der Landrat habe jeweils mündlich seine Zustimmung zum Abschluß der die Klägerin verpflichtenden Verträge erteilt. Schon 1992 habe ihn der Landrat generell angewiesen, alle zur Projektrealisierung erforderlichen Verträge abzuschließen. Der Klägerin sei auch nicht in voller Höhe der eingegangenen Verbindlichkeiten ein Schaden entstanden, da sie einen Teil der Investitionen nutzbringend habe verwenden können. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und außerdem gemeint, die Klägerin habe ihre Rechte verwirkt. Durch die Zustimmung des Kreistages zum Jahresabschluß für 1993 sei ihm insoweit auch Entlastung erteilt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt, der Klägerin stünden keine Ersatzansprüche gegen den Beklagten aus § 43 II GmbHG zu. Sie habe bereits eine dem Beklagten vorwerfbare Pflichtverletzung nicht dargelegt. Bei der Eingehung der Verbindlichkeiten sei der Beklagte im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht tätig geworden. Die Vertretungsmacht des Beklagten sei im Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtungen im Innenverhältnis mangels entsprechender Weisung nicht beschränkt gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß der im Jahre 1994 unterzeichnete Dienstvertrag, der eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis angeordnet habe, rückwirkend habe in Kraft treten sollen. Denn durch die Rückdatierung des Vertrages seien Verhaltenspflichten lediglich für die Zeit ab Vertragsschluß begründet worden; bis zum Abschluß des Anstellungsvertrages sei von einer unbeschränkten Vertretungsmacht des Beklagten auszugehen. In dem auf den Abschluß des Anstellungsvertrages folgenden Zeitraum habe der Beklagte mit Ausnahme der vertraglichen Aufhebung des Leasingvertrages mit der Fa. E keines der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte getätigt. Dieser Aufhebungsvertrag habe jedoch keine über 100.000.- DM hinausgehende Verpflichtung der Klägerin begründet, sodaß sich der Beklagte bei seinem Abschluß im nunmehr beschränkten Rahmen seiner Vertretungsbefugnis bewegt habe. Daß dem Beklagten schon vor Abschluß des Anstellungsvertrages eine seine Vertretungsbefugnis einschränkende Weisung erteilt worden sei, sei nicht hinreichend dargelegt. Daß über den Abschluß eines Anstellungsvertrages verhandelt worden sei, der eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis vorgesehen habe, habe vom Beklagten nicht bereits als Einzelweisung des Gesellschafters dahin verstanden werden können, sich im Rahmen der im Vertragsentwurf vorgesehenen Beschränkung zu halten. Bloßen Vertragsverhandlungen komme nicht der Charakter einer Einzelweisung zu. Eine Pflichtverletzung des Beklagten sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Unternehmensleitung festzustellen, weil er Investitionen für ein Projekt getätigt habe, dessen Durchführung noch nicht festgestanden habe. Ihm sei als Geschäftsführer ein breiter unternehmerischer Spielraum eingeräumt gewesen. Mit der Eingehung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten habe der Beklagten die Grenzen des ihm erlaubten Risikos nicht überschritten. Spätestens mit der Beschlußfassung des Kreistages über das Investitionsvolumen für das Zentrum und dessen Finanzierung durch Beauftragung einer Leasingfirma habe zudem der Landkreis als Gesellschafter die Durchführung der zur Realisierung erforderlichen Schritte - deren Notwendigkeit zur Projektrealisierung als solche hier auch nicht streitig seien - genehmigt. Nachdem das Scheitern des Projekts im August 1994 für den Beklagten erkennbar gewesen sei, habe er keine weiteren Investitionen veranlaßt; der Abschluß des Aufhebungsvertrages mit der Leasinggesellschaft sei nur notwendige Folge der Projektaufgabe gewesen und stelle damit keine unternehmerische Fehlentscheidung dar.

