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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 7 U 13/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 2 | |
BGB § 826 | |
ZPO § 543 Abs. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
7 U 13/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 10.1.2007
Verkündet am 10.1.2007
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Januar 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin schloss mit der M. J. ...betrieb J... GmbH (demnächst: GmbH) am 17.05.2004 einen Vertrag, wonach sie Gerüstarbeiten gegen Zahlung einer Pauschale von 53.000,00 € netto ausführen sollte. Die Beklagten waren geschäftsführende Gesellschafter der GmbH. Am 06.08.2004 veräußerten sie ihre Geschäftsanteile an der GmbH im Nennwert von insgesamt 60.000,00 € zu einem Kaufpreis von 5.000,00 € an R... L.... Am 29.11.2004 wurde für die GmbH ein Insolvenzantrag gestellt. Durch Beschluss vom 09.02.2005 wies das Amtsgericht Charlottenburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab.
Die Beklagten gründeten zeitgleich mit der Übertragung ihrer Anteile ein neues Unternehmen unter der Firma M... GmbH & Co. KG Malerei- und Trockenbaumontage.
Die Klägerin nimmt die Beklagten - persönlich - auf Begleichung ihrer restlichen Werklohnforderung in Höhe von 12.535,83 € in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an sie 12.535,83 € nebst 5 % Zinsen seit dem 17.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs stattgegeben.
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 17.01.2006 zugestellte Urteil am 26.01.2006 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung am 04.04.2006 begründet.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg, weil die Klage nicht begründet ist.
1.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts kann die Klägerin die Beklagten nicht im Wege des Haftungsdurchgriffs unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs in Anspruch nehmen.
a)
Das Rechtsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs hat der Bundesgerichtshof im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt (siehe hierzu: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 13 GmbHG, Rdnrn. 17 ff.). Dabei sind im Wesentlichen drei Fallgruppen zu unterscheiden.
Erstens:
Nach der Entscheidung BGHZ 151, 181, 186 müssen Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter für Nachteile einstehen, die den Gesellschaftsgläubigern dadurch entstehen, dass sie der Gesellschaft Vermögen entziehen, das sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.
Den Gesellschaftern steht es frei, die (Existenz der) Gesellschaft jederzeit zu beenden, sei es im Rahmen einer freiwilligen Liquidation, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. In jedem Fall hat ihre Beendigung jedoch in einem geordneten Verfahren zu erfolgen, in dem die Vermögenswerte der Gesellschaft zunächst zur Befriedigung ihrer Gläubiger zu verwenden sind (BGHZ 151, 181, 186).
Zweitens:
In dem Urteil vom 13.12.2004 - II ZR 256/02 (GmbHR 2005, 299, 301) hat der BGH eine Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs für möglich erachtet, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft Geschäftschancen und Ressourcen mit dem Ziel entzieht, sie auf eine andere von ihm beherrschte Gesellschaft zu verlagern. Das setzt allerdings voraus, dass wirtschaftlich verwertbare Geschäftschancen überhaupt noch bestanden, deren Nutzung eine günstigere Gestaltung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft im Hinblick auf ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht hätte.
Drittens:
Ein Missbrauch der Rechtsform der GmbH wird auch für die Fall einer sog. wilden oder kalten Liquidation gesehen (Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 17). Hierbei zieht der Gesellschafter im Vorwege die in der Gesellschaft gebündelten wertvollen Geschäftschancen an sich und überlässt anschließend den seiner Funktion als Haftungsträger beraubten, leeren, von kläglichen Resten abgesehen seiner wirtschaftlichen Werte entkleideten Gesellschaftsmantel mit den daran hängenden Verbindlichkeiten den Gesellschaftsgläubigern (so: Röhricht in: 50 Jahre BGH, 2000, Seite 83, 101).
b)
Das Landgericht ist - zusammengefasst - von einer ungeordneten Liquidation ausgegangen. Die Beklagten hätten ohne Erstellung eines ordentlichen Vermögensstatuts ihre Geschäftsanteile im Wege eines bloßen Mantelverkaufs veräußert. Dabei hat das Landgericht eine Existenzvernichtung der GmbH in ineinandergreifenden Umständen gesehen, nämlich auf der einen Seite in der Übertragung der Geschäftsanteile unter Beibehaltung der faktischen Geschäftsführung und andererseits in der Neugründung eines gleichartigen Gewerbebetriebes sowie in der zeitnahen Insolvenz der verkauften GmbH.
c)
Der Auffassung des Landgerichts kann indessen nicht gefolgt werden.
aa)
Entgegen der Annahme des Landgerichts haben die Beklagten ihr unter der Firma M. J. ...betrieb J... GmbH geführtes Unternehmen schon nicht beendet, sondern ihre Geschäftsanteile veräußert mit der Folge, dass das Unternehmen von dem Erwerber R... L... übernommen wurde. Eine Liquidation des Unternehmens hat somit nicht stattgefunden, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob es sich um eine ungeordnete Liquidation gehandelt hat.
Den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie ihre Geschäftsanteile veräußert haben. Der Inhaber eines Unternehmens darf dieses verkaufen, auch dann, wenn es wirtschaftlich angeschlagen sein mag.
