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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 6 U 8/01
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG, AktG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 826
BGB § 830
GmbH § 52
AktG § 116
AktG § 93
ZPO § 62
ZPO § 711
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 U 8/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 4.9.2001

verkündet am 4.9.2001

Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwenke und die Vorsitzende Richterin am Landgericht Eberhard

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.11.2000 verkündete Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 2 O 183/00 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 2.) und 3.) durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2. und 3. ihrerseits vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit durch eine schriftliche, unbefristete, unbedingte und unwiderrufliche Bürgschaft der W bank mit dem Sitz in M zu erbringen.

Das Urteil beschwert die Klägerin um 500.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Bauträgergesellschaft. Der Beklagte zu 1.) war Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin.

Die Klägerin verkaufte mit Bauträgervertrag vom 25.11.1997 25 noch zu errichtende Wohnungen in dem Projekt M in der Stadt T an die B AG zum Kaufpreises von 7.473.200,00 DM.

Am 21.11.1997 übernahm die B GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3.) ist, für die Verpflichtungen der B AG zu einem Teil von 95 % des Restkaufpreises eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 7.099.540,00 DM.

Die Klägerin und die B AG hoben im Jahre 1998 den Bauträgervertrag vom 25.11.1997 für drei Wohnungen auf. Die von der Hauptschuldnerin geschuldete Vergütung und die von der Beklagten übernommene Bürgschaftsschuld ermäßigten sich dadurch auf 6.610.800,00 DM bzw. 6.280.260,00 DM.

Bis zum 31.12.1999 waren an der Klägerin und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin die zur W Bank-Gruppe gehörende W mbH ("W GmbH") mit 51 % und die B GmbH mit 49 % beteiligt. Die W GmbH und die B GmbH waren sich über die weitere Fortführung des Projekts in M nicht mehr einig.

Die W und die B GmbH kamen schließlich überein, sich zu trennen. Zu diesem Zweck wurde am 30.12.1999 ein notarieller Vertrag (Bl. 54-74 d. A.) geschlossen, durch den die B GmbH in einem ersten Schritt zum 31.12.1999 fast die gesamten Beteiligungen der W GmbH an der Klägerin und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin (nämlich jeweils 45 %) sowie Forderungen zum Preis von insgesamt DM 7.172.999,63 übernahm. In einem zweiten Schritt sollte die B GmbH - über die T GmbH - auch die restlichen Beteiligungen der W GmbH (jeweils 6 %) erwerben können, letzteres aber nur dann, wenn die Verbindlichkeiten der Klägerin bei der W bis Ende 2000 auf DM 80 Mio. und bis Ende 2001 vollständig zurückgeführt sind. Für den Fall, daß die B GmbH den Kaufpreis von DM 7.172.999,63 nicht bis zum 31.1.2000 an die W GmbH zahlte und/oder die Verbindlichkeiten der Klägerin bei der W bis Ende 2000 nicht auf DM 80 Mio. und/oder bis Ende 2001 nicht vollständig zurückführte, sollte umgekehrt die zur W Bank-Gruppe gehörende N KG das Recht haben, ihrerseits die gesamten Beteiligungen der B GmbH an der Klägerin und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin zum Kaufpreis von DM 7.172.999,63 zu übernehmen. Auf das entsprechende Angebot der B GmbH in Abschnitt D des notariellen Vertrages vom 30.12.1999 wird Bezug genommen.

Mit dem Vertrag vom 30.12.1999 wurde außerdem der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (Bl. 144-155, 625 d. A.) neu gefaßt. Darin ist die Errichtung eines Beirates vorgesehen. Diese Neufassung des Gesellschaftsvertrages sollte gemäß § 6 des Vertrages vom 30.12.1999 mit der Zahlung des Kaufpreises durch die B GmbH wirksam werden. In einem Gesellschafterbeschluß der Klägerin vom 30.12.1999 (Bl. 250-251 d. A.) beschlossen die B GmbH und die W GmbH, daß neben drei weiteren Personen zunächst die Beklagten zu 2.) und 3.) dem Beirat der Klägerin angehören sollen.

