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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.04.2007
Aktenzeichen: 7 U 170/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO
Vorschriften:
HGB § 1 Abs. 1 | |
HGB § 1 Abs. 2 | |
HGB § 17 Abs. 1 | |
HGB § 18 Abs. 1 | |
HGB § 19 Abs. 1 Nr. 1 | |
HGB § 25 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 166 Abs. 1 | |
BGB § 433 Abs. 2 | |
ZPO § 529 Abs. 1 | |
ZPO § 531 Abs. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
7 U 170/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 4.4.2007
Verkündet am 4.4.2007
in dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Richter am Oberlandesgericht Hein, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth
auf die mündliche Verhandlung am 7.3.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des am 16.8.2006 verkündeten Urteils der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam verurteilt, an die Klägerin 46.044,51 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Forderungen aus Warenlieferungen an die Boutique ... ..., Inhaberin M... R..., in den Jahren 2002 und 2003 in Anspruch genommen. Sie hat einen Betrag von 46.044,51 € geltend gemacht, der sich aus 19 Einzelrechnungen ergeben soll.
Die Klägerin hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäftes bei Firmenfortführung für haftbar gehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.044,51 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin, den Bestand der streitbefangenen Einzelforderungen und die Voraussetzungen für eine Haftung für Altverbindlichkeiten bei Firmenfortführung bestritten.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.8.2006 abgewiesen. Es hat eine Haftung der Beklagten für Verbindlichkeiten der Frau M... R... als Inhaberin der Firma Boutique ... ... nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB verneint, weil die Klägerin die Firma der Frau M... R... nicht fortgeführt habe. Soweit von der Beklagten im Betrieb des Textilgeschäftes, das zuvor von Frau M... R... unter der Firma Boutique ... ... geführt wurde, die Bezeichnungen ... ... oder Modeboutique ... ... weitergenutzt wurden, habe es sich nicht um einen firmenmäßigen, sondern um einen werbemäßigen Auftritt der Beklagten gehandelt.
Das Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 24.8.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat gegen das Urteil am 22.9.2006 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.11.2006 am 9.11.2006 begründet hat.
Die Klägerin verfolgt den Klageanspruch weiter und beanstandet die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht.
Die Klägerin beantragt,
1. das am 16.8.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 6 O 416/05, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 46.044,51 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2004 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist ohne, notfalls gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Bezahlung der streitbefangenen Warenlieferungen aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB.
Es ist davon auszugehen, dass den streitbefangenen Warenlieferungen der Klägerin an die Firma Boutique ... ..., Inhaberin M... R..., Kaufverträge zugrunde lagen. Eine andere rechtliche Grundlage für die Warenlieferungen ist nicht erkennbar. Deshalb ist das Landgericht zutreffend von entsprechenden Kaufverträgen zwischen der Klägerin und Frau M... R... ausgegangen. Dieser rechtlichen Bewertung des den Warenlieferungen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ist die Beklagte im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich mithin aus § 433 Abs. 2 BGB.
Die Klägerin ist auch Inhaberin der geltend gemachten Kaufpreisansprüche. Das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch die Beklagte in zweiter Instanz ist unerheblich.
Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich die Aktivlegitimation der Klägerin unter Hinweis darauf in Frage gestellt, dass der Sitz der Klägerin ausweislich der Klageschrift ein anderer sei als der der T... M... GmbH, die Frau M... R... belieferte. Die Lieferantin der Frau M... R... mit der Firma der Klägerin sei in der K... Straße 183, D..., ansässig gewesen. Die Klägerin gebe als Anschrift jedoch lediglich die Anschrift ihrer Prozessbevollmächtigten unter Beifügung der Kürzel "c/o" an.
Die Klägerin hat in Erwiderung jenes Einwandes dargelegt, dass sie mit der Gesellschaft identisch sei, die zuvor in der K... Straße 183, D..., ansässig war. Sie hat zur Veränderung ihrer Anschrift ausgeführt, sie habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und ihren Verwaltungssitz in die Geschäftsräume ihrer Prozessbevollmächtigten verlegt. Hiervon sei das Amtsgericht Düsseldorf in der Handelsregistersache anlässlich der beabsichtigten Löschung der Klägerin von Amts wegen von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin informiert worden. Das Amtsgericht Düsseldorf habe daraufhin das Amtslöschungsverfahren eingestellt.