Gegen dieses ihr am 17.2.2000 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 14.3.2000 eingelegten Berufung. Diese hat sie, nachdem auf ihre Anträge die Berufungsbegründungsfrist zuletzt bis zum 30.6.2000 verlängert worden ist, mit am letzten Tag der verlängerten Frist beim Gericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage begründet.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, der Beklagte sei ihr in dem geltend gemachten Umfang zum Schadensersatz verpflichtet, weil er seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt habe. Er habe gegen § 43 GmbHG verstoßen, weil er unter Überschreitung der ihm eingeräumten Vertretungsbefugnis sowie ohne Zustimmung oder auch nur Kenntnis des Gesellschafters Rechtsgeschäfte abgeschlossen habe, die Verbindlichkeiten für die Gesellschaft in einer Größenordnung von einer halben Million DM begründet hätten. Eine Pflicht, die Eingehung dieser Verbindlichkeiten zu unterlassen, habe sich für den Beklagten bereits aus dem rückwirkend in Kraft gesetzten Anstellungsvertrag ergeben, in dem seine Vertretungsmacht beschränkt worden sei. Die Klägerin ist im übrigen unverändert der Auffassung, der Beklagte habe sich - auch ohne Rückgriff auf den Anstellungsvertrag - pflichtwidrig verhalten, weil er die Klägerin belastende Verträge zu einem Zeitpunkt geschlossen habe, als noch nicht feststanden habe, ob das Projekt überhaupt realisiert werden könne. Die Vorgehensweise des Beklagten sei in hohem Maße riskant gewesen. Auch nach der Beschlußfassung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt A, sich an der Klägerin zu beteiligen, sei nicht hinreichend wahrscheinlich gewesen, daß sie die für die Realisierung des Projekts erforderlichen Grundstücke der Klägerin überlassen werde. Außerdem habe für ein Ärztehaus keinerlei Bedarf bestanden; das Projekt sei deshalb völlig sinnlos gewesen. Angesichts der überaus schwierigen wirtschaftlichen Situation der Klägerin habe der Beklagte die Investitionen auf ein Mindestmaß zurückführen und stets auf die finanzielle Darstellbarkeit hin prüfen müssen; die Vergabe der zur Realisierung des Bauvorhabens erteilten Aufträge stelle sich unter diesen Umständen nicht nur als falsche, sondern als pflichtwidrige Entscheidung dar. Endlich habe der Beklagte auch gegen seine Verpflichtung zu ausreichender Information des Gesellschafters verstoßen. Der Beklagte habe vielmehr die Buchführung der Klägerin manipuliert, so daß dem Gesellschafter die erheblichen Ausgaben nicht aufgefallen seien; insbesondere habe er gegenüber dem Gesellschafter verschleiert, daß zweckwidrig Pauschalfördermittel in einem Umfang von 286.750,62 DM zur Bezahlung von Rechnungen für das Gesundheitszentrum verwandt worden seien. Der Landrat habe für den Gesellschafter zu keinem Zeitpunkt generell seine Zustimmung zum gesamten Vorgehen des Beklagten oder zum Abschluß einzelner Verträge gegeben. Auch sei der Beklagte nicht entlastet worden, sodaß er für den angerichteten Schaden hafte. Dieser sei in der mit der Klage geltend gemachten Höhe entstanden. Die vom Beklagten in Auftrag gegebenen Planungsleistungen etc. hätten letztlich bei dem jetzigen Bauprojekt an gleicher Stelle keine Verwendung finden können und seien daher für die Klägerin gänzlich wertlos gewesen; der Schaden habe sich daher auch nicht teilweise gemindert habe.

Der zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen erforderliche Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG liege vor.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom l. Februar 2000 - 31 O 127/98 - zu verurteilen, an sie 587.493,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Dezember 1993 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt umfangreich zur Vorgeschichte vor und bestreitet die Manipulation von Zahlenwerk der Klägerin sowie den Verstoß gegen Förderrichtlinien, durch den im übrigen der Klägerin kein Schaden entstanden habe entstehen können. Zahlungen seien nicht aus Fördermitteln erfolgt. Der Beklagte erhält die Einrede der Verjährung aufrecht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511, 511 a I, 516, 518, 519 ZPO) ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Zahlungsanspruch zu.