Die B AG teilte der Klägerin durch Schreiben ihres Rechtsanwalts P vom 17.1.2000 (Bl. 124-125 d. A.) mit, daß sie von dem Bauträgervertrag vom 25.11.1997 wegen der Verzögerung der Herstellung der Bezugsfertigkeit der verkauften Wohnungen zurücktrete.

Der Erstbeklagte, der seit dem 30.12.1999 alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war, plante am 27.1.2000, den Bauträgervertrag vom 25.11.1997 durch notariellen Vertrag aufzuheben. Die W GmbH, die davon erfuhr, entsandte noch am gleichen Tag einen zweiten Geschäftsführer, Herrn P , in die Komplementärin der Klägerin. Hiervon unterrichtete sie über den Beklagten zu 1.) die Klägerin, die B GmbH sowie den Notar S, der nach den Plänen des Beklagten zu 1.) den Aufhebungsvertrag beurkunden sollte, durch Telefax vom 27.1.2000. Zur für 17 Uhr geplanten Beurkundung kam es nicht.

Der Beklagte zu 1.) entließ mit kurz nach 20 Uhr verfaßten Schreiben vom 27.1.2000 an den anwaltlichen Vertreter der B AG diese aus allen Verpflichtungen aus dem Bauträgervertrag vom 25.11.1997 (Bl. 90 d. A.). Außerdem teilte er mit Telefax vom gleichen Tage (Bl. 91 d. A.) der B GmbH mit, sie habe wegen des Rücktritts der B AG vom Bauträgervertrag vom 25.11.1997, dem er zugestimmt habe, keinerlei Zahlungspflichten gegenüber der Klägerin mehr.

Da die B GmbH den Kaufpreis von DM 7.172.999,63 für die Beteiligungen an der Klägerin bis zum 31.1.2000 nicht an die W GmbH gezahlt hatte, nahm die N KG deren Angebot in Abschnitt D des notariellen Vertrages vom 30.12.1999 am 1.2.2000 an und überwies den Kaufpreis von DM 7.172.999,63 am 2.2.2000. Mit dieser Kaufpreiszahlung schied die B GmbH sowohl bei der Klägerin als auch bei deren Komplementärin als Gesellschafterin aus. Beide Unternehmen gehören damit seit dem 1.2.2000 vollständig zur W Bank Gruppe: Die W GmbH ist mit jeweils 6 %, die N KG mit jeweils 94 % beteiligt.

Nach diesem Gesellschafterwechsel berief die Klägerin den Erstbeklagten als Geschäftsführer und die Beklagten zu 2. und 3. als Beiratsmitglieder ab. Der Drittbeklagte protestierte dagegen mit Schreiben vom 10.2.2000. Der Erstbeklagte hat sich gegen seine Abberufung als Geschäftsführer mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vergeblich zu wehren versucht.

Die Klägerin forderte die B AG mit anwaltlichem Schreiben vom 10.2.2000 auf, die fertiggestellten Wohnungen am 3.3.2000 abzunehmen. Dies lehnte die B AG mit Schreiben vom 28.2.2000 mit der Begründung ab, der Bauträgervertrag sei am 27.1.2000 einvernehmlich aufgelöst worden.

Von den 182 Wohneinheiten im Projekt M wurden bis zum Jahr 2000 einschließlich der an die B veräußerten Wohnungen 113 verkauft.

Die Klägerin hat die B GmbH vor dem Landgericht Potsdam in dem Verfahren 2 O 184/00 aus der von dieser für die Verbindlichkeiten der B AG aus dem Bauträgervertrag vom 25.11.1997 übernommenen Bürgschaft in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage mit am 5.7.2000 verkündeten Urteil abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in dem Verfahren 6 U 146/00 mit am 10.4.2001 verkündeten Urteil zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Die Klägerin hat behauptet, die B GmbH stehe - über die C - wirtschaftlich im Eigentum der Beklagten zu 1.) und 2.). Das gleiche gelte für die B AG. Der Beklagte zu 3.) sei im Januar 2000 alleiniger Vorstand der B AG gewesen.