Dieser Sachverhaltsdarstellung der Klägerin ist die Beklagte in erster Instanz nicht mehr entgegengetreten. Sie ist deshalb als unstreitig zu behandeln. Deshalb kann die Beklagte mit ihrem erneuten pauschalen Bestreiten der Identität der Klägerin mit der Berufungserwiderung nicht gehört werden.
Der Bestand der Einzelforderungen (und damit der Klageforderung als solcher) wird von der Beklagten nicht hinreichend bestritten.
Die Klägerin hat schriftsätzlich die Einzelforderungen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, jeweils unter Angabe der Rechnungsnummer, des Rechnungsdatums und des Rechnungsbetrages benannt. Einer weiteren Darlegung der einzelnen Kaufverträge bedurfte es nicht. Die Beklagte kann die den abgerechneten Lieferungen zugrunde liegenden Verträgen zwischen der Klägerin und Frau M... R.., handelnd unter der Firma Boutique ... ..., nicht mit Nichtwissen bestreiten. Die Beklagte hat eigene Kenntnisse der Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Frau M... R... als Inhaberin der vorgenannten Firma. Sie muss sich die Kenntnisse der Frau M... R... als Inhaberin der Firma Boutique ... ... zurechnen lassen, da diese gleichzeitig - jedenfalls seit dem 1.1.2004 - Geschäftsführerin der Beklagten war, § 166 Abs. 1 BGB. Darauf, dass sie gegenwärtig nicht mehr Geschäftsführerin der Beklagten ist, kommt es nicht an. Sie ist als Geschäftsführerin der Beklagten erst durch die Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7.6.2005 abberufen worden, also zu einem Zeitpunkt, der nach den hier in Streit stehenden Lieferbeziehungen zwischen der Klägerin und ihr als Einzelkauffrau liegt. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten ihrer Beschlussfassung zur Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin ausdrücklich Rückwirkung zum 1.1.2004 beimaß. Der beabsichtigten Rückwirkung der Abberufung kann keine Außenwirkung zukommen. Frau M... R... hat die Beklagte selbstverständlich bis zu ihrer Abberufung organschaftlich vertreten. Auch die Zurechnung von Wissen aus diesem oder einem früheren Zeitraum kann nicht durch eine beschlossene Rückwirkung der Abberufung beseitigt werden.
Die Beklagte haftet für die Kaufpreisforderungen der Klägerin gegen Frau M... R... als Inhaberin der Firma Boutique ... ... unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB.
Die Haftung nach dieser Bestimmung knüpft an zwei Voraussetzungen an, nämlich den Erwerb eines Handelsgeschäftes und die Fortführung desselben unter der bisherigen Firma. Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Beklagte hat das kaufmännische Handelsgeschäft, das Frau M... R... unter der Firma Boutique ... ... führte, von dieser erworben.
Frau M... R... führte ihre Boutique in den Räumen H...-Straße 15, P..., bis zum 15.3.2004. Danach wurde in denselben Räumen von der Beklagten der Verkauf von Damen- und Herrenbekleidung durchgeführt. Mithin ist von einer - zumindest im Wesentlichen - Identität des von der Beklagten wahrgenommenen Unternehmensgegenstandes und der Geschäftsräume auszugehen.
Ferner hat die Beklagte einen Teil des zuvor aus vier Mitarbeitern bestehenden Personals des Handelsgeschäftes der Frau M... R... übernommen, indem sie Frau M... R... zum 1.4.2004 zur Verkaufsstellenleiterin in den vorgenannten Geschäftsräumen bestellte.
Die Beklagte hat weiterhin die Einrichtung des Geschäftes der Frau M... R... übernommen. Wenn in der Folge ein Verkauf von Einrichtungsgegenständen stattfand, steht das der Heranziehung der Übernahme der Geschäftseinrichtung als Indiz für einen Erwerb des Handelsgeschäftes nicht entgegen. Ob anderes gelten würde, wenn die Beklagte die in dem Geschäft der Frau M... R... befindlichen Einrichtungsgegenstände vollständig oder überwiegend sofort aus dem Geschäft entfernt und veräußert hätte, kann dahinstehen. Eine entsprechende Vorgehensweise wird von der Beklagten zwar behauptet. Die Klägerin hat diesen Vortrag jedoch bestritten, ohne dass die Beklage hierauf substanziiert zu der behaupteten gesonderten Veräußerung von Einrichtungsgegenständen vorgetragen hätte. Der weitere Vortrag der Beklagten, sie habe im Verlaufe des Jahres 2004 Einrichtungsgegenstände für die vorgenannten Geschäftsräume hinzu erworben, steht der Annahme der Übernahme der Einrichtung des Geschäftes nicht entgegen.
