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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 7 U 167/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 212 Abs. 1 | |
BGB § 212 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 301 | |
ZPO § 301 Abs. 1 | |
ZPO § 301 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 7 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
7 U 167/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 23.5.2007
Verkündet am 23.5.2007
in dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Oberlandesgericht Fischer
auf die mündliche Verhandlung vom 25.4.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird die Sache unter Aufhebung des am 27.9.2006 verkündeten Teilurteils der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam und des dem Urteil zugrunde liegenden Verfahrens an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe:
I.
Der Kläger hat die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Transportvergütung in Höhe von 50.088,80 € in Anspruch genommen.
Die Zedentin hatte gemäß schriftlicher so genannter Sicherungszession vom 5.5.2003 dem Kläger sicherungshalber sämtliche Forderungen gegen Dritte abgetreten. Am 22.9.2004 wurde über das Vermögen der Zedentin ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem Kläger mit der Vereinbarung vom 8./12.4.2005 einen Vergleich, wonach der Kläger die Forderungen der vormaligen Zedentin und jetzigen Schuldnerin gegen die Beklagte einziehen und mit eigenen Ansprüchen verrechnen darf.
Die Beklagte hat die fehlende Aktivlegitimation des Klägers geltend gemacht und die Einrede der Verjährung erhoben.
Hinsichtlich einer Reihe von Einzelansprüchen hat die Beklagte ferner eingewandt, es sei eine geringere Vergütung vereinbart gewesen, als vom Kläger geltend gemacht. Deshalb sei die Klage in Höhe von 3.962 € netto unbegründet.
Im Übrigen hat die Beklagte mit mehreren Gegenforderungen gegen die Klageforderung aufgerechnet. Diese Ansprüche in Höhe von insgesamt 50.088,80 € hat sie für den Fall, dass das Gericht die Aufrechnung für unzulässig erachten sollte, hilfsweise im Wege der Widerklage geltend gemacht.
Die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam hat am 27.9.2006 ein Teilurteil verkündet, mit dem der Klageforderung in Höhe von 46.126,80 € stattgegeben worden ist. Der Kläger sei aktivlegitimiert. Ihm stünde Transportvergütung mindestens in der ausgeurteilten Höhe zu. Diese Ansprüche seien auch nicht verjährt, da die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 31.8.2004 an den späteren Insolvenzverwalter der Schuldnerin ein Anerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben habe. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei ihr gemäß Ziffer 19 ADSp verwehrt.
Hinsichtlich der weitergehenden Klageforderung von 3.962 € sowie der hilfsweise geltend gemachten Widerklage hat das Landgericht gleichzeitig eine Beweisaufnahme angeordnet.
Das am 27.9.2006 verkündete Teilurteil ist der Beklagten am 28.9.2006 zugestellt worden. Die Beklagte hat gegen das Urteil am 10.10.2006 Berufung eingelegt, die sie nach antragsgemäßer Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 28.12.2006 am 27.12.2006 begründet hat.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, der Erlass des Teilurteils sei verfahrensfehlerhaft, weil die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestehe. Des Weiteren könne sie entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts gegen die Klageforderung mit Gegenansprüchen aufrechnen, da Ziffer 19 ADSp abbedungen worden sei. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass die mit der Klageforderung geltend gemachten Zahlungsansprüche verjährt seien.
Die Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Landgerichts Potsdam vom 27.9.2006 aufzuheben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen,
hilfsweise,
die Klage unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Potsdam vom 27.9.2006 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und des Verfahrens und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.
Nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO darf das Berufungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil ist. In diesem Falle bedarf es nicht einmal eines Antrages einer Partei auf Zurückverweisung. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Entscheidung liegen vor.
Das angefochtene Urteil ist ein Teilurteil, das entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassen worden ist.
Nach § 301 Abs. 1 ZPO kann durch Teilurteil entschieden werden, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
Ziel dieser Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils ist es, die Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil sicherzustellen. Deshalb ist die Unabhängigkeit des Teilurteils von der Entscheidung des Reststreits als selbstständige Zulässigkeitsvoraussetzung eines Teilurteils zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 301, Rn. 2)
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Maßgaben und des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Teilurteils ist das angefochtene Teilurteil unzulässig.
