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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: 7 U 110/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, StBerG


Vorschriften:

BGB § 252 Satz 2
ZPO § 287 Abs. 1
StBerG § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 110/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 31.1.2008

Verkündet am 31.1.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hein als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung am 7.12.2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.4.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.453 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2006 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 93 % und der Beklagte 7 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Gegner vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter steuerrechtlicher Beratung auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 258 - 262 d. A.).

Mit dem am 27.4.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe den Schaden, der ihr aus der fehlerhaften Beratung des Beklagten hinsichtlich ihrer Umsatzsteuerpflicht entstanden sein soll, nicht schlüssig dargelegt. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin im Falle einer richtigen rechtlichen Beratung durch den Beklagten Überlegungen angestellt hätte, die Gewinnsituation des jeweiligen Geschäftes anders zu gestalten. Zur Darlegung eines einschlägigen Schadens aufgrund der fehlerhaften Beratung hätte sie jedoch darlegen müssen, wie sie sich bei jedem Einzelgeschäft verhalten haben würde, wenn ihr ihre Umsatzsteuerpflicht bekannt gewesen wäre. Eine Typisierung der Vorgänge sei weder aus preispolitischer noch aus psychologischer Sicht möglich. Der Vortrag der Klägerin, sie habe im Rahmen der Baubeschreibung die Möglichkeit gehabt, die Kosten der Bauausführung zu reduzieren, bliebe in einem spekulativen Bereich ohne tatsächliche Grundlage. Ebenso sei die Preisbildung betreffend die Einzelgeschäfte durch Individualität gekennzeichnet.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr auf die verspätet gezahlten Umsatzsteuerbeträge zu entrichtenden Zinsen. Die Kosten der Einholung eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P... GmbH sei nicht erstattungsfähig, weil nicht erkennbar sei, in wie fern die Beauftragung jenes Unternehmens erforderlich gewesen sei. Die Forderung nach Zahlung entgangenen Gewinns wegen eines der Klägerin aufgrund der Steuernachzahlungen unmöglich gewordenen Erwerbs eines Grundstücks sei nicht begründet, da die Umsatzsteuer ohnehin zu zahlen gewesen sei.

Vorgerichtliche Anwaltskosten seien nicht erstattungsfähig, da es an einem Verzug des Beklagten fehle.

Das Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 7.5.2007 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 4.6.2007 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis zum 7.8.2007 am 6.8.2007 begründet hat.

Die Klägerin beanstandet die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht. Die Forderung des Landgerichts, es habe einer Darlegung der Verhältnisse bezüglich jedes Einzelgeschäftes bedurft, sei rechtsirrig. Aus § 252 Satz 2 BGB ergebe sich, dass im Wege des Schadensersatzes der Gewinn gefordert werden könne, welcher nach dem gewöhnlichem Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies habe sie unter Bezugnahme auf ihre Kalkulation dargelegt. So hätte sie die Preise um ca. 2.500 Euro erhöhen können, ohne dass dies zu einem Umsatzrückgang geführt hätte. Im Übrigen hätte sie auch bei der Ausstattung der einzelnen Bauvorhaben einsparen können. Das Landgericht habe überdies verkannt, dass § 287 Abs. 1 ZPO dem Gericht die Möglichkeit eröffne, zu prüfen, ob und in welchem Umfang im Wege der Schätzung jedenfalls ein Mindestschaden festgestellt werden könne.

Die Klägerin geht nach wie vor von entgangenem Gewinn in Höhe von 112.814,58 Euro aus, von dem allerdings die zu zahlende erhöhte Gewerbesteuer von 18.426,86 Euro abzuziehen sei. Hinzuzurechnen seien vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.246,45 Euro sowie die Summe der Zinszahlungen auf die Umsatzsteuernachforderungen von 7.770,00 Euro. Hilfsweise werden der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und des entgangenen Gewinns aus den Grundstückskaufverträgen weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 27.4.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) zu verurteilen, an den Kläger 103.404,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.3.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 17.8.2007 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

II.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich eines Betrages von 10.453 Euro Erfolg. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

1.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Schadensersatz wegen entgangenem Gewinns, den die Klägerin zweitinstanzlich nach Abzug der zu zahlenden erhöhten Gewerbesteuer mit 94.387,72 Euro beziffert, ist die Klage nicht begründet.