Die Klage ist zulässig. Gegen ihre Zulässigkeit spricht insbesondere nicht, daß sie für die Klägerin vertreten durch ihre Geschäftsführerin eingelegt worden ist. Zwar besteht bei der Klägerin ein fakultativer Aufsichtsrat - Beirat -, der gesetzlich zur Vertretung der Gesellschaft in Prozessen gegen auch frühere Geschäftsführer berufen ist (§ 52 GmbHG i.V.m. § 112 AktG). Die Gesellschafterversammlung der Klägerin hat jedoch zulässigerweise (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner, GmbHG, Rn. 62 zu § 52 GmbHG) durch Beschluß vom 6. 11. 1997 ihre Geschäftsführerin zur besonderen Vertreterin im Prozeß gegen den Beklagten bestellt, sodaß die Klägerin ordnungsgemäß vertreten ist (§§ 46 Nr. 8, 52 GmbHG).

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 43 II GmbHG nicht zu.

l. Der Beklagte hat mit der Eingehung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten ihm als Geschäftsführer der Klägerin obliegende Pflichten nicht verletzt.

Eine Überschreitung der ihm zustehenden Vertretungsbefugnis ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen.

Nach Abschluß des Anstellungsvertrages und dem damit verbundenen Inkrafttreten der Vertretungsbschränkung im Innenverhältnis hat der Beklagte von den streitgegenständlichen Geschäften nur noch die Aufhebung des Leasingvertrages mit der Fa. E veranlaßt. Dieser Vertrags Schluß lag aber, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Rahmen der ihm verbliebenen beschränkten Vertretungsmacht.

Bis zum Abschluß des Anstellungsvertrages unterlag der Beklagte im Innenverhältnis keinen Beschränkungen seiner Vertretungsmacht. Aus der Satzung der Klägerin ergab sich nach den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils, auf die Bezug genommen wird, ebensowenig eine derartige Beschränkung wie aus einem Gesellschafterbeschluß. Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, daß die Vertretungsbeschränkung in dem schließlich abgeschlossenen Anstellungsvertrag trotz vereinbarter Rückwirkung des Vertrages für die Vergangenheit nicht die Wirkung entfalten konnte, daß ein im Zeitpunkt der Vornahme im Rahmen der Vertretungsmacht abgeschlossenes Geschäft rückwirkend als ohne Vertretungsmacht abgeschlossen erschien. Denn bei der Beschränkung der Vertretungsmacht handelte es sich ebenso wie bei deren Erteilung um ein Verfügungsgeschäft, das Wirkung nur für die Zukunft entfalten konnte. Ihre erstinstanzliche Behauptung, daß sich die Parteien des Anstellungsvertrages bereits vor dessen Abschluß über die in dem vorliegenden Entwurf enthaltene Vertretungsbeschränkung in der Weise einig gewesen seien, daß der Beklagte sich an sie im Vorgriff auf den späteren Vertragsschluß habe halten müssen, hat die Klägerin in 2. Instanz nicht aufrecht erhalten. Die vom Beklagten eingegangenen Verbindlichkeiten lagen daher, soweit sie bis zum Abschluß des Anstellungsvertrages eingegangen wurden, im Rahmen der dem Beklagten erteilten Vertretungsmacht.

2. Der Beklagte muß sich im Innenverhältnis zur Klägerin auch nicht so behandeln lassen, als ob er seine Vertretungsmacht überschritten hätte. Zwar hat sich der Beklagte auf die Anordnung der Rückwirkung des Anstellungsvertrages eingelassen. Eine konkludente Zusage des Beklagten, er wolle sich im Verhältnis zur Klägerin hinsichtlich der bereits veranlaßten Verbindlichkeiten so behandeln lassen, als ob er pflichtwidrig gegen die Beschränkung der Vertretungsmacht verstoßen habe, kann seinem Verhalten jedoch nicht entnommen werden.

3. Gleiches gilt, soweit das Vorgehen des Beklagten als Verstoß gegen ihm im Anstellungsvertrag auferlegte Verhaltenspflichten erscheinen könnte. Da dem Beklagten im Zeitpunkt der Schadensverursachung - also bei Eingehung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten - die aus dem Anstellungsvertrag resultierenden Verhaltenspflichten noch nicht auferlegt waren, konnte er gegen sie auch noch nicht verstoßen; daß er sich so behandeln lassen wollte, als ob er schuldhaft gegen Verhaltenspflichten verstoßen habe, kann dem Anstellungsvertrag nicht entnommen werden.