Ebenso ist von der Übernahme des Warenbestandes des zuvor von Frau M... R... betriebenen Handelsgeschäftes auszugehen.
Die Beklagte hat als Anlage B 12 eine umfängliche Auflistung der übernommenen Ware zu den Akten gereicht. Aus dieser Auflistung ergibt sich, dass diese Ware zwischen dem 15.3.2004 und dem 30.11.2004 verkauft wurde. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, die von ihr aufgeführte Ware sei nicht in den Räumen H...-Straße 15, P..., betriebenen Geschäfts verkauft worden. Der Vortrag, diese Ware sei außerhalb des Modegeschäfts in einem so genannten Outlet verkauft worden, ist unsubstanziiert. Es fehlt Vortrag dazu, wo - wenn nicht in dem vorgenannten Geschäft - dieser Verkauf stattgefunden haben soll. Der ergänzende Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.2.2007 führt nicht zu einer anderen Bewertung. Mit diesem Schriftsatz verweist die Beklagte darauf, dass die in Rede stehende Ware an einem anderen Ort, nämlich in der G...straße 87 in P... verkauft worden sei. Die Beklagte hat ausdrücklich vorgetragen, dass die Geschäftsräume in der G...straße 87 erst am 30.11.2004 übernommen wurden. Die von der Beklagten mit der Anlage B 12 dokumentierte Ware wurde jedoch bereits vor bzw. bis zum 30.11.2004 verkauft. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zwar geltend gemacht, der Vortrag mit dem Schriftsatz vom 22.2.2007 sei unzutreffend und beruhe auf Irrtum. Tatsächlich habe sie die Geschäftsräume in der G...straße 87 am 30.11.2004 an den Vermieter übergeben. Dieser Vortrag ändert jedoch nichts an der Bewertung ihres Vortrages zum Verbleib des Warenbestandes aus dem Geschäft der Frau M... R... als unzureichend. Ihr Vortrag zu dem Verkauf dieser Ware in anderen Räumlichkeiten ist gemäß §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, soweit er über den erstinstanzlichen - unzureichenden - Vortrag hinausgeht. Ein Zulassungsgrund neuen Vortrags gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ist nicht dargetan. Außerdem ist der Vortrag als streitig zu behandeln, nachdem die Klägerin den im Termin zur Richtigstellung von der Beklagten vorgetragenen Sachverhalt zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten hat.
Für einen Erwerb des Handelsgeschäftes der Frau M... R... steht weiterhin die Tatsache, dass die Beklagte die zuvor von Frau M... R... für den Betrieb ihres Handelsgeschäftes genutzte Telefonnummer weiter nutzte.
Die Beschriftung des Geschäftslokals und der Internetauftritt des zuvor von Frau M... R... geführten Geschäftes blieb ebenfalls erhalten.
Die Beklagte hat außerdem bezüglich des von der Frau M... R... erworbenen Handelsgeschäftes die Firma der früheren Inhaberin fortgeführt.
Im vorliegenden Fall entfällt eine Haftung der Beklagten wegen Fortführung des wesentlichen Kerns der Firma der Frau M... R... nicht deshalb, weil diese Bezeichnung keine Firma gewesen wäre.
Die von M... R... im Betrieb ihres Geschäftes mit Textilien geführte Bezeichnung ist eine Firma im Sinne des Handelsrechts.
Nach § 17 Abs. 1 HGB ist die Firma des Kaufmanns der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Die frühere Geschäftsinhaberin war während des Betriebs ihres Textilhandels Kaufmann bzw. Kauffrau.
Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt, § 1 Abs. 1 HGB. Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, § 1 Abs. 2 HGB. Der kaufmännische Gewerbetrieb muss also eine kaufmännische Einrichtung erfordern. Dies bedeutet unter anderem, dass er einer kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung bedarf. Wesentliche Kriterien für deren Notwendigkeit ist die Vielfalt der Erzeugnisse und Leistungen und der Geschäftsbeziehungen, die Inanspruchnahme von Kredit, die Teilnahme am Wechselverkehr, das Umsatzvolumen und die Beschäftigung von Mitarbeitern (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 1, Rn. 23).