Die an die B AG verkauften Wohneinheiten seien bezugsfertig. Es fehlten lediglich noch die Fliesenspiegel und der Einbau der Küchen. Grund hierfür sei, daß die Hauptschuldnerin eine Bemusterung ausdrücklich abgelehnt habe.

Die Schreiben der Hauptschuldnerin, mit denen diese die Bezugsfertigkeit der Wohnungen - verbunden mit einer Ablehnungsandrohung - angemahnt habe, habe sie nicht erhalten. Diese Schreiben seien nachträglich verfaßt worden.

Die Klägerin hat gemeint, die Ausübung des Rücktrittsrechts durch die B AG sei treuwidrig. Es habe der B GmbH nach dem mit der Klägerin geschlossenen Projektmanagement- und Projektsteuerungsvertrag vom 15.4.1997 oblegen, dafür Sorge zu tragen, daß die vertraglich vereinbarten Übergabetermine eingehalten wurden.

Die Klägerin hat behauptet, die vom Beklagten zu 1.) geschlossenen Aufhebungsvereinbarungen schädigten sie. Die Wohnungen könnten heute nicht mehr zum seinerzeit vereinbarten Kaufpreis von rund 3.950,00 DM/m2 veräußert werden. Sie verhandele derzeit über einen Verkauf an die B Gruppe zu einem Kaufpreis von 2.841,00 DM/m2. Die Kaufinteressentin verlange außerdem einen Mietzuschuß in Höhe von 4,00 DM/m2 für zehn Jahre. Darin sowie in dem Minderkaufpreis liege ihr Schaden. Hinzu träten die Zinsen auf die Baukosten sowie die Kosten für die laufende Unterhaltung. Ihr Schaden betrage annähernd 2 Mio. DM und sei noch nicht abschließend bezifferbar. Sie habe die Wohnungen im testierten Jahresabschluß auf 2.960,00 DM/m2 abgewertet. Es gebe derzeit keine Kaufinteressenten. Dem Beklagten zu 1.) sei die Nachteiligkeit der Vertragsaufhebung für die Klägerin bekannt gewesen. Der Beklagte zu 1.) habe sich trotz Warnungen des Justitiars, des Zeugen M G , nicht davon abhalten lassen, zu dem geplanten Beurkundungstermin am 27.1.2000 zu fahren. Er sei durch den Beklagten zu 2.) nachhaltig darin bestärkt worden, die geplanten Maßnahmen zur Entlastung der "Familienkasse" durchzuführen. Dem Beklagten zu 3.) habe es oblegen, der Aufhebung des Bauträgervertrages zwischen der Klägerin und der B GmbH zu widersprechen und die Aufhebung des Vertrages zu verhindern. Sein Tatbeitrag liege jedenfalls darin, daß die von ihm als Alleinvorstand vertretene B AG Partei des die Klägerin schädigenden Aufhebungsvertrages sei.

Die Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner den Schaden zu ersetzen haben, der daraus entsteht, daß der Beklagte zu 1.) mit Schreiben vom 27. 1 .2000 den Bauträgervertrag vom 25.11.1997 mit der B Aktiengesellschaft, (UR-Nr. des Notars R S mit dem Amtssitz in B ) aufgehoben und die B mbH, , aus ihrer Bürgschaft vom 21.11.1997 über 7.099.540,00 DM entlassen hat.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen

Die Beklagten haben gemeint, die Klage sei unzulässig, weil der Klägerin angesichts der gegenüber der B GmbH erhobenen Leistungsklage das Feststellungsinteresse fehle. Das Landgericht Potsdam sei jedenfalls für eine Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) nicht zuständig. Derartige Ansprüche seien nach § 17 Abs. 4 des neuen Gesellschaftsvertrages der Klägerin und nach Teil F § 4 des Vertrages vom 30.12.1999 in Verbindung mit dem Schiedsvertrag gemäß Anlage 4 zum Vertrag vom 30.12.1999 (Bl. 156-160 d. A.) vor einem Schiedsgericht geltend zu machen.