4. Der Beklagte hat mit der Eingehung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten auch nicht die sich aus dem in § 2 der Satzung formulierten Gesellschaftszweck der Klägerin ergebenden Grenzen überschritten. Denn die Errichtung des Gesundheitszentrums, in dem Arztpraxen sowie die Krankenhausverwaltung untergebracht werden sollten, diente gerade der Sicherung der medizinischen Grundversorgung.

5. Der Beklagte hat mit der Eingehung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten auch nicht gegen seine Pflicht verstoßen, bei der Wahrnehmung der Geschäftsführeraufgaben die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren, insbesondere nicht unkalkulierbare, übermäßige Risiken zu Lasten der Klägerin einzugehen. Der Beklagte durfte mit guten Gründen davon ausgehen, daß die Gefahr des Scheiterns des Projektes nicht sehr groß war und sich das Risiko in vertretbaren Grenzen hielt. Angesichts des erheblichen politischen und wirtschaftlichen Interesses der Stadt und des Landkreises A daran, den Standort A durch die Schaffung der geplanten Einrichtung aufzuwerten, den Bestand des Krankenhauses zu sichern und Teilbereiche des Kreisgesundheitsamts dort anzusiedeln, durfte er die Möglichkeit, daß die Überlassung der für das Projekt notwendigen Grundstücke durch die Stadt A letztlich an mangelnder Kompromißbereitschaft beider öffentlichen Körperschaften scheitern würde, als sehr gering einschätzen. In dieser Einschätzung durfte er sich zudem durch den Beschluß der Stadt A, als Gesellschafterin in die Klägerin einzutreten und die Grundstücke einzubringen, bestätigt fühlen. Der Beklagte durfte ferner mit guten Gründen davon ausgehen, daß aus wirtschaftlichen Gründen und im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung die Realisierung des Projektes Gesundheitszentrum zügig vorangetrieben werden mußte, da anderenfalls - wie dann tatsächlich geschehen - die in einem provisorischen Barackenbau untergebrachten und als spätere Mieter von Praxen vorgesehenen Ärzte sich anderweitig orientieren und das Gesundheitsamt in einem anderen Ort errichtet werden würde. Der Beklagte durfte endlich davon ausgehen, daß - nachdem der Kreistag als maßgebliches Organ des Gesellschafters mit der Beschlußfassung über das Investitionsvolumen für das Gesundheitszentrum und seine Finanzierung durch Beauftragung eines Leasingunternehmens die weiteren erforderlichen Schritte zur Projektrealisierung genehmigt hatte - auch der Gesellschafter hinter dem von ihm gewählten Vorgehen stand. Unter diesen Umständen hat der Beklagte mit der zeitigen Vergabe der für die Realisierung des Projekts erforderlichenen Vorarbeiten den ihm zustehenden unternehmerischen Spielraum nicht verletzt.

Den Beklagten trifft auch nicht der Vorwurf, er habe mit dem Gesundheitszentrum ein sinnloses und überflüssiges Projekt zum Schaden der Klägerin gefördert. Dem steht schon entgegen, daß unstreitig Arztpraxen lediglich provisorisch und im Vorgriff auf das zu errichtende Gesundheitszentrum in einem Barackenbau untergebracht worden waren, eine angemessene Unterbringung also noch anstand. Daß die im Gesundheitszentrum für Arztpraxen vorgesehenen Räume für diesen Zweck nicht geeignet und damit unvermietbar gewesen wären, hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Insbesondere hat die Klägerin nicht darlegen können, daß die von ihr behaupteten Planungsmängel unbehebbar gewesen seien und daher der Sinn des ganzen Projekts in Frage gestanden habe. Gleiches trifft auf den Einwand der Klägerin zu, es habe kein Anlaß bestanden, die Krankenhausverwaltung aus dem Hauptgebäude auszulagern. Unstreitig war das alte Wäschereigebäude, in dem die Krankenhausverwaltung bis 1991 untergebracht war, 1991 abgerissen und die Verwaltung in das Hauptgebäude und zwar in zuvor als Patientenbereich benutzte Räume verlagert worden. Von daher war es jedenfalls nicht abwegig, in der Gesamtkonzeption für das Krankenhaus vorzusehen, die Bettenbereiche im Krankenhausgebäude zu belassen und alle nicht primär am Patienten tätigen Bereiche, also auch die Verwaltung, auszulagern.