Hier ergibt sich aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien, dass Frau M... R... in den Jahren von 2000 bis 2003 Jahresumsätze von 800.000,00 € erzielte. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Insolvenzgutachten betreffend Frau M... R... ist ersichtlich, dass diese in den Jahren von 1997 bis 2001 Umsätze von über 1.000.000,00 DM und in den Jahren 2002 und 2003 Umsätze von ca. 400.000,00 € erzielte. Aus diesen Umsatzzahlen folgt zugleich, dass Frau M... R... eine Vielzahl von Einzelverkäufen tätigen musste, um diese Umsätze zu erreichen. Ausweislich des Insolvenzgutachtens hatte Frau M... R... Geschäftsverbindungen zu mindestens drei Banken. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin bestanden im Jahre 2003 Verbindlichkeiten der Frau M... R... aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 400.000,00 €. Ausweislich des von der Beklagten zu den Akten gereichten Insolvenzgutachtens ergaben sich Mietrückstände in Höhe von 103.800,44 €. Die Klägerin hat ebenso unter Vorlage einer Fotokopie dargetan, dass Frau M... R... am 23.9.2003 einen Wechsel über 50.000,00 € ausstellte. Schließlich waren in dem Geschäft der Frau M... R... zwei Mitarbeiter und zwei Auszubildende beschäftigt.
Frau M... R... führte mithin unter der Bezeichnung Boutique ... ... ein kaufmännisches Handelsgeschäft. Die Bezeichnung, unter der sie im Betrieb ihres Handelsgeschäftes auftrat - z. B. auf Briefbögen - ist deshalb als Firma im Sinne des Handelsrechtes zu behandeln. In diesem Zusammenhang ist es unschädlich, dass die von Frau M... R... im Handelsverkehr verwendete Bezeichnung ihres Gewerbebetriebes nicht der firmenrechtlichen Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB entsprach, weil sie keinen Hinweis auf den einzelkaufmännischen Charakter der Unternehmensinhaberin enthielt. Die Bezeichnung, unter der Frau M... R... ihren Gewerbebetrieb führte, war trotz dieses Verstoßes gegen das Firmenrecht eine Firma, deren Weiterführung durch den Erwerber des Handelsgeschäftes zu einer Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB führt. Die fehlerhafte Firma enthält jedenfalls einen Namensbestandteil, der zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet ist, und Unterscheidungskraft besitzt, § 18 Abs. 1 HGB. Der Gebrauch dieser Bezeichnung als Firma eines einzelkaufmännischen Unternehmens wurde den Kunden und Geschäftspartnern der Frau M... R... bereits dadurch deutlich, dass sie den Namen ihres Gewerbebetriebes jedenfalls im schriftlichen Verkehr jeweils mit einem Hinweis auf ihre Inhaberschaft versah.
Aus der - maßgebenden - Sicht der beteiligten Verkehrskreise ist eine Firmenfortführung anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma eine so prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers die Fortführung der bisherigen Firma sieht. Es kommt nicht darauf an, dass die alte Firma unverändert fortgeführt wird. Es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH NJW 2006, 1001, 1002). Danach liegt hier eine Firmenfortführung vor.