Der Bauträgervertrag sei bereits durch den Rücktritt der B AG vom 17.1.2000 beendet worden, weil sich die Klägerin im Verzug mit der Fertigstellung der verkauften Wohneinheiten befunden habe. Damit sei auch die Bürgschaft erloschen. Die Vertragsaufhebung durch den Erstbeklagten habe demgegenüber keine rechtliche Bedeutung mehr gehabt. Die Beklagten haben behauptet, die B AG, vertreten durch den Beklagten zu 2.), habe die Klägerin durch Schreiben vom 5.2.1999 (Bl. 126), 25.5.1999 (Bl. 127) und 27.8.1999 (Bl. 128) aufgefordert, den Kaufgegenstand herzustellen, in ihrem letzten Schreiben habe sie außerdem angedroht, von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Am 17.1.2000 seien die Wohnungen nicht fertig gestellt gewesen. Insbesondere hätten in allen Wohnungen die Küchen gefehlt.

Die Klägerin habe mit der Vertragsaufhebung mehrere Vorteile erlangt. Sie sei gegenüber der B AG nicht mehr verpflichtet gewesen, Küchen einzubauen. Die B AG habe auch auf Schadensersatz- und Rückforderungsansprüche in Höhe von über 500.000,00 DM verzichtet. Ein Schaden sei der Klägerin daher nicht entstanden. Die Wohnungen seien von der Klägerin im September 1999 und auch noch im Mai 2000 zu einem Quadratmeterpreis von 4.200,00 DM angeboten worden. Die Klägerin habe mit der W bank am 30.12.1999 einen Kreditvertrag abgeschlossen, in dem Mindestverkaufspreise für die Wohnungen von 4.100,00 DM (ohne Küchen) festgelegt worden seien. Demgegenüber seien die Wohnungen an die B AG mit einem Preisnachlaß von 10 % verkauft worden.

Der nunmehrige Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin habe in der Vergangenheit selbst für den Rückkauf der Wohnungen von der B AG plädiert. Daß die Klägerin im Jahr 2000 nur eine Wohnung verkauft habe, liege daran, daß sie sämtliche Bau-, Marketing- und Vertriebsaktivitäten gestoppt habe. Dieser Umstand habe dazu geführt, daß Kaufinteressenten erheblich weniger zu zahlen bereit seien als im November 1997. Ein Beirat habe sich bei der Klägerin noch nicht konstituiert. Im übrigen habe die Funktion des Beirates ausschließlich in der Beratung der Geschäftsführung bestanden. Dem Beirat hätten keinerlei Weisungsrechte, Zustimmungsvorbehalte oder andere Instrumente der Einflußnahme zur Seite gestanden.

Das Landgericht hat den Rechtsstreit durch am 29.11.2000 verkündeten Beschluß hinsichtlich des Beklagten zu 1.) bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die B GmbH (Landgericht Potsdam 2 O 184/00, Brandenburgisches Oberlandesgericht 6 U 146/00) ausgesetzt. Gegen den Aussetzungsbeschluß hat keine der Parteien Rechtsmittel eingelegt.