Der Beklagte hat auch detailliert und nachvollziehbar erläutert, warum im geplanten Gebäude Räume für die Stadtwerke und auch ein Blockheizkraftwerk vorgesehen worden sind. Daß diese Planungen auf entsprechenden Vorgaben und Überlegungen politischer Entscheidungsträger vermittelt über den Landkreis als Alleingesellschafter beruhten, wird durch das Protokoll über die Beratung zur Krankenhausplanung vom 19.5.1992 (Bl. 397 f. d.A.) belegt. Auf dieser Beratung unter Teilnahme von Vertretern der Klägerin, der Stadt A und des Landkreises A einschließlich des Landrates ist Einigung darüber erzielt worden, die Wärmeversorgung in dem noch zu bauenden Ärztehaus unterzubringen. Dem ist die Klägerin, die eigene Kenntnis über diese Vorgänge hat, nicht ausreichend entgegengetreten. Bloßes Bestreiten reicht nicht. Das geplante Ladengeschäft für ein Sanitätshaus stellte wiederum eine sinnvolle Ergänzung für ein Ärztehaus dar.

6. Die Klägerin hat auch nicht ausreichend dargelegt, daß der Beklagte Informationspflichten nicht hinreichend erfüllt hätte. Daß der Beklagte das Projekt Gesundheitszentrums betrieb, war dem Landkreis A als Alleingesellschafter nicht nur bekannt; dies entsprach vielmehr seinem Willen, was in der Billigung des Investitionsrahmens von 4,5 Mio. DM zum Ausdruck kommt. Dem Landkreis war im übrigen das Gesamtkonzept des M Zentrums (M ) am 2.9.1993 vorgestellt worden. Dabei war er darüber informiert worden, daß die Klägerin, vertreten durch den Beklagten, mit der D eine Finanzierung und Baubegleitung erarbeitete. In diesem Zusammenhang hatte der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein Bauantrag erst gestellt werden könne, wenn die Klägerin über die benötigten im Eigentum der Stadt A stehenden Grundstücke verfüge, ferner daß an der "detaillierten Untersetzung" gearbeitet werde und daß man für erforderliche weitergehende Auskünfte jederzeit zur Verfügung stehe. Aus diesen Hinweisen konnte der Alleingesellschafter zweifelsfrei entnehmen, daß der Beklagte an der konkreten Umsetzung des Projektes arbeitete. Daß in diesem Zusammenhang auch vorbereitende Planungskosten anfielen, mußte dem Alleingesellschafter klar sein. Wenn er unter diesen Umständen nicht von sich aus auf näherer Information bestand, konnte der Beklagte nur von der Billigung seiner bisherigen Vorgehensweise ausgehen. Nicht zuletzt wies unstreitig spätestens ab Herbst 1992 ein 4 x 4 Meter großes Bauschild auf dem der Stadt A gehörenden und für die Errichtung des Ärztehauses/Gesundheitszentrums vorgesehenen Grundstück in der Nähe des Landratsamtes auf das Vorhaben hin. Unstreitig haben sowohl der Landrat als auch Verantwortliche des Landkreises dieses Schild gesehen. Für die Darstellung des Beklagten, das Projekt sei in Abstimmung mit dem Landkreis insbesondere in Person des Landrates S vorangetrieben worden, spricht auch das Schreiben des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin an den Landrat vom 30.8.1992 (Bl. 400 ff. d.A.). In diesem setzt er den Landrat davon in Kenntnis, daß mit den Vertretern der Stadtwerke, der Architektin und der Beraterfirma der Ministerin ein Konsens gefunden worden sei und am 2.9.1992 ein erstes unverbindliches offizielles Orientierungsgespräch mit der W bank zu Finanzierungsfragen für das Gesundheitszentrum stattfinde, das auch vom Land gefördert werden solle. Vorstehendes wird gestützt durch das Schreiben des Landrates vom 19.7.1993 an den Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin (Bl. 411 ff. d.A.). In diesem teilt er mit, daß er beabsichtige, die künftige Außenstelle A des Gesundheitsamtes des Großkreises im geplanten Gesundheitszentrum unterzubringen und dazu einen Vorvertrag abzuschließen. In einer Gesamtschau ergibt sich daraus, daß der Landrat von bestehenden Planungen für das Ärztehaus/Gesundheitszentrum ausging.