Bezüglich dieser Forderung steht der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung (pVV) zu.

Der Klägerin gelingt es nicht, einen durch die unzutreffende rechtliche Beratung des Beklagten zur Umsatzsteuerpflicht verursachten Schaden hinreichend darzulegen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird verwiesen. Die Angriffe der Berufung führen insoweit nicht zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung des Sachverhalts.

Die Darlegungslast für die Höhe des der Klägerin durch die Falschberatung des Beklagten entstandenen Schadens liegt bei der Klägerin. Dieser hat sie nicht entsprochen. Es mag der Klägerin mit der Rechtsprechung grundsätzlich zugute zu halten sein, dass sie sich im Falle richtiger Beratung darum bemüht hätte, die Gewinnspanne für die einzelnen Bauvorhaben zu erhöhen, um auf diese Weise ihre Gewinnerwartung abzüglich Umsatzsteuer zu sichern. Diese Vermutung allein hilft der Klägerin jedoch nicht, den reklamierten Schaden darzulegen. Es fehlt an einem ausreichenden Vortrag der von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen zur Sicherung ihrer Gewinnerwartungen aus den einzelnen Bauvorhaben.

Die Klägerin verweist auf zwei Möglichkeiten, die offen gestanden hätten, ihre Gewinnerwartungen trotz bestehender Umsatzsteuerpflicht zu sichern. Sie habe zum einen einen höheren Bruttopreis von ihren Kunden verlangen und durchsetzen und zum anderen den Aufwand für die einzelnen Bauvorhaben senken können. Dem Vortrag der Klägerin ist jedoch nicht zu entnehmen, welchen dieser Wege sie bei den einzelnen Verträgen oder jedenfalls generell gegangen wäre.

Das Landgericht hat von der Beklagten verlangt, dass diese für jedes Bauvorhaben vortrage, wie sie konkret auf die richtige Beratung durch den Beklagten reagiert hätte. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob dieser Weg der Darlegung der Entstehung eines Schadens der Klägerin der einzig zulässige ist. Auch stellt die Klägerin mit der Berufung nicht in Frage, dass die Entstehung eines Schadens und sein Umfang auf diese Weise dargelegt werden könnte. An solchem Vortrag fehlt es jedoch.

Für einen ausreichenden Vortrag eines beratungsgerechten Verhaltens im Bezug auf die von der Klägerin geschlossenen Verträge hätte sie darzulegen gehabt, dass der jeweilige Vertragspartner bereit gewesen wäre, Einbußen bei der zunächst eingeplanten Qualität der Ausstattung des Hauses bzw. einen höheren Preis zu akzeptieren.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Vertragspartner hätte im Einzelfall Qualitätseinbußen nicht bemerkt, weil diese nicht im Vertrag festgeschriebene Ausstattungen zum Gegenstand hätten, so wären die entsprechenden Maßnahmen und das daraus resultierende Einsparvolumen für jedes Bauvorhaben anzugeben gewesen.

