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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 7 U 137/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZPO
Vorschriften:
InsO § 132 Abs. 1 Nr. 1 | |
InsO § 134 Abs. 1 | |
InsO § 143 | |
InsO § 143 Abs. 1 | |
BGB § 288 Abs. 1 | |
BGB § 291 | |
BGB § 818 Abs. 4 | |
BGB § 819 Abs. 1 | |
ZPO § 143 Abs. 1 Satz 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
7 U 137/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 26.4.2006
Verkündet am 26.4.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 22.3.2006 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte unter Abänderung des am 27.7.2005 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder verurteilt, an die Klägerin 34.224,20 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 2.7.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 2.12.2001 zur Insolvenzverwalterin über das Vermögen der F... GmbH bestellt.
Der Beklagte war bis zum 24.6.2002 neben Herrn Dr. W... F... Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Am 24.6.2002 traten die Gesellschafter der Schuldnerin ihre Geschäftsanteile mit notarieller Urkunde des Notars ... in C... an die M... GmbH ab. Gleichzeitig wurde der Beklagte als Geschäftsführer der Schuldnerin abberufen. Am 25.7.2002 schlossen die Schuldnerin und der Beklagte eine Vereinbarung über den Erlass eines Gesellschaftsdarlehens in Höhe von 34.224,20 €.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung eines Betrages von 34.224,20 € in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 34.224,20 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 2.7.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, der Erlass des Darlehensanspruchs der Schuldnerin sei nicht unentgeltlich erfolgt, da er im Gegenzug im Zusammenhang mit der Beendigung seines Anstellungsvertrages keinen Abfindungsanspruch geltend gemacht habe bzw. auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet habe.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe ein Rückgewähranspruch nach § 143 InsO nicht zu. Eine Anfechtung des Darlehenserlasses unter dem Gesichtspunkt einer unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO komme nicht in Betracht. Der Klägerin sei es nicht gelungen, die Behauptung des Beklagten, die Leistung sei nicht unentgeltlich gewesen, zu widerlegen. Ebenso entfalle eine Anfechtung des Erlassvertrages nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Rechtsgeschäft der Schuldnerin, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt habe. Es fehle an einer unmittelbaren Benachteiligung, weil die Leistung der Schuldnerin aufgrund eines Gegenanspruchs des Beklagten auf Abfindung erfolgt sei, der ohnehin zu befriedigen gewesen wäre.
Das Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 29.7.2005 zugestellt worden. Die Klägerin hat gegen das Urteil am 19.8.2005 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.10.2005 am 1.11.2005 - dem Dienstag nach dem Reformationstag - begründet hat.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren bisherigen Anspruch weiter. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast des Beklagten für den von ihm geltend gemachten Abfindungsanspruch gegen die Schuldnerin verkannt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 27.7.2005 zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 34.224,20 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf ab dem 2.7.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, eine Vereinbarung über die Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ohne Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe der Verbindlichkeiten aus dem Verrechnungskonto des Beklagten sei mit dem Gesellschafterbeschluss der Schuldnerin vom 24.6.2002 getroffen worden.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat zugunsten des von ihr verwalteten Vermögens der F... GmbH gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückgewähr des geltend gemachten Betrages aus §§ 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO.
Der Erlassvertrag der Schuldnerin mit dem Beklagten vom 25.7.2002 ist gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Nach dieser Bestimmung ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.
Durch den Erlassvertrag sind die Insolvenzgläubiger zumindest mittelbar benachteiligt worden. Ohne den Erlassvertrag hätte der Schuldnerin ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe der Klageforderung zugestanden.
Der Erlass des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Schuldnerin gegenüber dem Beklagten mit Vereinbarung vom 25.7.2002 ist unentgeltlich erfolgt.
Unentgeltlich ist die Leistung des Schuldners, wenn der Empfänger für sie vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (Kreft in HeidelbKomm. zur InsO, 4. Aufl., § 134, Rn. 7). Eine entsprechende Gegenleistung des Beklagten ist nicht erkennbar.
Der Beklagte hat die Erbringung einer Gegenleistung für den Erlass des Darlehensrückzahlungsanspruchs gemäß Vereinbarung mit der Schuldnerin vom 25.7.2002 nicht hinreichend dargelegt. Der Beklagte hat zur Begründung der behaupteten Entgeltlichkeit des Erlasses vom 25.7.2002 auf eine Abfindung für seine Akzeptanz einer kurzfristigen Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Schuldnerin verwiesen. Ein Abfindungsanspruch ergibt sich jedoch weder aus dem Gesetz noch aus dem Anstellungsvertrag. Soweit der Beklagte behauptet, im Gegenzug für den Verzicht der Schuldnerin auf den Darlehensrückzahlungsanspruch seinerseits eine Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags mit der Schuldnerin unter Verzicht auf die Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist hingenommen zu haben, ist dieser Vortrag unzureichend.
Aus dem angefochtenen Vertrag der Schuldnerin mit dem Beklagten vom 25.7.2002 lässt sich der behauptete Verzicht des Beklagten und damit die Entgeltlichkeit der Vereinbarung nicht erkennen. Dies gilt auch unter Heranziehung des in der Vereinbarung in Bezug genommenen Gesellschafterbeschlusses der Schuldnerin vom 22.7.2002. Dieser Gesellschafterbeschluss, der von dem Geschäftsführer der neuen Gesellschafterin der Schuldnerin, das heißt dem Geschäftsführer der M... GmbH, gefasst wurde, regelt ebenfalls lediglich den Erlass der Darlehensverbindlichkeit des Beklagten.