Die Klägerin beruft sich auch vergeblich darauf, der Beklagte habe das Zahlenwerk manipuliert, um die aus Sicht der Klägerin unnötigen Ausgaben von über 500.000 DM in der Bilanz zu verstecken. Die Bezahlung von Rechnungen für in Vorbereitung des Projektes Ärztehaus/Gesundheitszentrum erbrachte Leistungen aus Fördermitteln begründet ggf. den Vorwurf der falschen Verwendung von Fördermitteln. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß der Beklagte Ausgaben für das Ärztehaus/Gesundheitszentrum "versteckt" hat. Auf die Fehlverwendung von Fördermitteln stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch nicht, zumal die Entstehung eines Schadens dadurch noch nicht dargelegt ist. Eine von der Klägerin vorgeworfene fehlerhafte Buchführung beweist für sich bereits nicht Manipulationen überhaupt, im besonderen mit dem Zweck, bestimmte Ausgaben zu verstecken. Dagegen spricht jedenfalls, daß die Ausgaben für das Ärztehaus/Gesundheitszentrum ordnungsgemäß abgerechnet und belegt und in der Buchführung nachgewiesen sind. Dagegen spricht außerdem die Testierung des Jahresabschlusses der Klägerin in den betreffenden Jahren.

Gegen eine Manipulation zum Zwecke der Verschleierung von Ausgaben spricht endlich, daß ein gesondertes Konto für geleistete Anzahlungen an die D sowie eines für Anlagen im Bau Gesundheitszentrum existierte, in dem Ausgaben für das Gesundheitszentrum/Ärztehaus verbucht sind.

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch wäre zudem, soweit er bis einschließlich August 1993 abgeschlossene Verträge betrifft, mit denen Verbindlichkeiten im Gesamtbetrag von 303.840,31 DM begründet worden sind, verjährt (§ 43 IV GmbHG). Die Verjährungsfrist von fünf Jahren begann mit der Anspruchsentstehung (Baumbach/Hueck-Zöllner, a.a.O., Rn. 43 zu § 43 GmbHG), also, wenn man der Darstellung der Klägerin folgt, nicht erst mit dem Scheitern des Projekts, sondern bereits mit dem Abschluß der nach Darstellung der Klägerin sinnlosen und damit schädlichen Verträge durch den Beklagten. Daß im Zeitpunkt des Vertragschlüsse noch nicht klar war, ob das Projekt sich nicht doch würde realisieren und damit der Schaden beseitigen lassen, ist ohne Einfluß auf den Beginn der Verjährungsfrist.

Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 823 BGB scheiden aus. § 823 I BGB kann nicht Grundlage des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs sein, weil die Klägerin einen Vermögensschaden geltend macht, das Vermögen aber nicht zu den in § 823 I BGB geschütztes Rechtsgütern gehört. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i.V.m. käme nur dann in Betracht, wenn der Beklagte mit seinem Verhalten gegen ein Schutzgesetz - hier kommt allein § 268 StGB infrage - verstoßen hätte. Daß sich der Beklagte der Untreue gegenüber der Klägerin schuldig gemacht hat, ist jedoch zu verneinen, weil der Beklagte - wie aus den Ausführungen zu 1. hervorgeht - weder seine vertraglichen Pflichten noch seine Pflichten als Organ der Klägerin verletzt hat.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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