Wenn die Klägerin alternativ Preiserhöhungen als durchsetzbar behauptet und dazu ausführt, sie habe im Umkreis von F... unter Berücksichtigung der angebotenen Qualität außerordentlich günstige Preise ausgewiesen, so reicht dieser Vortrag ebenfalls nicht. Die Klägerin nennt in diesem Zusammenhang zwar die Preise von ihr angebotener Haustypen. Vortrag zu den Preisen der Mitbewerber erfolgt lediglich in der Weise, dass auf ein Angebot eines Mitbewerbers mit einer Anzeige verwiesen wird, zu der das Anlagenkonvolut K15 zu den Akten gereicht worden ist. Dieses besteht aus vier Blatt Zeitungsanzeigen, die bereits das Datum ihres Erscheinens nicht erkennen lassen. Wenn das Berufungsgericht nach Durchsicht der Anzeigen zurecht davon ausgeht, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Angebot eines Reihenhauses für 102.500 Euro um das auf Blatt vier des Konvoluts, links oben, handelt, so ist jedenfalls der Vortrag, dieses habe eine Wohn- und Nutzfläche von ca. 92 qm bei schlechterer Ausstattung ausgewiesen, unzureichend. Es wird nicht erkennbar, welche Ausstattungsparameter hier gegenüber gestellt werden. Auch scheint der in Bezug genommenen Anzeige zu entnehmen zu sein, dass in dem dort (noch in DM) angegebenen Preis ein Grundstücksanteil von 253 qm enthalten ist.

Allerdings mag es im Rahmen einer Einzelfall bezogenen Darlegung reichen, darzutun, dass der höhere Preis jedenfalls bei dem oder einem konkreten Vertragspartner durchsetzbar gewesen wäre. Das hat die Klägerin zwar mit Schriftsatz vom 16. November 2006 behauptet und unter Beweis gestellt, indem sie sämtliche Vertragspartner der 62 hier streitgegenständlichen Bauvorhaben als Zeugen benannt hat. Dem Beweisantritt ist gleichwohl nicht nachzugehen, weil es die Klägerin versäumt hat, auszuführen, ob und in welchen Fällen sie sich entschieden hätte, statt einer Minderung der Qualität der Bauausführung einen höheren Preis von ihren Kunden zu verlangen. Des Weiteren ist der einschlägige Vortrag der Klägerin offenbar eine Behauptung "ins Blaue hinein". Es ist nicht erkennbar, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Pauschalbehauptung, alle 62 Verträge hätten zu einem 2.500 Euro höheren Preis abgeschlossen werden können, bei den benannten Zeugen vergewissert hätte. Dies ist in Ansehung der großen Zahl der Einzelfälle und der Zeugen auch nicht selbstverständlich. Eine Vernehmung der angebotenen Zeugen liefe deshalb auf eine Ausforschung hinaus.

Auch der von der Klägerin mit der Berufungsbegründung verfolgte Ansatz einer abstrakten Schadensermittlung gemäß § 252 Satz 2 BGB führt nicht zu einem Erfolg des Schadensersatzanspruches wegen entgangenem Gewinns.

Nach der zitierten Bestimmung ist zur Ermittlung des entgangenen Gewinns auf den Betrag abzustellen, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Die Klägerin macht im Rahmen der von ihr verfolgten abstrakten Schadensermittlung ebenfalls geltend, sie hätte aufgrund der gegebenen Marktverhältnisse eine Preiserhöhung von ca. 2.500 Euro brutto durchsetzen können. Alternativ habe sie die Möglichkeit gehabt, die in jedem Vertrag einkalkulierten 10.000 Euro Gewinnerwartung dadurch zu sichern, dass sie nicht ausdrücklich zugesagte Qualitätsparameter senke.

Auch in diesem Kontext ist die Darlegung beratungsgerechten Verhaltens bereits deshalb nicht schlüssig, weil die Klägerin letztlich offen lässt, welchen Weg der Sicherung der Gewinnerwartung sie tatsächlich gegangen wäre.