Das gilt zunächst bezüglich aller vom Kläger geltend gemachten Teilforderungen. In Ansehung der diesem gegenüber erklärten Aufrechnung der Beklagten mit Gegenansprüchen und der nur hilfsweise geltend gemachten Widerklage war die Klageforderung nicht für eine gesonderte Entscheidung reif gewesen.
Die hilfsweise erhobene Widerklage steht in einem Eventualverhältnis zu der vorrangig geltend gemachten Aufrechnung der Beklagten gegenüber der Klageforderung und entspricht dieser in voller Höhe. Bezüglich einer Klage, der gegenüber mit der durch Eventualwiderklage geltend gemachten Forderung aufgerechnet ist, ist ein Teilurteil unzulässig (OLG Düss NJW-RR 1995, 575; OLGR Frankfurt 2005, 509). Ansonsten ist eine Widerspruchsfreiheit zwischen einem Teilurteil betreffend die Klage und einem Schlussurteil hinsichtlich der Eventualwiderklage nicht sicherzustellen.
Hinsichtlich der Einzelforderungen des Klägers, bei denen die Höhe der vereinbarten Transportvergütung streitig gewesen ist, hat das Landgericht überdies § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO unberücksichtigt gelassen. Die vom Landgericht gewählte Vorgehensweise, über den unstreitigen Sockelbetrag der Vergütung für die entsprechenden Transportverträge vorab zu entscheiden, wäre - ohne das Verfahrenshindernis der Aufrechnung der Beklagten mit Eventualwiderklage - nur zulässig gewesen, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergangen wäre. Daran fehlt es hier.
Das Berufungsgericht kann hier von der Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO Gebrauch machen, obschon nach der Rechtsauffassung des Landgerichts die zuerkannten Ansprüche des Klägers keiner weiteren Sachaufklärung bedürfen. Anlass zur Zurückverweisung besteht bereits deshalb, weil bislang ein Schlussurteil nicht ergangen ist.
Für die erneute mündliche Verhandlung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche - soweit sie Gegenstand des angefochtenen Teilurteils sind - weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Beklagte hat eine Vielzahl von Transportaufträgen zu den Akten gereicht, die neben den konkreten Vereinbarungen zu dem einzelnen Transportauftrag gleichlautende "Weitere Vereinbarungen" ausweisen. Eine dieser Vereinbarungen hat den Wortlaut: "Forderungen von ReiCo gegen Ihr Unternehmen - auch zu Transport- und Vermögensschäden - können mit der Fracht verrechnet werden". Beispielhaft wird auf den Transportauftrag vom 8.4.2004 verwiesen (Bl. 184 d.A.). Mit dieser Formulierung könnte bei der Maßgeblichkeit der ADSp im Übrigen Ziffer 19 ADSp abbedungen worden sein. Zugleich könnte sich die Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten darstellen, die für alle hier streitbefangene Transportaufträge Geltung hat. Das Landgericht wird ferner die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung zur Frage der Verjährung zu überprüfen haben. Das vom Landgericht herangezogene Anerkenntnis der streitbefangenen Forderungen des Klägers durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 31.8.2004 ist nicht an die Zedentin und Schuldnerin gerichtet. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Mitteilung und vermutlich auch des Zugangs des Schreibens der Beklagten waren die Adressaten bzw. der Rechtsanwalt N... noch nicht Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde erst am 22.9.2004 eröffnet. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich aus dem Text des Schreibens der Beklagten ergibt, dass die Beklagte über die Forderungen zuvor bereits mit dem "Rechtsvertreter" des Klägers gesprochen haben will. Diese Formulierung erweckt den Eindruck, dass die Abtretung der Forderungen gemäß der Abtretungsvereinbarung des Klägers mit der Schuldnerin vom 5.5.2003 der Beklagten gegenüber offen gelegt worden war. Wäre dem so, ist nicht von einem Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 BGB auszugehen. Die Anerkenntniswirkung tritt nur ein, wenn die entsprechende Erklärung dem Gläubiger gegenüber abgegeben wird. Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Aufhebende und zurückverweisende Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rn. 59).
Ende der Entscheidung
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