Das Landgericht hat mit am gleichen Tag verkündeten Teilurteil die Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) abgewiesen.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 7.12.2000, hat die Klägerin durch bei Gericht am 8.1.2001, einem Montag, eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 6.3.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf ihren am 2.2.2001 eingegangenen Antrag bis zum 8.3.2001 verlängert worden war.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, die Beklagten zu 2.) und 3.) seien der Klägerin nach den Grundsätzen der Organhaftung gemäß den §§ 52 GmbHG, 116, 93 AktG zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagten hätten spätestens Mitte/Ende Januar 2000 genau gewußt, daß die von ihnen beherrschte R GmbH den für die Beteiligungen an der Klägerin geschuldeten Kaufpreis nicht würde bezahlen können. Ihnen sei weiter bekannt gewesen, daß die N KG das Recht haben würde, alle Beteiligungen der B GmbH an der Klägerin zu übernehmen und daß es in der Folge zu einem kurzfristigen Widerruf der Ämter der Beklagten bei der Klägerin kommen werde. Sie seien sich darüber einig gewesen, die Zahlungsverpflichtungen der B AG und der B GmbH schleunigst zu beseitigen. Der Beklagte zu 1.) habe am 27.1.2001 in Abstimmung mit den Beklagten zu 2.) und 3.) und auf ausdrückliche Anweisung des Beklagten zu 2.), seines Vaters, gehandelt. Der Beklagte zu 3.) habe keinen aktiven Tatbeitrag geleistet. Er habe es allerdings unterlassen, die Gesellschafter der Klägerin zu informieren und stattdessen als Vorstand der B AG Herrn Rechtsanwalt P mandatiert, alle erforderlichen Schritte gemeinsam mit dem Beklagten zu 1.) in die Wege zu leiten. Den Beklagten zu 2.) und 3.) habe es als Beiratsmitgliedern oblegen, die Gesellschafter der Klägerin zu informieren und zu warnen. Wenn sie dies getan hätten, hätte die W GmbH die Aufhebung des Bauträgervertrages vom 25.11.1997 schon dadurch verhindert, daß die W Bank der Klägerin keine weitere Kredite zur Verfügung gestellt hätte.

Zwar habe sie, die Klägerin, die Anzahlung der B AG behalten, allerdings habe sie dadurch kaum einen Vorteil. Es sei nämlich ein Betrag von 4 % der Kaufpreise an die B GmbH als Projektsteuergesellschaft geflossen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Potsdam vom 29.11.2000 - 2 O 183/00 - festzustellen, daß die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner der Klägerin den Schaden zu ersetzen haben, der ihr daraus entsteht, daß der Beklagte zu 1.) jeweils mit Schreiben vom 27.1.2000 den Bauträgervertrag der Klägerin mit der B Aktiengesellschaft, vom 25.11.1997 (UR-Nr. des Notars R S mit dem Amtssitz in B ) aufgehoben und die B mbH, , aus ihrer Bürgschaft vom 21.11.1997 über 7.099.540,00 DM entlassen hat.

Die Beklagten zu 2.) und 3.) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das landgerichtliche Urteil für richtig. Zwar seien sie als Beiratmitglieder ernannt worden. Der Beirat der Klägerin habe sich jedoch niemals konstituiert und sei niemals zusammengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie war zurückzuweisen.

1.) Das Landgericht durfte über die gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) gerichtete Klage unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreits gegen den Erstbeklagten durch Teilurteil entscheiden. Das Teilurteil war zulässig, § 301 Abs. 1 ZPO. Der Rechtsstreit war insoweit zur Entscheidung reif.

Der Klaganspruch ist teilbar. Die Beklagten sind nicht notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO, sondern nur einfache Streitgenossen. Bei einfacher Streitgenossenschaft kann gegen einzelne Streitgenossen durch Teilurteil entschieden werden (BGH NJW 1988, 2113).

Die Entscheidung über die Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) ist auch unabhängig von der Schlußentscheidung.

Das Landgericht hat den Rechtsstreit gegen den Erstbeklagten im Hinblick auf den Rechtsstreit des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 2 O 184/00 ausgesetzt mit der Begründung, Voraussetzung für seine Verurteilung im hiesigen Verfahren wegen der am 27.1.2000 von ihm vorgenommenen Aufhebung des Bauträgervertrages vom 25.11.1997 und der Entlassung der B GmbH aus der Bürgschaftsverpflichtung sei der Eintritt eines Schadens auf Seiten der Klägerin. Ein Schaden könne aber nicht eintreten, wenn die Klägerin mit ihrer Erfüllungsklage gegen die B GmbH Erfolg habe.