Des Weiteren ist der Vortrag der Klägerin im Rahmen einer abstrakten Schadensermittlung auch deshalb unzureichend, weil sie behauptet, sie hätte gegebenenfalls alle Angebotspreise um ca. 2.500 Euro erhöht. Dieser Vortrag ist nicht plausibel, weil sich aus den vorgelegten Übersichten zu den streitigen Umsätzen (Anlagen K6, K9, K17, K20) ergibt, dass die Vertragspreise - ohne Berücksichtigung des Vertrages "Gn..." mit einem Volumen von 7.156,09 Euro - zwischen 58.350,86 Euro (Vertrag "Go...") und 201.235,79 Euro (Vertrag "H...") schwankten. Es erscheint kaum vorstellbar, dass die Klägerin alle Bauvorhaben mit der gleichen Gewinnerwartung von 10.000 Euro kalkulierte bzw. zur Sicherstellung dieser Gewinnerwartung die Preise gleichförmig um 2.500 Euro erhöht hätte. Eine entsprechende Preisgestaltung ist auch der vorgelegten Übersicht zur Anlage K20 nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt vor, sie habe im Hinblick auf die vermeintlich nicht bestehende Umsatzsteuerpflicht die Preise ab dem Zeitraum 2000/2001 um einen entsprechenden Betrag gekürzt. Tatsächlich lassen sich zwischen dem vorausgegangenen Zeitraum und dem nachfolgenden bei den angegebenen Haustypen nach dem genannten Zeitpunkt Preissenkungen feststellen. So ist der Haustyp B 1999 zu einem Preis von 132.935,88 Euro verkauft worden (Bauvorhaben "P...") und im Zeitraum 2000/2001 für 128.000 Euro (Bauvorhaben "W..."). Die Preisdifferenz ist allerdings doppelt so hoch wie die hier in Ansehung einer Umsatzsteuerpflichtigkeit nach Angaben der Klägerin notwendigen von ca. 2.500 Euro.

Gleiches gilt für den Haustyp A, der 1999 für 112.484,02 Euro angeboten wurde (Bauvorhaben "Po...") und im nachfolgenden Zeitraum für 107.000 Euro (Bauvorhaben "N.../Ge..."). Die Preisdifferenz beträgt hier jedoch 5.484,21 Euro und damit sogar mehr als das Doppelte des zur Erfüllung der Umsatzsteuerpflicht erforderlichen.

Der Vortrag der Klägerin, sie habe eine bestimmte - absolute - Gewinnerwartung in jedes Bauvorhaben einkalkuliert, ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Bruttogewinne erheblich divergieren. So betrugen sie in einem Falle 981,87 Euro (Bauvorhaben "R.../K...") und in einem anderen Falle 22.605,28 Euro (Bauvorhaben "Bo..."). Die Klägerin macht zur Erklärung dieser Unterschiede der erzielten Gewinne geltend, die tatsächliche Abwicklung der Bauvorhaben habe zum Teil unerwartete Kosten mit sich gebracht. Das wird jedoch nicht näher ausgeführt. Kalkulationen zu den Einzelhäusern oder zumindest zu den Haustypen, die die behauptete Berücksichtigung eines Gewinns von 10.000 Euro pro Bauvorhaben auswiesen, hat die Klägerin trotz des Hinweisbeschlusses des Landgerichts vom 12.1.2007 sowie des Beklagten nicht zu den Akten gereicht.

Anlass zu einer Sachaufklärung, evtl. durch Einholung von Sachverständigengutachten - besteht auch deshalb nicht, weil der Vortrag der Klägerin zur Durchsetzbarkeit höherer Preise unzureichend ist. Wie bereits vorstehend ausgeführt, fehlt es am Vortrag zum Preisniveau vergleichbarer Angebote von Mitbewerbern im Vertriebsgebiet der Klägerin. Die Behauptung, die Klägerin habe unter Berücksichtigung ihres Leistungsverhältnisses unter dem Preisniveau der Mitbewerber gelegen, reicht nicht, um dieses durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln. Dies gilt umso mehr, als der Behauptung der Klägerin auch insofern Nachvollziehbarkeit fehlt. Der Beklagte hat bereits mit der Klageerwiderung zurecht darauf hingewiesen, dass sich Preise an dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Markt orientieren, was dafür spreche, dass die Klägerin ihres Erachtens am Markt seinerzeit durchsetzbare Preise verlangte, und zwar unabhängig davon, ob sie gemäß der Beratung des Beklagten Umsatzsteuer in dem hier in Rede stehenden Umfang zu zahlen hatte oder nicht. Hätten die von ihr geforderten Preise tatsächlich - gemessen an der von ihr gebotenen Qualität - unter dem Marktüblichen gelegen, erscheint die Annahme nicht fern liegend, dass sie auf diese Weise ihre Chance, Verträge zu schließen, erhöht hat.

