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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2007
Aktenzeichen: 6 W 17/07
Rechtsgebiete: BGB, BRAGO, RPflG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
BRAGO § 6
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 17/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin am 20. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1.) und 2.) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss (II. Instanz) des Landgerichts Potsdam vom 13.2.2006 - 8 O 24/02 - in der Fassung des teilabhelfenden Beschlusses vom 24.1.2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des Urteils des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.3.2005 von den Klägern an die Beklagten zu 1. und 2. zu erstattenden Kosten werden auf 5.304,07 € (i. B. fünftausenddreihundertvier und 7/100 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 4.921,74 € ab dem 21.3.2005 und aus 382,33 € seit dem 24.3.2005 festgesetzt.

Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 678,14 €.

Gründe:

I.

Die Kläger nahmen die Beklagten auf Schadensersatz wegen schuldhaft fehlerhafter Vermögensberatung bzw. ungenehmigter Unterschriftsvervielfältigungen beim Kauf von Fondsanteilen in Anspruch. Der Beklagte zu 1.) wohnt in Brandenburg, die zweitbeklagte Vermögensberatungsgesellschaft ist in Frankfurt/Main geschäftsansässig. Die beiden Erstbeklagten ließen sich in zweiter Instanz durch einen Rechtsanwalt aus Köln vertreten, der zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach Brandenburg anreiste.

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht wies die Berufung und der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zurück. Die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen haben die Kläger zu tragen.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) meldeten zur Kostenfestsetzung zweiter Instanz insgesamt 4.986,48 € brutto an. Außerdem meldeten sie 382,33 € an anwaltlichen Reisekosten im Berufungsverfahren zur Festsetzung an.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 13.2.2006 die Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO um 10 % gekürzt, nur die Hälfte der zur Festsetzung angemeldete Mehrwertsteuer in Höhe von anteilig 339,43 € für erstattungsfähig gehalten und außerdem anwaltliche Reisekosten fiktiv für die Anreise eines Prozessbevollmächtigten aus Potsdam in Höhe von 43,62 € festgesetzt. Der in diesem Beschluss insgesamt zugunsten der Beklagten zu 1.) und 2.) festgesetzte Betrag beträgt 4.625,93 €.

Gegen diesen Beschluss, der ihnen am 15.2.2006 zugestellt worden ist, haben die Beklagten zu 1.) und 2.) durch am 3.3.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die nur anteilige Festsetzung der Mehrwertsteuer gewendet und die Absetzung der anwaltlichen Reisekosten beanstandet haben.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 24.1.2007 im Wege der Teilabhilfe die restliche Mehrwertsteuer berücksichtigt und nunmehr 4.927,34 € festgesetzt, außerdem hat er dem Rechtsbehelf wegen der anwaltlichen Reisekosten nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, soweit ihr das Landgericht nicht abgeholfen hat. Zu Unrecht hat das Landgericht die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1.) und 2.) verneint.

Im Allgemeinen handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (BGH NJW 2003, 898 - Auswärtiger Rechtsanwalt II).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu 2.) keinen in der Nähe ihres Geschäftsorts ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts sind gleichwohl erstattungsfähig, allerdings nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspricht - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre. Darf eine Partei den für sie einfachen und nahe liegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- und Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, und nimmt sie die Mühen auf sich, einen nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufzusuchen, wird sie hierfür sachliche Gründe haben. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden wegen der Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts nicht betroffen (BGH NJW-RR 2004, 855 - Auswärtiger Rechtsanwalt III).

Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt.

Die beklagte Vermögensberatungsgesellschaft war jedoch, auch wenn sie über eine Rechtsabteilung verfügt, im vorliegenden Fall ausnahmsweise berechtigt, einen Rechtsanwalt an ihrem Geschäftsort einzuschalten. Nach den besonderen Umständen des Falles lag hier kein Routinegeschäft vor, das eine Rechtsabteilung ohne weiteres hätte bearbeiten können. Die Sache war vielmehr von erheblicher rechtlicher Schwierigkeit, so dass es auch aus der Sicht einer über eine Rechtsabteilung verfügenden Partei denkbar gewesen wäre, eine sachgerechte und ihre Interessen vollständig wahrende Prozessführung mündlich mit dem Prozessbevollmächtigten zu erörtern (BGH JurBüro 2003, 427; BGH BGHReport 2004, 780).

Die Kläger haben deshalb die fiktiven Reisekosten eines in Frankfurt (Main) ansässigen Rechtsanwalts zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zu erstatten. Dabei müssen sich die Beklagten zu 1.) und 2.) auch nicht darauf verweisen lassen, ihre Prozessbevollmächtigten hätten einen Terminsvertreter bestellen können (BGH MDR 2006, 296).

Die von der Beklagten zu 2.) geltend gemachten Kosten waren in vollem Umfang zu berücksichtigen. Bei einer Entfernung zwischen dem Sitz der Beklagten zu 2.) und dem Berufungsgericht von 507 km liegen die Fahrtkosten mit dem Pkw bei 273,78 € und das Abwesenheitsgeld von 2 x 56 € in der Größenordnung der von der Beklagten zu 2.) zur Festsetzung angemeldeten Kosten, hinzu kommen die Übernachtungskosten, weil das Berufungsgericht um 9 Uhr 30 terminiert hatte. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2.) sind kostengünstiger gereist, weil sie zwei Termine vor dem Berufungsgericht miteinander verbunden haben.

Bei der Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses war zu berücksichtigen, dass Reisekosten im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.2.2006 bereits in Höhe fiktiver Reisekosten und eines fiktiven Abwesenheitsgeldes im Betrag von 43,62 € festgesetzt worden sind. Außerdem war der teilabhelfende Beschluss insofern rechnerisch zu korrigieren als darin die Mehrwertsteuer auf die fiktiven Reisekosten festgesetzt wurde, obwohl die Festsetzung der Mehrwertsteuer auf die Reisekosten nicht beantragt war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO (339,43 € anteilige Mehrwertsteuer auf die Gebühren und 382,33 € abzüglich 43,62 € = 338,71 €).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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