Diese Begründung hätte grundsätzlich eine Aussetzung des gesamten Rechtsstreits gerechtfertigt. Die drei Beklagten werden gesamtschuldnerisch wegen desselben Schadens bei der Klägerin in Anspruch genommen. Der gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) geltend gemachte Anspruch setzt deshalb denselben Schaden voraus wie der Anspruch gegen den Beklagten zu 1).

2.) Die Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) kann jedoch aus Gründen abgewiesen werden, die von dem weiteren Verlauf des Verfahrens gegen den Erstbeklagten unabhängig sind.

a. Die Klage ist zwar zulässig. Für die Feststellungsklage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Richtig ist auch, daß die von den Beklagten genannten Schiedsklauseln der Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehen. Diese Ausführungen des Landgerichts werden von den Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht beanstandet.

b. Die Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) ist aber unbegründet.

aa.) Die Klägerin kann die Beklagten zu 2.) und 3.) in ihrer Eigenschaft als ihre Beiratsmitglieder nicht in Anspruch nehmen.

Die Beklagten zu 2.) und 3.) trafen gegenüber der Klägerin noch keinerlei Pflichten als Beiratsmitglieder. Dies gilt schon deshalb, weil der in der Neufassung des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Beirat als Organ der Klägerin rechtlich nicht zur Entstehung gelangt ist. Das Wirksamwerden der Neufassung des Gesellschaftsvertrages und damit das Entstehen des Beirates setzte voraus, daß die B GmbH den Kaufpreis für die Beteiligungen an der Klägerin bezahlt. Dies ist nicht geschehen.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehmen wollte, daß den Beklagten zu 2.) und 3.) als Mitgliedern eines zukünftigen Beirats der Klägerin bereits mit ihrer Benennung Beiratspflichten trafen, ist nicht ersichtlich, daß die Verletzung derartiger Pflichten ursächlich für den von der Klägerin behaupteten Schadenseintritt geworden sind. Die Klägerin legt den Beklagten zu 2.) und 3.) zur Last, daß sie den Beklagten nicht von seinem Vorhaben abgebracht hatten. Die Beklagten zu 2.) und 3.) wären jedoch rechtlich nicht in der Lage gewesen, den Beklagten zu 1.) am 27.1.2000 von den Handlungen abzuhalten, die ihm die Klägerin zur Last legt.

Zum einen war der Beirat als Organ noch nicht handlungsfähig. Zwar waren vier von fünf Beiratsmitgliedern bereits durch Gesellschafterbeschluß namentlich benannt. Daß die vier Beiratsmitglieder das fünfte Mitglied - wie im Gesellschaftsvertrag der Klägerin vorgesehen - bereits bestimmt hatten, ist dagegen weder vorgetragen noch ersichtlich. Einzelne Organmitglieder wären also nicht in der Lage gewesen, einen Zusammentritt des Beirats herbeizuführen und ihn zu einer Organhandlung zu veranlassen.

Zum anderen stand dem in der Neufassung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin vom 30.12.1999 vorgesehenen Beirat nicht die Möglichkeit zu, dem Geschäftsführer der Komplementärin Anweisungen zu erteilen. Der Beirat war ein Organ der klägerischen Kommanditgesellschaft, kein Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH i. S. d. § 52 GmbH. Seine Funktion bestand ausschließlich in der Beratung der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin und ihrer Geschäftsführung. Aus der von der Beklagten vorgelegten Neufassung des Gesellschaftsvertrages ergeben sich keinerlei Weisungsrechte, Zustimmungsvorbehalte oder andere Instrumente der Einflußnahme gegenüber der Geschäftsführung.

Daß der Beklagte zu 1.) trotz der vorstehenden Gründe sich an eine Weisung einzelner Beiratsmitglieder gehalten hätte, wenn sie denn erfolgt wäre ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit fehlt es an dem Nachweis einer Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzung für den Schaden.