Ein Schadensersatzanspruch wegen Gewinnentgangs ist der Klägerin auch nicht unter Berücksichtigung des § 287 Abs. 1 ZPO zuzuerkennen. Zwar eröffnet diese Bestimmung dem Gericht die Möglichkeit, über das Vorliegen und die Höhe eines Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden, wenn dieser unter den Parteien streitig ist. Im vorliegenden Falle ist eine entsprechende Schätzung des Schadens der Klägerin jedoch unzulässig, weil sich dem Gericht nicht hinreichende Anhaltspunkte für einen Schaden bieten. Wie vorstehend aufgezeigt, bestehen bereits Bedenken, ob die Klägerin überhaupt eine wirtschaftliche oder rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, in Kenntnis ihrer Umsatzsteuerpflicht die behauptete Gewinnerwartung zu sichern.

Auch wenn im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin einen höheren Preis oder einen geringeren Aufwand im Einzelfall hätte durchsetzen können, bleibt offen, ob dies bei kleineren oder größeren Bauvorhaben der Fall gewesen wäre und wie groß die Zahl der Fälle ist, auf die eine entsprechende Mutmaßung hätte Anwendung finden können. Hinzu kommt der unzureichende Vortrag der Klägerin zu den einkommenssteuerrechtlichen Auswirkungen der Erzielung eines höheren Gewinns.

Unerheblich ist auch der pauschale Vortrag der Klägerin, sie habe trotz erhöhter Preise ab der zweiten Jahreshälfte 2004 eine Zunahme der Vertragsabschlüsse und ihres Umsatzes erfahren. Hieraus kann nicht rückgeschlossen werden, dass die Klägerin in den vorausgegangenen Jahren in gleichem Ausmaß höhere Preise hätte durchsetzen können. Möglich ist ebenso ein Anstieg der Nachfrage nach Einfamilienhäusern. Außerdem ist das Bestreiten des Beklagten erheblich, die nunmehr vertragsgegenständlichen Bauvorhaben seien hinsichtlich ihrer Ausstattung mit den früheren nicht identisch. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

Schließlich ist die Klage hinsichtlich der in der Anlage K20 zum Schriftsatz der Klägerin vom 12. März 2007 aufgeführten Bauvorhaben, die sich auf Blatt 1 der Anlagen über dem dort durchgezogenen Strich befinden (Bauvorhaben "Po..." bis "Br...") schlicht unschlüssig. Die Klägerin hat mit ihrer Erläuterung hierzu klargestellt, dass die fehlerhafte Beratung des Beklagten nicht zu einem Schaden führte, weil in den vereinbaren Preisen noch anteilige Umsatzsteuer einkalkuliert war.

2.

Die Berufung hat Erfolg, soweit die Klägerin im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der von ihr zu zahlenden Zinsen auf die Umsatzsteuernachforderungen für die Jahre 1999 bis 2001 geltend macht. Insofern ist ihr ein Vermögensschaden entstanden. Soweit der Beklagte diesen Schaden mit dem Einwand entgegentritt, aus dem Vortrag der Klägerin auf Blatt 6 der Klageschrift ergebe sich, dass sie die Umsatzsteuerbeträge nicht zeitnah hätte zahlen können, ist dem nicht zu folgen. Eine entsprechende Aussage lässt sich dem zitierten Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Soweit an der angegebenen Stelle zu fehlender Liquidität der Klägerin vorgetragen hat, bezog sich dies auf die Zahlungsfähigkeit der Klägerin nach Leistung der Steuernachzahlungen im Jahre 2004. Daraus ergibt sich nicht, dass die Klägerin bei zeitnaher Abführung der Umsatzsteuerbeträge ebenfalls auf Kredit angewiesen gewesen wäre.

