Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2009
Aktenzeichen: 6 W 70/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 26. März 2008 - 51 O 63/06 -teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30.10.2007 werden die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 1.393,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27.10.2007 unter Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages der Beklagten vom 21.12.2007 im Übrigen festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu 69 % und die Beklagte zu 31 % zu tragen. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der teilweise unterliegende Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts vom 21.6.2007 vorsorglich lediglich fristwahrend Berufung ein. Er bat zugleich die Beklagte, zunächst keinen Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren zu bestellen.

Mit am 28.9.2007 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete der Kläger seine Berufung.

Durch Beschluss vom 10.10.2007 wies der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Der Senat gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Beschluss binnen zwei Wochen. Dieser Beschluss wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23.10.2007 zugestellt.

Mit am 24.10.2007 bei Gericht per Fax eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage bestellten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten für das Berufungsverfahren. Sie stellten außerdem den Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Als Empfangszeit ist auf dem Schriftsatz der 24. Oktober 2007, 16.32 Uhr vermerkt.

Mit ebenfalls am 24.10.2007 per Fax eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage erklärte der Kläger die Rücknahme der Berufung. Als Empfangszeit ist auf dem Schriftsatz ebenfalls der 24. Oktober 2007, 16.32 Uhr vermerkt.

Im Faxjournal des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.10.2007 ist der Eingang des einseitigen Schriftsatzes des Klägers vom 24.10.2007 in der letzten Spalte auf der ersten Seite vor dem Eingang des Schriftsatzes der Beklagten vom 24.10.2007 mit dem darin enthaltenen Berufungszurückweisungsantrag verzeichnet. Im Faxjournal ist als Eingangszeit des Schriftsatzes mit der Berufungsrücknahme 16:31 Uhr vermerkt.

Der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger auferlegt.

Die Beklagte beantragte die Festsetzung der ihr im Berufungsverfahren entstandenen Kosten gegen den Kläger. Sie macht eine Verfahrensgebühr von 1,6 für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten sowie die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen zuzüglich Umsatzsteuer geltend.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 26.3.2008 die von dem Kläger der Beklagten zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 2.015,38 € festgesetzt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Er ist der Auffassung, der Beklagten seien keine zu erstattenden Kosten im Berufungsverfahren entstanden. Im Zeitpunkt des Einganges des Schriftsatzes der Beklagten vom 24.10.2007 sei das Berufungsverfahren durch seine Berufungsrücknahme bereits beendet gewesen. Jedenfalls sei für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten allenfalls eine Verfahrensgebühr von 0,8 angefallen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers durch Beschluss vom 30.4.2008 nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Einzelrichter hat durch Beschluss vom 16. Juli 2009 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist teilweise im Betrage von 622,37 € begründet und im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat der Beklagten für das Berufungsverfahren eine für die Tätigkeit von deren Prozessbevollmächtigten angefallene Verfahrensgebühr von 1,1 sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen nebst Umsatzsteuer zu erstatten. Ein weitergehender Erstattungsanspruch steht der Beklagten nicht zu.

1. Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei dem Gegner die diesem erwachsende Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig i.S. des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.11.2006, I ZB 39/06, Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2008, 10 W 74/08, Rn. 2 - jeweils zitiert nach juris). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 26.1.2006, III ZB 63/05). Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung abzustellen (Münchener Kommentar zur ZPO - Giebel, 3. A., Rn. 40 zu § 91 m.w.N.). Regelmäßig werden auch durch diese Handlungen bereits Kosten ausgelöst, so dass die grundsätzliche Anknüpfung an diesen Zeitpunkt auch sachgerecht ist. Da hier die Kosten jedoch nicht bereits durch das Abfassen des Schriftsatzes und/oder durch das Aufgeben des Schriftsatzes zur Post entstehen, sondern durch den Eingang des Schriftsatzes bei Gericht, ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen.

2. Die Stellung eines Sachantrages nach Rücknahme der Berufung ist als solche keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsgegners von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an; diese kann die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung nicht begründen. Dafür spricht auch, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist und es nicht sinnvoll erscheint, dieses Verfahren durch übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit zu belasten. Die Frage, ob dem Berufungsgegner in einem solchen Fall ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der für die Stellung eines Sachantrages vor Beendigung des Auftrages aufgewendeten Kosten zustehen kann, bleibt davon unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.11.2006, I ZB 39/06 für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Schutzschrift nach Rücknahme des Verfügungsantrags; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2008, 10 W 74/08 für die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten des Beklagten nach Klagerücknahme - jeweils zitiert nach juris)

3. Anfall und Notwendigkeit der von der obsiegenden Partei im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Kosten hat nach allgemeinen Grundsätzen die obsiegende Partei als Anspruchsteller darzulegen und glaubhaft zu machen.