Die Beklagten zu 2.) und 3.) sind auch nicht deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie aus ihrer künftigen Stellung als Beiratsmitglieder fließende Treuepflichten verletzt hätten. Es ist schon zweifelhaft, ob eine künftige Stellung Treuepflichten begründen kann. Dies kann jedoch dahinstehen. Jedenfalls ist keine Treuepflichtverletzung ersichtlich.

Die Beklagten haben nicht an den von der Klägerin beanstandeten Handlungen des Beklagten zu 1.) mitgewirkt.

Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert und dem Beweis zugänglich vorgetragen, daß die Beklagten zu 2.) und 3.) an der vom Beklagten zu 1.) vorgenommen Aufhebung des Bauträgervertrages vom 25.11.1997 und an der Entlassung der B GmbH aus der von dieser übernommenen Bürgschaft mitgewirkt hätten.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagten zu 2.) und 3.), der nach ihrer Streitwertangabe für die Feststellungsklage eine siebenstellige Höhe haben dürfte, in der Klageschrift (Bl. 8 d. A.) lediglich behauptet, der Beklagte zu 1.) habe sich trotz Warnungen des Justitiars der Klägerin G nicht davon abhalten lassen, zu dem mit dem Notar S vereinbarten Beurkundungstermin zu fahren, er sei hierin durch den Beklagten zu 2.) "nachhaltig bestärkt" worden. Auf das Bestreiten des Beklagten zu 2.) in seiner Klageerwiderung (Bl. 257 d. A.) und dessen Rüge, es sei nicht ersichtlich, was ihm vorgeworfen werde, hat die Klägerin weiter vorgetragen, die Beklagten zu 2.) und 3.) seien von dem Vorgehen des Beklagten zu 1.) am 27.1.2000 nicht nur informiert gewesen, sondern hätten es mitgeplant und ihn unterstützt (Bl. 283 d. A.). Der Beklagte zu 2.) habe sich den Warnungen des Justitiars nicht etwa angeschlossen, sondern den Beklagten zu 1.) im Gegenteil bestärkt, die geplanten Maßnahmen zur Entlastung der "Familienkasse" durchzuführen (Bl. 284 d. A.). Gegenüber dem erneuten Bestreiten der Beklagten (Bl. 313 d. A.) hat die Klägerin nichts weiter vorgetragen.

Hierzu hätte jedoch Veranlassung bestanden. Zu der angeblichen gemeinsamen Planung fehlt schon jeglicher Vortrag. Auch zu den Vorgängen am 27.1.2000 ist der Vortrag in keiner Weise ausreichend. Der Beklagte zu 2.) ist in Ö wohnhaft, der Beklagte zu 1.) in B Es ist schon nicht ersichtlich, wo sich die beiden Beklagten getroffen haben sollen und wie es kam, daß der Justitiar der Klägerin G ebenfalls anwesend war. Es ist auch nicht vorgetragen, ob noch weitere Personen anwesend gewesen sein sollen. Wann am 27.1.2001 dies gewesen sein soll, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Weiter ist nicht dargelegt, worin die "nachhaltige Unterstützung" des Beklagten zu 2.) gelegen haben soll. So bleibt offen, ob dies verbal - eventuell telefonisch - oder in irgendeiner tatsächlichen Hinsicht geschehen sein soll. All dies müßte erst von dem als Zeugen benannten Justitiar G erfragt werden. Angesichts dieser unzureichenden Darlegungen konnte eine Beweiserhebung nicht stattfinden. Sie würde einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.

Aus zutreffenden Gründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht ausgeführt, daß auch die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 2.) habe die Fristsetzungsschreiben vom 5.2., 25.5. und 27.8.1999 nachträglich erstellt, die Beteiligung des Beklagten zu 2.) an Handlungen des Beklagten zu 1.) am 27.1.2000 nicht beweise. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil andere Beweise nicht existieren.

