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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 6 W 238/05
Rechtsgebiete: InsO, RPflG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 60
InsO § 61
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 210
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 101
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 238/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin am 2. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Streithelferin der Beklagten gegen den die Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten versagenden Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 24.10.2005 - 8 O 362/00 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Kostenfestsetzungsantrag der Streitverkündeten der Beklagten vom 23.4.2002 zurückgewiesen wird.

Die Streithelferin der Beklagten hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 13.783,71 €.

Gründe:

I.

Der klagende Insolvenzverwalter hat die Beklagten mit Klageschrift vom 19.5.2000 auf Zahlung von 330.000 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 27.8.2001 der Streitverkündeten den Streit verkündet. Diese ist mit Schriftsatz vom 13.2.2002 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.3.2003 das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht hat darauf Beweis erhoben und mit Urteil vom 15.6.2005 auf die Berufung der Beklagten erneut das klagestattgebende Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin und der Kosten des Revisionsverfahrens hat es dem Kläger auferlegt.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8.6.2004 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Die Streithelferin der Beklagten beantragte mit Schriftsatz vom 27.6.2005 die Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von insgesamt 13.783,71 €. In diesem Kostenfestsetzungsantrag wird Bezug genommen auf einen bereits am 23.4.2002 gestellten Kostenfestsetzungsantrag. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2005 den Kostenfestsetzungsantrag der Streitverkündeten vom 27.6.2005 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Kläger fehle wegen des Vollstreckungsverbots gemäß § 210 InsO für eine Kostenfestsetzung zugunsten der Streithelferin der Beklagten als Altmassegläubigerin das Rechtsschutzbedürfnis. Dies gelte auch für eine Feststellung der Kostentragungspflicht des Klägers, weil der Kläger den Erstattungsanspruch der Streithelferin der Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach in Abrede gestellt habe.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 24.10.2005 zugestellt worden ist, wendet sich die Streithelferin der Beklagten mit ihrer am 7.11.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie weiter eine Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten begehrt. Hilfsweise beantragt sie die Festsetzung lediglich der ihr nach Zurückverweisung durch den BGH entstandenen außergerichtlichen Kosten. Für den Fall der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, ihr Kostenerstattungsanspruch sei eine Neumasseverbindlichkeit.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 2.12.2005 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Kostenfestsetzung zugunsten der Streithelferin der Beklagten abgelehnt. Der Senat hat die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages der Streithelferin der Beklagten vom 23.4.2002, auf den sie in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 27.6.2005 Bezug genommen hat, die das Landgericht erkennbar auch hat aussprechen wollen, klarstellend in den Tenor dieses Beschlusses aufgenommen.

Die Streithelferin der Beklagten ist Altmassegläubigerin und kann als solche nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Kläger einen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht mehr erwirken. Wegen des Vollstreckungsverbotes des § 210 InsO besteht für das Betreiben der Kostenfestsetzung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (BGH, Beschluss vom 17.3.2005, IX ZB 247/03).

Auf die in Entscheidungen vom 22.9.2005 und am 29.9.2005 vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze (BGH, Beschluss vom 22.9.2005, IX ZB 91/05; BGH, Beschluss vom 29.9.2005, IX 98/05) für die Festsetzung der Kostenerstattungsansprüche von Neumassegläubigern kann nicht zurückgegriffen werden.

Es ist der Streithelferin der Beklagten zuzugeben, dass ihre Einbeziehung in den Rechtsstreit nicht unmittelbar auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen ist. Die Entstehung ihres Kostenerstattungsanspruchs beruht auf der Streitverkündung der Beklagten und auf ihrer eigenen Entscheidung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Wenn man der Argumentation der Streithelferin der Beklagten folgen wollte, für die Entstehung einer Masseverbindlichkeit sei ein Verhalten des Insolvenzverwalters erforderlich, an einem solchen fehle es hier, wäre ihr Kostenerstattungsanspruch nicht einmal Masseverbindlichkeit.

Der Kostenerstattungsanspruch der Streithelferin der Beklagten ist jedoch auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen und ergibt sich aus § 101 ZPO. Schließlich war es der Kläger, der den Rechtsstreit initiiert hat. Ohne diese Handlung wäre es auch nicht zur Streitverkündung gekommen. Mit der Einleitung des Rechtsstreits hat der Kläger auch die Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch von etwaigen Streithelfern der Beklagten gelegt.

Die Streithelferin der Beklagten ist bei eingetretener Masseunzulänglichkeit nur Altmassegläubigerin und nicht gegenüber den übrigen Altmassegläubigern privilegierte Neumassegläubigerin.

Nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind Neumasseverbindlichkeiten solche Verbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind. Altmasseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind solche, die vorher begründet worden sind. Entscheidend für die Einordnung einer Masseverbindlichkeit ist mithin, ob der Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit vor oder nach dem Zeitpunkt der Masseunzulänglichkeit liegt. Eine Neumasseforderung wird begründet, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit liegt, liegt er vor der Anzeige, so handelt es sich um eine Altmasseverbindlichkeit (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 209 Rn 10). Im vorliegenden Fall ist der Kostenerstattungsanspruch vor der Masseunzulänglichkeitsanzeige entstanden.

Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob für die Qualifikation des Kostenerstattungsanspruchs als Neu- bzw. Altmasseverbindlichkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift bei den Beklagten, auf die Streitverkündung oder auf den Zeitpunkt des Beitritts der Streithelferin der Beklagten abzustellen ist. All diese für die Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs der Streithelferin der Beklagten in Frage kommenden Zeitpunkte liegen zeitlich vor der Masseunzulänglichkeitsanzeige im Jahre 2004. Der Kläger hat im Jahre 2000 Klage erhoben. Die Zustellung der Streitverkündungsschrift erfolgte im Jahre 2001, der Beitritt der Streitverkündeten auf Seiten der Beklagten im Jahre 2002. Auf keinen Fall ist der Kostenerstattungsanspruch erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht entstanden. Zu diesem Zeitpunkt prozessierte die Streithelferin der Beklagten bereits jahrelang gegen den Kläger und hatte bereits im Jahre 2002 einmal die Kostenerstattung beantragt. Diesem Antrag hätte sie sich auch nicht entgegenhalten lassen, ihr Kostenerstattungsanspruch sei überhaupt noch nicht entstanden.

Auf den im Beschwerdeverfahren gestellten Hilfsantrag der Streitverkündeten der Beklagten können auch nicht die außergerichtlichen Kosten, die nach Zurückverweisung des Verfahrens durch den BGH an das Berufungsgericht entstanden sind, isoliert festgesetzt werden.

Bei dem Kostenerstattungsanspruch der Streithelferin der Beklagten handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, der im Verlaufe des Rechtsstreits, der verschiedene Instanzen durchlaufen hat, verschiedene Grade der Verfestigung erfahren hat. Er ist spätestens mit der Zustellung der Streitverkündungsschrift aufschiebend bedingt entstanden. Mit der ersten Berufungsentscheidung, die eine Kostenregelung zu ihren Gunsten enthielt, wandelte sich der aufschiebend Kostenerstattungsanspruch in einen auflösend bedingten Anspruch um. Unbedingt wurde er mit der rechtskräftig gewordenen zweiten oberlandesgerichtlichen Entscheidung.

Dieser Anspruch entsteht nicht mit jeder Prozesshandlung des Insolvenzverwalters neu. Gerichts- und Anwaltsgebühren sind nicht Entgelt für einzelne, sondern Entgelt für eine Gesamtheit gleichartiger Prozesshandlungen. Der Kostenerstattungsanspruch kann nicht einzelnen Verfahrensabschnitten bzw. einzelnen Instanzen zugeordnet und damit geteilt werden. Dogmatisch ist dies nicht zu rechtfertigen, weil der Kostenerstattungsanspruch eine einheitliche Verbindlichkeit ist. Das verfahrensabschließende Urteil, das den unbedingt gewordenen Kostenerstattungsanspruch enthält, beruht auf dem gesamten, ggfs. über mehrere Instanzen geführten Prozess (Jaeger, InsO, 2004, § 55 Rn 21).

Ob der Kläger persönlich der Streithelferin der Beklagten wegen Verletzung seiner Verpflichtungen nach den §§ 60, 61 InsO zum Schadensersatz verpflichtet ist, muss im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren nicht entschieden werden, weil diese Ansprüche zum einen materiellrechtliche Einwendungen darstellen, die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geprüft werden, zum anderen, weil sie nicht im Verhältnis des Klägers als Partei kraft Amtes, sondern - wenn überhaupt - zwischen dem Kläger persönlich und der Streithelferin der Beklagten entstanden wären.

Soweit es die Versagung der Feststellung der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Streithelferin der Beklagten angeht, bedurfte es keiner Entscheidung, weil sich das Rechtsmittel dagegen nicht richtet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Nur wenn der Beitritt der Streithelferin auf Seiten der Beklagten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfolgt wäre, wäre es erwägenswert, ihren Kostenerstattungsanspruch der Beklagten als Neumasseverbindlichkeit anzusehen. Diese Frage ist ungeklärt und wäre geeignet, im Rechtsbeschwerdeverfahren dem Bundesgerichtshof zugänglich gemacht zu werden. Sie brauchte hier jedoch nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Ende der Entscheidung

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