In Ansehung dieser Schadensersatzforderung greift die Einrede der Verjährung unter Bezugnahme auf den bis zum 14.12.2004 geltenden § 68 StBerG nicht durch. Der früheste Teilzeitraum, für den von Seiten des Finanzamtes Zinsen verlangt werden, ist der April 2001 hinsichtlich der Umsatzsteuerforderung für 1999. Hinsichtlich der übrigen Teilbeträge beginnt die entsprechende Zinspflicht jeweils ein Jahr später.

Da für den Beginn der Verjährungsfrist insofern auf den Zeitpunkt der Versäumung einer rechtzeitigen Zahlung der Umsatzsteuer abzustellen ist, ist aufgrund der Bescheide des Finanzamtes davon auszugehen, dass der Schaden frühesten falls zu Beginn des jeweiligen Zinszeitraums eingetreten ist. Insofern kann dahinstehen, ob die Verjährungsfrist des § 68 StBerG zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches mit der Klage bereits verstrichen war. Jedenfalls war es die Verjährungsfrist für Sekundäransprüche gegen den Beklagten wegen Versäumung seiner Verpflichtung, auf Schadensersatzansprüche ihm gegenüber hinzuweisen, noch nicht. Diese Pflicht bestand für den Beklagten mit der Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit seiner einschlägigen Beratung, die ihm im ersten Halbjahr 2004, spätestens am 24. Juni 2004 gekommen sein muss. Aus dem von der Klägerin als Anlage K 3 vorgelegten Bericht der Betriebsprüfung, die zu den hier streitgegenständlichen Umsatzsteuernachzahlungen führte, ergibt sich, dass an diesem Tage eine Schlussbesprechung zwischen zwei Vertretern des Finanzamtes F..., den Gesellschaftern der Klägerin und dem Beklagten stattfand. Tatsächlich wird die Erkenntnis der Umsatzsteuerpflicht der Klägerin auch beim Beklagten jedoch bereits frührer eingetreten sein. Aus dem Bericht ergibt sich, dass der Prüfungsbeginn der 16. Januar 2004 war. In dem Bericht wird ferner angegeben, dass auch der Beklagte Auskünfte erteilt habe. Es liegt deshalb nahe, dass der Beklagte seinen Rechtsirrtum bereits im ersten Quartal 2004 erkennen musste. Gegenteiliges wäre von dem Beklagten vorzutragen gewesen, der die Einrede der Verjährung erhoben hat. Anlass dazu bestand jedenfalls, nachdem die Klägerin auf die fehlende Verjährung des Sekundäranspruches hingewiesen hat.

3.

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die ihr für die Einholung der schriftlichen Stellungnahme der P... GmbH vom 16.7.2004 entstanden sind. Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihr die Rechtslage bereits von den Vertretern des Finanzamtes erklärt worden sei.

4.

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der nichtanrechenbaren Rechtsanwaltskosten, die entstanden wären, wenn sie den Beklagten ausschließlich mit den hier zustehenden Ansprüchen vorgerichtlich in Anspruch genommen hätte, also auf der Grundlage eines Streitwertes von 10.170 Euro.

Ausgehend von einer Gebühr von 526,00 Euro ergibt sich eine hälftige Gebühr von 263,00 Euro zuzüglich Auslagenpauschale von 20,00 Euro. Umsatzsteuer fällt nicht an, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist.

5.

Der weiterhin hilfsweise verfolgte Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns aus den entgangenen Grundstückseinkäufen im Jahre 2004 ist nicht begründet. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen die Klägerin mit der Berufungsbegründung nicht entgegengetreten ist, wird verwiesen.

6.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 21.12.2007 und vom 21.1.2008 sowie der Klägerin vom 21.1.2008 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

7.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

8.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung vom 7.12.2007 auf 147.754,17 Euro festgesetzt.

Zu berücksichtigen für die Streitwertfestsetzung sind die mit dem vorstehenden Urteil beschiedenen Ansprüche der Klägerin, die sie mit der Berufungsbegründung zur Untersetzung der Klageforderung hilfsweise geltend gemacht hat.

Ende der Entscheidung

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