4. Die Beklagte hat nicht glaubhaft machen können, dass sie den Sachantrag noch vor Beendigung des Berufungsverfahrens durch Rücknahme der Berufung gestellt hat. Anhand der auf den per Fax übersandten Schriftsätze des Klägers und der Beklagten vom jeweils 24.10.2007 lässt sich nur feststellen, dass beide um 16.32 Uhr empfangen worden sind. Nach dem Faxjournal des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.10.2007 ist der Schriftsatz des Klägers mit der Berufungsrücknahme vor dem Schriftsatz der Beklagten mit dem Berufungszurückweisungsantrag eingegangen. Da der Schriftsatz der Beklagten noch während des Berufungsverfahrens und mithin vor der Berufungsrücknahme des Klägers hätte eingehen müssen, damit die durch den Sachantrag anfallenden Kosten als objektiv notwendig hätten angesehen werden können, dies aber nach Vorstehendem nicht festgestellt werden kann, sind die Kosten der Beklagten in diesem Umfang nicht erstattungsfähig.

5. Der Beklagten sind jedoch erstattungsfähige Kosten für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.393,01 € entstanden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben jedenfalls eine Verfahrensgebühr von 1,1 verdient, die vom Kläger zu erstatten ist. Die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren ist stets eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung. Das war hier für die Beklagte umso mehr erforderlich, als der Kläger seine Berufung begründet hatte. Der Beschluss des 7. Zivilsenates des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10.10.2007, durch den er angekündigt hat, die Berufung des Klägers einstimmig zurückweisen zu wollen, ändert daran nichts. Zum einen bringt das Berufungsgericht in einem solchen Beschluss lediglich seine vorläufige Rechtsauffassung zum Ausdruck. Das Berufungsgericht ist an diesen Beschluss nicht gebunden. Zum anderen hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zu diesem Beschluss gesetzt, so dass die Beklagte auch deshalb zwingend Prozessbevollmächtigte für das Berufungsverfahren bestellen musste. Dass die Beklagte noch während des laufenden Berufungsverfahrens ihre Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren beauftragt hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Bestellungsschriftsatz vom 24.10.2007 vor 16.32 Uhr an diesem Tag verfasst und unterzeichnet haben müssen.

6. Die vom Kläger der Beklagten zu erstattenden Kosten berechnen sich danach wie folgt:

 Streitwert: 47.472,18 €
1,1 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV RVG, § 13 RVG 1.150,60 €
Entgelt für Post- und Telekommunikationsleistungen
gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Zwischensumme 1.170,60 €
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 222,41 €
Insgesamt 1.393,01 €

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 II Nr. 2 ZPO zugelassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Andere Oberlandesgerichte machen die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Gebühren für die Vertretung der Partei und deren Höhe bisher davon abhängig, ob die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter im Zeitpunkt der Mandatserteilung oder im Zeitpunkt der Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht verschuldet oder unverschuldet keine Kenntnis von der zwischenzeitlich bereits erfolgten Klage- oder Berufungsrücknahme hatten (OLG Hamburg, Beschluss vom 21.1.1998, 8 W 222/97; KG Berlin, Beschluss vom 21.3.2000, 1 W 1750/99; OLG Naumburg, Beschluss vom 29.1.2003, 8 WF 200/02; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.1.2004, 2 W 292/03; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.3.2009, 8 W 118/09). Der BGH hat bisher lediglich eine Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit von Kosten einer nach Rücknahme des Verfügungsantrages eingereichten Schutzschrift getroffen (Beschluss vom 23.11.2006, I ZB 39/06). Bereits das OLG Düsseldorf hat unter Berücksichtigung dieser Entscheidung die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts verneint, weil diese Kosten wegen bereits im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes beauftragter Klagerücknahme objektiv nicht mehr notwendig waren, ohne dass es auf eine verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der beklagten Partei von der Klagerücknahme ankäme (Beschluss vom 21.10.2008, 10 W 74/08).



Ende der Entscheidung

Zurück