Eine Entgeltlichkeit des Erlasses des Darlehensrückzahlungsanspruches vom 25.7.2002 lässt sich auch aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 24.6.2002 nicht erkennen. Nach dieser Beschlussfassung sollte bei den Kaufverhandlungen für den Fall, dass kein Kaufpreis in ausreichender Höhe gezahlt werde, um die Verrechnungskonten der Gesellschafter auszugleichen, mit der Käuferseite vereinbart werden, dass die Geschäftsführer nur zur Aufhebung des Geschäftsführervertrages ohne Einhaltung einer Frist bereit seien, wenn ihnen als Abfindung die Verbindlichkeiten aus den Verrechnungskonten erlassen wurden.
Eine diesem Gesellschafterbeschluss der Schuldnerin vom 24.6.2002 entsprechende Gestaltung des Kaufvertrages über die Geschäftsanteile des Beklagten und seines Mitgesellschafters Dr. F... findet sich in dem Geschäftsanteilsabtretungsvertrag zwischen den vorgenannten beiden früheren Gesellschaftern der Schuldnerin und der jetzigen Gesellschafterin vom 24.6.2002 nicht wieder. Deshalb kann nicht angenommen werden, dass die Erwerberin der Geschäftsanteile der Schuldnerin ihren Beschluss vom 22.7.2002 über den Erlass der den beiden früheren Gesellschaftern von der Schuldnerin gewährten Darlehen mit dem Ziel eines entgeltlichen Erlasses fasste und die Schuldnerin die Vereinbarung mit dem Beklagten vom 25.7.2002 in Ausführung dieser Absicht traf.
Der Vortrag des Beklagten zur Entgeltlichkeit des angefochtenen Erlassvertrages ist auch insofern unzureichend, als es um die Bemessung des als Abfindung dargestellten Verzichts auf die Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist aus dem Anstellungsvertrag geht. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich aus dem Anstellungsvertrag eine sechsmonatige Kündigungsfrist ergab. Zwar befindet sich eine Kopie des Vertrages, die als Anlage B 7 zu den Akten gereicht worden sein soll, tatsächlich nicht bei den Akten. Die Klägerin hat diesen Vortrag jedoch unbestritten gelassen. Ebenso kann eine Vergütung des Beklagten aus dem Anstellungsverhältnis von ca. 72,000,- € für einen Zeitraum von 6 Monaten als unstreitig gelten. Gleichwohl hat der Beklagte nicht dargelegt, nach welchem Maßstab sich die Bemessung der Abfindung für den Verzicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist in Höhe des Darlehensrückzahlungsanspruchs von 34.224,20 € ergab. Der Vortrag des Beklagten zur Höhe seines Abfindungsanspruches ist insbesondere deshalb unzureichend, weil dem Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer Dr. F... eine Darlehensforderung in mehr als dreifacher Höhe des Darlehensanspruches der Schuldnerin gegenüber erlassen wurde, obwohl er zum Zeitpunkt des Erlasses weder als Geschäftsführer abberufen worden war noch eine Beendigung des Anstellungsvertrages vorgetragen wird.
Der Vortrag des Beklagten zur Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs gegen die Schuldnerin in Höhe seiner Darlehensrückzahlungsverpflichtung ist mithin unzureichend. Deshalb ist dem Beweisantritt in der Berufungserwiderung zu "der Tatsache, dass die Abreden so wie diesseits vorgetragen, tatsächlich getroffen worden", nicht nachzugehen. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Darlegung der Abreden, sodass sich die Beweisaufnahme als unzulässige Ausforschung darstellen würde.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin liegt die Darlegungslast für die Unentgeltlichkeit der angefochtenen Leistung der Schuldnerin zwar bei der Klägerin (Kreft in HeidelKomm. zur InsO, 4. Aufl., § 134, Rn. 14 zur Beweislast). Allerdings hat die Klägerin ihrer Darlegungslast für die Unentgeltlichkeit des Forderungserlasses der Schuldnerin in hinreichendem Maße entsprochen. Soweit ihr Informationen und Dokumentationen zu den in diesem Verfahren von dem Beklagten unzureichend vorgetragenen Vereinbarungen über eine Abfindung in Höhe des streitbefangenen Darlehensrückzahlungsanspruches nicht vorliegen, trifft den Beklagten die Verpflichtung, die Behauptung der Klägerin zur Unentgeltlichkeit des angefochtenen Forderungserlasses substanziiert zu bestreiten, also die so genannte sekundäre Behauptungslast. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Behauptung des Beklagten, der Vortrag der Klägerin, für die von ihm behauptete Vereinbarung gebe es keine schriftlichen Nachweise in der Buchhaltung der Gemeinschuldnerin, sei falsch. Unabhängig davon, dass es naheliegend erscheint, dass der Beklagte von existierenden schriftlichen Nachweisen Kopien oder Zweitschriften hat, ist nicht dargetan, dass sich der Beklagte um Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin bemüht hat. Auch insofern erübrigt sich auch eine Vernehmung des als Zeugen angebotenen Geschäftsführers der Schuldnerin, Dr. F....
Die vom Tatbestand des § 134 Abs. 1 InsO geforderte Frist von vier Jahren zwischen Vornahme der unentgeltlichen Leistung der Schuldnerin und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gewahrt. Die unentgeltliche Leistung ist der Forderungserlass gemäß Vereinbarung der Schuldnerin mit dem Beklagten vom 25.7.2002. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist von der Schuldnerin am 4.9.2002 gestellt worden.
III.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 143 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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