Der Umstand, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens nach der Veräußerung eröffnet wurde, führt gleichfalls nicht zu einer Haftung der Beklagten. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass das Unternehmen im Zeitpunkt des Verkaufs bereits insolvenzreif gewesen sei.
bb)
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagten ihrem Unternehmen Geschäftschancen mit dem Ziel entzogen hätten, diese auf eine andere von ihnen beherrschte Gesellschaft zu verlagern.
Zwar haben die Beklagten nach der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile noch auf Geschäftsbögen des früheren Unternehmen der Klägerin selbst mit Schreiben vom 18.08.2004 (Bl. 26 d.A.) mitgeteilt, sie führten die Arbeiten ab 01.092004 in einem neuen Unternehmen fort. In einem weiteren Schreiben vom 01.10.2004 (Bl. 95 d.A.) - ebenfalls mit dem Briefkopf des früheren Unternehmens - haben sie einen anderen Geschäftspartner darüber unterrichtet, dass sie ihr unter der Firma M. J. ...betrieb GmbH geführtes Unternehmen einem Interessenten verkauft hätten, der es weiterführen werde. Aus der bloßen Verwendung der alten Geschäftsbögen lässt sich jedoch nicht folgern, dass die Beklagten ihrem Unternehmen zielgerichtet Geschäftschancen entzogen hätten.
Die Klägerin hat schon nicht ausreichend dargetan, welches Vermögen die Beklagten der GmbH bis zum Verkauf der Anteile entzogen haben sollen. Die Klägerin hat nur behauptet, das neu gegründete Unternehmen der Beklagten habe denselben Geschäftsinhalt und betreue denselben Kundenkreis des früheren Betriebes, wobei dessen Mitarbeiter übernommen worden seien. Für dieses Vorbringen hat die Klägerin mit dem Antrag auf Beiziehung der Handelsregisterakte (Bl. 6 d.A.) keinen tauglichen Beweis angeboten. Die Beklagten haben den Sachvortrag der Klägerin bestritten (Seite 6 des Schriftsatzes vom 19.07.2005 - Bl. 49 d.A.).
Die Klägerin hat auch nicht behauptet, die Beklagten hätten mit dem Erwerber ihres Unternehmens abgesprochen, dass die Kunden insgesamt zu dem neu gegründeten Betrieb übergehen sollten. Der Übernahme einzelner Kunden hätte nur ein Wettbewerbsverbot entgegengestanden, das der Erwerber sich hätte ausbedingen können; aus der Übernahme einzelner Kunden lässt sich eine Haftung unter dem Gesichtspunkt eines existenzvernichtenden Eingriffs allein nicht herleiten.
cc)
Insgesamt lässt der unstreitige Akteninhalt auch nicht den Schluss darauf zu, die Veräußerung der Geschäftsanteile sei als Fall einer sog. wilden oder kalten Liquidation zu werten. Entsprechende Absprachen bzw. Umsetzungen, die darauf gerichtet gewesen wären, den Beklagten als den Gesellschaftern die Geschäftschancen ihres früheren Unternehmens schon im Vorwege zu überlassen, sind nicht hinreichend dargetan. Im Gegenteil: "Seitens der GmbH" ist nach dem eigenen Vortrag der Klägerin noch am 24.08.2004 ihre 7. Abschlagsrechnung ausgeglichen worden (Seite 3 der Klageschrift - Bl. 3 d.A.). Aus der als Anlage K 1 vorgelegten Aufstellung (Schlussrechnung) der Klägerin (Bl. 18, 22) folgt, dass die Klägerin seit der Geschäftsanteilsübertragung vom 06.08.2004 an noch Zahlungen in Höhe von insgesamt 23.058,58 € erhalten hat. Angesichts dieser Zahlungen lässt sich ein existenzvernichtender Eingriff nicht feststellen. Der mit der Klage demgegenüber geltend gemachte Ausfall von 12.535,83 € reicht hierfür nicht aus.
2.
Auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten kommt eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht.
a)
Eine Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB wäre denkbar, wenn man einen existenzvernichtenden Eingriff bejahen könnte (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 826 BGB Rdnr. 35); sie setzt eine sittenwidrige Schädigung voraus. Hierfür hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend vorgetragen.
b)
Für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt einer Insolvenzverschleppung, wie mit Seite 6 der Berufungserwiderung (Bl. 298 d.A.) wiederholt, fehlt es an tragfähigem Sachvortrag der Klägerin. Aus dem Gutachten im Insolvenzeröffnungsverfahren vom 03.02.2005 (Bl. 188 ff. d.A.) ergibt sich nicht mit hinreichender Klarheit, dass die Beklagten ihre Insolvenzantragspflichten verletzt hätten.
c)
Im Berufungsrechtszug ist die Klägerin nicht mehr auf eine Haftung der Beklagten aufgrund zweckwidriger Verwendung von Baugeld gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 1, 2 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) zurückgekommen. Das Landgericht hat bereits zutreffend in seiner Verfügung vom 22.07.2005 (Bl. 56 d.A.) darauf hingewiesen, dass eine solche Haftung - nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.12.1999 - VII ZR 39/99), wie zu ergänzen ist - voraussetzt, dass die Firma M. J. ...betrieb J... GmbH als Generalunternehmerin bei dem Bauvorhaben beauftragt worden ist. Dass dies der Fall gewesen ist, kann nicht festgestellt werden.
3.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 15.12.2006 führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 12.535,83 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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