Die Beklagte hat zwar ihre eigene Firma, die zunächst ... ... Handelsgesellschaft mbH lautete, gemäß Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung vom 3.3.2004 dahingehend abgeändert, dass sie nunmehr ... Handelsgesellschaft mbH heißt. Gleichwohl hat sie nach den vorstehend ausgeführten Kriterien für eine Firmenfortführung in Bezug auf das von der Frau M... R... erworbene Handelsgeschäft deren Firma fortgeführt. Sie hat in der eigenen Firma bis zum Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung vom 3.3.2004 ebenfalls die Worte ... ... als prägenden Firmenbestandteil geführt. Es mag dahinstehen, ob die Verkürzung des prägenden Bestandteils der Firma der Beklagten auf die Anfangsbuchstaben der Worte ... ... (...) nicht in dem geschäftlichen Umfeld des von der Frau M... R... erworbenen Handelsgeschäftes als Fortführung des alten Handelsnamens wahrgenommen werden konnte. Indiz hierfür könnte der anwaltliche Schriftsatz der Beklagten vom 22.2.2007 sein, in dem sie von ihrem Prozessbevollmächtigten mit der Firma ... ... Handelsgesellschaft mbH benannt wird. Zwischen den Parteien ist jedenfalls unstreitig, dass die frühere Inhaberin des von der Beklagten erworbenen Handelsgeschäftes jenes Geschäft mit dem Schriftzug ... ... versah. Unter diesem Stichwort warb sie in den Schaufenstern und in ihrem Internetauftritt. Im Telefonbuch erschien sie unter der Bezeichnung "... ... Boutigue". Diese Bezeichnungen des Geschäftes wurden von der Beklagten nach Übernahme des Geschäftes weiter verwandt. Die Beklagte führte mithin das erworbene Handelsgeschäft unter Nutzung des prägenden Bestandteils der Firma der früheren Inhaberin fort. Diese Praxis findet ihre Ergänzung in der Bezeichnung des von der Beklagten fortgeführten Geschäftes als Modeboutique ... ... durch die Verkäuferinnen der Beklagten bei der Entgegennahme von Telefonanrufen.
Die vorgenannten Modalitäten der Geschäftstätigkeit der Beklagten in den früheren Geschäftsräumen der Frau M... R... erwecken gegenüber dem Kreis der bisherigen Kunden und Lieferanten der früheren Geschäftsinhaberin den Eindruck der Kontinuität des Unternehmens. Die Weiterverwendung der alten Firma oder jedenfalls des prägenden Bestandteils dieser Firma entspricht einer Fortführung der alten Firma und nicht lediglich einer Weiterverwendung einer so genannten Etablissement- oder Geschäftsbezeichnung. Die Fortführung einer Firma - unverändert oder hinsichtlich ihres prägenden Namenbestandteils - durch den Erwerber des Handelsgeschäfts - lässt diesen Handelsnamen auch dann nicht zu einer Etablissementbezeichnung werden, wenn die Nutzung der Firma des früheren Inhabers auch im Bezug auf die Geschäftsräume erfolgt. Von einer Etablissementbezeichnung ist auszugehen, wenn die Bezeichnung eines bestimmten Geschäftslokals als Geschäftsbezeichnung, nicht aber als Firma denkbar ist.
Die vom Landgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen firmenmäßiger und werbemäßiger Weiternutzung einer Geschäftsbezeichnung findet in der vom Landgericht hierzu angeführten Literatur und Rechtsprechung keine Stütze. Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Senates vom 27.5.1998 (OLG Brandenburg, NJW-RR 1999, 395, 396) hatte die Inanspruchnahme des Erwerbers eines Hotels mit Forderungen für Lieferungen an den früheren Inhaber zum Gegenstand. Die Inanspruchnahme erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Erwerber des Hotels dieses unter der bisherigen Bezeichnung "Strandhotel I..." fortführte. Der Senat hat in jener Entscheidung angenommen, dass es sich bei der Bezeichnung lediglich um eine Etablissemententscheidung handele und deshalb eine Haftung des Erwerbers für Verbindlichkeiten des früheren Betreibers nicht in Betracht komme. Diese Rechtsauffassung entsprach der dem zu entscheidenden Fall zugrunde zu legenden Rechtslage, nach der eine Phantasiefirma für ein einzelkaufmännisches Unternehmen unzulässig war. Das ist nach Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 jedoch nicht mehr der Fall. Auch die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 16.9.2005 (NJW-RR 2005, 1359 f.) hat einen anderen Sachverhalt als den hier zur Entscheidung stehenden zum Gegenstand. In jener Entscheidung nahm ein Gläubiger eines unter der Firma M Werbeagentur e.K. handelnden Kaufmanns dessen Lebensgefährtin in Anspruch, die unter der Bezeichnung M online im gleichen Geschäftsbereich, das heißt der online-Werbung tätig war. Das Landgericht hat eine Haftung gemäß § 25 Abs. 1 HGB unter Hintanstellung der Frage, ob die Beklagte überhaupt das Handelsgeschäft ihres Lebensgefährten übernommen hat, verneint, weil die Beklagte selbst keine Firma führe und daher auch nicht diejenige ihres Lebensgefährten fortführe.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 46.044,51 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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