Im Hinblick auf den Drittbeklagten hat die Klägerin lediglich erklärt, daß sein Tatbeitrag darin liege, daß die von ihm als Alleinvorstand vertretene B AG Partei des die Klägerin schädigenden Aufhebungsvertrages sei (Bl. 284 d. A.) und er in dieser Eigenschaft Rechtsanwalt P mandatiert habe, alle erforderlichen Schritte gemeinsam mit dem Beklagten zu 1.) in die Wege zu leiten. Diese Behauptung ist schon ersichtlich eine Behauptung ins Blaue. Wann und wo die entsprechenden Handlungen vorgenommen sein sollen, bleibt im Dunkeln. Die Klägerin hat im übrigen weder ihre bestrittene Behauptung, der Beklagte zu 3.) sei zum maßgeblichen Zeitpunkt Vorstand der B gewesen noch den ebenfalls bestrittenen Vortrag, er habe Rechtsanwalt P mandatiert, unter Beweis gestellt.

In der Berufungsbegründung (Bl. 425 d. A.) gibt die Klägerin zu, sie könne dem Beklagten zu 3.) einen Tatbeitrag durch aktives Tun nicht nachweisen. Sie meint aber, sie könne ihn aus einem Untätigwerden in Anspruch nehmen. Dies kann ihn jedoch nur dann zum Schadensersatz verpflichten, wenn er von den maßgeblichen Vorgängen wußte und - unterstellt er hatte eine Pflichtenstellung gegenüber der Klägerin - trotzdem nichts unternahm. Es ist jedoch schon nicht vorgetragen, wo sich der Drittbeklagte befand und wie er von der beabsichtigten Vertragsaufhebung Kenntnis erlangt haben soll.

Soweit die Klägerin den Beklagten zu 2.) und 3.) eine fehlende Unterrichtung der W vorwirft, ist schon nicht ersichtlich, inwiefern sie als Beiratsmitglieder der Klägerin gegenüber einer Gesellschafterin der Klägerin verpflichtet sein sollten.

Jedenfalls kann nicht angenommen werden, daß die unterlassene Informierung der Gesellschafterin W GmbH über die Absicht des Beklagten zu 1. den Bauträgervertrag vom 25.11.1997 aufzuheben und die B GmbH aus der von dieser übernommenen Bürgschaft zu entlassen, dazu geführt hätte, daß die Vertragsaufhebung unterblieben wäre. Bei einem Unterlassen haftet nur derjenige, dessen Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Schaden entfiele. Das kann hier nicht angenommen werden. Die Information der W GmbH wäre nicht geeignet gewesen, den behaupteten Schaden zu verhindern. Die W GmbH war nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bereits von dem Vorhaben des Beklagten informiert. Sie hat am 27.1.2000 anderweitig von dem Vorhaben des Beklagten zu 1.) erfahren, einen weiteren Geschäftsführer in die Komplementärin der Klägerin entsandt und dies dem Beklagten noch vor seinem Aufbruch zum Treffen mit dem Notar S zur Kenntnis gebracht. Das hat den Schadenseintritt auch nicht verhindert. Daß die W GmbH dafür hätte Sorge tragen können, daß die Klägerin keine Kredite mehr erhält und dies den Beklagten zu 1.) - rechtzeitig - abgehalten hätte, von den ihm vorgeworfenen Handlungen Abstand zu nehmen, ist in keiner Weise näher dargelegt.

bb.) Zutreffend hat das Landgericht weiter geprüft, ob die Beklagten zu 2.) und 3.) unabhängig von ihrer Stellung als - künftige - Beiratsmitglieder zum Schadensersatz verpflichtet sind. Es kommen Ansprüche gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerin in Betracht, §§ 826, 830 BGB. Auch diese Ansprüche können aber jedenfalls deshalb nicht greifen, weil es die Klägerin trotz entsprechenden Beanstandungen der Beklagten und trotz entsprechender Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil unterlassen hat, zu den schadensbegründenden Handlungen näher vorzutragen. Es mußte daher bei der Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 2.) und 3.) verbleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer der Klägerin ist gemäß § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO anzugeben.



Ende der Entscheidung

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